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Schloss Tegel

von

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„Genau, ein Adelswappen. Ein abgeschlagener Stamm, beidseitig mit einem Ast und Blatt. Ich habe es auf dem Briefpapier gesehen, das Richard erhalten hat. Und ich habe es heute Morgen auf den Koffern Ihres Halbbruders wiedererkannt.“

„D-das heißt…“

„Dass es wohl Richard war, der Ihren Halbbruder über das Befinden Ihrer Mutter informiert hat.“

Alexander schüttelte den Kopf und erhob sich vom Bett.

„Bitte, Robert. Nenn ihn einfach Ferdinand. Oder Kanaille.“

„Oh, Entschuldigung.“

Alexander winkte ab. „Schon gut.“ Er wandte sich wieder zu seinem Kammerdiener um. „Aber wieso hat Richard das getan? Was hat ihm Ferdinand dafür denn geboten?“

Robert erhob sich ebenfalls vom Bett, zuckte mit den Schultern. „Eine bessere Stelle?“

Alexander sah den anderen skeptisch an. „Noch besser als der erste Diener auf Schloss Tegel?! Was soll das sein?“

Robert schenkte ihm ein Grinsen. „Kammerdiener auf Schloss Tegel?“

Der junge Baron musste das Grinsen erwidern. Schließlich wurde er jedoch wieder ernst.

„Gut. Dann hat Ferdinand Richard also angeboten, wenn er Herr auf Schloss Tegel ist, sein Kammerdiener zu werden.“

„So sieht es aus, mein Herr, ja.“

„Und dieser Halunke glaubt also wirklich, er kommt damit durch?!“

Robert sah den Baron nachdenklich an.

„Was wollen Sie dagegen tun, Alexander? Denken Sie nicht, dass Ihre Mutter genau weiß, wieso Ferdinand da ist?“

„Ja, das weiß sie.“, gab Alexander widerwillig zu, „Sie hat es selbst gesagt.“

„Und meinen Sie, es ändert etwas an ihrer Meinung von Ferdinand, wenn Sie ihr erzählen, dass er durch Richard über ihren schlechten Gesundheitszustand Bescheid weiß? – Gut, sie könnte Richard entlassen…“

„Das könnte sie, in der Tat, aber das würde uns auch nicht weiterhelfen.“

„Also?“

Alexander wandte seinem Kammerdiener den Rücken zu und breitete die Arme aus.

„Meinen Gehrock.“

Robert brauchte etwas, bis er verstanden hatte, denn normalerweise war er es immer, der seinen Herrn auffordern musste, sich angemessen einzukleiden.

„Ich gehe nach unten.“

„Sie werden aber doch nichts Leichtsinniges tun, oder?“, fragte Robert besorgt nach, während er dem jungen Baron die Knöpfe schloss.

„Nein, ich möchte mich nur für meinen plötzlichen Abgang entschuldigen.“

Roberts Augen weiteten sich. „Bei Ihrer Familie etwa?!?“

Alexander musste lachen. „Beim Leutnant.“

Robert atmete erleichtert aus. „Und ich dachte schon, Ihnen ginge es nicht gut…“
 

Als Alexander in den Speisesaal kam, war dieser Menschenleer. Der Tisch war mittlerweile wieder abgeräumt, die Tischdecke getauscht und die Stühle sorgfältig an ihren Platz geschoben.

Also machte sich der junge Baron auf den Weg in den Salon, wo er Wilhelm, Caroline und ihre kleine Tochter antraf. Wortlos trat er auf seinen Bruder zu, da er nicht wollte, dass Caroline mithört, aber bei der Stille, die herrschte, war das fast aussichtslos.

„Weißt du, wo Herr von Kleist sich aufhält?“

Wilhelm warf ihm einen erwartungsvollen Blick zu.

„Ja, gut, es tut mir Leid, dass ich überreagiert habe.“, lenkte Alexander ein, „Magst du mir nun sagen, wo ich Herrn von Kleist finden kann?“

Wilhelm drehte sich auf seinem Sessel um und wandte ihm den Rücken zu.

„In der Bibliothek.“, murmelte er.

„Danke.“, verabschiedete sich Alexander.

Als er schon an der Tür war, äußerte sich Wilhelm erneut.

Alexander drehte sich noch einmal zu ihm herum. „Wie bitte?“

Sein Bruder sah zu ihm herüber.

„Ich sagte, Mama musste sich hinlegen.“

„Oh.“

Ein wenig unbeholfen stand Alexander noch eine Weile im Raum, bevor er den Salon wieder verließ.

Er lief die große Treppe in der Eingangshalle hinauf und bog rechts ab. Der Gang war leer; er wollte jetzt auf keinen Fall auf Ferdinand treffen.

Er wusste nicht, ob es eigentlich seine Pflicht war, bei seiner Mutter vorbeizuschauen, oder ob sie ihn lieber nicht sehen wollte. Da der junge Leutnant ihn magisch anzuziehen schien, entschied er sich für Letzteres und betrat die Bibliothek.
 

Heinrich von Kleist saß auf Wilhelms Lieblingssessel und las ein dickes Buch. Er hatte seine Beine übereinandergeschlagen und seinen Rücken gekrümmt, sodass er fast in das Buch eintauchen konnte. Sein Gesicht schien angespannt, seine Augen fixiert. Er leckte sich über die Lippen.

Alexander räusperte sich.

Sofort sah der junge Mann zu ihm auf, wobei er das Buch aufs Entzückendste besitzergreifend an seine Brust drückte.

„Oh, Herr…Herr Baron von Humboldt…!“ Hastig erhob er sich.

„Herr von Kleist, bleiben Sie doch sitzen.“

Alexander lief zu ihm hinüber und nahm neben ihm auf einem weiteren Sessel Platz.

„Wenn…wenn Sie ungestört sein wollen, Herr Baron, dann…!“

„Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten, wenn Sie das Buch eine Weile entbehren können.“

Kleist schien etwas verdutzt, setzte sich aber doch wieder und legte das Buch auf seinem Schoß ab.

„Genauer genommen“, fing Alexander an, „möchte ich mich bei Ihnen für mein Benehmen heute Morgen entschuldigen.“

Kleist sah genauso überfordert aus, wie beim gestrigen Mittagessen, als er nicht wusste, was er sagen sollte. Seine Wangen nahmen wieder diesen gesunden Rotton an und ließen ihn noch ein wenig jünger aussehen.

„E-entschuldigen Sie, a-aber…Ich wüsste nicht, wieso Sie sich entschuldigen – bei mir, meine ich, bei mir entschuldigen. Sollten.“

„Weil meine Familie mein schlechtes Benehmen gewöhnt ist, deshalb.“, entgegnete Alexander mit einem lieblichen Grinsen. Er war einfach nur entzückt vom Anblick seines Gegenübers.

„Oh, das…“ Kleist räusperte sich, seine Finger spielten nervös mit dem Buch auf seinem Schoß. Schließlich musste er aber doch das Lächeln erwidern.

Der junge Baron bekam das nur nicht so recht mit, denn er war gerade fasziniert von den Händen des Leutnants. Die Finger wirkten so grazil, die Hand so sanft…Er konnte nicht glauben, dass diese Hände jemals ein Gewehr gehalten hatten.

Mit einer wohl überlegten Geste; das war es, was er sich jedenfalls einredete; griff er nach eben diesen Händen, löste die Finger mit der eigenen Rechten zärtlich vom Buch, legte sie in seine Linke. Mit der anderen Hand nahm er Kleist das Buch vom Schoß.

„Was lesen Sie denn?“, fragte er mit einem Lächeln und ließ die wunderbaren Hände wieder aus seiner gleiten, bevor er zu ihrem Besitzer mit einem Lächeln aufsah.

Was Alexander dort sah, ließ ihn einen Moment nicht zu Atem kommen: Kleist war verstört. Seine Augen waren geweitet, die Augenbrauen gekräuselt, die Wangen und die Ohren so rot, wie die Laschen an seiner Uniform. Aber er war nicht wütend. Er war nicht verärgert. Alexander kannte diesen Blick. Oder nicht? Er hatte ihn doch schon tausendmal gesehen, bei den Jungen, bei Ida. Da konnte er sich doch nicht hier täuschen, oder…?

Kleist war Leutnant. Er war ein Mann aus dem Adel. Doch, definitiv. Sehr wohl musste er sich hier täuschen.

„Herr von Kleist?“

„Ah, w…?! J-ja?“

„Ich hatte Sie gefragt, was Sie lesen?“, wiederholte Alexander und tat das, was er eigentlich vorgehabt hatte: Er besah sich den Einband des Buches.

„Oh, nur…i-ich…“

„»Griechische Mythen und Heldensagen«“, las Alexander vor.

„Ja, die…die Mythologie, das…das interessiert mich.“

„Mich auch.“, entgegnete der junge Baron.

„Tatsächlich?!“, kam es von Kleist entzückt, „Ich finde es ganz faszinierend, wie…wie die Autoren damals noch Pathos – ausdrücken, mein ich, konnten. D-das…wenn einen das packt und…! Das konnten in unserer Zeit nur noch Schiller – und Goethe.“

„Da haben Sie Recht.“, gab ihm Alexander Recht und war wieder beeindruckt davon, wie sein Gegenüber an dieser Sache aufzublühen schien, „Pathos und Eros. Leidenschaft und Liebe. Das sind Dinge, die einen Menschen beflügeln.“

Kleist nickte zustimmend.

Alexander musste darauf achten, dass ihn Pathos und Eros in diesem Moment nicht zu sehr beflügelten. Seufzend stand er auf.

„Wo haben Sie das Buch denn her?“, fragte er, damit Kleist aufsprang und ihm zwischen die hohen Regale folgte.

„Hier.“ Kleist blieb vor einer Lücke zwischen den Buchrücken stehen, und da Alexander ihm das Buch entgegen hob, nahm er es ihm aus der Hand, um es zurück ins Regal zu stellen.

Der junge Baron lief weiter zu den Fenstern, wohin ihm Kleist folgte.

„Sie sind wohl etwas überrascht, über unseren unerwarteten Gast, nicht?“, fing Alexander an, während er hinab in den Garten sah.

„J-ja, das…das bin ich…ehrlich gesagt…“, antwortete ihm Kleist und stellte sich zu ihm.

„Wenn Sie wollen, erkläre ich Ihnen die Zusammenhänge.“, bot er an.

„I-ich will nicht…das sind Familienangelegenheiten, Herr Baron von Humboldt – ich…“

Alexander sah ihn mit einem Lächeln auf dem Gesicht an und legte ihm eine Hand an den Rücken.

„Nicht doch. Sie haben das Spektakel miterlebt und es stehen Ihnen während Ferdinands Anwesenheit wohl noch einige solcher bevor. Wieso sollte ich Sie also nicht über die Hintergründe aufklären?“

Kleist nickte zögerlich.

„Bitte.“, sagte er, mit einem schüchternen Lächeln.
 

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Ihr wollt sicherlich auch die Zusammenhänge erfahren, nicht? :)

Alex erklärt euch alles im nächsten Kapitel - und ich glaub, ich werd noch einen Stammbaum beisteuern, damit man mal so ne Übersicht hat^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  BloodyMary1342
2011-07-25T11:47:22+00:00 25.07.2011 13:47
na endlich sind die beiden mal allein xD^^
und ich muss kurookami recht geben, die stimmung wirkt wirklich nicht so als wolle Alex ihn über seine Familienverhältnisse aufklären^^

ich mag das Kapi total und hoffe die beiden bleiben noch ein weilchen alleine xD

LG
Von: abgemeldet
2011-07-24T16:58:34+00:00 24.07.2011 18:58
*Schwups* da fliegt der liebe Alex...^^'
Eros und Pathos erwischen jeden Mal, aber Heinrich offenbar recht zeitgleich mit Alex...irgendwie wirkte die Endsituation nicht so, als wolle Alex den Kleinen wirklich über die Familienverhältnisse aufklären...^^
Naja, mal sehen, was draus wird XD
Von:  Ran34
2011-07-24T16:54:47+00:00 24.07.2011 18:54
Eeeeendlich sind die beiden mal allein! >.<
Auch wenn nicht nicht allzu viel passiert, gefällt mir das Kapi sehr gut^^d
Auch, wenn ihc gespannt bin, wie`s weitergeht, so freue ich mich im Moment noch viel mehr auf das neue Kapi von VLE!^^
Du bist wirklich ein fleißiger Schreiberling, deshalb wollte ich dir an dieser Stelle mal für die vielen lieben Kommis und die vielen tollen Kapis danken^^d

lg~
PS: Die FA wurde leider nicht freigeschaltet -.-"


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