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Schloss Tegel

von

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XI

„Nun…“ Alexander strich die Gardinen ein wenig zur Seite, um Belcastel mit seinem Blick durch den Garten folgen zu können. „Wo beginne ich am besten…“ Er ließ die Gardine wieder fallen und wandte sich Kleist zu. „Sie haben wohl mitbekommen, dass er mein Halbbruder ist?“

Der junge Leutnant nickte aufmerksam. „Ja, das habe ich. Nur ist mir nicht klar, wieso er behauptet, dass das Schloss seinem Vater gehört hat. Leben – ich meine…hat Ihre Mutter hier nicht mit Ihrem Vater gelebt?“

„Das hat sie, ja.“, entgegnete Alexander, „Aber nicht immer.“ Er sah wieder hinaus in den Garten. „Ferdinands Vater, Friedrich Ernst von Hollwede, war Mutters erster Mann. Schloss Tegel befand sich schon seit einigen Generationen im Familienbesitz der von Hollwedes, genauso wie das Gut Falkenberg, das unweit von hier gelegen ist. Ernst von Hollwede war eine gute, eine sehr gute Partie für eine junge Frau, die noch keinen Platz in der Gesellschaft gefunden hatte.“

„In der Tat, das…das kann man wohl so sagen.“, warf Kleist ein und ließ den Blick durch die beeindruckende Bibliothek, nur ein Raum des wunderschönen Schlosses, schweifen.

„Drei Jahre nach Ferdinands Geburt ist Ernst von Hollwede gestorben und hat meine Mutter zur Witwe gemacht.“ Alexander musste grinsen. „Zu einer immer noch jungen, wohlhabenden und deshalb äußerst begehrten Witwe. Wissen Sie, Herr von Kleist“, wandte er sich wieder an den anderen, „Sie hätte jeden haben können. Sie hätte in ein alteingesessenes Adelsgeschlecht einheiraten können, einen Herzog, einen Fürsten! – Und für wen hat sie sich letztendlich entschieden?“

„Für Ihren werten Herrn Vater.“, antwortete Kleist, ein wenig ehrfurchtsvoll.

Alexander nicke. Seufzend stützte er sich auf der marmornen Fensterbank ab.

„Sie hat sich für einen Obristwachtmeister außer Dienst entschieden, für einen aus dem pommerschen Beamten- und Offiziersgeschlecht, für einen, der kein Fürst war, sondern Fürsten gedient hat, kein Herzog selbst, sondern der Adjutant eines Herzogs.“

„Immerhin war er doch ein »Baron von Humboldt«.“, bemerkte Kleist, „Also doch ein Adelsgeschlecht.“

Alexander lachte. „Den Titel »Baron« hat erst sein Vater vom König erboten und erhalten.“

„Oh.“ Kleist schien erstaunt. Er blickte vor sich auf den Boden. Schließlich legte er eine seiner wunderschönen Hände an seine Wange, die sich leicht rötlich färbten. „Sie muss ihn wirklich geliebt haben.“

„Mutter?!?“, entgegnete Alexander amüsiert.

„Aber bestimmt.“, beharrte Kleist.

Alexander schüttelte lachend den Kopf.

Als er wieder zu seinem Gegenüber sah, wirkte der ein wenig nachdenklich.

Der junge Baron kam nicht umhin, ihm eine Hand an den Arm zu legen, den Stoff der Uniform unter seinen Fingern zu spüren. „Ist etwas, Herr von Kleist?“

Der junge Mann sah ein wenig unsicher zu ihm auf. „Nun, ich…“ Er grinste leicht. „Ich musste nur an meine Tante denken, was die davon halten wird, wenn sie erfährt, dass Ferdinand der Erstgeborene ist und sie damit ihre Tochter nur auf den Rang drei der Erbfolge ange– “

Kleist verstummte schlagartig und wurde unheimlich rot im Gesicht. Hastig machte er sich von Alexander los, starrte ihn schuldbewusst an.

„I-ich…! Oh, mein Gott, entschuldigen Sie bitte, Herr Baron! Es war nicht meine Absicht, ich…“

Alexander warf dem anderen wohl einen etwas skeptischen Blick zu, weswegen dieser noch aufgeregter wurde.

„Sie sind nicht…! – Ich meine…! Meine Cousine müsste blind sein, wenn sie Herrn von Hollwede Ihnen…vorzieht! S-sie müsste sich jedes Mal – jedes Mal, wenn sie ihm ins Gesicht schaut grün und blau ärgern, weil…!“

Kleist verstummte abermals.

Alexander sah ihn ein wenig benommen an.

„Weil?“, fragte er.

Kleist öffnete seinen Mund. Schloss ihn wieder. Aber Alexander wollte es hören.

„Weswegen, Herr von Kleist?“

„W…weil Sie…“ Kleist räusperte sich. „Sie – a-also, Dorothea. Sie hat mir gesagt, wie hübsch sie…Ihr Gesicht findet. Und ich muss sagen, im Vergleich zu dem Ihres Halbbruders sieht es wirklich…hübsch aus.“ Er räusperte sich abermals.

Alexanders Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Zu einem verblüfften Lächeln.

Gott, konnte das sein?!? Konnte es wirklich sein, dass er sich in Kleist nicht getäuscht hatte?! – Das musste er herausfinden. Und das würde er herausfinden, definitiv.
 

Beim Mittagessen war es nicht schwer, wieder den Platz Kleist gegenüber zu ergattern, da Ferdinand als erster auf den Stuhl seiner Mutter gegenüber zusteuerte, nachdem er dieser auf ihren geholfen hatte.

„Ferdinand.“, sagte die Baronesse, ein unheimlich beherrschtes Lächeln auf ihren Lippen, „So fürsorglich kenne ich dich gar nicht.“

„Im Militär lernt man nicht nur das Schießen, Mama.“, entgegnete ihr Sohn.

Sie lachte. „Nun, ich bin zwar ein wenig älter, aber noch lange nicht so gebrechlich, wie du mich behandelst. Oder ist es wirklich so schlimm um mich bestellt?“

Ferdinand wusste einen Moment nicht, was er sagen sollte; das erste Mal, seit er Schloss Tegel betreten hatte. Alexander machte seiner Mutter mental ein Kompliment dafür.

„Aber nein, Mama.“, antwortete Ferdinand schließlich, „Du siehst kerngesund aus.“

„Danke.“, entgegnete die Baronesse.

Wer aber glaubte, Ferdinand würde diese Lappalie einschüchtern, der hatte sich entschieden getäuscht. Er speiste mit solchen Manieren, wie man sie nach der Ankündigung der Madame von Pannwitz eigentlich vom Herrn von Kleist erwartet hätte, behandelte die Diener mit so viel Respekt, als wenn sie irgendwelche aufgelesenen Landstreicher wären und sprach über solch inadäquate Dinge, die einen kurzweilig die Luft anhalten und beten ließ, dass dieses Mahl bitte schnell vorbei sein würde.

„Alexander, ich glaube, du bist zu wählerisch.“

„So?“, kam es von eben diesem, der, im Vergleich zu allen anderen Anwesend, anscheinend nicht darüber erstaunt war, von seinem Halbbruder mit »du« angeredet zu werden.

„Ja“, bestätigte Ferdinand, den Mund noch voller Geflügel, „Ich meine…Deine Mutter tut bestimmt ihr Bestes, dich an eine Frau zu bringen; du bist, wie alt?“

„Zweiunddreißig.“, antwortete Alexander mit großer Beherrschung und faltete seine Hände auf dem Tisch, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, das Messer nach ihm zu werfen.

„Zweiunddreißig.“, wiederholte Ferdinand, „Du bist also schon zweiunddreißig und sie hat dich immer noch nicht aufgegeben. Ich bin sicher, sie hat dir schon dutzende Kandidatinnen beschafft, aber, ich sag’s ja: Du bist zu wählerisch.“

„Sagt der Herr, der bestimmt schon die Richtige gefunden hat, nehme ich an?“, konterte Alexander mit einem deutlich unechten Lächeln.

Ferdinand winkte ab.

„Ich mach mir nichts vor, Alexander, mich heiratet keine, weil ich gutaussehend bin. Ich bin ein Mann, den man wegen seines Besitzes heiratet, genauso wie mein Vater damals. Und da ich bis jetzt noch nicht so viel Besitz aufweisen konnte, findet die Hochzeit natürlich erst in einem Jahr statt.“

Die Baronesse lachte.

„So viel Zeit gibst du mir also? Das ist charmant.“

„Mama“, wandte Ferdinand sich sofort an sie, „Wenn es nach mir ginge, dann solltest du ewig leben.“

Alexander verdrehte die Augen und war wohl nicht der einzige an dieser Tafel, der dachte: „Ja, sicher…“

„Du tust Alexander aber Unrecht.“, fing Caroline an, was nichts Gutes heißen konnte, „Er ist wählerisch, gut, wieso darf er das nicht sein?, aber ich glaube, wir haben nun die Richtige für ihn gefunden.“

„Tatsächlich?“, fragte Ferdinand interessiert nach und blickte seinen Halbbruder erstaunt an.

„Ja.“, fuhr Caroline fort, „Es ist die Cousine des werten Herrn Leutnants.“

„Oh.“ Ferdinand bedachte nun Kleist mit einem prüfenden Blick. „Nun, wenn sie genauso schnell rotwerden kann, wie ihr Cousin, ist sie sicherlich eine reizende Persönlichkeit.“

Auf diese Worte hin wurde Kleist noch ein wenig roter und sah verzweifelt auf seinen Teller hinab.

Alexander schenkte ihm sofort ein aufmunterndes Lächeln, was aber nicht viel half.

„Jaja, Ihre Cousine wird zufrieden sein, mit meinem Brüderchen.“, machte Ferdinand unbeeindruckt weiter, „Nun gut, er ist der Jüngste, aber wir leben ja zum Glück in einer Zeit, in der nicht mehr nur der Erstgeborene der alleinige Erbe ist, sondern auch die jüngeren Söhne und sogar die Töchter bedacht werden. Außerdem“, er warf Alexander ein breites Grinsen zu, „gibt es sicherlich keine Frau, für die unser Alexander nicht hübsch anzusehen wäre. Nicht, meine Liebe?“

Caroline verstand erst nicht so recht, dass sie die Angesprochene war, aber als sie es verstand, erstarb ihr ihr Lächeln und ihr Gesicht wurde ein wenig dunkler. Sie sah nicht beschämt hinab in ihren Schoß, sondern warf ihrem Ehemann einen Blick zu, um ihm deutlich zu machen, dass sie eben nicht beschämt, sondern empört war. Wilhelm erwiderte den empörten Blick, während Alexander am anderen Ende der Tafel unruhig mit seinen Fingern auf den Tisch trommelte. Er mochte ja nicht viel für seine Schwägerin übrig haben, aber mit solch einer Dreistigkeit konfrontiert zu werden, wünschte er auch ihr nicht.

„So, ich denke, ich werde ein wenig spazieren gehen.“, beschloss Ferdinand, als ihm die Stille anscheinend zu langwierig wurde, „Möchte mich jemand begleiten? Man könnte mir unser schönes Schloss zeigen, ich war schon so lange nicht mehr hier und muss mich ja für die Zukunft hier auskennen.“

„Richard wird sicherlich Zeit dafür finden.“, entgegnete die Baronesse in einer Tonlage, die keine Widerrede duldete.

Also verbeugte sich Ferdinand ein wenig steif, bevor er den Saal verließ.

Alle Anwesenden atmeten erleichtert auf, als er hinfort war. Wilhelm rieb sich die Stirn, eine Geste dafür, dass er äußerst gestresst war. Wie den anderen auch, graute es ihm wohl schon vor dem Abendessen.
 

Alexander graute es nicht vor dem Abendessen, er fieberte dem Abend eher entgegen. Ja, auch wenn Ferdinand an Impertinenz nicht zu übertreffen war, es war Heinrich von Kleist, der ihm den Abend versüßen sollte. Er würde Ferdinand ignorieren, all seine Aufmerksamkeit nur dem jungen Leutnant zukommen lassen und so dessen Gefühlen ein wenig auf den Grund gehen.
 

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Lustig, dass ihr alle dachtet, dass jetzt doch keine Erklärung kommt^^ Aber Alex war ganz brav und hat, wie ich hoffe, ein wenig Klarheit geschaffen :)

Wie versprochen hab ich hier noch einen Stammbaum, damit das Ganze ein wenig übersichtlicher wird :3

http://www.animexx.de/weblog/pic/6078299/6742d517



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  BloodyMary1342
2011-07-26T18:37:09+00:00 26.07.2011 20:37
Ich fand, dass du die Familienverhältnisse sehr gut beschrieben hast (ich hätte keinen zusätzlichen Stammbaum gebraucht, aber es war trotzdem witzig zu sehen, dass jeder mind. 2 Namen hat außer Gabriele xD)
hmmm ich hoffe das Alex und Heinrich den Abend in ruhe gemeinsam verbringen können und nicht gestört werden xD^^

freu mich aufs nächste Kapitel <3

LG x3
Von:  Ran34
2011-07-26T14:37:42+00:00 26.07.2011 16:37
Ich hatte erst die Beführchtung, dass es ein zähes Kapi werden würde, aber du hast mich, zum Glück, positiv überrascht! >.<
Hmm... wenn der älteste Sohn so hässlich ist, dann würde es doch nix ausmachen, wenn ein Pferd ihm, seiner Manieren gerecht, ein paar Tritte verpassen würde, oder? Oh, und es würde mir natürlich seeeeehr leid tun, wenn er dabei unglücklich fällt^^
Ich finde, dass man eigentlich keinen Stammbaum braucht, um mitzukommen, denn du hast das alles sehr verständlich erklärt, sodass man gut folgen konnte.^^d

lg~


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