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Schloss Tegel

von

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XXIII

Diese Nacht hatte Alexander fürchterlich unruhig geschlafen. Er wollte Heinrich nicht verlieren, aber er wusste, dass er ihn niemals so wie eine Frau an sich binden konnte. Er konnte ihm keinen Antrag machen, mit ihm zusammenziehen, sich mit ihm auf diese Art zusammen in der Gesellschaft sehenlassen. Eigentlich eine Ungerechtigkeit. Ob diese Ungerechtigkeit wohl jemals auf Erden beseitigt würde?

Nicht wirklich ausgeruht wurde der junge Baron am Morgen von Robert geweckt. Schon gestern Abend hatte der Kammerdiener seinem Herrn verkündet, wie außerordentlich zufrieden er mit seinen Bemühungen, was die arme Dorothea betraf, war, wie dankbar über seinen Mut und seine Aufopferungsbereitschaft.

„Nun dank mir nicht wieder“, fing Alexander an, „sondern steh mir bei. Es werden zwei schreckliche Wochen werden.“

Robert sah ihn mitfühlend an, während er ihm das Hemd zuknöpfte. „Wissen Sie, mein Herr“, meinte er, „es gibt Methoden, wie Sie den Trennungsschmerz mindern können.“

Alexander sah ihn entsetzt an. „Robert!“

Der Ältere wirkte einen Moment verwirrt, dann begann er zu lachen. „Nein, nein, Alexander, nicht doch. Ich dachte nicht an körperliche Abhilfe. Sofern Sie auch seelisch etwas für Ihren Heinrich empfinden– “

„Meine Seele hing noch nie so an einem anderen Menschen!“

„ – dann versuchen Sie es doch mit Briefen.“

Alexander sah seinen Diener erstaunt an. „Briefe?“

„Ja. Das geschriebene Wort ist der Schlüssel zur Seele. Kennen Sie nicht die Wendung »jemandem das Herz ausschütten«? Dies kann auch in einem Brief geschehen.“

Der junge Baron schien immer überzeugter von der Idee zu werden, das erkannte Robert daran, wie sein Blick sich aufhellte.

Dann jedoch waren seine Augen wieder erloschen. „Ich kann doch aber nicht Heinrich schreiben, wenn seine Cousine in den zwei Wochen keinen einzigen Brief erhält.“

Robert musste schmunzeln. „Natürlich nicht. Ich dachte, so weit würden Sie mitdenken, um zu wissen, dass, wenn Sie Ihrem Heinrich schreiben wollen, Sie selbstverständlich auch Dorothea mindestens die gleiche Anzahl an Briefen zukommen lassen müssen.“

Alexander schien verzweifelt. „Was soll ich ihr denn schreiben?! Du weißt, ich bin kein Romantiker, ich finde gerademal für Männer die richtigen Worte! Was soll ich da einer Frau schreiben, für die ich noch nicht einmal mehr als Mitleid empfinde?!?“

Robert klopfte seinem Herrn beruhigend auf die Schuler. „Es wird Ihnen schon gelingen.“, meinte er, „Der Drang, Ihrem Heinrich zu schreiben, wird so groß sein, dass Sie sich etwas einfallen lassen werden.“

Seufzend ließ sich Alexander den Gehrock zurechtstreichen, bevor Robert ihm die Tür öffnete.
 

Unten in der großen Halle erwartete den jungen Baron ein Déjà-vu: Seine Familie war versammelt, dem Abschied der Gäste beizuwohnen. Die Madame und Dorothea waren reisefertig, hinter ihnen standen Heinrich und der Chauffeur mit den Koffern.

Gerade verabschiedeten sich Dorothea und Caroline aufs Herzlichste, während die Baronesse der Madame die Hand gab.

„Wie freuen uns alle, wenn Sie in zwei Wochen wiederkommen.“, beteuerte die Hausherrin.

Alexander folgte seinen Brüdern, die, einmal ausschweifend (Ferdinand), einmal grazil (Wilhelm) erst die Hand der Madame, dann die Dorotheas küssten. Ferdinand flüsterte Letzterer irgendetwas ins Ohr, was sie erröten ließ. Alexander wünschte ihr eine gute Heimreise.

Der Älteste ignorierte Heinrich ganz, Wilhelm nickte ihm mit einem „Auf Wiedersehen“ entgegen. Nachdem sich der junge Leutnant von der Baronesse und von Caroline mit einem Handkuss verabschiedet hatte, lief Alexander auf ihn zu und nahm seine Hand, die er fest drückte.

„Auf Wiedersehen.“, sagte er leise.

„Auf Wiedersehen.“, entgegnete Heinrich.

Alles Ungesagte konnten sie in ihren Augen lesen.
 

Der erste Tag war der schwerste. Bei Caroline und der Baronesse waren die Eindrücke noch so frisch, dass sie ständig von niemand anderem als Dorothea redeten, was für ein reizendes Mädchen sie sei, was für geistige Vorzüge sie doch genoss, wie traumhaft dieses Bild gewesen, als sie mit Alexander zusammen durch den Garten spaziert war.

Der junge Baron wollte nicht darüber nachdenken, wie es nach der Gartenfeier weiterging. Er wollte es nicht wahrhaben, dass er die Familie von Pannwitz und seinen Heinrich wohl nie mehr sehen würde, wenn er seiner Cousine in zwei Wochen keinen Antrag machte.
 

Der zweite Tag wurde noch schwerer. Erst jetzt begriff Alexander, dass es so, ohne seinen Heinrich, die nächsten vierzehn Tage aussehen würde. Erst jetzt, wo ihm der andere fehlte, begriff er das Ausmaß dessen, was ihn mit diesem jungen Leutnant erwischt hatte. Und diese Erkenntnis überkam ihn so sehr, dass er das erste Mal nicht darüber mit Robert sprechen wollte, sondern es aufschreiben. Aufschreiben für den einzigen, der diese Gefühle verstehen würde.
 

Mein lieber Heinrich,

du wirst merken, dass ich es nicht gewohnt bin, etwas anderes als wissenschaftliche Studien niederzuschreiben, aber ich muss dir ein paar Worte von mir zukommen lassen; geht dies nicht mündlich, so tue ich es schriftlich.

Dazu aufgefordert bin ich durch eine Erkenntnis, die später nicht hätte kommen können: Ich bin verliebt. In einen Mann. – In den wunderbarsten, wunderschönsten, besten, vollkommensten Mann – aber eben in einen Mann. Deshalb wird alles, alles, was kommen mag, nicht einfach werden. Unsere Zeit will so etwas nicht, was wir teilen, man wird uns nicht akzeptieren, nicht zusammen. Aber das soll uns nur noch mehr zusammenschweißen, daran soll unsere Liebe aufgehen, wie Krokusse im Frühling. Ja, wie winterharte Geophyten wird unsere Zuneigung Überdauerungsorgane ausbilden und unsere Liebe zum Blühen bringen!
 

„Gott, das…“

Robert hielt mit dem Staubwedel in der Hand inne und sah fragend hinüber zu seinem Herrn, der sich die Haare raufte.

„Ich will ihm von meiner Liebe schreiben und sinniere von Schwertliliengewächsen!“

Lachend kam Robert zu ihm hinüber. „Zeigen Sie einmal her.“

„Nur der letzte Satz!“

„Ja, ja.“

Der Kammerdiener nahm das Briefpapier auf und las sich das Ende durch. „Ich finde es entzückend. Und versteht Ihr Heinrich nicht etwas davon?“

„Ja, schon…“

„Na also.“

Alexander musste es zulassen, dass Robert ihm grinsend durch die Haare fuhr, bevor er sich wieder seinem Brief, und sein Diener sich dem Staub zuwandte.
 

Robert hielt mich gerade davon ab, diesen Satz durchzustreichen. Ich hoffe, du nimmst es ihm nicht übel, oder mir, dass ich unfähig bin, meine Gedanken, die wirklich an Liebe für dich überquellen, angemessen auszudrücken.

Hier redet alles von deiner Cousine, aber ich will nicht daran denken, welche Erwartungen nun an mich gestellt werden. Ich will nur wissen, was du von mir erwartest. Nur alleine nach deinem Plan will ich meine Zukunft richten, nur was du für mich vorsiehst, das will ich tun. Gerne würde ich mit dir fliehen, irgendwohin, am glücklichsten würde uns das Schicksal zuspielen, wenn ich tatsächlich das Gut erben würde. Sonst weiß ich nicht, wohin, da wir beide doch mehr oder minder mittellos dastehen. Aber wenn du meinst, es wäre besser, wenn wir uns heimlich träfen, am See zum Beispiel, dann wäre ich auch damit zufrieden glücklich, und müssten wir dieses Versteckspiel auch noch als Greise spielen.

Ich finde es gar seltsam, so weit von uns zu denken. Nicht seltsam, weil es mir nicht behagt – im Gegenteil, es erfüllt mich mit einem warmen, herrlichen Gefühl – nein, sondern weil ich noch nie so weit gedacht habe. Noch nicht einmal nur von mir selbst. Hin und wieder träume ich davon, die Neue Welt zu besuchen, Amerika soll wirklich schön sein, aber nie habe ich wirklich Pläne dafür geschmiedet. Und nun schau mich an: Nun sitze ich hier und schmiede nicht nur Pläne für meine Zukunft, sondern für unsere. Unsere gemeinsame Zukunft, weil eine Zukunft ohne dich, mein Heinrich, gibt es für mich nicht mehr. Schon dieser erste Tag ohne dich ist so schwer durchzustehen, dass ich Angst davor habe, wirkliche Angst, dich für immer entbehren zu müssen.

Zweimal hast du mir gesagt, du müsstest dich umbringen, wenn wir nicht mehr zusammen sein könnten. Ich werde dir folgen, wird es so weit kommen.

Lieber würde ich mit noch tausenden Liebesbekundungen schließen, aber der Gedanke an deine Abwesenheit und an die Tatsache, dass mich nun die Pflicht erwartet, auch deiner Cousine einen Brief zu schreiben, mir Worte für sie aus den Fingern zu saugen, damit ich dir diese zukommen lassen kann, betrüben mich gar zu sehr.

Darum lies dir noch einmal den Anfang meines Briefes durch, damit du mir – hoffentlich bald – mit freundlichen Worten antworten kannst.

In Liebe

Dein Alexander
 

Alexander streckte sich seufzend.

Robert sah ihn schmunzelnd an. „Ich entnehme Ihrer Miene, dass es jetzt daran geht, Dorothea zu schreiben?“

„Du liegst richtig.“, entgegnete sein Herr.

„Ich glaube fest an Sie.“, machte Robert ihm Mut und wuschelte ihm mit dem Staubwedel entgegen.

Alexander grummelte nur.

Geschlagene fünf Minuten saß er vor einem leeren Blatt Papier.

„Fangen Sie damit an, dass Sie sie vermissen. Jetzt schon. Und so weiter.“
 

Liebe Dorothea,
 

„Ist »Liebe Dorothea« angemessen?“

Robert sah ihn skeptisch an. „Nun gut.“, meinte er schließlich, „Ich hätte zwar ein wenig mehr Leidenschaft hineingesteckt, aber so geht es auch.“

„Danke.“
 

ich muss Ihnen mitteilen, dass, obwohl doch erst ein Tag seit Ihrer Abreise vergangen ist, ich Sie schon vermisse.
 

„Und jetzt?“, gingen Alexander schon die Ideen aus.

Robert kam seufzend zu ihm hinüber und las die paar Worte, die bis jetzt das Blatt zierten, durch.

„Schreiben Sie, was Sie vermissen.“

„Und das wäre…?“

„Was vermissen Sie an Ihrem Heinrich?“

Alexander musste nicht lange nachdenken: „Seine Nähe. Sein Blick, sein Lächeln. Ich will ihm über die Wange fahren, seine Hände in meinen Haaren spüren, seine Stimme hören…!“

„Nun übertragen Sie das auf Dorothea. Das Nichtkörperliche!“

„Ich werde es versuchen…“
 

Ich vermisse Ihre Nähe, die mich stets aufs Außerordentlichste beruhigt hat, Ihren Blick, wenn Sie mich mit Ihren blauen Augen
 

„Braun.“

Alexander setzte die Feder ab und sah irritiert zu seinem Kammerdiener auf.

„Ihre Augen sind braun.“, verbesserte ihn Robert mit einem Lächeln, „Wie eine Haselnuss.“

Der Baron sah immer noch zu ihm auf, aber sein Blick war nicht mehr irritiert, es arbeitete in seinem Kopf.

Schließlich musste er grinsen, erhob sich und während er Robert den Staubwedel abnahm, drückte er ihm die Feder in die Hand.

„W-wie?!“ Entsetzt blickte Robert seinen Herrn an.

Dieser lief lediglich schmunzelnd hinüber zum Regal, wo er begann, seine Gläser abzustauben.

„A-aber, Herr Baron…!“, rief Robert, „Ich kann doch nicht…!“

„Doch, doch.“, entgegnete Alexander zuversichtlich, „Im Gegensatz zu mir kannst du etwas mit Frauen anfangen, und wegen dieser hast du sogar schlecht geschlafen. Ich denke schon, dass du das kannst.“

Völlig entgeistert stand Robert immer noch da und starrte ihn an.

„Nun nimm schon Platz.“, ermutigte ihn Alexander, „Sie kennt meine Schrift nicht. Denk dir was Hübsches aus, ich werde Heinrich darüber aufklären, damit er meine Briefe vor seiner Cousine verwahrt.“

Zufrieden sah der junge Baron zu, wie sein Diener nun doch am Schreibtisch Platz nahm. Zögerlich betrachtete er das Blatt, das vor ihm lag.

„Du darfst von neuem beginnen und so viel Papier beschreiben, wie du nur willst.“

Robert seufzte, bevor er die Feder ins Tintenfass tunkte.
 

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Zu diesem Kapitel nur eines: Ich LIEBE es, solche Briefe zu schreiben…! X3



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2011-11-27T18:30:14+00:00 27.11.2011 19:30
So, jetzt kommt endlich einmal der versprochene Kommi zu Schloss Tegel. Leider habe ich es noch nicht geschafft die FF ganz fertig zu lesen, die Kapitel bis jetzt haben mir aber unglaublich gut gefallen.

Die Geschichte ist ganz anders als VLE, aber gerade die Tatsache, dass die FF mehr in der damaligen Zeit spielt, finde ich sehr schön. Es ist nämlich auch ganz spannend Heinrich und Alex in einer Situation zu entdecken, die näher an ihrer Originalzeit spielt.
Was mir gerade an diesem Kapitel unglaublich gut gefallen hat, war der Brief, den Alex Heinrich geschrieben hat. Ich liebe es solche Briefe zu lesen (gerade deshalb kann ich mich auch besonders für Heinrich begeistern, der ja selbst auch immer ganz wunderbare, wenn auch teilweise sehr traurige Briefe geschrieben hat), aber auch zu schreiben. Immer wenn ich auf so etwas stoße, wünsche ich mir heutzutage würde es noch mehr Briefkontakte geben, denn auch wenn man sich für das Schreiebn begeistern kann, so fehlt einem ja leider meistens eine Person, an die man die Briefe richten könnte.
Gerade deshalb freue ich mich jetzt schon ganz besonders auf die nächsten Kapitel und auch auf Heinrichs Antwort!

Sobald ich mehr gelesen habe, hinterlasse ich dir natürlich wieder einen Kommentar :3.
Von:  BloodyMary1342
2011-09-18T17:45:59+00:00 18.09.2011 19:45
das ist so süß *-*
alex entdeckt seine romantische ader <3
oh wenn dir das schreiben dieser briefe so viel spaß macht, dann kannst du von mir aus auch noch viele davon schreiben, denn ich liebe es sie zu lesen^^
dass der arme robert jetzt liebesbriefe schreiben muss ist auch eine sehr witzige idee^^ (er hat es halt mit alex nicht leicht^^ er reicht ihm den kleinen finger indem er ihm ein paar stichpunkte gibt und alex nimmt die ganze hand xD)

LG x3

Von: abgemeldet
2011-09-17T23:28:02+00:00 18.09.2011 01:28
Diesmal haben wir in deime Kopf wohl eine Teestunde abgehalten, denn ich war auch da...das mit Robert war klar und, dass die beiden sich schreiben würden auch^^
Man merkt, dass dir das Spaß macht, ich mach das nicht gerne...Liebesbriefchen waren nie meine Stärke weder real, noch autorial...-_-'
Ein schönes Kapitel und Alexanders bluminge (wortwörtlich) Ausdrucksweise ist amüsant^^
Von:  Ran34
2011-09-17T18:40:23+00:00 17.09.2011 20:40
Schreibst du mir auch mal einen?
*Haaaaach~* der war zum dahinschmelzen >.<

Am Anfang des Kapis habe ich schon gedacht, dass Robert doch einfach den Brief schreiben soll und jetzt, siehe da, er hat es getan! Ich war mal wieder in deinem Kopf :3

lg~


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