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Schloss Tegel

von

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XXIV

Es dauerte zwei Tage, am dritten erhielt er Heinrichs Antwort.

Zwei versiegelte Briefe trafen im Schloss Tegel ein, beide an den jungen Baron Alexander adressiert.

Robert bekam die Briefe von Rousseau gereicht, dem sie der Postbote überbracht hatte, und lief damit sofort hinauf ins Arbeitszimmer seines Herrn, wo sich dieser seit der Abreise ihres Besuchs vornehmlich aufhielt, um sich nicht unnötig mit Ferdinand herumschlagen zu müssen.

„Alexander!“

Der Kammerdiener schloss die Tür hinter sich, da hatte sein Herr schon erkannt, was er ihm brachte, und stürzte auf ihn zu.

„Er hat geantwortet! Gott im Himmel, bin ich glücklich! Ein Brieföffner, Robert! – Gott im Himmel, bin ich aufgeregt…! Was, wenn er…! Wenn ich ihn gekränkt habe und– “

Alexander verstummte, als Robert ihn an den Schultern packte. „Wie bitte wollen Sie ihn gekränkt haben? Nun beruhigen Sie sich und lesen den Brief. Viel besorgter wäre ich darüber, dass Dorothea unsere Charade durchschaut hat.“

Alexander nickte nervös und nahm sich den Brief mit dem Siegel, auf dem das Wappen mit den Büffelhörnern abgedruckt war. Schon als er die fein ausgearbeitete, schwungvolle Schrift sah, wusste er, dass es der von Dorothea war.

„Der ist für dich.“, meinte er und reichte ihn samt Umschlag sofort Robert.

„Aber, Herr Baron…!“

„Dann kannst du gleich antworten. Was bringt es, wenn ich ihn erst lese?“, redete ihm Alexander gut zu.

Erst als Robert es sich mit dem Brief am Fensterbrett bequem machte, nahm Alexander hinter seinem Schreibtisch Platz, öffnete das Siegel, das ein anderes Wappen zierte, wohl das der von Kleists, und nahm Heinrichs Brief heraus.

Seine Schrift war klein, eckig, hastig – perfekt.
 

Mein allerliebster Alexander!,

wie sehr habe ich mich über deinen Brief gefreut! Wenn ich dir sagte, so sehr, dass mir die Tränen kamen, lach bitte nicht über mich. Aber zu ergriffen war ich von der Liebe, die mich durch deine Zeilen erreichte. Niemals mehr -- bitte, das musst du mir versprechen, darfst du an der Wirkung deiner Worte zweifeln! Danke Robert dafür, dass er mir diese bezaubernden Zeilen erhalten hat, die mich, wenn ich es nicht schon vorher war, wie ich stark vermute, ganz und gar dein gemacht haben. So wie du nach meinem Plan deine Zukunft richten willst, so will ich dir gehören. Und willst du also von mir einen Rat hören, was wir, wir zwei Schwertliliengewächse, machen sollten, um den Winter zu überleben, dann habe ich keinen anderen als den, uns zu lieben; lieben, auf Falkenberg, am See, oder in Amerika. Nur eines, mein herzensguter, allerbester Alexander, soll nicht passieren: Dass du, du mein Gott, mein makelloser Jüngling, du wunderbares, immer mehr als perfektes Geschöpf -- dass du dir etwas antust! Das würde die Erde erschüttern, der Himmel würde weinen, so etwas Unbeschreibliches wie dich verloren zu haben, weshalb ich alles tun werde, alles mir Mögliche, um nur bei dir zu bleiben, wenn es das ist, was du zum Leben brauchst. Willst du aber mein bescheidenes, wahrlich unvollkommenes Leben erhalten, so tue das gleiche für mich.

Nun schreibe ich gerade diese Zeilen, da bemerkte ich, dergestalt, dass ich deinen Brief wieder aufgenommen habe und noch einmal durchlese, da ich nicht genug davon bekommen kann, was mir in meinem Freudentaumel noch gar nicht aufgefallen: Du, DU nennst mich vollkommen? Wunderschön? --- Bin ich das? Bin ich das für dich? – Wenn ich es für dich bin, dann mögen mich alle anderen einen Taugenichts, einen Träumer und einen Nichtsnutz schimpfen; deine Meinung von mir steht über allen anderen. – Sag es mir nur noch einmal, schreib es mir erneut, und erst dann will ich dir glauben, weil ich es nicht glauben kann! Bin ich in deinen Augen schön? Keine Frau würde mich neben dir beachten; wie kann jemand gar Göttliches wie du, mich als schön bezeichnen? – wunderschön, schriebest du -! Keine passenden Worte, behauptest du, findest du also, mir deine Liebe mitzuteilen, und jetzt bringst du mich schon ein zweites Mal zum Weinen. Aber tu das bald wieder, mein Gönner, mein Schicksal, mein Augenstern; ich weine gerne, wenn mein Herz dabei glüht und jede Faser meines Körpers deine Zuneigung zu mir spürt!

Du hast mich glücklich gemacht, mein Alexander; ich danke dir dafür --- tausendmal! Jetzt hoffe ich -- so innig hoffe ich, dass du meine Cousine nicht heiraten musst, damit wir zusammenbleiben können. Es muss eine andere Lösung geben, die es zu finden gilt, und ich versichere dich, wenn du sie nicht ersinnst, so werde ich sie finden. Bis dahin sehe ich voller Sehnsucht unserem Wiedersehen entgegen, während ich auf einige Briefe mehr von dir hoffe, ein paar freundliche, liebevolle Worte, die ich dir mit ebenso viel Liebe erwidern werde. Dies seien die ersten:

Ich liebe dich, mein Alexander, und bin ganz

Dein Heinrich
 

PS: Natürlich nehme ich es dir nicht übel, dass Robert an meine Cousine geschrieben hat. Ich nehme es dir nur übel, dass du es erst ganz unten in meinem Brief erwähnst; anhören musste ich, wie unsere Doro aus ihrem mit lebhafter Freude der Tante zitierte, und war selbst Zeuge von außergewöhnlicher Herzlichkeit und Aufrichtigkeit, die in jedem Wort lag und mich gar eifersüchtig stimmte. Wie erleichtert ich doch jetzt bin, zu erfahren, dass nicht du der Erzeuger dieser Worte warst!
 

Alexander wollte ihn küssen. Packen wollte er seinen Heinrich und ihn küssen, küssen…! Wie schwierig es jetzt doch war, diesen Kuss bloß mit Feder und Tinte aufs Papier zu bringen, das Heinrich erst übermorgen in Händen halten würde…

Der junge Baron seufzte.

Robert seufzte.

Irritiert sah Alexander zu seinem Diener hinüber.

„Ist etwas, Robert?“, fragte er skeptisch nach, als er sah, wie der Ältere sich mit seinem Handschuh übers Gesicht und durch die Haare fuhr.

„Sie liebt Sie wirklich, Alexander.“, antwortete er und sah ihn mitleidsvoll an.

Der junge Baron schüttelte den Kopf. „Bis jetzt war es vielleicht eine Art Faszination, eine aufkeimende Leidenschaft, eine Entzücktheit. Du hast ihr erst mit deinen Worten den Kopf verdreht.“

Robert zog erstaunt seine Augenbrauen zusammen. „Soll das jetzt ein Vorwurf an mich sein?“

Alexander wich seinem Blick aus. „Nun es…Es hätte gereicht, ihr ein paar höfliche, nette Zeilen zukommen zu lassen, aber anscheinend hast du es vollkommen übertrieben!“

„Gut.“, kam es beleidigt von Robert, „Dann können Sie ihr jetzt ja antworten, vielleicht finden Sie die richtigen Worte.“ Damit knallte er seinem Herrn den Brief auf den Schreibtisch und verließ den Raum.

Alexander starrte ihm verwirrt hinterher. Wieso war Robert nun wegen so etwas gekränkt? Verständnislos nahm er den Brief vom Tisch und ließ seinen Blick darüberfliegen.
 

Worte, die Sie weiser klingen lassen, älter – niemals gedacht, dass ein eigentlich doch nicht schüchterner Mann, wie Sie, erst in einem Brief Ihr Herz einem Mädchen so öffnen kann, wie Sie es aufs Lieblichste getan – Sie so galant noch nie erlebt – glaube, eine vollkommen neue Seite an Ihnen kennengelernt zu haben, die, wenn ich es mit roten Wangen beichten darf, mir aufs Außerordentlichste gut gefällt.
 

Alexander legte den Brief wieder dort auf dem Tisch ab, wo ihn Robert hingeschmissen hatte. Ganz vorsichtig. Ganz unauffällig. Seltsamerweise hatte er das Gefühl, gerade in etwas ganz Intimes eingedrungen zu sein, einen Moment der Zweisamkeit zerstört zu haben. Dabei war der Brief doch an ihn adressiert. Aber wohl nicht an ihn geschrieben.

Der junge Baron schüttelte den Kopf, um seine Gedanken wieder zu sammeln, und nahm erneut Heinrichs Brief auf, den er ein weiteres Mal durchlas, bevor er sich an einer Antwort versuchte.
 

Mein ach so gar ungerecht bescheidener Heinrich,

du hältst viel zu wenig von dir, mein Liebster! Natürlich meinte ich alles so, wie ich es geschrieben, aber nur, um dir auch deine letzten Zweifel zu nehmen: Du bist mein Amor, schöner als Apoll, lieblicher als jedes Mädchen! Bitte glaube mir, du besitzt eine ungeheure Wirkung auf mich, die mich im ersten Moment unserer Begegnung gepackt und nie mehr losgelassen hat, als wenn ich ein Metallspan wäre und du der einzige, große Magnet.

Deinen Plan von unserer Zukunft finde ich ganz ausgezeichnet. Ja, ich werde dich lieben, und hilft uns das schon, so bin ich glücklich. Nur bitte, sprich nicht so hoch von mir und stelle dich dabei so gering dar! Du beschämst mich – und Robert kann dir bestätigen, dass es viel dazu braucht, mich zu beschämen, aber deine Worte tun dies, da sie so gewaltig klingen, als wären sie nicht für etwas Irdisches bestimmt. Und ich bin irdisch, genauso wie meine Laster und Bedürfnisse, das kann ich dir versichern, und in meinen Augen tausendmal nichtiger als du. Du bist derjenige, der solche Lobpreisungen verdient hat, derjenige, der sich mit so jemandem wie mir einlässt. So musst du dich mit all den Problemen meiner Familie herumschlagen, und als Dank konnte ich dir bisher nicht viel geben.

Es soll, es darf nicht so weit kommen, dass ich deine Cousine heirate. Ich empfinde so viel für sie, wie für Caroline, und würde ich sie auch mehr mögen, ich liebe nur dich. Sie hat einen Mann verdient, der sie nicht bloß toleriert, sondern einen, der ihr genauso viel Liebe entgegenbringen kann, wie sie ihm, und ich, wie ich bereits sagte, kann das nicht. Da ich sie aber schätze, und der Meinung bin, dass keinem Menschen (mit wenigen Ausnahmen) Leid zugefügt oder Ungerechtigkeit widerfahren sollte, habe ich Angst, ihr das Herz zu brechen. Ich weiß nicht wie, aber irgendwann wird sie es erfahren, wenn ich sie nicht heiraten will, dass ich unmöglich so viel für sie empfinden kann, wie meine Briefe es zum Ausdruck bringen. Sie wird erfahren, dass ein Diener ihr geschrieben, wohlmöglich noch ihre tiefsten Gefühle und Geheimnisse im Gegenzug erhalten hat! Das alles bereitet mir nun langsam Bauchschmerzen, wenn ich auch noch von dir höre, wie gerührt und freudig sie Roberts Worte aufgenommen hat.

Nun aber genug des Grams – ich möchte mit dir nach einer besseren Lösung forschen, unsere Zukunft noch in glückliche Bahnen zu lenken. Deine Cousine werde ich nicht heiraten, was aber niemand erfahren muss, bis erst einmal das Gartenfest vorbei ist. Ihr werdet wohl bei uns übernachten, am nächsten Tag werden wir euch sicherlich noch bis zum Mittagessen dabehalten. Falls Ferdinand immer noch an Dorothea interessiert sein sollte – was ich wirklich nicht einschätzen kann, er wirkte so gleichgültig, als ich sie zu meiner Partnerin fürs Gartenfest machte. Sicherlich war es nur ein Spaß für ihn, sie zu umwerben. – Falls das jedoch noch der Fall sein sollte, und falls deine Tante, was ich schon eher glaube, ihre Tochter immer noch mit mir verheiraten will, dann besteht ja die Möglichkeit, dass ich mich erst einmal mit ihr verlobe. Bitte, mein Heinrich, hasse mich bei dem Wort nicht! Eine Verlobung kann man auflösen. Wir werden dann einfach abwarten, die Hochzeit hinauszögern und uns neue Gedanken machen. Hast du natürlich eine bessere Idee, so wäre ich sehr glücklich darüber.

Und damit ich diesen Brief nicht wieder mit solchen ernsten Themen schließen muss, so will ich dir noch einmal sagen: Du bist wunderschön. Du weißt, ich liebe die Natur, aber ich muss zugeben: Für mich ist es schöner, dir in die Augen zu sehen, als in den Himmel. Und ich mag das Schwarz deiner Haare lieber als das Schwarz der Kohle. Deine Haut ist seidiger, als jede Faser Stoff, so seidig, dass ich Angst haben muss, sie mit meinen groben Händen zu berühren. Und jeder Mensch, der dich nicht mehr als eines Blickes würdigt, ist blind! Leto würde dich, wandeltest du einmal über den Olymp, auf ihren Schoß nehmen, da sie dich mit ihrem Apoll verwechselt, und derselbe würde alle Jünglinge und Mädchen, sterblich oder göttlich, links liegenlassen, würde er dich erblicken! Aber noch nicht einmal mit einem Gott will ich dich teilen, mein Heinrich. Ich liebe dich, und ich kann gar nicht beschreiben, wie dankbar ich bin, dir begegnet zu sein! Schon jetzt, wo ich doch gerade deinen Brief gelesen habe, sehne ich mich nach deinem nächsten. Deshalb will ich diesen schnell beenden und zur Post bringen lassen, damit ich möglichst bald wieder von dir hören kann. Ich warte hier auf deine Antwort,

in stets wachsender Liebe,

Dein Alexander
 

Während der junge Baron wartete, bis die Tinte getrocknet war, nahm er einen weiteren Bogen Papier herbei und notierte darauf die Worte:
 

Verzeih mir. Du hast alles richtig gemacht.

Schreib ihr bitte, was immer du willst.

Dein reumütiger Alexander
 

Als Robert am Abend seine Handschuhe auszog, um ihm die Haare zu waschen, erkannte Alexander mit Freude, dass seine Hände schwarz von der Tinte waren.

Die Briefe konnten also gleich morgenfrüh zur Post gebracht werden.
 

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Ich will euch darauf aufmerksam machen, dass es einen Kalender für 2012 zu Alex und Heinrich gibt. Die Bilder dazu lade ich bei meinen FAs hoch (zwei sind schon da), damit ihr euch entscheiden könnt, ob ihr einen haben wollt – würde mich freuen, wenn ihr Interesse hättet :3



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Ran34
2011-09-20T17:09:36+00:00 20.09.2011 19:09
Ich liebe deine Briefe!
Und ich hoffe soooo sehr, dass Robert mit Borothea zusammenkommt >.<
Sag mal, kannst du vielleicht mal ein Bild von ihr hochladen? Ansonsten werde ich dir mal meine Visualisierung zu ihr vorsetzen :3
(Hab irgendwie Lust, sie zu malen^^)
Aber das würde noch ne kleine Zeit dauern...
Habe ich schon mal erwähnt, dass ich deine Briefe liebe?

lg~
Von:  BloodyMary1342
2011-09-20T16:15:19+00:00 20.09.2011 18:15
Oh wie sehr sich Alex über den Brief gefreut hat... *-*
ich konnte es mir richtig gut vorstellen wie er robert die briefe aus der hand gerissen hat und ihm den "falschen" sofort wieder zurück gegeben hat um sich ganz dem von seinem geliebten heinrich zuwenden zu können <3
Die briefe finde ich auch immer noch sehr schön... sie sind so wunderbar romantisch... hach ich liebe sowas ♥

als alex geschrieben hat "und der Meinung bin, dass keinem Menschen (mit wenigen Ausnahmen) Leid zugefügt oder Ungerechtigkeit widerfahren sollte," musste ich total lachen weil mir bei den "nit wenigen ausnahmen" irgendwie sofort Ferdinand eingefallen ist^^

Irgendwie tut mir Robert leid...
ich hab nämlich das Gefühl, das er sehr starke Gefühle (vllt. sind es ja nur väterliche oder so) für Doro hat und es ihm schwer fällt die ärmste (hmm mir fällt gerade auf, das ich unglücklich verliebten gegenüber meistens simpartie entwickle... egal ob ich ihren charakter vorher mochte oder nicht^^) so zu "belügen" :(
ich hoffe auch, das er deswegen keine probleme bekommt, weil sollte ferdinand etwas davon mitbekommen könnte er es gegen Robert verwenden... und ohne robert ist Alex "verloren"

ich hoffe auch das nächste kapitel wird so schön... romantisch <3
(ach ja und ich hoffe, daas noch ein kapitel kommt in dem beschrieben wird wie sehnsüchtig heinrich auf einen brief von seinem liebsten wartet)

LG x3

Von: abgemeldet
2011-09-20T15:23:34+00:00 20.09.2011 17:23
Oh...die Briefe sind wirklich romantisch...
Dagegen kommt keiner an, die beiden sind wirklich toll zusammen *good job*
Und im übrigen hat mich der Satz "Nicht einmal mit einem Gott will ich dich teilen" mich sehr inspiriert...jetzt schwirrt mein Kopf von einer neuen Idee, die ich nicht los werde...^^
Ein schönes Kapitel.
Im übrigen drück ich Robert und Doro die Daumen...ich hab schon ein ganz eigenes beklopptes Szenario für die Lösung XD


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