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Am Abgrund

The Mentalist
von

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Erkenntnis

Hallöchen ,

Es geht weiter.
 

Also viel Spaß und aufgepasst...
 

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Das Wasser haftet nicht an den Bergen, die Rache nicht an einem großen Herzen.

Chinesisches Sprichwort
 

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Erkenntnis
 

Ort: unbekannt; Zeit: bedeutungslos
 

Teresa hatte die Augen geschlossen und versuchte mit meditativen Übungen ihre Panik

unter Kontrolle zu bringen. Doch es gelang ihr nicht. Immer wieder gingen ihre

Gedanken denselben Weg.

Hatte es irgendwann einmal den Zeitpunkt gegeben, wo sie hätte verhindern können,

dass es soweit gekommen war?

Doch ihr fiel nicht ein, wo sie hätte anders handeln können. Es gab keinen Fehler.
 

Sie öffnete die Augen und starrte an die graue Decke an der eine Lampe mit ebenfalls

grauem Schirm hing.

Wieder drehte Teresa den Kopf und starrte ihren Arm entlang, bis sie ihre Hand sehen

konnte. Es waren keine Stahlfesseln, sondern einfache Seile, doch sie waren ebenso

effektiv. Ihre Handgelenke waren schon wundgescheuert von ihren Bemühungen sie zu

lockern.
 

Mit einem frustrierten Seufzer wandte sie wieder den Kopf. Teresa erinnerte sich, wie

es war, als sie hier zum ersten Mal aufgewacht war.

Wie lange war das her? Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren.
 

Da war ein Mann gewesen. Sein Gesicht, verborgen hinter einer Maske. Doch das war

nicht das Schlimmste gewesen. Sie hatte soviel grausames in ihrer Polizistenlaufbahn

gesehen, das es für viele Leben reichte.

Nein, es war seine Stimme und seine Worte gewesen, die sie verzweifelt und voller

Angst zurückgelassen hatten.
 

Er hatte sich als Red John vorgestellt. Und zum Teufel, sie glaubte ihm jedes Wort.

DAS hier war der echte Red John.

Der Mann, der ihren Teamberater Patrick Jane an den Rand des Wahnsinns getrieben

hatte. Der aus ihm diesen an seiner Seele gebrochenen und von Selbsthass

zerfressenen Mann gemacht hatte.

Der Mann, der als Serienmörder soviel Frauen vergewaltigt und schließlich getötet

hatte. Der Mann, der so viele Leben zerstört hatte.
 

Und diesmal war sie, Teresa, ein Bestandteil eines wahrhaft teuflischen Plans. Ziel

dieses Plans war es Patrick Jane zu vernichten. Ihn erneut in den Abgrund des

Wahnsinns zu treiben und diesmal sollte es kein Entkommen für ihn geben.
 

Teresa atmete tief durch und spannte ihren Körper an, doch die Fesseln hielten, wie

die vielen Male zuvor.

Sie wusste um die zerstreuten Hinweise, dieser perversen Schnitzeljagd, deren Preis

ihr Leben war. Einerseits hoffte sie, dass ihr Team sie finden würde, anderseits war

da tief in ihrem Inneren die Stimme des Zweifels, das ein gewisser Patrick Jane wie

immer übereilt handeln würde und damit sich selbst in die Höhle des Löwen wagen würde.

Und was das bedeutete, wollte sie sich nicht ausmalen.
 

Gerade in den letzten Stunden hatte sie soviel Zeit gehabt über Patrick Jane

nachzudenken und sie hatte es sich endlich selbst eingestanden, dass ihre Gefühle für

diesen Mann nicht nur freundschaftlicher Natur waren. Doch meistens kam einem erst

die Erkenntnis, wenn es zu spät war.
 

Ein leises Klacken drang an ihre Ohren. Unwillkürlich spannte Teresa sich an.

Schritte näherten sich dem Bett auf dem sie lag.

"Guten Abend, Teresa."

ER war wieder da.
 

Betont langsam wandte sie den Kopf. Ihr Herz schlug schnell, doch sie würde einen

Teufel tun und diesem Mistkerl zeigen, wie viel Angst sie hatte. Schweigend starrte

Teresa ihn an. Versuchte alle Verachtung, die sie empfand in ihren Blick zu legen.
 

Ein leises Lachen klang auf."Sie sind wahrlich eine bemerkenswerte Frau, Miss Lisbon.

Ich schätze Ihren Mut und glauben Sie mir, er wird Ihnen noch nützlich sein. Denn das

was ich mit Ihnen vorhabe, erfordert eine Menge Mut."

Ein, mit einer Maske verhüllter Kopf beugte sich zu ihr herunter. Nur Millimeter

trennten ihre Gesichter voneinander und sie konnte seinen warmen Atem über ihre Haut

streichen fühlen.

"Ein Menge Mut von Ihrer Seite natürlich. Nur von Ihrer Seite."
 

Aus ihren Augenwinken sah Teresa die silberne Schneide eines Messers aufblitzen.

"Und nun lassen Sie uns ein paar notwendige Vorbereitungen treffen. Ich verspreche

Ihnen, es wird nicht lange dauern."
 

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Donnerstag, 5 September 17:30 Uhr California Bureau of Investigation (CBI); HQ; Sacramento
 

Frustriert schlug Patrick das Buch zu. Er hob den Kopf und sah sich im Büro um. Cho

und Rigsby waren unterwegs, um den Anwalt erneut auf den Zahn zu fühlen. Van Pelt

versuchte irgendwelche Verbindungen des Mannes im Computer aufzuspüren und er saß

hier und las ein verdammtes Buch, das Red John geschrieben hatte.
 

Genervt massierte er seinen Nasenrücken und drückte die Finger kurz gegen seine Stirn.

Er fühlte den pochenden Schmerz von Kopfschmerz aufsteigen.

Irgendwie war alles ins Stocken geraten.

Immer mehr Spuren tauchten auf und führten in verschiedene Richtungen. Patrick hatte

das nagende Gefühl, dass sie sich wie Ratten in einem Labyrinth bewegten, die den

eigentlichen Weg aus den Augen verloren hatten. Immer weiter verrannten sie sich in

den sich verteilenden Spuren.
 

Er wollte es nicht, doch wie magnetisch wurde sein Blick von der Uhr angezogen. Sie

zeigte halb sechs Uhr Nachmittag an. Erbarmungslos schoben sich die Zeiger vorwärts

und im Grund genommen hatten sie bis zu diesem Zeitpunkt keinen greifbaren Hinweis.
 

Das Gesicht von Teresa tauchte vor seinem inneren Auge auf. Allerdings die Szenen,

die er als letztes von ihr gesehen hatte. Gefesselt, mit schreckgeweiteten Augen in

Red John’s Gewalt. Patrick wollte diese Bilder nicht sehen, doch sie waren förmlich

in ihn eingebrannt. Er musste etwas unternehmen.
 

Patrick legte das Buch zur Seite und griff nach dem, was sie in Lisbon Wohnung

gefunden hatten. Er schlug die erste Seite auf und las erneut die Widmung durch. Dabei

blieb sein Blick auf der Jahreszahl hängen. 1928.
 

Bis jetzt hatte er keinerlei Hinweis gefunden, was sie bedeutete. Sie ergab in dem

ganzen Fall keinen Sinn.

Der 5 September war klar. Heute war der 5 September. Damit hatte Red John gezeigt,

das diese Widmung etwas besonders war.

Lana Turner war ebenfalls kein Geheimnis mehr. Der Name hatte sie zu der Ur-Enkelin

geführt und damit zu dem Tagebuch und dem Anwalt.

Doch 1928... was war ihre Bedeutung?

War das etwa der Schlüssel? Er konnte sich nicht vorstellen, das Red John etwas ohne

einen Hintergedanken machte. Mit einem Ruck erhob sich Patrick, legte das Buch auf

die Couch und machte sich daran das Büro zu verlassen.
 

Grace hob sofort alarmiert den Kopf. "Was ist los? Haben Sie etwas gefunden?"

Patrick schüttelte den Kopf. "Nichts außer die Gedanken eines Serienmörders. Es ist

anstrengend sich darin zu bewegen. Ich brauche frische Luft."

Grace nickte verständnisvoll. "Soll ich Sie begleiten?"

"Nein, Nein... bleiben Sie hier. Versuchen Sie noch etwas herauszufinden. Das ist

wichtiger. Die Zeit läuft gegen uns und Lisbon."

Ein Schatten huschte über Graces Gesicht. "Sie haben recht. Langsam bekomme ich

richtig Angst."

"Nicht nur Sie, Grace... nicht nur Sie", mit diesen Worten schlurfte Patrick aus dem

Büro. Er vergrub die Hände tief in den Taschen und steuerte den Fahrstuhl an. Tief

atmete er durch, als er schließlich das Gebäude verließ und auf dem Parkplatz stand.
 

Es herrschte wie jeden Tag immer ein reges Kommen und Gehen im Sacramento HQ des CBI.

Die Menschen, die zum CBI gehörten, nickten Pattrick kurz zu. Die meisten kannten

Patrick, wenn auch nicht persönlich, dann doch vom Sehen oder aus Erzählungen. Und

jedem war bekannt, was heute passiert war.

Jeder Mitarbeiter war in irgendeiner Weise an der Suche nach Lisbon beteiligt. Ob nun

in der Fahndung, oder am Rechner für Recherchen. Jeder bemühte sich eine Spur von der

entführten Agentin zu finden. Das Team um Teresa Lisbon waren allerdings die

Hauptbeteiligten.
 

~Was übersehe ich nur?~, fragte sich Patrick zum wiederholten Mal. Ärgerlich biss

er sich auf die Lippen. Wo er bei jedem Fall klar sah und die Tatsachen und

Zusammenhänge sofort erkannte, versagte hier seine Kombinationsgabe.

Dabei handelte sich es um Teresa, oder weil es sich gerade um sie handelte?
 

Patrick schob diesen Gedanken sofort von sich, sobald er in ihm aufkam. Das war etwas,

was er nicht zulassen durfte.

Er war verheiratet und...

Er stockte in seinen Überlegungen. Gedankenverloren drehte er den schmalen goldenen

Reif an seiner linken Hand.
 

~Lana Turner ist der Schlüssel. Ich weiß es einfach~, er fasste einen Entschluss.

Zielstrebig steuerte er seinen Wagen an, schloss auf und setzte sich hinter das

Lenkrad.

Patrick gönnte den grüßenden Beamten am Tor, als er hindurch fuhr keinen zweiten

Blick. Er hatte nur ein Ziel in den Augen. Lana Hamilton, die Ur-Enkelin, dorthin

musste er.
 

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"Also noch mal von vorne. Was für Fälle übernimmt Ihre Kanzlei?", fragte Cho mit

Stift und Notizblock in der Hand.

Lenny Parker lehnte sich in seinem schweren dunklen Ledersessel zurück. Sein Blick

glitt aufmerksam über seine beiden Besucher. Er hatte damit gerechnet, dass er sie

bald wiedersehen würde. "Wie ich Ihnen schon beim ersten Besuch mitteilte, ist unser

Aufgaben- und Klientelbereich sehr weit gefächert. Das geht von Zivilrecht,

Strafverteidigung und auch Erbrecht.

Selbstverständlich hat jeder von uns ein Fachgebiet. Meines ist das Erbrecht und die

Verwaltung von Treuhandfonts.
 

Lana Turner war recht vermögend. Es gibt außer Misses Lana Hamilton keinen weiteren

Erben oder Verwandten.

Ich kann natürlich in Anbetracht der Situation verstehen, dass Sie weitere

nformation bekommen möchten. Doch da muss ich mich auf meine anwaltliche Schweigepflicht

berufen."

"Diese wurde von Misses Turner jedoch außer Kraft gesetzt, wie Sie sicher nicht

vergessen haben. Alles, was die Erbschaft allgemein und diesen Brief, gerichtet an

Patrick Jane im Besonderen betrifft, geht uns etwas an. Es liegt in Ihrem eigenen

Interesse unsere Fragen zu beantworten, denn ansonsten könnten wir auf die Idee kommen,

dass Sie etwas zu verbergen hätten."

Mit einer theatralischen Geste legte Parker die Hand auf seine Brust, wo sein Herz

schlug. "Glauben Sie mir, Agent, ich habe nichts, aber auch rein gar nichts zu

verbergen. Stellen Sie mir Ihre Fragen."
 

"Der Brief mit dem Buch, woher haben Sie ihn?"
 

"Tja... das ist schon eine komische Sache gewesen. Unsere Kanzlei vertrat Ms. Lana

Turner schon viele Jahre lang. Die alte Dame hat ihr Geld gut angelegt und reichlich

Gewinn erwirtschaftet. Ihre Geschäftsverbindungen waren für so eine alte Lady sehr

gut organisiert.

Ich war in der Annahme, dass alles was ihr Testament betraf hier in unserer Kanzlei

verwahrt wurde.

Doch vor gut zwei Wochen kam ein Mann ins Büro, der sagte, dass er ein Geschäftspartner

von Lana Turner gewesen sei und sie ihn gebeten hätte, im Falle ihres Todes, mir

etwas zu bringen.

Er übergab mir den bewussten Umschlag und sagte mir, das er für einen gewissen

Patrick Jane bestimmt sein. Mehr wisse er auch nicht. Zumindest sagte er das mir."
 

"Wer war der Mann?", fragte Rigsby. Parker schüttelte den Kopf. "Ich weiß seinen

Namen nicht mehr. Wissen Sie denn, wie viele Klienten wir in diesen zwei Wochen gehabt

haben?"
 

"Nein, wissen wir nicht. Wir möchten auch nicht von allen die Namen wissen, sondern

nur den einen von diesem Mann", erwiderte Cho trocken.

"Wir werden den Namen sicher in den Akten haben. Bitte einen Moment Geduld." Parker

drückte den Rufkopf in sein Vorzimmer. "Christine... bitte suchen Sie in der Akte von

Misses Turner den Namen des Mannes heraus, er uns vor etwa zwei Wochen den

Briefumschlag überbracht hat."

"Gewiss, Mr. Parker."
 

Cho und Rigsby sahen sich kurz an. Die Spur schien weiter zu führen. Ein neuer Name

und ein neuer Verdächtiger. Die Spur wurde immer länger und die Zeit, die ihnen und

vor allem Lisbon blieb, immer kürzer.
 

Das Handy von Rigsby klingelte. Sofort angelte er es aus seiner Jackeninnentasche.

Ein schneller Blick aufs Display zeigte, dass der Anrufer kein Unbekannter war. "Es

ist Grace", meinte Rigsby und nahm den Anruf entgegen. "Ja, was ist?"
 

"Seid ihr noch bei dem Anwalt?", kam es von van Pelt.

"Ja, sind wir. Ist was passiert?"

"Nichts, oder zumindest hoffe ich das. Ich wollte nur fragen, ob Jane bei euch ist?"

"Jane?", Rigsby runzelte verwundert die Stirn. "Nein, der ist nicht bei uns. Er

wollte sich doch dieses Buch von Red John durchlesen. Warum fragst du?"

"Na ganz einfach, weil er nicht mehr hier ist. Vorhin ist er kurz rausgegangen um

frische Luft zu schnappen, wie er sagte. Als er nicht mehr aufgetaucht ist, habe ich

nachgesehen und sein Auto war weg. Der Beamte am Tor hat mir bestätigt, das Jane

weggefahren ist. Ich hatte angenommen, dass er vielleicht bei euch ist."
 

"Ist er nicht", antwortete Rigsby. "Ich wette Jane fährt wieder eine seiner

Extratouren. Mach dir keine Sorgen, er taucht schon wieder auf."

"Ich glaube nicht, dass er es riskiert Lisbon Leben auf’s Spiel zu setzen. Du hast

doch gesehen, wie er heute reagiert hat. Er würde sie niemals im Stich lassen. Ich

glaube eher, er ist auf irgendetwas gestoßen", wandte Grace ein.

"Und du meinst, er verschweigt es uns? Das wäre wirklich schlimm. Wir klären das nur

hier, dann kommen wir sofort zurück."

"Gut, ich werde warten. Wenn er bis zu eurer Rückkehr nicht aufgetaucht wist, dann

müssen wir Hightower informieren", meinte Grace skeptisch.
 

"Alles klar", antwortete Rigsby und beendete das Gespräch. "Was ist los?", fragte Cho

misstrauisch.

"Jane ist verschwunden und keiner weiß, wo er ist", antwortete Rigsby und man hörte

seiner Stimme an, dass ihm das Ganze nicht gefiel.

"Na toll. Die Anzahl der Vermissten wächst. Irgendwo scheint sich ein schwarzes Loch

aufgetan zu haben. Wir sollten aufpassen, dass es uns nicht auch noch erwischt", knurrte

Cho leise
 

"Irgendwelche Probleme, Agents?", fragte Parker von seinem Schreibtischsessel aus.

"Nein, Sir. Von den täglichen Katastrophen abgesehen, ist alles normal", antwortet

Cho. "Der Name, Sir?"

"Einen Moment", Parker beugte sich vor und drückte erneut den Rufkopf." Christine,

sind Sie fündig geworden?"

"Ja, Sir. Der Name ist Thomas Lee. Er wohnt hier in Sacramento." Dann gab sie seine

Adresse durch.

"Danke, Christine. So, meine Herren. Da haben Sie ihren Namen. Können wir sonst noch

etwas für Sie tun?"

"Danke. Das war im Moment alles. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, das Sie die

nächste Zeit Sacramento nicht verlassen dürfen?"

"Völlig überflüssig. Ich wünsche einen guten Tag."

"Auf Wiedersehen."
 

Cho und Rigsby nickten nochmals kurz grüßend, dann verließen sie eiligen Schrittes

die Kanzlei und auch das Gebäude.

Sie mussten zurück ins CBI-Büro. Beide hofften, dass inzwischen ihr eigenwilliger

Berater wieder aufgetaucht war.
 

Und wenn das nicht der Fall war, dann hatten sich ihre Probleme wirklich mit einem

Schlag verdoppelt.
 

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Patrick stoppte seinen Wagen vor dem Haus der Hamiltons. Er stieg aus und ging ohne

zu Zögern zum Eingang.

Den blühenden Blumen auf den Treppenstufen schenkte er keine Aufmerksamkeit. Als er

die Klingel drückte, konnte er den leisen Ton hören, mit dem seine Ankunft angekündigt wurde.

Es dauerte auch nur kurz, bis die Tür geöffnet wurde und er sich Lana gegenüber fand.

Ihr überraschter Gesichtsausdruck zeigte ihm, dass sie mit seinem Erscheinen nicht

gerechnet hatte.
 

"Mr. Jane... Was kann ich für Sie tun?", fragte sie.

"Ich möchte mit Ihnen über ihre Urgroßmutter reden", antwortete Patrick schlicht.

Die junge Frau überlegte kurz, dann nickte sie und gab dann mit einem Seitenschritt

die Tür frei. "Kommen Sie rein. Sie wissen ja, wo das Wohnzimmer ist. Möchten Sie

etwas trinken?"

"Nein, Danke", antwortete Jane und ging voran.
 

Im Wohnzimmer konzentrierte er sich auf die Bilder, die an der Wand hingen. Viele

zeigten eine ältere Frau. Tiefe Falten hatten sich in ihr Gesicht eingegraben und

traten deutlich zu Tage, wenn sie lächelte.

"Wann wurde Ihre Urgroßmutter geboren?", fragte er und griff nach einem silbernen

Bilderrahmen. Vier Generationen waren darauf abgelichtet. Die weibliche Linie der

Familie. Deutlich sah er die Ähnlichkeit zwischen den Frauen.
 

"1930. Sie wurde in Deutschland geboren. Nach dem Krieg wanderte unsere Familie nach

Amerika aus. Sie hat hier ihren Mann kennengelernt. Er war Pilot beim Militär.

Granny lebte bis zu ihrem Tod in Los Angles."

"Hmmmm", Patrick stellte den Rahmen zurück an seinen Platz. "Ist irgendjemand aus

Ihrer Familie 1928 geboren worden, oder vielleicht gestorben?"
 

Zu seiner Enttäuschung schüttelte die junge Frau den Kopf. "Nein. Granny war die

älteste Person in unserer Familie."

Wieder ein Fehlschlag.

"Sie war unglaublich. Hat ihre Tochter und auch meine Mama überlebt", ein trauriges

Lächeln huschte über Lana’s Gesicht. "Ich habe sie sehr geliebt. Sie fehlt mir immer

noch."

"Der Tod von geliebten Menschen ist ein Teil des Lebens", erwiderte Patrick.
 

"Wir haben sie hier in Sacramento begraben", erwiderte Lana.

Patrick zuckte überrascht zusammen. "Aber Sie sagten doch, dass sie in Los Angeles

gelebt hat."

"Das ist richtig, doch begraben wurde sie hier. Auf dem Südfriedhof", sagte Lana und

fuhr dann mit leiser Stimme fort. "Ich wollte, dass sie bei uns ist und nicht irgendwo

allein in der Ferne."
 

Patrick hörte sie schon nicht mehr. Seine Gedanken begannen zu rasen. Vielleicht war

das die Spur, die er bis jetzt vergeblich gesucht hatte.

"Misses Hamilton. Ich danke Ihnen für das Gespräch."

"Aber... war es denn, was Sie erfahren wollten?", etwas verwirrt sah sie ihn an, wie er

sich auf den Weg machte, um das Haus zu verlassen. Sie folgte ihm.

An der Haustür angekommen, drehte sich Patrick kurz um. Er schenkte Lana ein Lächeln

und griff nach ihrer Hand. "Nur noch eine letzte Frage. Wo finde ich das Grab Ihrer

Ur-Großmutter?"
 

Etwas verwirrt runzelte Lana die Stirn, dann antwortete sie dem CBI-Berater jedoch

bereitwillig. "Auf dem Südfriedhof, wie gesagt. Grabreihe 110 Grabnummer 20. Sie

können es gar nicht verfehlen, wenn Sie den rechten Weg vom Haupteingang her nehmen."
 

"Danke. Sie haben mir sehr geholfen." Dann wandte Patrick sich um und lief mit

raschen Schritten zu seinem Wagen.

Er schloss auf und warf sich hinter das Steuer. Er startete und fädelte sich auf der

Strasse in den Verkehr ein.

So schnell wie es ging, nahm er Kurs auf den Südfriedhof von Sacramento.
 

Er hatte keinerlei Zweifel. Sein Tun fühlte sich richtig an und er war jemand, der

sich auf seinen Instinkt verlassen konnte.
 

Für einen kurzen Moment überlegte Patrick, ob er seine Kollegen anrufen sollte, doch

er entschied sich dagegen.

Es galt keine Zeit zu verlieren und wenn er sich nicht täuschte, dann führte ihn

diese Spur direkt zu Lisbon und damit zu... Red John.
 

Und Red John gehörte ihm... ihm ganz allein.
 

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Patrick hasste Friedhöfe. Sie erinnerten ihn immer an Tod, Verlust Schmerz. Dennoch

betrat er das Gelände durch das schwere gusseiserne Tor ohne zu Zögern.

Sorgfältig gepflegte Wege führen zwischen den Grabreihen entlang.
 

Der Himmel hatte sich leicht zugezogen. Das Licht passte irgendwie besser als

strahlender Sonnenschein zu diesem Ort, dachte er.

Mit langsamen Schritten folgte er dem rechten Weg und damit der Beschreibung von Lana

Hamilton. An jeder Grabreihe stand am Anfang ein kleines weißes Schild mit einer

schwarzen Zahl.

Da... Reihe 110 . Er bog in die Grabreihe ein. Das Grab Nummer 20 musste es sein.

Neben jedem Grabstein stand ebenfalls ein kleines Schild mit der betreffenden Nummer.
 

Schließlich hatte Patrick sein Ziel erreicht.

Ein grauer Grabstein mit bronzefarbenen Metallbuchstaben, erhob sich aus einem Meer

von blauen Blumen.

Lana Turner geboren 5. Juli 1930 - gestorben 5. Juli 2010. Was für eine Ironie. Am

eigenen Geburtstag zu sterben.
 

Er ließ seinen Blick über das Grab gleiten, doch nichts fiel ihm auf. Als Patrick

sich niederbeugte und vorsichtig die Blumen zu Seiten bog, konnte er ebenfalls nichts

erkennen. Er richtete sich wieder auf. Seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen.
 

Auf einmal traf ihn die Erkenntnis wie ein Keulenschlag und Patrick stöhnte auf.

"Verdammt!", fluchte er und ballte die Fäuste. War er denn wirklich so blind gewesen?
 

Mit einem Ruck wirbelte er herum und rannte los. 1928... das war keine Jahreszahl.
 

Nein, dass war eine Ortsangabe. Grabreihe 19; Grabnummer 28.
 

Dort würde er den nächsten Hinweis finden. Mit fliegendem Atem erreichte Patrick die

Reihe 19 und schließlich das Grab 28.

Er stoppte, beugte sich vor und stützte sich schwer atmend auf seinen Oberschenkeln

ab. Ein grauer Stein, auf der Spitze mit Moos bedeckt, stand auf einem flachen Grab

ohne Blumen.

McMurphy las er da.
 

"Na, Sie haben es vielleicht eilig. Keine Angst. Hier läuft Ihnen keiner davon", ertönte

auf einmal eine sanfte Stimme amüsiert hinter ihm.

Patrick wirbelte herum. Kein Laut hatte die Annäherung des Mannes verraten. Vor ihm

stand ein Fremder mittleren Alters, der sich mit der linken Hand lässig auf einer

Harke abstützte. Seine schlanke Gestalt war nur wenig größer als Patrick’s.

Dunkles Haar lag in leichten Wellen halblang um ein schmales Gesicht, in dem die

dunklen Augen auffielen. Er trug einen grünen Overall. Neben ihm stand eine

Schubkarre mit Rechen und Schaufel bestückt.

Als er Patrick nun anlächelte, zeigte er ein makelloses weißes Gebiss.
 

"Guten Tag, mein Name ist Jane", grüßte Patrick noch immer etwas atemlos. "Sie

arbeiten hier?"

Der Mann nickte. "Stimmt, war ja auch nicht schwer zu erraten. Jason Winroth, mein

Name." Er zeigte auf die Schubkarre und dann auf seinen Overall. "Ist ein ruhiger Job.

Hier redet mir keiner rein. Die Leute hier sind in der Regel nicht sehr gesprächig.

Auch die Besucher nicht.

Sie habe ich hier allerdings noch nie gesehen. Sind Sie ein Verwandter oder haben Sie

erst vor kurzem jemanden hier zu Grabe getragen?"
 

"Nein. Ich bin Ermittler beim CBI. Es geht um einen Entführungsfall", antwortete

Patrick unbestimmt. Dann zeigte er auf das Grab 28. "Wissen Sie etwas über diese

Familie?"
 

Der Mann richtete sich auf, nahm die Harke in die linke Hand und trat langsam näher.

"Die McMurphys?!? Die stammen hier aus Sacramento. Der Letzte ist vor etwa drei Jahren

gestorben.

Ich erinnerte mich an die Beerdigung, weil irgend so ein entfernter Verwandter auf

Dudelsäcke bestanden hat.

Nur bei der Erinnerung fangen mir die Ohren wieder an zu schmerzen", sagte Jason und

fuhr mit einem leisen Lachen fort. "Allerdings wird es hier keine weitere Beerdigung

geben. Es war der Letzte aus der Familie, der hier wohnte. Die Verwandten sind alle

weit verstreut. Also keine Gefahr von einem weiteren Gehörschaden durch Dudelsäcke."
 

"Wissen Sie noch etwas über sie?", Dudelsäcke brachten Patrick auf der Suche nach

Lisbon nicht weiter.

Auf Jasons Stirn erschienen Falten und er tippte sich nachdenklich mit dem rechten

Zeigefinger ans Kinn."Eigentlich nichts mehr. Außer...", er schnippte mit den Fingern.

"Ja, sie müssen außerhalb eine Farm gehabt haben. Ich glaube, an der Interstate in

Richtung Norden.

Jedenfalls erwähnten die Leute das nach der Beerdigung. Da gab es ein paar

Streitigkeiten, weil keiner die Farm haben wollte, aber auch keiner einem Verkauf

zustimmen wollte.
 

Solche Streitigkeiten sind immer lästig. Und völlig deplatziert auf einer Beerdigung.

Da geht es um ganz andere Dinge, finden Sie nicht auch?"
 

"Oh ja", murmelte Patrick geistesabwesend. Eine Farm außerhalb von Sacramento.

Verlassen, einsam... konnte es ein besseres Versteck für Red John geben? Nein!

Und damit hatte er nun auch Lisbon gefunden, davon war Patrick felsenfest überzeugt.
 

"Ich muss los. Freut mich, dass wir uns getroffen haben", sagte er mit einem breiten

Lächeln, das jedoch nicht seine Augen nicht erreichte.

Jason streckte ihm die Hand entgegen. "Hat mich ebenfalls gefreut, Mr. Patrick Jane.

Vielleicht sehen wir uns mal wieder."
 

Patrick ergriff sie und drückte sie kurz. Doch seine Gedanken waren schon weit weg.

Vielleicht wäre ihm ansonsten etwas aufgefallen.
 

Doch so wandte Patrick sich nach einem letzten Nicken um, kehrte dem Mann den Rücken

zu und verließ eiligen Schrittes den Friedhof.

Mit quietschenden Reifen startete er seinen alten Citroën und fuhr in Richtung

Norden.

Auf den Gedanken Rigsby, van Pelt oder Cho anzurufen kam er nicht.
 

Red John gehörte ihm ganz allein.
 

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Ende Kapitel 4
 

Red John hat Teresa Lisbon! Zwei Personen, eine Tatsache.
 

Und in Anbetracht dieser Umstände und dem Hass, den Patrick Jane auf Red John

empfindet und der Sorge um Lisbon, ist es vielleicht verständlich, das seine sonst so

scharfe Wahrnehmung etwas getrübt ist.

Geht es euch genauso oder ist euch etwas aufgefallen, was dem sonst so aufmerksamen

Patrick entgangen ist?
 

Patrick ist nun „Auf der Suche“. Und in der Tat wird er fündig... allerdings wird er

auch schon erwartet. Und wenn er bis zu diesem Zeitpunkt geglaubt hat, dass die

Rettung von Lisbon so einfach, wie eines seiner üblichen Spielchen ist, wird er sehr

schnell eines Besseren belehrt.

Und damit ist auch nun die relative ruhige Phase des Falles vorbei.
 

Liebe Grüße

chaska



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