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Die PSC will Krieg? Die PSC bekommt Krieg!

das größte J-Rock-Konzert der Geschichte
von

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Prolog

„Ha...aouw.“, stöhnte er mit zusammengekniffenen Augen, als er zu sich kam und sofort von fiesen Kopfschmerzen überfallen wurde. Er griff sich langsam, geradezu bedächtig, an die Stirn. Dazu musste er seine Hand unter der warmen Decke hervorziehen, in die er eingepackt war.

„Oh, hey, du musst langsam machen.“, rede von der Seite jemand leise auf ihn ein.

Er blinzelte mit einem Auge in die Richtung, aus der er die Stimme zu hören gemeint hatte. In der Tür entdeckte er einen jungen Mann, er betrat den Raum gerade und hatte ein Glas Wasser bei sich. Er sah nicht gefährlich aus. Ein schneller Blick in die Runde sagte ihm, daß er in einem Schlafzimmer war, aber auch das sah Gott sei Dank nicht gefährlich aus. „Wo bin ich?“, wollte er leise wissen – sein Hals war furchtbar trocken – und schloss die Augen erst einmal wieder.

„In meiner Wohnung in Osaka.“

Osaka, das war gut. „Ich bin Yoshihiko.“, gab er leise zurück.

Der andere antwortete mit einem Kichern. „Sehr angenehm, Mister Yoshihiko. Ich bin Hiroto. Wir kennen uns bereits.“, lachte er.

Yoshihiko blinzelte nochmal ungläubig in seine Richtung. Tatsächlich. „Sorry, ich hab dich gar nicht erkannt. ... Neue Frisur?“, wollte er leise von dem Alice-Nine-Gitarristen wissen. Gott, er war noch gar nicht ganz wach. Aber immerhin lief alles nach Plan, denn zu Hiroto hatte er ja gewollt. Auch wenn er sich nicht erinnern konnte, wie er hier in diese Wohnung und in dieses Bett gekommen war, das gab ihm zu denken. Er fühlte sich elend und hundemüde. Er wollte nichts lieber als weiterschlafen.

„Ich hab dich draußen in meinem Garten zusammenbrechen sehen. Zum Glück stand ich gerade am Fenster, als du kamst. An was erinnerst du dich?“, wollte Hiroto ruhig und in gedämpfter Tonlage wissen, und hielt ihm das Glas Wasser hin. Er hatte wohl intuitiv bereits erfasst, daß der Sänger laute Geräusche gerade gar nicht vertrug.

Yoshihiko überlegte kurz, während er sich etwas aufrichtete und am Wasser nippte. „An alles wichtige. Aber ich will jetzt nicht darüber reden.“, entschied er, gab das Glas zurück und ließ seinen Kopf zurück ins Kissen sinken.

„Soll ich jemanden anrufen?“, wollte der Blonde wissen, bevor er ihm vor Erschöpfung wieder wegschlief.

Ein schrecklicher Gedanke übermannte Yoshihiko bei dieser Frage und er riss die Augen doch nochmal auf, um Hiroto mit neu erwachtem, glasklarem Verstand anzusehen. „Hast du jemanden informiert, wo ich bin?“

„Nein, niemanden. Es weiß keiner.“

„Dann ist es gut ...“, hauchte er noch, fiel schlagartig in seinen gedämpften Dämmerzustand zurück und war auf der Stelle wieder eingeschlafen. Er hatte Bedenken gehabt, wo er aufwachen würde. Aber offensichtlich war er nicht von seinen Kontrahenten gefunden worden. Es war alles in bester Ordnung. Ab jetzt hatte er Zeit.

Hiroto stellte seufzend das Glas Wasser zur Seite, das er immer noch in der Hand gehalten hatte und strich mit den Fingern über Yoshihikos Gesicht. Er hatte durch die dicke Decke eine gesunde Körperwärme, aber kein Fieber. Das war gut. Er wusste nicht, was mit ihm passiert war. Aber ein Star wie Yoshihiko brach sicher nicht grundlos ohnmächtig in irgendeinem Hintergarten zusammen. Und offensichtlich hatte der Sänger zu ihm gewollt, denn besagter Hintergarten gehörte Hiroto. Er hatte wohlweißlich niemandem gesagt, daß Yoshihiko hier war. Er hatte sogar beschlossen, nichtmal einen Arzt zu rufen, solange er kein Fieber oder irgendwas bekam. Er würde warten, bis der Vocal von selber wieder zu sich kam, und dann sollte er mal schön selber entscheiden, wie es weiterging.
 

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So, Leute, der Anfang ist gemacht. Der Prolog war leider noch nicht sehr lustig, sondern eher dramatisch. Ich muss die Charas erstmal alle da hin bekommen, wo ich sie brauche. Aber bleibt dran, ab dem 1. Kapitel gibt´s Gaudi. ^^

Tag 1 - Flucht und Zimmerverteilung

Als Hiroto am nächsten Tag von einem Botengang zurückkam, hockte Yoshihiko auf allen Vieren auf dem Fußboden und versuchte, seine Katze mit einem langen Essstäbchen zum Spielen zu bewegen. Er warf kurz einen verdutzten Blick auf die Uhr. War er wirklich nur eine knappe halbe Stunde weg gewesen? Als Hiroto das Haus verlassen hatte, hatte der Schwarzhaarige noch schlafend im Bett gelegen. Jetzt war er umgezogen, säuberlich gebürstet und leicht anfrisiert und machte einen überaus munteren Eindruck. Er trug einen von Hirotos viel zu großen XXXL-Pullovern, der wie ein Sack von seiner schmalen Statur herabhing. Auch an Hiroto hingen diese Dinger runter wie Kleider, er liebte viel zu große Sachen über alles. Yosh grinste Hiroto bis über beide Ohren entgegen, und winkte ihm vergnügt mit dem Essstäbchen. „Hey!“

„Hey. Schön, daß du wieder okay bist.“, gab er etwas erstaunt zurück und lächelte ebenfalls.

„Danke für deine Hilfe. ... Ich hab mir ne Klamotte von dir geliehen. Ich hoffe, das ist in Ordnung.“, meinte der heidi.-Sänger kleinlaut und erhob sich vom Fußboden.

„Ja, kein Thema. ... Hast du schon was zu essen gefunden?“

„Nein.“

„Dann lass uns mal schnell was suchen. Ich hab nämlich auch Hunger.“, grinste der junge Gitarrist, nachdem er sein Gegenüber einen Moment lang gemustert hatte. Er kam immer noch nicht so richtig darüber hinweg, den Sänger von heidi. hier zu haben. Er fragte sich, warum der so unvorgewarnt hergekommen war.
 

„Also ... was hast du jetzt vor?“, wollte Hiroto ruhig wissen, während sie sich am Tisch gegenüber saßen und ihre Nudeln futterten. Er stellte ganz bewusst nicht nochmal die Frage, was passiert war.

Yoshihiko starrte einen Moment lang nachdenklich auf seinen Teller. „Das ist gerade alles verdammt kompliziert. Und schwer zu erklären. ... Wäre es möglich, daß ich noch ein paar Tage bei dir bleibe? Nur, bis ich das nötigste geklärt habe? Ich kann erstmal nicht in meine Wohnung zurück, da finden sie mich sofort.“

„Wer denn?“

„Meine Band. Und die PS Company.“

„Hast du dir Ärger eingehandelt?“

Yoshihiko grinste schief. „Würde ich so nicht sagen.“, deutete er an, machte aber keine weiteren Ausführungen zu ihrer Frage.

Hiroto zuckte mit den Schultern. „Klar, gern, bleib ruhig noch ein bischen.“, stimmte er zu und richtete sich so langsam darauf ein, nichts mehr von ihm zu erfahren.

„Wir sind auf der Flucht, ich und ein paar andere.“, begann Yoshihiko nach kurzem Hadern aber doch von selbst zu erzählen. „Die PS Company verlangt von uns ein Gemeinschaftsprojekt. Sie würfeln wahllos ein paar von uns Musikern aus den unterschiedlichsten Sparten zusammen, setzen uns dann ganz schaurige Musik vor, die wir gefälligst zu produzieren haben, und ziehen uns damit durch die Presse. Sie verlangen von uns den völligen Verrat an unserer jeweiligen Musikrichtung und unseren Images. Wenn wir uns weigern, nageln sie uns mit monströsen Zwangsgeldforderungen fest, und wenn das immer noch nicht fruchtet, wenden sie Gewalt an.“

Hiroto starrte ihn einen Moment fassungslos an. Die PS Company? Das Kult-Label schlechthin? Sollten die wirklich mit solchen Methoden arbeiten? Alice Nine war zwar inzwischen nicht mehr dort, aber so hatten sie die PSC nicht kennen gelernt. „Du ... bist doch gar nicht bei der PSC unter Vertrag.“, warf er vorsichtig ein.

„Gut beobachtet.“, gab Yoshihiko nur zurück und stopfte sich hungrig eine weitere Gabel Stiftnudeln in den Mund. „Das interessiert die aber nicht.“, fügte er mit vollem Mund kauend an und spickte schon die nächste Ladung Essen auf. „Wir haben entschieden, daß der einzige Weg die Flucht ist. Wir sind alle untergetaucht, bis wir ...“ Der Sänger unterbrach sich selbst, als sein Handy losschellte, und angelte in seine Hosentasche. „Oh, das ist Reita.“, meinte er ehrlich erstaunt und stellte auf Freisprechfunktion.
 

„Hallo?“

„Fujiyama! Hier ist Reita.“, hörte man aus dem Lautsprecher. Das war wohl ein Codewort, für den Fall, daß irgendwas nicht nach Plan lief. Oder dafür, daß die Leitung vertrauenswürdig war und Reita nicht gerade mit einer Pistolenmündung im Rücken telefonierte.

„Hey, bist du okay?“

„Ja. Wo bist du, Yoshihiko?“

„In Osaka. Mich haben sie nicht gefunden.“

„Gut.“

„Was ist denn passiert? Du hattest gesagt, wir sollen mindesten 5 Tage untertauchen und Funkstille halten. Ich hatte noch lange nicht mit deinem Anruf gerechnet.“

„Die haben Takuya.“

„Verdammt.“, kommentierte Yoshihiko und ließ seine Gabel sinken, die er sich gerade in den Mund hatte schieben wollen.

„Und noch was. Uruha haben sie auch.“

„Uruha?“, machte der Sänger fassungslos. „Aber der ist doch gar nicht in das Projekt eingebunden. Was wollen die mit ihm?“

„Die ziehen jetzt Unbeteiligte mit rein, um uns unter Druck zu setzen. ... Hör mal, Yoshihiko, es tut mir leid. Ich kann das nicht mehr durchziehen. Ich muss zurück.“

„Versteh ich.“

„Ich will nicht, daß die Uruha irgendwas ...“

„Reita, beruhig dich, stürz jetzt nicht kopflos alleine ins PSC-Gebäude. ... Wo bist du gerade? Wir sollten uns treffen, ich komme mit.“

Kurz herrschte Schweigen. Reita überlegte offenbar. „In drei Stunden an der Treppe? Schaffst du das?“

„Ja, ich werde da sein.“, versprach Yoshihiko. Er wusste offensichtlich ganz genau, von welcher Treppe Reita sprach.

„Danke, Yoshihiko. Bis dann.“

„Pass auf dich auf.“, meinte der Schwarzhaarige noch und legte dann auf. Seufzend starrte er kurz vor sich hin und überlegte. Der klassische <so-ein-verdammter-shit>-Ausdruck stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Sieht aus, als würde ich dir doch keine paar Tage mehr auf die Nerven gehen.“, sagte er schließlich mit einem müden Lächeln zu Hiroto und schob sich seine Ladung Nudeln nun doch rein.
 


 

Murrend knotete sich Reita sein Nasenband wieder fest, das er vorübergehend tatsächlich mal abgenommen hatte, um nicht sofort aufzufallen. Er und Yoshihiko waren unbemerkt ins PSC-Gebäude eingedrungen und waren da drin sogar erstaunlich weit gekommen. Aber auf der Suche nach Takuya und Uruha waren sie letztlich doch in irgendeinem Gang aufgegriffen und festgehalten worden. Gerade schob man sie brachial in das Zimmer, in dem bereits die beiden anderen festgehalten wurden. Der Raum war leer, Uruha und der AnCafe-Gitarrist saßen auf dem blanken Fußboden, einer gegen die Wand gelehnt, der andere im Schneidersitz daneben.

„Du da, mitkommen!“, maulte einer der beiden Türsteherverschnitte, die Reita und Yoshihiko am Kragen in das Zimmer beförderten, und deutete auf Takuya. „Du wirst jetzt diesen Vertrag unterschreiben!“, fügte er unheilschwer an.

Takuya schüttelte langsam den Kopf. „Nein.“, gab er nur zurück, obwohl man ihm eine gewisse Angst anmerkte. Offenbar hatten sie ihm bereits so einiges angedroht oder gar angetan, weil er nicht kooperierte.

„Du! Wart´s nur ab, jetzt ist das Maß voll!“, grollte der breitschultrige Typ, kam näher und zerrte den zierlichen Gitarristen von der Wand weg, um ihn am Boden auf den Rücken zu zwingen.

„Nicht!“, keuchte Takuya panisch.

„Lass ihn in Ruhe!“, zischte Yoshihiko, warf sich sauer auf den Schläger und riss ihn damit halb von Takuya herunter. Uruha fuhr reflexartig hoch und tat es ihm gleich. Beide wurden augenblicklich wieder davongeschleudert. Uruha rollte quer durch den halben Raum, Yoshihiko krachte unmittelbar in die Wand und sackte dann haltlos in sich zusammen. Schockierte Stille setzte ein.

„Verdammt, was hast du getan? Die Typen sollen noch Musik machen, du kannst sie doch nicht totschlagen! Tot bringen die uns nichts!“, fauchte der zweite Schläger der PSC überfordert. „Komm, lass uns abhauen, bevor das jemand sieht!“ Und sofort waren die beiden aus dem Zimmer verschwunden, der Schlüssel drehte vernehmlich von außen im Schloss, und die vier J-Rocker blieben allein zurück.
 

Takuya keuchte und stämmte sich mühsam wieder hoch, um seine Kleider zu ordnen. Reita war schon bei dem Schwarzhaarigen und überprüfte die Vitalfunktionen. „Er atmet noch ... Ich finde keine Platzwunden. Ist wohl zum Glück nur K.O. gegangen. Ich hoffe, das wird wieder.“, meinte er besorgt. Neben sich hörte er Uruha fluchen, der sich ebenfalls wieder gesammelt hatte und sich nun die Bescherung hier ansah.
 

Fünf Minuten später saß Reita schweigend auf dem Fußboden, kaute nervös auf seinen Fingernägeln und versuchte verbissen, nicht auf Yoshihiko zu starren. Es grenzte an psychische Folter, mit einem Bewusstlosen in einem Raum eingesperrt zu sein. Er hatte ständig das Gefühl, der Sänger würde ihm gleich wegsterben und er müsse einfach hilflos zusehen und könne nichtmal einen Arzt rufen. Dummerweise funktionierten hier drinnen keine Handys.

Draußen vor der Tür wurde Scharren und leises Gemurmel laut. Jemand rüttelte vorsichtig an der Türklinke, aber es war ja abgeschlossen, dann machte sich derjenige am Schloss zu schaffen. Es knackte und kratzte gänsehauterregend. Dann schwang die Tür mit einem letzten Holpern auf und ein Ruki mit gezückter Kreditkarte kam dahinter zum Vorschein. Er schmunzelte kurz stolz, daß er die Tür tatsächlich mit einer Karte aufbekommen hatte und sah sich mit einem schnellen Blick um. Ja, er hatte das richtige Zimmer erwischt. Hinter ihm erschien eine schwarzhaarige Gestalte, die Reita nach kurzem Überlegen für den Schlagzeuger von heidi. hielt.

„Reita! ... Uruha, ist alles okay bei euch?“, wollte Ruki halb besorgt, halb erleichtert wissen, als er eintrat und sein Blick auf Yoshihiko fiel.

„Ja, bei uns schon.“

„Was ist passiert?“, hakte Ruki nach, den Blick weiter auf den reglos herumliegenden Sänger gerichtet. Der heidi.-Drummer, Kiri, hatte sich schon zu ihm auf den Boden geworfen und ihn gerade auf den Rücken gedreht, um ihn zu rütteln und aufzuwecken.

„Er wurde bewusstlos geschlagen.“

„Wir müssen uns beeilen, bevor jemand merkt, daß wir hier sind. Kommt schon, Kai wartet unten mit dem Auto.“, erklärte Ruki knapp.

„Er kommt nicht wieder zu sich.“, merkte Kiri verzweifelt an, als all seine Weckversuche nicht fruchteten. „Ich geh auf keinen Fall ohne ihn hier weg.“

„Dann werde ich ihn tragen.“, ging Ruki genervt dazwischen.

„Bist du noch bei Trost? Du bist der Kleinste von uns allen!“

„Guck dir die halbe Portion doch mal an, das schaff ich schon.“

„Vergiss es. ICH werde ihn tragen. Los, helft mir mal.“, legte Uruha fest und kauerte sich auf den Boden, um sich Yoshihikos Arme um den Hals zu legen und ihn Huckepack zu nehmen. Das Fliegengewicht war tatsächlich leichter als Uruha gedacht hatte, aber das konnte ja nur gut sein.

„Takuya, kommst du?“, wollte Ruki ungeduldig wissen, um den AnCafe-Gitarristen hochzuscheuchen, der immer noch zusammengekauert an seiner Wand hockte.

„Ich, äh ... Ich? Es ist keiner da, der mich abholt.“

„Doch, wir. Du wirst bei uns mitfahren.“

Takuya nickte verdutzt und stand auf.
 

Ruki und Kiri hatten gute Vorarbeit geleistet. Die inzwischen doch recht große Truppe verließ das PSC-Gebäude ohne auch nur einmal aufgehalten oder schief angeschaut zu werden. Den bewusstlosen heidi.-Sänger hatten sie inzwischen in einen Rollcontainer gestopft und bugsierten ihn wie Equipment durch die Gänge, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen als sie ohnehin schon hatten. Trotz allem verließen sie den riesigen Komplex in einer panischen Hals-über-Kopf-Aktion und stürzten sich wie Bankräuber auf der Flucht in ihren Fluchtwagen. Kai drehte sich auf dem Fahrersitz des Kleinbusses um und beschaute die Meute. „Hi, Leute. Seid ihr vollzählig?“, wollte er wissen und warf einen fragenden Blick auf Yoshihiko, der nach wie vor ohnmächtig aus einer Box gezerrt und einfach in irgendeine freie Lücke im Auto gestopft wurde, sagte aber nichts dazu.

„Ja, mehr sind wir erstmal nicht. Takeru und Teru sind offenbar noch nicht wieder eingefangen worden.“

„Okay. ... Festhalten!“ Kai trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und zog mit rauchenden Reifen die Ausfahrt hinaus.

Schon nach wenigen hundert Metern hatten sie eine unauffällige Limousine als Verfolgung am Heckspoiler kleben. Kai grummelte irgendwas in sich hinein und zückte das Telefon. Das Gazette-Plaza war der sicherste Ort, den man sich in so einer Situation vorstellen konnte. Das Ding gleich mit seinen Mauern und Überwachungsanlagen einer Festung. Da kam keiner ungebeten rein, nichtmal die PSC. Sah so aus als würden sie sich erstmal eine Weile da drin verschanzen müssen, bis das ganze Theater mit dem Gemeinschafts-Zwangsprojekt geklärt war. „Aoi?“, rief Kai über den dröhnenden Motor hinweg ins Telefon. „Kannst du dich mal ans Tor stellen? Wir werden ziemlich schnell reinkommen, und ich will, daß du das Tor sofort hinter uns zuschmeißt, wenn wir durch sind. Wir haben unliebsame Anhängsel. ... Ist das okay? ... Ja? Danke! Wir sind in ca. drei Minuten da, bei der momentanen Geschwindigkeit, die ich hier fahre. ... Blitzer!? Pfeif auf Blitzer, man! Mach das blöde Tor auf!“, maulte Kai und legte auf. „Hey, Kiri, ruf deine Jungs an, daß sie auch ins Gazette-Plaza kommen sollen, bevor die PS Company sie wegfängt.“, bat er den heidi.-Schlagzeuger in seinem Auto. „Takuya, wo ist Miku gerade? Ich hab ihn bisher nicht erreicht.“
 

Als Yoshihiko wieder zu sich kam, hatte er schon wieder diese stechenden Kopfschmerzen. Das war ja furchtbar. Schon das zweite Mal in zwei Tagen, daß er mit Kopfschmerzen aus irgendeiner Ohnmacht aufwache. Sein Kopf fühlte sich unangenehm warm und eingewickelt an. Er blinzelte vorsichtig die Augen auf und stellte fest, daß er in Reitas Schoß lag und Reita sein Gesicht gegen seine Brust gedrückt und schützend mit beiden Armen umschlungen hatte. Als Yoshihiko sich stöhnend regte, wurde er auch endlich wieder losgelassen und mit besorgten Blicken gemustert. Sofern Reita mit seinem Nasenband überhaupt irgendwelche Gesichtsausdrücke richtig darstellen konnte. „Hey, da bist du ja wieder. Bin ich froh, daß du wieder wach bist.“

Mit einem müden „Hm ...“ und kleinen Augen schaute Yoshihiko in die Runde. Er war in einem großen Partyraum, der wohl gerade als Aufenthaltsraum herhalten musste, und um ihn herum saßen sein Bassist und sein Schlagzeuger, Kamijo, der Sänger von Versailles, und Ruki. Und natürlich Reita, in dessen Schoß er noch immer lag.

„Hey, du hast das Beste verschlafen. Ruki und Kiri haben uns aus der PSC gerettet.“, quasselte Reita auf ihn ein.

Yoshihiko griff sich kurz an den Kopf, als könne das den Schmerz stillen, und rappelte sich in eine sitzende Position hoch. „Wo sind wir denn hier?“

„Im Gazette-Plaza. Das ist gerade eine Auffangstation für PSC-Flüchtlinge und Angehörige.“, scherzte Reita. „An Cafe, Versailles, Dir en Grey und SuG sind auch hier. Nagut, Takeru ist noch auf dem Weg, genauso wie dein Gitarrist, die sollten binnen der nächsten halben Stunde eintreffen. Mit SID versuchen wir noch Kontakt zu kriegen. Und Maya und Aiji haben sich vorbehalten, auch noch aufzukreuzen. Die fühlen sich zwar zur Zeit noch nicht bedroht, haben aber auch schon ein ungutes, flaues Gefühl im Magen.“

„Maya ... Aiji ... LMC?“, hakte Yoshihiko nach und hielt sich weiter den Kopf. Es fiel ihm schwer, mitzudenken, er fühlte sich immer noch ganz bedeppert.

„Ja, LMC. ... Warte, ich such dir eine Aspirin, oder sowas.“, schlug Reita vor und erhob sich vom Sofa.

„Äh ... sagtest du <Takeru>?“, rief Yoshihiko ihm nach. „Bitte lass das nicht wahr sein.“

„Wieso? Das Quietschi ist doch total goldig.“

„Ja ... wirklich süß.“, murmelte er zynisch und dachte dabei an sein letztes Treffen mit diesem neonfarbenen Chaotenscherzkeks. Jemandem eine Tüte Flöhe unter die Bettdecke zu schütten war genau seine Art von Humor.
 

„Was ist mit Seth? Von Moi dix Mois? Steht der nicht auch ganz oben auf der Checkliste der PSC?“, wollte Kamijo wissen.

„Er wird nicht herkommen.“

„Aber ... die werden ihn sicher wegfangen!“

„Oh ja, das hoffe ich!“, gab Yoshihiko zurück und nahm dankend das Glas mit der sprudelnden Kopfschmerztablette entgegen. Dabei kramte er sein Handy heraus. 17 verpasste Anrufe. „Wenn die wirklich so seltendämlich sind, sich an Seth zu vergreifen, wird Mana denen eigenhändig dermaßen die Ärsche aufreißen, daß die sich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag nicht wiederfinden. Seth hofft geradezu, daß die ihn holen kommen.“, grinste der schwarzhaarige Sänger und nippte an seinem Glas. Dann verzog er das Gesicht, holte nochmal kurz Luft und goss sich den kompletten Tablettensud in einem Zug hinter die Binde. Danach schüttelte er sich ob des widerlichen Geschmacks. Wie er Aspirin hasste. Hoffentlich half das Zeug wenigstens.

Der Heidi-Sänger begann zu grübeln. Na schön, wer würde alles hier auftreffen?

- von Gazette : Ruki, Aoi, Reita, Kai und Uruha

- von Versailles : Kamijo, Masashi, Teru, Hizaki und Yuki

- von heidi : Nao, Kosuke, Kiri und er selbst.

- von SuG : Takeru, Masato, Yuji, Chiyu und Shinpei

- von LMC : Aiji und Maya

- von AnCafe : Takuya, Miku, Kanon, Yu-Ki und Teruki

- von Din en Grey: Kyo, Kaoru, Die, Toshiya und Shinya

- wahrscheinlich auch von D´espairs Ray : Hizumi, Karyu, Zero und Tsukasa

- und SID standen ebenfalls auf der <Liste>, sicher würde man von denen auch noch hören. Das wären dann : Mao, Shinji, Aki und Yuya
 

Oh man, was würde das für ein verdammter Massenauflauf werden? Yoshihiko rechnete kurz mit den Fingern nach, wofür er wegen seiner Kopfschmerzen mehrere Anläufe brauchte. 39 Leute. Er hatte das Gazette Plaza wohl erheblich unterschätzt. Von jeder Band standen nur 1 oder maximal 2 Mitglieder auf der Wunschliste der PSC. Aber wenn die nicht davor zurückschreckten, auch die restlichen Bandmitglieder als Druckmittel einzufangen, herrje, wo sollte das um Himmels Willen enden? Er hoffte wirklich, daß die PSC Mana einen guten Grund für einen handfesten Krieg lieferte. Mana war eigentlich der einzige, der die PSC aufhalten konnte.

39 Leute, Tendenz steigend. Wohlbemerkt die unterschiedlichsten Leute, die man sich so vorstellen konnte. Das konnte heiter werden. Kyo, der kein Problem damit hatte, gegen andere und sich selbst handgreiflich zu werden, Masashi, der sich selbst vor kleinen Katzen gruselte, und Takeru, der immer und überall den Clown raushängen lies, wie sollte so eine Mischung gutgehen?
 

Recht weit kam er mit seinen Überlegungen nicht mehr, denn in diesem Moment flog die Tür auf und ein buntes, bis über beide Ohren grinsendes Wusel kam darin zum Vorschein und verkündete mit <Tadaaa-der-Meister-ist-erschienen>-Pose seine Ankunft.

„Takeru!“, rief ihm jemand fröhlich winkend entgegen.

Yoshihiko nahm die aufgestützte Stirn aus der Hand und grüßte ebenfalls halbherzig.

„Was is´n mit dir los?“, wollte der SuG-Vocal mit schlagartiger Besorgnis wissen.

„Er ist gegen eine Wand geflogen.“, erklärte Reita.

„Hoi!“ Takeru kam näher und schaute Yoshihiko genauer an. „Du siehst blass aus, ist dir übel?“

„Ein bischen, ja.“

„Das ist ne Gehirnerschütterung!“, diagnostizierte Takeru fachkundig, ließ seine Reisetasche mitten im Raum einfach fallen und setzte sich vor Yoshihiko, ohne auch nur seinen Anorak auszuziehen. „Halt mal still.“ Er schnappte sich den Kopf seines Sänger-Kollegen und begann ihm mit spitzen Fingern die Schädeldecke in langsamen, sanften Kreisen zu massieren.

„Lass das ...“, maulte Yoshihiko halbherzig und versuchte, seinen Kopf wegzuziehen, aber das blonde Quietschi hielt ihn konsequent fest.

„Wart´s doch erstmal ab, bevor du meckerst. Mach die Augen zu.“, gab er nur zurück und massierte unbeirrt weiter.

Yoshihiko seufzte und ergab sich widerwillig in sein Schicksal. Eigentlich auch nur, weil gerade zu viele Leute hier rumsaßen, die seinen Aufstand sicher missbilligt hätten. Zu seinem Ärger musste er gestehen, daß die Kopfschmerzen tatsächlich binnen kaum 3 Minuten weg waren. Er war geneigt, es aus purem Trotz auf die Aspirin zu schieben, die er genommen hatte, obwohl er es besser wusste. Aspirin hatte bei ihm noch nie geholfen.
 


 

„Was ziehst du denn für eine Schnute?“, wollte Kanon amüsiert wissen, als er den wuschelhaarigen heidi.-Sänger auf sich zukommen sah. Der schien in der Tat mit ziemlich unangenehmen Neuigkeiten zu kommen, diesem Gesicht nach zu urteilen.

Yoshihiko seufzte. „Einer von uns muss mit Kyo in ein Zimmer.“

Kanon schlief das Gesicht ein. Das war wirklich nicht witzig. „Ich will nicht mit Kyo in ein Zimmer.“, stellte er panisch klar.

„Ich auch nicht!“, gab Yoshihiko nachdrücklich zurück.

„Lass uns Streichhölzer ziehen.“, schlug der AnCafe-Bassist vor und kramte in seiner Hosentasche, als ob er auch wirklich spontan welche bei sich hätte.

Yoshihiko schnaubte entrüstet. „Hast du sie noch alle? Auch wenn ich hundertmal verliere, ich GEHE nicht mit ihm in ein Zimmer, basta!“ Er schüttelte energisch den Kopf. Nein!!! Nein, nein und nochmals nein. Kyo war krank, einfach nur durchgedreht. Der riss sich auf der Bühne mit den Fingernägeln die Haut von den Knochen, schlitzte sich mit Rasierklingen auf, schlug sich selbst mit dem Mikrophon das Gesicht blutig ... und seine Musikvideos erst! Nein! Yoshihiko würde lieber hier im Partyraum auf dem Sofa schlafen, als mit diesem Freak in einem Zimmer.

„Naja ... ich glaub, Takeru hat auch noch Platz bei sich.“

„Verdammt ... Gib mir die Streichhölzer.“, gab Yoshihiko mit fordernder Handbewegung zurück. Da lieber ging er zu Kyo. Oder ... nein ... eigentlich nicht. Kyo musste er auch nicht haben. Beides war eine Strafe.

Hizumi kicherte leise aus der Ecke des Aufenthaltsraumes, wo er bisher schweigend in einem Sessel gelungert und das Gespräch verfolgt hatte. „Warum kommst du nicht mit zu mir, Yoshihiko? Bei mir wurde auch gerade noch ein Bett reingestellt.“

„Oh, ja, danke, du rettest mir das Leben.“, willigte der Sänger sofort euphorisch ein.

„Wie, die haben bei dir noch ein Bett reingestellt?“, wollte Kanon verdutzt wissen.

„Einige Zimmer werden doppelt belegt, es ist nicht mehr genug Platz für alle.“, gab Hizumi schulterzuckend zurück. „Ich hab denen gesagt, es wäre okay, wenn sie bei mir noch jemanden einquartieren. Ich brauch nicht um jeden Preis ein Einzelzimmer.“

„Ah ja? Wer hat denn jetzt noch Doppelbetten?“

„Hm ... Kyo und Takeru.“, lachte der D´espairs-Ray-Sänger, wohl wissend, daß Kanon diese Antwort bereits kannte und definitiv nicht lustig fand. „Und die schräge Gitarristin von Versailles.“

„Hizaki ist ein Mann, das ist dir schon klar, oder?“

„Ja, schon klar. - Sieht aber aus wie ne Frau.“

„Okay, ich frag sie. ... äh ... ihn.“, murmelte Kanon.

„Brauchst du nicht. Sein zweites Bett ist bereits vergeben.“, warf Yoshihiko leise ein. Genau diese Idee hatte er nämlich auch schon gehabt.
 


 

Als Hizumi endlich wieder aus dem Bad kam, saß Yoshihiko bereits leicht bekleidert auf seiner Bettkante und wartete, daß er auch mal unter die Dusche konnte. Gelangweilt drehte er einen Ring in seinen Fingern, den Hizumi entsetzt als seinen erkannte. „Hey, Moment mal, gib mir den Ring wieder!“, maulte er missgestimmt und kam auf Yoshihiko zu, um mit ausgestreckter Hand sein Eigentum zurückzufordern.

Yoshihiko blickte näckisch auf und schloss den Silberring fest in seine Faust. „Nö, der ist jetzt meine, den behalte ich.“, gab er scherzhaft zurück.

„Du Besen! Gib den verdammten Ring zurück!“

Yoshihiko kicherte auf, als Hizumi ihn rücklings ins Bett drückte. Sie begannen sich regelrecht um das Schmuckstück zu rangeln. Der heidi.-Sänger war leider verdammt wendig und schlängelig, wenn es darum ging, sich nicht fassen zu lassen. Hizumi kraxelte schließlich auf ihn, um ihn unter sich festhalten zu können. Yoshihiko lachte leise, als der D´espairsRay-Sänger seine beiden Handgelenke packte, derb auf die Bettmatratze zwang und ihn fixierte. Hizumi hatte auch ein dunkles Grinsen auf der Backe, obwohl er das hier offensichtlich nicht halb so amüsant zu finden schien wie er. Der D´espairs-Ray-Sänger war wohl doch irgendwie sauer und konnte sich nur das Grinsen nicht verkneifen, weil Yoshihikos Lachen ihn ansteckte. Yoshihiko wand sich unter ihm, den Ring immer noch fest mit seiner Hand umklammernd, kam aber nicht mehr frei. Okay, Hizumi hatte gewonnen, gestand er sich lachend ein und drehte den Kopf weg, weil Hizumis frisch gewaschene, nasse Haare ihm ins Gesicht tropften.

In diesem Moment flog die Tür auf und ein verdutzter Takuya, dem seine Frage offensichtlich im Halse steckengeblieben war, starrte fassungslos auf die Szene. Da wälzten sich ein halbnackter und ein ... naja ... ziemlich nackter Mann in einem Bett. Yoshihiko trug schon nur noch eine Hose mit offenem Hosenstall und Hizumi mehr schlecht als recht ein Handtuch um die Hüften.

Stille setzte ein. Alle schauten sich gegenseitig an, auf der Suche nach einer möglichst verdammt guten Erklärung. „Das ... ist nicht ... wonach es aussieht.“, meinte Yoshihiko schließlich zögerlich.

„Ach nicht? Schade. Ich wollte gerade fragen, ...“, erwiderte der AnCafe-Gitarrist und begann zu feixen.

„Jetzt rück endlich meinen Ring wieder raus.“, verlangte Hizumi, um die Situation irgendwie zu retten. Die Wahrheit war jetzt immer noch das Beste. Man musste sie nur glaubwürdig rüberbringen, das war schon schwieriger.

„Ja!“, machte Yoshihiko zustimmend. „Ja, hier hast du deinen Ring wieder!“, bekräftigte er und hielt demonstrativ den Silberklunker in Takuyas Sichtfeld, um zu verdeutlichen, daß sie sich wirklich nur um den Schmuck gerangelt hatten. Mehr nicht! Nur um den Schmuck gerangelt!

„Was wolltest du denn, Takuya?“, wechselte Hizumi schnell das Thema, kletterte von seinem Sänger-Kollegen herunter und griff schnell nach seinem Handtuch, bevor er es endgültig verlor.

„Wollte nur wissen, ob ihr Miku gesehen habt. Aber bei euch ist er auch nicht.“, meinte der nur und wandte sich immer noch anzüglich grinsend zum Gehen. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und man hörte seine Schritte gleichmäßig im Gang verhallen.

Beide schauten nachdenklich die zugefallene Tür an. „Das wird uns verdammt lange anhängen, wenn er das rumerzählt.“, meinte Yoshihiko nüchtern. Dann brachen sie beide wieder in Gelächter aus.

Tag 2 - neue Flüchtlinge

„Wir müssen hier links abbiegen.“, maulte Hiroto.

„Klappe da hinten. Ich weis genau, wo es lang geht. ... Gib mir die Landkarte!“, verlangte Tora, brachte das Auto mit einem derben Ruck zum Stehen und winkte energisch seinem Bassisten, daß er den Straßenatlas rausrücken solle.

Hiroto verschränkte auf der Rückbank schmollend die Arme. Im Gegensatz zu den anderen wusste er wirklich wo es lang ging, denn er hatte mit Yoshihiko telefoniert und sich den Weg detailiert beschreiben lassen. Er und Saga waren inzwischen auf die Wunschliste der PSC gesetzt worden und hatten, nach allem was sie von Yoshihiko mitbekommen hatten, schon beim ersten Kontaktversuch der PSC panisch beschlossen, sich auch im Gazette Plaza zu verschanzen. Hiroto wollte jedenfalls nicht so enden wie der heidi.-Vocal, der die ganze Nacht zu Fuß durch Osaka geirrt war, damit ihn die PS Company nicht fand, um dann erschöpft in irgendeinem Hintergarten zusammenzubrechen, wenige Meter bevor er jemanden erreichte bei dem er untertauchen konnte. Nach gefühlten 20 Anrufversuchen war Yoshihiko endlich ans Handy gegangen, hatte ihm erzählt wie gewalttätig die PSC ihre Wunschmusiker wegsperrte und behandelte und hatte ihm genau gesagt, wo man das Gazette Plaza fand. Aber wenn seine Bandkollegen nicht auf ihn hören wollten, bitte sehr, dann mussten sie eben weiter in der Gegend rumirren.

Saga auf dem Beifahrersitz zog nur genervt den Atlas aus Toras Reichweite und zeigte in den Rückspiegel. „Fahr lieber weiter. Siehst du die blöde Limousine da, man? Ich sag dir schon, wo wir hin müssen.“

Tora bemerkte ebenfalls das Verfolger-Fahrzeug und trat fluchend das Gaspedal wieder durch. Von der PSC gejagt zu werden, war verdammt nochmal nicht witzig. Er kam sich vor wie ein Schwerverbrecher auf Verfolgungsjagd mit der Polizei. Er war hier auf der Flucht als hätte er was Verbotenes getan. „Also wohin?“

„Rechts!“, entschied Saga

„Nein, links.“, seufzte Hiroto auf der Rückbank resignierend.

„Wo zur Hölle sind wir überhaupt?“, murmelte Saga dann und blätterte suchend im Atlas eine Seite um.

„Kannst du überhaupt Karten lesen, sag mal?“, jaulte Tora und fuhr, da man sich nicht auf links oder rechts einigen konnte, erstmal geradeaus.
 


 

„Ich will in ein anderes Zimmer.“, jammerte Tsukasa, der D´espairs-Ray-Drummer, als er an diesem Morgen mit tiefschwarzen Augenringen zum Frühstück kam. „Ich kann nicht mehr. Reita schnarcht wie ein Elch.“

„Oh, echt? Sorry.“, gab Reita kleinlaut zurück, der bereits an der langen Tafel saß.

„Kein Wunder, man. Du SCHLÄFST ja sogar mit deinem Nasenband im Gesicht.“, gab Uruha kopfschüttelnd zurück.

„Was soll ich denn da bitte erst sagen? Takeru kichert im Schlaf irre vor sich hin! DAS ist vielleicht gruselig, mit dem halte ich auch keine Nacht mehr durch.“, brummte Yuki von Versailles.

Shinya wedelte mit seinen Stäbchen, um anzukündigen, daß er auch was beisteuern wollte, war aber anständig genug, erst sein Essen runterzuschlucken, bevor er sprach. „Als ich in der Nacht aufgewacht bin, hat Kamijo gerade meinen Schrank durchwühlt!“

„Mach mal halblang. Mir war nur kalt. Und als ich mir einen Pullover holen wollte, hab ich in der Dunkelheit kurz die Schrankseite verwechselt. Bitte sei nicht so empfindlich.“, gab der ruhig und selbstverteidigend zurück. Er schmunzelte mit geschlossenen Augen in sein Weinglas. „Das nächste Mal versuche ich, dich schlafen zu lassen und leiser zu sein, wenn ich deine Sachen durchwühle, okay?“, fügte er gelassen an und schlug dann mit einem edlen Wimpernschlag die Augen wieder auf, um Shinya halb amüsiert, halb näckisch anzusehen.

„Ich will nen neuen Zimmerkollegen!“, heulte der nur.

„Ich auch!“, stimmte irgendwer mit ein.

„Oh man, Leute, ihr seid doch alle erwachsen. Könnt ihr euch nicht selber umsortieren, wer mit wem schläft?“

Gröhlendes Gelächter brach aus.

„Sehr vorbildliche Wortwahl, Uruha.“, lachte Yoshihiko.

Uruha wurde rot. „Och menno, ihr wisst doch genau, wie ich es gemeint habe.“, maulte er eingeschnappt und schob sich etwas zu Essen zwischen die Zähne.

„Also ich kann mich über meinen Mitbewohner nicht beklagen.“, lächelte Hizumi zu Yoshihiko hinüber, sich seine Kaffeetasse an die Unterlippe lehnend. Noch traute er sich nicht, daraus zu trinken, weil das Zeug immer noch kochend heiß war.

Yoshihiko schob die Ärmeln seines Hemdes hoch, so daß man die blauen Flecken an seinen Handgelenken sehen konnte. „Nö, ich auch nicht. Wir hatten eine Menge Spaß, zusammen im Bett.“, grinste er.

Stille.

Das allgemeine Lachen erstarb augenblicklich. „Das meinst du jetzt nicht ernst.“, meinte dann einer und Yoshihiko und Hizumi gröhlten synchron los.

„Nein, die hatten nur einen ... Ringkampf, wenn man so will.“, versicherte Takuya. Und er musste es wissen, er war ja live dabei gewesen.
 

Ein erleichtertes Seufzen ging durch die Runde.

„Warum müssen wir uns die Zimmer überhaupt teilen?“, wollte Yuki von Versailles motivationslos wissen und stocherte in seinem Frühstück.

„Wir mussten die Zimmer doppelt belegen. Wir sind zu viele.“, erklärte Ruki. „So groß ist unser Gazette-Plaza dann auch wieder nicht.“

„Kommt schon, wir sollten dankbar sein. Die Jungs von Gazette retten uns gerade allen den Hintern. Und setzen damit ihre eigene Karriere auf´s Spiel.“, warf Kanon ein. „Die sind bei der PSC unter Vertrag. Gut möglich, daß die wegen dieser Aktion hier rausfliegen.“

„Glaub ich nicht. Die sind viel zu erfolgreich mit uns als Zugpferd, um uns einfach rauszuschmeißen.“, gab Ruki beruhigend zurück.

„Aber Konsequenzen nach sich ziehen wird es wohl trotzdem.“

„Ach was. Zur Not finden wir sicher auch ein anderes Label, das uns haben will.“
 


 

„Ich bin auf Platz 5.“, merkte Kanon an und ein gewisses Raunen ging durch die Gruppe, die sich an diesem Abend im Partyraum zusammengefunden hatte.

„Platz 5 wovon?“, hakte Yoshihiko nach, als er sich dazu setzte. Er hatte den Rest des Gespräches ja nicht mitbekommen.

„Platz 5 auf der Wunschliste der PS Company.“

Yoshihiko zog eine Augenbraue hoch. „So eine Liste gibt es wirklich?“

„Natürlich. Du bist auf Platz 17.“, gab Shinya, der Drummer von Dir en Grey, zurück.

„Wie schmeichelhaft.“, meinte Yoshihiko enttäuscht. Er hatte dieses Ding nur für eine Fiktion gehalten. Ein Codewort, damit alle wussten, worum es ging. Natürlich gab es gewisse Musiker, die die PSC gern in ihre seltendämlichen Projekte einspannen wollte, aber er hatte nicht geglaubt, daß da tatsächlich eine offizielle Ranking-Liste existierte.

„Mach dir nichts draus, ich bin auf Platz 19.“, gab Kamijo von Versailles ruhig zurück.

„Wer ist denn auf Platz 1?“, wollte Yoshihiko interessehalber wissen.

Teruki, der Schlagzeuger von An Cafe, hob kleinlaut die Hand, als habe er Angst, zum Streber deklariert zu werden. „Aber fragt mich bitte nicht, warum. Ich hab keine Ahnung, was die von mir wollen.“, merkte er leise an.

„Die Rangliste variiert ab und zu. Am Anfang war Shinya auf Platz 1, der ist inzwischen bis auf Platz 4 abgestiegen.“, erklärte Hizumi und deutete auf den Schlagzeuger von Dir en Grey. „Die scheinen vorzugsweise nach Drummern zu suchen.“

„Seth ist auf Platz 2, ich hoffe die versuchen ihn endlich zu schnappen.“
 

„Hat eigentlich irgendwer Kontakt nach draußen? Also zu Moi dix Mois, oder irgendjemand anderem, der uns sagen kann, was da draußen vor sich geht?“, wollte Kanon wissen. Irgendwie musste man ja in Erfahrung bringen, ob der große Krieg schon begonnen hatte oder ob sie hier noch eine Weile festsaßen.

Kurz herrschte Schweigen.

„Hm, Mana-sama schottet sich mit seinem Label ziemlich ab.“

„Ja, der <Große Schweigsame> redet ja auch nie, wie will er da Kontakte pflegen?“

„Ich hab die Handynummer von K.“, warf Ruki ruhig ein. „Und da wir in der PSC unter Vertrag sind, haben wir auch Kontakt zu einigen Mitarbeitern. Wir werden schon erfahren, wenn was passiert. Viel mehr Sorgen machen mir eher SID. Ich hab immer noch keinen Kontakt zu denen bekommen. Ich hoffe, die PSC hat die Jungs noch nicht weggefangen.“, fügte er nachdenklich an.

„Das sind erwachsene Leute, die können auf sich selber aufpassen. Du machst dir zu viele Sorgen um andere.“, meinte Zero, der Bassist von D´espairs Ray, kühl und kassierte dafür sofort einen rüden Rüffel von seinem Leader Karyu.

„Hast du noch alle Schnitzel in der Pfanne? Ohne Rukis Anruf wären wir jetzt auch nicht hier! Wir hätten gar keine Ahnung von diesem Schutzlager hier, wenn Ruki uns nicht Bescheid gesagt hätte. Woher sollen Mao und seine Jungs das wissen, wenn es ihnen keiner sagt? Wahrscheinlich werden die schon von der PSC gejagt und wissen gar nicht mehr, wohin sie noch sollen!“, wetterte Karyu ungehalten los.

„So war das nicht gemeint! Musst du mich deswegen so anfahren?“, zeterte Zero zurück, rieb sich sauer den Arm, der so unsanft mit Karyus Ellenbogen Bekanntschaft gemacht hatte, und machte Anstalten, seinerseits mit einem Ellenbogenstoß zu kontern.

„Überleg dir mal deine Wortwahl! Wir sollten froh sein, hier sein zu können! Und SID wären sicher auch froh, wenn sie wüssten, daß sie hier sicher sind.“, predigte der Gitarrist und Leader trotzdem weiter auf ihn ein. „Willst du lieber wieder da draußen sein? Willst du das? Die Jungs von Gazette können uns jederzeit wieder verabschieden!“

„Schon gut, beruhigt euch.“, ging Kamijo mit seiner gewohnt ruhigen, aber befehlsgewohnten Art dazwischen. „Wir werden vermutlich noch eine gute Weile hier zusammengepfercht sein. Und ja, das wird verdammt stressig werden. Deshalb sollten wir uns auf keinen Fall irgendwie in die Haare kriegen oder die Nerven verlieren, das macht absolut nichts einfacher.“,

„Tut mir leid.“, lenkte Zero ein. „So war das wirklich nicht gemeint. Es ist natürlich schön, daß du dich um SID sorgst, Ruki. Ich wollte nur sagen, daß du keine Panik schieben sollst.“, fügte er an, und weil er nicht wusste, ob er sich vorrangig bei Ruki, Karyu oder Kamijo entschuldigen sollte, senkte er einfach kleinlaut den Blick.

„Sorry, ich hab überreagiert.“, gestand auch Karyu.

Kamijo lächelte leicht in sich hinein. Er hatte also nicht nur seine eigene Band gut im Griff, auch andere ließen sich von ihm lenken, wenn er nur souverän den Eindruck vermittelte, zu wissen was Phase war.
 


 

„Da hat sich gerade ein Auto vor eure Einfahrt gestellt.“, merkte Miku skeptisch an und deutete aus dem Fenster hinaus auf das verschlossene Gittertor. Draußen war es schon fast wieder dunkel, so daß man nicht viel erkannte.

„Wouw, hey, das sind Alice Nine.“, stellte Ruki mit einem Blick auf den Überwachungsmonitor fest und schaute dann auf seine Armbanduhr. „Verdammt, die sind spät. Ich habe schon gar nicht mehr mit denen gerechnet.“

„Da draußen steht noch eine Karre, sicher solche Jäger von der PSC.“

„Lass das Tor zu, Ruki, sonst kommen die auch noch mit rein.“

„Und wenn schon.“, gab Kai zurück, der neben Ruki am Monitor aufgetaucht war, und drückte den Toröffner. „Auch wenn die mit reinkommen, kriegen sie uns hier noch lange nicht raus. Im Gegenteil, die würden hier festsitzen. Das wissen sie. Ich werde Alice Nine nicht aussperren. Das die da draußen weggeschnappt werden, ist viel wahrscheinlicher als daß die PSC sich hier reintraut.“

Miku zog ein unglückliches Gesicht, als er vom Fenster aus sah, wie sich das Tor langsam öffnete. „Sie könnten von hier drinnen die Tore öffnen, um andere reinzulassen.“

„Ja, und sie könnten Maschinengewehre dabei haben.“, entgegnete Ruki zynisch. „Jetzt werd mal nicht paranoid, Miku. Das hier ist kein Horrorfilm. Nur weil sie uns einfangen und in ihr Firmengebäude sperren wollen, bis wir ihre blöden Verträge unterschreiben, müssen wir nicht gleich um unser Leben bangen. Die PSC ist dreist, aber nicht allmächtig. Die können uns nichts tun. Schon gar nicht, solange wir hier drin sind.“

„Das Auto ist drin.“, erklärte Kai von seinem Monitor aus.

„Die andere Schrottkarre ist weitergefahren.“, seufzte Miku am Fenster erleichtert.

„Ich sag ja : Die wissen, daß sie hier nichts ausrichten können.“
 

Hiroto, stieß die Autotür auf, lies sich hinausfallen und küsste förmlich den heiligen, sicheren Boden des ummauerten Grundstücks. Dann sprang er wieder auf und fiel dem erstenbesten Menschen um den Hals, den er zu fassen bekam. Es war Yoshihiko, der ihnen auf dem Parkplatz entgegen gekommen war, um sie zu begrüßen. Schließlich war er es ja gewesen, der sie hergeholt hatte, mehr oder weniger.

„Gott, ich lebe noch!“, jauchzte er.

„Ist ja gut ... Willkommen in der <Festung>. Wo wart ihr so lange?“ Der heidi.-Sänger schob Hiroto wieder von sich. Der sah sich nur mit strafendem Blick zu seinen beiden Bandkollegen Tora und Saga um, die jeweils betreten in eine andere Richtung schauten. „Habt ihr euch verfahren?“, lachte Yoshihiko.

„Wo ist denn der Rest von euch?“, wollte Kai wissen und zählte mit den Augen die Truppe durch. In Gedanken grübelte er wohl schon, wo er die nun auch noch unterbringen sollte. Langsam wurde es echt eng. Irgendwie hatte er sogar erwartet, daß Hiroto allein hier auftauchen würde, da Yoshihiko nur ihn angekündigt hatte, als er gefragt hatte, ob er Hiroto auch mit hier herholen dürfe.

„Ich bin auf der <Wunschliste> gelandet. Da war es mir lieber, herzukommen.“, erklärte Saga und deutete dann mit dem Daumen auf seinen Gitarristen neben sich. „Und Tora will kein Risiko eingehen. Er fühlt sich hier sicherer, wenn die PSC schon Dritte mit reinzieht. Aber Shou und Nao haben uns nicht geglaubt. Die wollten nicht mitkommen.“

Kai nickte. „Hiroto, bei Kyo ist noch ein Bett für dich frei.“

„Arme Sau.“, kommentierte Yoshihiko leise.

„Und für euch zwei lasse ich auch noch welche irgendwo reinstellen.“, fuhr Kai an Saga und Tora gewandt fort, ohne auf den Einwurf des heidi.-Sängers zu reagieren. „Packt in Ruhe eure Taschen aus. Das Abendbrot ist zwar schon vorbei, aber wenn ihr noch nichts gegessen habt, bekommt ihr in der Küche sicher noch was.“

Tag 3 - Grundbedürfnisse Nahrung und Kleidung

Yoshihiko balancierte einen schweren Einkaufskorb durch den Frachtgang und überlegte schon von weitem, wie er damit die Tür da vorn am besten aufbekommen sollte. Das blöde Ding war ziemlich schwer und ächzte hörbar unter dem Eigengewicht. Aber sie brauchten nunmal was zu essen. Da statt der üblichen 5 Musiker inzwischen fast 30 Leute in diesem Plaza hockten – die Hand voll Staffs noch nichtmal mitgezählt – hatte Kai eine gute Ladung Lebensmittel nachordern müssen, um eine zufriedenstellende Versorgung zu gewährleisten. Yoshihiko versuchte, die unangenehm in seinen Bauch drückende Klappbox etwas zurecht zu rücken, als die Plastik mit einem gewaltigen Krachen zerbrach und das gesamte Nahrungssortiment haltlos nach unten sackte.

Der Vocal zog sauer Luft durch die Zähne und zählte in Gedanken bis 5, damit ihm nicht ein unschöner Fluch entfleuchte. Missmutig sah er einer Nektarine hinterher, die fröhlich durch den Gang davonkullerte, gegen einen Turnschuh rollte und dort von einer Hand ergriffen wurde. Mit einem warmen Lachen hab der Besitzer von Hand und Turnschuh die ihm zugefallene Nektarine in die Höhe. Yoshihikos Herz setzte einen Schlag lang aus, um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiterzuhämmern.

„Kyo-sama.“

Der Angesprochene lachte immer noch leise, als er mit dem eingesammelten Obst näher kam. „Hi, Yoshihiko.“

Gott, Kyo-sama kannte seinen Namen!!! Yoshihiko überlegte, ob er wegrennen oder sich ohnmächtig stellen sollte. Nicht aus Angst sondern aus Respekt. Der Kerl war zwar krank, war damit aber international erfolgreicher als die meisten anderen der hier gestrandeten Bands. Kyo war eine echte Größe, ein Gott. Für jeden ein Vorbild, auch für die, die es nicht zugeben wollten.

„Hast du Küchendienst, oder warum schleppst du Einkaufskörbe?“

„Nein ... ich ... also ... Einer vom Staff kam gerade vom Einkauf zurück. Und ich dachte mir, wenn wir hier schon alle auf Gazettes Kosten leben, ist es doch angemessen, ihm zu helfen.“, stammelte er. Das hier vor ihm war Kyo! Leibhaftig! Um Himmels Willen!

Kyo bekam das gutgelaunte Grinsen nicht aus dem Gesicht. Es war weder gehässig noch schadenfreudig, sondern einfach nur unparteiisch belustigt. „Schöne Bescherung.“, merkte er seufzend an und schaute auf den Haufen zu Yoshihikos Füßen. Viele Verpackungen waren kaputt gegangen. Eine Tüte Milch war aufgeplatzt, eine Mehltüte war aufgerissen, die Stiege Eier war nur noch eine Stiege Spiegelei, zwei der Joghurtbecher waren auch aufgeplatzt, und alles vermischte sich langsam zu einer einzigen, ekeligen Pampe. „Das werden wir wieder aufwischen müssen. Los, ich helf dir.“, schlug Kyo tröstend vor und griff nach einem Pappkarton, der am Rand herumstand. Dort begann er alles hineinzustopfen, was den Absturz überlebt hatte.

„Danke ...“, gab Yoshihiko kleinlaut zurück und stellte die kaputte Klappbox weg. „Ich such mal schnell einen Scheuerhader.“
 

Ein paar Minuten später rutschten sie beide auf den Knien über den Gang, der eine schrubbte mit Wasser alles sauber, der andere wischte dann wieder trocken. Es war ein seltsames Gefühl, Kyo dabei beständig leicht lächeln zu sehen, als hätte er Spaß daran. Der Blick des Dir-en-Grey-Sängers ruckte fragend hoch. „Warum guckst du mich denn die ganze Zeit so an?“, wollte er verdutzt wissen.

„Sorry.“ Yoshihiko wandte den Blick ab. „Ich hatte nicht gedacht, daß du so ... naja ... normal bist.“, gestand er dann.

Kyo kicherte. „Ich weis schon. Das zweite Bett in meinem Zimmer ist wohl nicht grundlos immer noch frei.“

Yoshihiko bekam ein schlechtes Gewissen. Auch er hatte sich geweigert, mit Kyo ein Zimmer zu beziehen, und er hatte Hiroto aufrichtig bedauert, als dieser bei Kyo einquartiert werden sollte. Da Kyo nun von einem immer noch freien Bett sprach, hatte sich wohl auch Hiroto gedrückt und sich intensiv um eine Alternative bemüht.

„Das ist nur Image. Sowas verkauft sich gut, weist du? Aber denkt ihr wirklich, ich wäre auch hinter der Bühne so irre?“

„Naja, man kriegt dich nie zu Gesicht, du suchst nie Kontakt zu anderen, kommst nie zum Quatschen vorbei. Du tust nicht wirklich viel dafür, uns vom Gegenteil zu überzeugen.“, merkte der heidi.-Sänger an, klatschte erleichtert den Scheuerhader zurück in den Eimer und schaute zufrieden auf den blitz-blank-gescheuerten Boden.

„Meinst du? Naja, dann ... komm ich dich heute Abend doch mal besuchen, wenn du möchtest.“

Yoshihiko wandte seinen Blick ein wenig erschrocken wieder auf Kyo, welcher mit einem einverstanden?-Ausdruck zurücklächelte. Einen Moment lang überlegte er, ob er nicht besser seinen Zimmergenossen um Erlaubnis fragen sollte. „Klar ... Klar, gern, würde mich freuen.“

„Super!“, grinste Kyo begeistert. „Hier, ich trag den Karton mit dem Essen in die Küche. Hältst du mir bitte mal eben die Tür auf?“, wechselte er dann das Thema.
 


 

„Was ist denn mit dir passiert? Hast du ein Gespenst gesehen?“, wollte Hizumi wissen.

„Nein, Kyo.“

„Oh ja.“ Hizumi zog eine Augenbraue hoch. „Der kann in der Tat auch gespenstig sein.“

„Ich hab mit ihm gesprochen. Und der war total lieb und freundlich und ... und ... einfach so furchtbar normal.“

„Kyo und normal?“

„Er will heute Abend bei uns vorbeikommen, zum Labern und so.“

Hizumi zog auch die zweite Augenbraue noch hoch. „Ich hab Masashi eingeladen!“, gab er protestierend zurück. Er würde den Versailles-Bassisten auf gar keinen Fall wieder ausladen, soviel stand fest.

„Tja, dann sind wir jetzt zu viert.“, seufzte Yoshihiko, arg im Zweifel ob das gutgehen konnte. „Hast du eine Ahnung, was Kyo so bevorzugt? Sollten wir besser Bier vorrätig haben?“, wollte er verunsichert wissen und lies sich auf der Kante seines Bettes nieder. Er fühlte sich endfertig, und das lag sicher nicht am Kistenschleppen. Kyo hatte ihm übrigens geholfen, auch die restlichen 9 oder 10 Einkaufskörbe noch hereinzuholen.

„Ach was, der weis doch wo die Küche ist. Masashi bringt Chips mit, wir wollen lässig ne Runde pokern.“

„Pokern!“, machte er abwertend. „Ich stell mir schon förmlich vor, wie wir vier heute Abend hier an diesem winzigen Beistelltisch sitzen ...“

„... wie die Maffia-Paten, in einem stockdunklen Zimmer, das lediglich von einer einzigen Leselampe erhellt wird und das von Zigarrenrauch nur so sticht ...“

„... und um Chips und Schokoriegel pokern.“, lachte Yoshihiko.

„Genau, so richtig evil. Oh man, lass uns in die Bar gehen, darauf brauch ich was zum Anstoßen. Einen Abend mit Kyo muss man gebührend einleiten.“, gab Hizumi zwischen amüsiert und verzweifelt zurück.

Sein Sänger-Kollege hielt ihm dienstbeflissen die Zimmertür auf. „Du rauchst doch nicht ernsthaft Zigarre, oder?“, rückversicherte er sich.
 


 

„Was glaubt ihr, wie das weitergeht? Wir können doch nicht alle wochenlang hier bei euch rumlungern. Irgendwann werden wir Terminprobleme kriegen. Und auf den Zünder gehen wollen wir euch ja auch nicht.“, merkte Dir-en-Grey-Schlagzeuger Shinya gerade an, als Hizumi und Yoshihiko in den großen Partyraum mit der Bar hereinplatzten. Irgendwie mutierte der mehr und mehr zum Konferenzraum.

„Wir müssen jetzt einfach abwarten, bis die PSC den ersten Schachzug macht.“, meinte Reita schulterzuckend. Für ihn war es völlig okay, so eine überfüllte Bude zu haben. Er hatte Spaß mit all den Musikerkollegen um sich herum. Er hoffte, sie würden noch lange bleiben. Kai würde das vermutlich anders sehen, denn der finanzierte dieses Plaza und alles was darin ablief.

„Die werden Seth wohl kaum wegfangen, solange wir uns alle hier drinnen verschanzen. Seth alleine nützt denen nichts.“, warf Kiri, der Schlagzeuger von heidi., ein und warf seinem Vocal nebenbei ein grüßendes Kopfnicken zu.

Miku seuzte zustimmend. „Und ich glaube auch nicht, daß die wirklich blöd genug dazu sind. Die wissen ganz genau, daß sie sich dadurch einen handfesten Krieg mit Mana einhandeln. Das riskieren die nie im Leben.“

„Naja, wenn wir hier schon alle auf unbestimmte Zeit festsitzen, könnten wir doch auch was zusammen veranstalten. Lasst uns ein großes Konzert-Event auf die Beine stellen, wo wir alle spielen!“, schlug Reita begeistert vor.

„Also wenn Maja und Aiji hier noch aufschlagen, sind wir 10 Bands. Wenn jede Band nur 5 Songs spielt, würde das Konzert 5 Stunden dauern. Auf- und Umbau noch nichtmal mitgerechnet.“

„Dann sollten wir doppelt so viel spielen, damit es sich auch richtig lohnt. Eine Stunde für jede Band!“, warf Hizumi ein, und es war nicht ganz herauszuhören, ob es Euphorie oder Zynismus war, der da mitschwang.

„Ach, warum nicht auch gleich Mix-Up, wenn wir schonmal dabei sind?“, gab Shinya zurück. Bei ihm war es eindeutig Zynismus. „Lass uns doch die Bandmitglieder durchtauschen und jeden mit jedem spielen. Dann covern wir uns gegenseitig!“

„Du willst Kyo nicht wirklich mit SuG auf einer Bühne sehen.“, prognostizierte Reita ernsthaft und brachte damit nachdenkliches Schweigen in die Runde. Nur Hizumi kicherte leise bei diesem Gedanken auf.

„Hmmm ... nein, nicht wirklich.“, gab Kiri zurück.

„Aber ich würde gern mal mit Yoshihiko aufspielen. Seine Stimme ist der Wahnsinn.“, meinte Teru leise. Für diese Aussage hätte Kamijo ihn sicher geprügelt. Aber der war glücklicherweise gerade nicht da.

„Also ich würde ja mal Hizumis <yami ni furu kiseki> singen.“, gestand Yoshihiko ebenso leise. Als traue er sich gar nicht, sowas überhaupt vor anderen auszusprechen.

Hizumi jaulte auch sofort auf. „Nie im Leben! Den Song kriegt keiner! Das ist ein ganz persönlicher Song, der bedeutet mir viel zu viel.“

„Ja ... aber er ist schön.“

„Vergiss es!“

„Ich fände einen Schlagzeug-Battle mit Shinya, Kai, Tsukasa, Teruki und Yuki mal toll.“, überlegte Kiri noch weiter, dann wurde es ruhig. Inzwischen hing so jeder seinen Gedanken nach, wer mit wem gern mal einen Gig spielen würde.
 


 

„Ne lange Straße.“

„Nö.“

„Royal Flush.“

„Betrüger! Nie im Leben!“, maulte Masashi, stopfte sich eine Hand voll Chips ins Gesicht und musterter wieder sein Blatt Karten.

„Yosh´, sag doch auch mal was.“, verlangte Hizumi.

„Keine Ahnung, ich steig bei den Regeln dieses Spiels immer noch nicht durch.“, gab der nur zurück und kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Ich hab hier zwei Fünfen ...“

„Du sollst uns nicht sagen, welche Karten du wirklich hast! Du sollst pokern!“

„Sag mal ... haben wir Damenbesuch?“, wollte Kamijo verwundert wissen, der in eben diesem Moment den Kopf zur Tür hereinsteckte, wohl auf der Suche nach seinem Bassisten Masashi. Er sah reichlich verwirrt aus.

„Ähm ... nicht, daß ich wüsste.“, gab einer vom Pokertisch zurück.

„Wer waren dann die vier Röcke?“ Schon hatte der Sänger von Versailles die Tür von außen wieder zugezogen und folgte den bunten Kleidern, die er gerade elegant über den Gang hatte schweben sehen. „Meine Damen!“, hörte man ihn noch rufen. „So warte doch, ma Chere!“ Er wurde leiser, als er sich eilig entfernte.

Yoshihiko, Hizumi, Masashi und Kyo glotzten sich am Pokertisch gegenseitig dumm an, einer auf die Reaktionen der anderen wartend. „Ich will auch Röcke sehen!“, platzte es dann schließlich aus Kyo heraus. Er warf seine Karten weg und sprang auf.

Auch Yoshihiko und Hizumi fuhren hoch und hechteten zur Tür. Masashi rollte mit den Augen und blieb genervt sitzen. Da nun keiner mehr mit ihm spielte, schaute er sich in Ruhe die liegengelassenen Karten der anderen an. Kyo hatte tatsächlich einen Royal Flush gehabt, der Sack! Der Bassist grummelte leise.
 

„Uaaahaaa, schöne Frauen!“, meinte Hizumi begeistert und rannte Kamijo nach, der die vier prunkvoll bekleideten Bunnys bereits eingeholt und aufgehalten hatte. Sie alle trugen barocke Ballkleider, eine in Weinrot, eine in samtigem Royalblau, eine in Naturseide und vor Spitze nur so strotzend, und die vierte in etwas schlichterem, moosgrünem Kimono. Sie trugen Masken oder Fächer vor dem Gesicht.

„Wohin des Weges, ihr Schönen?“, wollte Kamijo wissen und machte fast einen Diener vor den Frauen. Elender Charmeur.

Keine antwortete. Sie glucksten nur krampfhaft in sich hinein und versuchten, dabei möglichst keine Töne von sich zu geben. Eine drehte sich halb weg. Ihre Maskara wirkten unbeholfen, als hätten sie alle miteinander keine Erfahrung mit Schminke.

Yoshihiko schloss ebenfalls endlich zu der Gruppe auf und nahm die vier Mimosen in Augenschein. Sein Blick blieb auf der Grazie in moosgrün kleben, die sich vor unterdrücktem Lachen krümmte. Diese Nase kam ihm bekannt vor. Yoshihiko kniff die Augen zusammen und nahm ihr die Maske weg, um das Gesicht ganz zu sehen. Vor lauter Make-up hatte er immer noch einige Augenblicke zu grübeln, aber dann dämmerte es ihm. „Takeru.“, stellte er zwischen erkennend und resignierend fest.

Eine andere der Damen quiekte auf, weil sie ihr Lachen nicht mehr länger an sich halten konnte. Auch das war eindeutig ein Männerlachen. „Miku?“, wollte Kamijo ungläubig wissen und kam sich spontan sehr verarscht vor. Waren diese vier Rockträger etwa alle miteinander Männer?

„Karyu, du bist geschmacklos.“, merkte Hizumi trocken an und verschränkte die Arme, als er in der weinrot gedressten Dame endlich seinen Bandleader erkannte.

„Warum? Das ist doch witzig!“, gab der nur zurück, bog sich vor Lachen und nahm den Fächer aus dem Gesicht, um sich zu erkennen zu geben.

Alle starrten gebannt auf die vierte Möchtegern-Lady. Ihr Make-up war verdammt gut, auf die Schnelle erkannte keiner, wer sie war. <Sie> zwinkerte eine Weile wimpernschlagend und machte Kamijo schöne Augen. Aber erst das Lachen verriet die Identität. „Toshiya.“, seufzten alle im Chor.

„Ja. Gut, was?“, wollte der selbstverherrlichend wissen.

„Nein, nicht gut. Du siehst aus wie eine Schwuchtel.“, nörgelte Kyo seinen Bassisten voll.

„Hey, Kamijo hat mich angebaggert! Wenn einer ne Schwuchtel ist ...“

„Was zur Hölle treibt ihr hier bitteschön?“, hakte Yoshihiko nach und zupfte Takeru einen überstehenden Faden aus dem Ärmel.

„Wir haben Hizakis Kleidertruhe geplündert. Er hat sich totgelacht, als er uns eingekleidet hat, wirklich. Er meinte, wir müssen uns unbedingt so zeigen.“

„Kommt her, ich mach ein Foto von euch.“, seufzte Kyo resignierend und zückte lustlos sein Handy. Sofort warfen sich die Spaßvögel in Pose und machten riesige Knutschmünder. Hizumi kreischte schockiert auf, als er mit ins Bild gezerrt und von allen abgeknutscht wurde. Yoshihiko musste direkt lachen und zückte nun auch selbst seine Handykamera, um Hizumi mit all den Lippenstiftabdrücken für die Ewigkeit auf Speicherkarte zu bannen. Als Rache schubbste Hizumi ihn ebenfalls in den Hühnerhaufen hinein, nachdem er sich endlich wieder hatte befreien können. Sollte Yoshihiko ruhig auch ein paar Knutschflecken von fremden Männern bekommen. Ihn rangen die wilden Weiber gleich ganz zu Boden. Kyo lachte. Kamijo stand nur kopfschüttelnd am Rand und griff sich resignierend an die Stirn.

Tag 4 - Musikprojekte

„Schach matt!“, rief Reita triumphierend.

„Wir spielen hier Skat, du Baka.“, bekam er murrend zur Antwort. Alle lachten.

Kai steckte mit düsterem Gesicht den Kopf in den Aufenthaltsraum hinein. Seine Miene verdunkelte sich noch mehr, als er das Gesuchte offensichtlich auch fand. „Reita, ´ruha, antraben!“, befehligte er.

Reita lies die Coladose wieder sinken, die er gerade zum Mund hatte führen wollen. „Was ist denn passiert?“, wollte er erschrocken wissen.

„Guckt mal auf die Uhr! Zur Bandprobe, Abmarsch! Und wo ist Ruki?“

„Och, müssen wir heute unbedingt proben? Wir haben das ganze Haus voll Gäste um die wir uns kümmern sollten, das ist doch unhöflich.“

„Wir haben keine Gäste, sondern Flüchtlinge! Gäste kann man wieder rauswerfen.“, gab der Gazette-Drummer streng zurück. „Die Jungs werden´s uns nachsehen und werden ganz sicher auch noch da sein, wenn ihr zurückkommt. Wir wollen in zwei Monaten auf Tour gehen. Also schwingt jetzt eure Hintern in den Proberaum solange er noch frei ist. Kyo hat sich den ganzen Tag da drin verschanzt. Jetzt ist er gerade mal rausgekommen, aber er macht nicht den Eindruck als hätte er schon genug für heute.“

Reita seufzte, warf seine Spielkarten auf den Tisch und erhob sich ächzend aus dem Sessel. „Ruki hängt bei SuG rum, ich geh ihn holen.“

„Sorry, Leute, spielt mal ohne uns weiter.“, bat Uruha und stand ebenfalls auf.

„Schade, ich war gerade dabei, haushoch zu gewinnen. Ich hätte euch alle fertig gemacht.“, meinte Saga und legte seine Karten auch weg.

„Ach komm schon, du Hochstapler. Du hast schon den ganzen Nachmittag nur verloren.“, warf Kanon ein und grabschte nach den Karten, um einen Blick darauf zu werden. „Da, alles Luschen, wusst´ ich´s doch.“

Der Alice-Nine-Bassist seufzte. „Was machen wir jetzt, wenn Reita und ´ruha weg sind? Ohne die ist es doch langweilig. Zu zweit macht dieses Spiel keinen Spaß.“

„Stimmt. Ich würde auch gern proben. Ich vermisse das Bass-Spielen.“

„Ich auch.“

„Dann lass uns doch Bass spielen. Wo ist deine Gitarre?“
 

Der AnCafe-Bassist rockte wie in Trance vor sich hin. Wie er das Gefühl der dröhnenden Boxen doch liebte. Auch wenn er hier im Partyraum nicht voll aufdrehen konnte. Neben ihm war Saga in einen Permanent-Headbanger verfallen, wobei er sich wie wild im Kreis herumwirbelte. Ein Wunder, daß er so noch gerade Töne spielen konnte.

Hinten in der Sitzecke erhob sich Yuki aus dem Sofa und kam näher. Kanon merkte es erst so richtig, als der Versailles-Schlagzeuger sich an der Technik zu schaffen machte und die Lautstärke herabdrehte. „Hey, ihr zwei Rocker, ich hätte da einen Text zu eurem Geklampfe.“, grinste er.

„Geklampfe!?“ Saga hielt abrupt in seinem wilden Gekreisel inne, um Yuki empört in Grund und Boden zu starren.

Yuki lachte. „Ihr braucht nur jemanden, der es für euch singt.“

„Zeig mal!“, meinte Takeru, der gerade hereingekommen war, und schnappte sich den Zettel, mit dem der Schlagzeuger herumwedelte. Es war ein Notenblatt, auf dem Yuki unter anderem provisorisch die Noten niedergekritzelt hatte, die Kanon und Saga sich eben zusammengesponnen hatten. „Hey, der Text ist gut. Darf ich singen?“

„Eh, dann musst du aber auch das Schlagzeug übernehmen, Yuki. Ausgleichende Gerechtigkeit!“, verlangte Kanon.

„Au backe, dann sind wir ja aus vier Bands zusammengewürfelt.“

„Genau das Richtige für unser Konzert-Event.“

„Wollt ihr wirklich ein Mix-up veranstalten?“, wollte Yuki unglücklich wissen.

„Nicht wollen. Wir werden!!! Das ist schon beschlossene Sache. Yoshihiko will ein Duett mit Hizumi singen. Und Hiroto hat sich bei Dir en Grey reingemogelt.“

„Ja, Takeru, willst du nicht mit Kyo was spielen?“, lachte Saga.

„Nein, danke.“

„Kyo spielt schon bei heidi. und D´espairs Ray.“

„Wollte Teru nicht auch mit Yoshihiko rummachen?“

„Ja, aber die zwei sind noch ideenlos, die wissen nicht was sie spielen sollen.“, warf der neonbunte SuG-Sänger ein. „Aber Kiri, Tsukasa und Teruki machen auf jeden Fall ne Trommeltruppe.“

„Boar, hört auf, mir schwirrt der Kopf.“, stöhnte Yuki verzweifelt. Hatte er wirklich so viel verpasst? Er sollte abends doch lieber im Partyraum als in seinem Zimmer rumlungern. Was hatte sich denn noch alles getan, in den nur drei Tagen?

„Maya will Gitarre spielen.“, fuhr Kanon ungerührt fort.

„Ist der hier?“

„Noch nicht, aber er und Aiji dürften bald da sein. Sie wollen jetzt doch herkommen, die PSC hat ihren Manager erpresst. Aber ich glaube, die zwei kommen wohl eher wegen dem Konzert-Event als wegen der PSC.“

„Okay!? Machen die jetzt bei dieser Gelegenheit ihr Projekt <The MAD LMC> wieder auf? Die haben doch schonmal Mikro und Gitarre getauscht. Klang sogar ganz gut.“

„Nein, Aiji will nicht mehr singen. Der will jetzt keyboardern. Die versuchen schon Ruki zu überzeugen, daß der singen soll, obwohl sie noch nichtmal da sind.“

„Passt der denn mit den beiden Chaoten zusammen?“
 

„Ich würde auch gern mal singen.“, gestand Yuki.

Alle guckten ihn fragend an. „Kannst du überhaupt singen?“

Der Versailles-Drummer winkte lässig ab. „Ach, mit Reita kann ich schon mithalten.“

„Stimmt, Reita ist der einzige von den Instrumentalos, der noch singen kann.“

„Ihr zwei solltet euch zusammentun. Singt doch zusammen.“

Kurz herrschte Stille.

„Meint ihr? ... ich glaub, ich frag ihn mal.“

„Ey, wenn ihr das echt macht, spiele ich den Bass dazu!“, warf Kanon ein.

„Und ich das Schlagzeug!“, kicherte Saga. Na super. Jetzt fingen sie schon an, nicht nur wild ihre Mitglieder durchzutauschen, sondern auch noch ihre Instrumente bzw. Parts.

„Yeah, ich leih dir mein Schlagzeug gern.“, gab Yuki zurück.

„Mir fällt gerade noch eine coole Melodie ein.“, meinte Kanon und schnappte sich wieder seinen Bass. „Die würde gut zu deiner Stimme passen, Yuki.“ Er begann zu spielen.

„Yo, klingt poppig. Lass uns nen Song draus machen!“, schlug der Drummer euphorisch vor und holte ein neues Notenblatt, um die Melodie mitzuschreiben. „Kamijo lässt mich immer nur Background singen. Jetzt kann ich auch mal einen auf Vocal machen.“

„Erstmal brauchst du nen Text.“, merkte Alice-Nine-Bassist Saga an.

„Hmmmm ... ich hätte da noch einen alten, den ich schon vor langer Zeit geschrieben habe. Aber der passte nicht zu meiner Truppe. Wenn ich mir allerdings die Melodie hier so anhöre ...“, warf Takeru ein und legte dann grinsend den Kopf schief. „Witzig. Ich singe deinen Text, und du meinen.“

„Moment mal, lass mich deinen ominösen Text erstmal sehen! Und Reita müssen wir auch erstmal fragen, ob er überhaupt singen will.“
 


 

Kai schloss kurz die Augen, als eine Polonaise an ihm vorbeizog, Takeru lachend und gröhlend voran, der mit seinem Handy irgendeinen Partyhit dröhnen lies. Irgendwer trötete, ein anderer hatte ein Partyhütchen auf dem Kopf und Papierschlangen um den Hals, der letzte in der Schlange zerrte einen großen, offensichtlich leeren Reisekoffer mit Rädern hinter sich her und winkte dem Drummer fröhlich zu.

„Kai, geh einfach weiter. Ignorier die und geh einfach weiter.“, redete er sich selbst zu, atmete durch und schlug dann die entgegengesetzte Richtung ein.

„Du bist ein Spielverderber, du hättest mitmachen sollen.“, merkte Reita an, der wegen des Lärms neugierig aus seinem Zimmer gekommen war und nun mit verschränkten Armen in der Tür lehnte. „Wir haben so viele tolle Jungs hier. Das sollte Spaß machen. Auch dir, Kai. Hab doch auch mal ein bischen Gaudi.“

„Ich hab keine Zeit für Gaudi. Du darfst mich gern bei der Gaudi vertreten, wenn du Lust hast.“

„Och Kai. Wann sieht man dich endlich mal wieder lächeln? Wo ist dein immerfröhliches Grinsen geblieben? Du bist schon seit Tagen so todernst.“

„Ich habe Stress, verstehst du das nicht? Kann dieser ganze Rotz mit der PSC nicht endlich vorbei sein, damit in unserem Plaza wieder Ruhe einzieht?“, grummelte er.

Reita verschwand kommentarlos wieder in seinem Zimmer. Also hielt Kai das Gespräch für abgehakt und ging weiter. Doch als er noch keine 5 Meter weit gekommen war, paffte ihm ein Kissen gegen den Hinterkopf. Er drehte sich empört um und wollte etwas sagen, doch da landete auch schon das nächste Kissen mitten in seinem Gesicht. „Was soll das, man?“, nörgelte er und hob eines der Kissen auf, um es seinerseits nach Reita zu werfen. So wie der Bassist sein Kissen zurück hatte, klatschte er es Kai abermals gegen den Kopf und begann zu lachen. „Hör jetzt auf, lass das!“, verlangte der Gazette-Leader sauer, pfefferte ihm beide Kissen gleichzeitig gegen den Oberkörper und drehte sich dann weg, um zu gehen. Der Kerl sollte die blöden Dinger gefälligst behalten. Sofort hatte Kai wieder eines davon postwendend am Kopf kleben. Und ehe er sich versah, hatte er mit seinem Bassisten eine heftige Kissenschlacht am Laufen.
 

„Okay, genug, ich bin fertig.“, jappste Kai, als er eine geschlagene viertel Stunde später keuchend mit Reita auf dem Boden des Flurs saß und sich die Seele aus dem Leib lachte. Beide waren fix und fertig.

„Siehst du, aber wenigstens lachst du wieder.“, gab der junge Mann mit der Nasenbinde zurück und rang um Atem. „Jetzt darfst du wieder deinen ganzen Aufgaben nachgehen.“

„Wie überaus nett von dir.“

Sie erhoben sich ächzend und feixend und Reita sammelte sein und Tsukasas Kopfkissen wieder ein, während Kai kopfschüttelnd auf die Uhr sah. Verdammt, er war schon wieder viel zu spät für den ganzen Mist, den er noch zu regeln hatte. Langsam musste er sich Notizzettel schreiben, um den Überblick nicht zu verlieren. „Ich muss los.“

„Jaja, lass dich nicht aufhalten.“ Reita wandte sich seinem Zimmer zu.

„Reita?“

„Hm?“

„Danke.“

Das Bassist schaute nochmal zurück und feixte seinen Leader an. Dann verkrümelte er sich mit einer wegwerfenden Handbewegung in sein Zimmer, um die Kissen wieder in die Betten zu sortieren.
 


 

Hizumi fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht. Er hatte doch Yoshihiko tatsächlich erlaubt, einen D´espairsRay-Song zu covern. Zwar nicht <yami ni furu kiseki>, aber immerhin einen. Und das wollte was heißen. Er musste schon verdammt angetan von der Stimme eines anderen sein, um seine eigenen Songs damit hören zu wollen. Hizumi hatte ihm <Reddish> gegeben. Dummerweise tat sich Yoshihiko ziemlich schwer mit den exhale sounds, die dieser Song zwingend vorschrieb.

„Pass auf, ich sing´s dir nochmal vor.“, schlug er seufzend vor.

Dem heidi.-Sänger stellten sich alle Nackenhaare auf, als Hizumi ins Mikrophon röhrte. Er konnte zwar durchaus auch exhalen wenn er wollte, aber gar so krasses Ins-Mikro-Kotzen war ihm suspekt. „Mach ich das nicht auch so?“, wollte er verunsichert wissen.

„Doch, schon, irgendwie. Aber bei dir klingt das noch viel zu ... zu niedlich. Das muss noch mehr von weiter unten kommen.“, erklärte Hizumi und deutete auf den Unterbauch.

Yoshihiko nagte kurz nachdenklich an seiner Unterlippe. „Also wenn ich das von noch tiefer hochhole, habe ich Angst, daß mein Mittagessen wieder mit raus kommt.“, gestand er verschüchtert.

Hizumi stöhnte. „Schön, du hast gewonnen. Sing <yami ni>, da sind wenigstens keine exhale sounds drin.“

„Im Ernst? Ich? <yami ni furu kiseki> live auf der Bühne?“

„Aber nur für dieses eine Großprojekt, sofern das wirklich jemals stattfinden sollte. Danach nie wieder!“, gab Hizumi zurück. Und das auch nur, weil er eh nicht daran glaubte, daß es das Konzert-Event tatsächlich mal geben würde. Er sah auf die Uhr. „Lass uns Schluss machen und Abendbrot essen gehen.“
 


 

„Okay, Leute, wo wir schonmal in so lüsterer, vollständiger Runde zusammensitzen, hier ein paar News für alle!“, rief Kai über alle Köpfe hinweg, um sich Gehör zu verschaffen. Nur widerwillig nahm der Lautstärkepegel ab. „Info Nummer 1 : LMC sind vor einer Stunde zu uns gestoßen und werden sich jetzt auch eine Weile hier verschanzen. Damit sind wir 9 Bands in diesem Plaza.“

Maya und Aiji winkten fröhlich die lange Tafel hinauf und hinunter.

„Langsam wird es echt voll, ich bitte euch also dringend um gegenseitige Rücksichtnahme.“, fügte Kai an.

„Hey, wo wohnt ihr?“, wollte einer wissen.

„Ich bin zu Kyo ins Zimmer gegangen.“, erzählte Maya gut gelaunt. Ihn schien das nicht im Mindesten zu stören.

„Ich bin in Teru´s Zimmer. Ist aber nur eine Übergangslösung.“, fügte Aiji mit einem Deut auf den Versailles-Gitarristen an.

Kai räusperte sich demonstrativ. „Info Nummer 2 : Wir haben vorhin endlich Kontakt zu SID bekommen. Die PSC hat sie zum Glück noch nicht gefunden, weil sie abgetaucht sind. Darum waren sie auch so schwer zu erreichen. Aoi fährt morgen früh los und holt sie ab. Wenn sich die vier auch noch hier einquartieren, müssen wir noch ein paar Zimmer doppelt belegen. Wer nicht auf ein Einzelzimmer besteht und mit einem Zimmergenossen leben kann, darf sich gern freiwillig melden.“

„Langsam sollten wir Miete verlangen.“, scherzte Reita.

„Und Info Nummer 3 : Teruki!“, meinte Kai eindringlich. „Du bist ab jetzt Koordinator für dieses ganze Projekt hier.“

„Wie bitte?“, keuchte der AnCafe-Drummer schockiert.

„Manage den ganzen Ideenüberschuss hier. Stell Zeitpläne auf. Schreibe Setlisten. Mach dir Gedanken darüber, wann und wo das Konzert-Event stattfinden soll. Sieh zu, daß alle das nötige Equipment zur Verfügung haben. Leinwände, Boxen, und das alles. Mach jede Menge Werbung für das Ding und stachel die Presse an. Sorge für die nötige Ernsthaftigkeit bei den Vorbereitungen. Also, du hast ab jetzt den Hut auf.“

„Nenn mir mindestens fünf gute Gründe, warum ausgerechnet ich das machen soll? Ich hab noch nie ...“

„Weil ich selber keine Zeit dafür habe. Weil du beliebt und durchsetzungsfähig genug bist, damit alle auf deine Anweisungen hören. Weil ich dir das zutraue.“ Kai zählte mit den Fingern mit. „Weil ich dir wegen deiner Seriösität vertraue, daß die Show unter deiner Obhut nicht ausarten wird. Und weil du von allen in Frage kommenden Kandidaten der bist, der am wenigstens in Mix-up-Projekten drinhängt, sprich : weil du Zeit hast. - So, das waren fünf gute Gründe.“

Teruki zog ein unsicheres Gesicht.

„Ich sag ja nicht, daß du alles alleine machen musst. Du kannst gern Arbeit delegieren. Aber du bist der, der die Fäden zieht und auf dessen Pfiff alle springen, verstanden?“ Er klopfte seinem Drummer-Kollegen aufmunternd auf die Schulter. „Du schaffst das, ich weis es. Und wenn was ist, dann komm mich einfach fragen.“

„Okay. Wenn ich dich noch um Hilfe fragen darf, dann ist es ja okay.“

„Schön. Damit ist jetzt wohl offiziell, daß dieses Konzert-Event tatsächlich durchgezogen wird. Habt Spaß, Leute! Lasst es euch schmecken.“, beendete Kai die Inforunde. Augenblicklich nahm der Lautstärkepegel wieder zu.
 

„Was ist denn?“, wollte Kai wissen, als er sich erleitert wieder auf seinen Sitzplatz pflanzte, nach den Essstäbchen griff und seinen Vocal mit nachdenklicher Miene aufs Handy starren sah.

„Eine sms von K“, gab er knapp zurück. Und obwohl er es so leise wie möglich gesagt hatte, herrschte in seiner Umgebung schlagartig gespannte Stille.

Kai holte aufgeregt Luft. „Was schreibt er?“

„<Manöver A>“

„Hä? Das ist alles?“

„Was heißt das?“, wollte Takuya, der AnCafe-Gitarrist, von der anderen Tischseite wissen.

„Das heißt wohl, daß Mana den Krieg eröffnet hat.“, vermutete Ruki, immer und immer wieder diese minimalistische Nachricht auf seinem Display lesend. Und obwohl er bei jedem Lesen hoffte, daß sich ihm ein Sinn darin offenbaren würde, blieb es doch immer wieder nur <Manöver A>.

„Hat die PS Company Seth?“

„Ich frag mal.“, meinte Ruki, drückte die Rückruftaste und stand auf, um das Zimmer zu verlassen. Hier war es zu laut zum Telefonieren.

Tag 5 - hoher Besuch

„Ihr seid aber alle früh wach.“, murmelte Kai verwirrt, als er am nächsten Morgen zum Frühstück kam und die Hälfte der Belegschaft mit irgendwelchen Instrumenten herumhantieren sah. Keiner schenkte ihm Beachtung, sie waren alle miteinander viel zu vertieft in ihr Treiben. Besonders befremdlich war es, Miku mit Reitas geliebtem Bass herumspringen zu sehen, während Reita ihm irgendwas dazu erklärte. „Was ist denn los, um Himmels Willen?“, wollte Kai von Ruki wissen, der scheinbar als einziger allein am Rand saß und belustigt den Trubel um sich herum verfolgte.

„Ach, die Kreativität ist über uns hereingebrochen.“, gab der nur schulterzuckend zurück. „Die haben gestern Nachmittag und Abend schon alle wie die Bekloppten geprobt und getestet. Scheinbar hatten die über Nacht alle nochmal eine riesen Ladung neuer Ideen, die sie jetzt umsetzen wollen.“

„Na super. Gestern habe ich Uruha kaum zum Proben gebracht, und jetzt springt er hier mit seiner Gitarre rum wie ein Wunderkind.“

„Teru schreibt gute Texte.“, merkte Ruki an. „Zwar nichts, was für Versailles taugen würde, aber für diese vielen, wild zusammengewürfelten Haufen hier genau das Richtige. Einfach und eingängig, schnell zu lernen.“

„Und warum sitzt du als einziger am Rand?“, hakte Kai wenig begeistert nach.

„Wieso als einziger? Du stehst doch auch nur rum.“, lachte der Vocal. „Nee, ich sehe mich nicht veranlasst, in anderen Bands mitzuspielen. Ich habe mit unseren eigenen Songs genug im Kopf. Wie du schon sagtest, in zwei Monaten wollen wir auf Tournee. ... Aber Kiri sucht immer noch Schlagzeuger für seinen Drum-Battle. Frag ihn doch mal, wenn du Lust hast.“

„Drum-Battle.“, gab Kai nüchtern zurück. Verdammt, da er meistens mit irgendwelchem organisatorischem Kram unterwegs war, bekam er überhaupt nicht mehr mit, was in seinem Plaza so alles vor sich ging. „Wie darf man sich das vorstellen?“

„Du kannst es als Taiko-Projekt abtun, wenn du so willst. Yuki von Versailles haben sie inzwischen auch dafür geködert, an Shinpei von SuG bohren sie noch.“

„Was erwartet mich noch so?“, wollte Kai mit einem skeptischen Blick in die Runde wissen. Als müsse er abschätzen, ob er diesen Raum noch als der Gleiche wieder verlassen würde, als der er hereingekommen war.

Ruki zog nur die Schultern hoch. „Viele haben sich gleich mehrere Projekte geangelt, die scheinen echt Spaß dran zu haben. ... Yoshihiko ist ziemlich gefragt.“

„Echt? Hätte ich nicht gedacht, so eine große Nummer ist er doch noch gar nicht.“

„Nein, aber er ist verdammt gut. - Sein größtes Problem ist, daß das Publikum keine echten Könner sehen will, sondern lieber Sex oder Horror. Womit ich jetzt nicht sagen will, daß Kyo kein Könner ist, aber seine Verkaufszahlen sind sicher nicht aus diesem Grund so astronomisch. Naja. Yoshihiko ist jedenfalls nicht grundlos auf der Wunschliste der PSC gelandet. Und eine Halle wie Shibuya kriegt er auch voll. ... Ah ja, Kyo hat Freunde gefunden!“, fügte Ruki themenwechselnd an und deutete wage in eine Richtung, in der er Kyo vermutete.

Kai rieb sich resignierend die Augen. „In welche wahnwitzigen Projekte haben sich unsere Saitenzupfer reinziehen lassen?“, wollte er müde wissen. Die PSC hatte wild irgendwelche Musiker aus den verschiedensten Sparten zusammenwürfeln und Musik machen lassen wollen. Das war der Grund, warum sie jetzt alle hier saßen. Ob denen eigentlich klar war, daß sie gerade genau das taten, was die PSC auch von ihnen gewollt hatte?

„Keine Ahnung. Uruha hängt schon seit gestern bei LMC rum. Und ich glaube, Reita will seine Reibeisenstimme mal zum Gesang nutzen. Aber genaueres weis ich nicht, da wirst du sie selber fragen müssen.“
 

Kai nickte und überschaute den schwarz-bunten Haufen. Da hing D´espairs Ray mit SuG zusammen, dort hatte Dir en Grey mit An Cafe Spaß, hier tauschten Versailles Musiktips mit heidi. aus. Was für ein szene-übergreifender Massenauflauf. Aber wenigstens verstanden sich alle super. Das letzte was Kai jetzt noch in seinem Gazette Plaza brauchte, waren irgendwelche Feindschaften.

„Hast du K schon erreicht?“, wechselte er das Thema. Deswegen war er ja eigentlich hergekommen. Gestern hatte Ruki erfolglos angerufen.

„Ja, vorhin erst. Die haben Seth tatsächlich mit einem Vertrag festgenagelt. Er hat auch unterschrieben. Mana hat daraufhin, genau 2 Stunden später, der PSC fünf vielversprechende Nachwuchsbands abgezogen.“

„Wouw, gleich fünf? Das ist verdammt viel Kapital.“

„Ja, allerdings. Die haben ihre Verträge bei der PS Company gekündigt und sind zu Mana gegangen, weil der ihnen fast das dreifache geboten hat.“

„Naja, Kohle hat der ja.“, merkte Kai an.

„Mana hat genug Geld, um die ganze PSC einfach aufzukaufen. Aber der Clou kommt erst noch. Den Haufen Kohle, den er diesen fünf Nachwuchsbands versprochen hat, hat er der PSC im Rahmen einer Schadensersatzforderung postwendend wieder in Rechnung gestellt, weil er ohne Seth seine geplante Europa-Tour nicht durchziehen kann.“

„Das ist clever gemacht, Respekt.“

„K hofft, daß dieser Warnschuss genügt. Er sagt, wenn die PSC auf ihrem blöden Projekt beharrt, wird Mana anfangen, denen die großen Bands wegzukaufen. Bis denen die Recourcen ausgehen.“

„Das ist ein guter Anfang. Sag K, daß er Mana von uns allen danken soll. Jetzt müssen wir abwarten, wie die PS Company reagiert.“

„Mana will uns die Ehre geben.“

„Gern, lad ihn ruhig ein.“, nickte Kai ruhig.

„Wollen wir den anderen schon was sagen?“

„Nein. Lass die in Ruhe ihre Massenbedröhnung planen. Sie sollen glauben, noch viel Zeit hier zu verbringen.“

Ruki schaute rückversichernd zu seinem Bandleader hinauf. „Hast du Pläne?“

„Allerdings. Dieses Konzert-Event ist nicht die schlechteste Idee.“, schmunzelte Kai und wandte sich wieder zum Gehen. Er hatte so verdammt viel zu regeln, seit die Hütte so voll war, es war entsetzlich.
 


 

„Sag mal, jetzt drehen die alle hohl, oder?“, stöhnte Kai, als er vier Stunden später in den Partyraum kam, wo außer Uruha und dem D´espairs-Ray-Bassisten Zero gerade keiner herumlungerte. Er verdrehte genervt die Augen.

„Was ist denn los?“, wollte Uruha wissen.

„Die kreieren gerade Bühnenoutfits für das Konzert-Event.“

„Na ist doch toll. Was stört dich daran? Wir sind doch alle mehr oder weniger Visu.“

„Takeru will im Bikini über die Bühne springen!“

Zero lachte schallend auf. „Hast du von dem Spaßvogel was anderes erwartet?“

„Nein, von dem nicht. Aber kannst du dir Reita mit moosgrünen Haaren vorstellen?“

„Oh Gott, das ist nicht dein Ernst.“, keuchte Uruha.

Kai verschränkte die Arme. „Reita will grüne Haare!“, bekräftigte er nochmals, damit es auch wirklich ankam. „Kann ihm das bitte irgendjemand ausreden? AUSPRÜGELN wäre mir noch lieber!“

„Ich rede mit ihm.“, versprach Uruha schnell.

Von D´espairs Ray in Indianer-Kutten erzählte Kai den beiden am besten gar nicht erst. Mit dem Kopfschütteln gar nicht mehr nachkommend verließ er den Partyraum wieder und suchte nach seinen restlichen Bandmitgliedern. Er musste das irgendwie aufhalten, sonst würden die Deppen genau den Verrat am eigenen Image begehen, den die PSC ihnen gewaltsam hatte aufzwingen wollen. Er machte sich einen gedanklichen Notizzettel dazu und zog weiter, Ruki suchen. Seit so viele Bands hier waren, mit denen der Sänger befreundet war, konnte man sich nach ihm dumm und dämlich suchen, weil er praktisch immer überall stecken konnte.
 

Kai nippte an seinem Kaffee, den er sich bei der Suche nach Ruki in Küche mitgenommen hatte, und blieb verwundert vor einer Tür stehen, aus der ihm ein ungewohnt harter Bass entgegendröhnte. Es war Rukis Zimmer, und er hörte den Vocal auch von drinnen singen. Okay, <singen> war jetzt vielleicht etwas übertrieben. Der röhrte gerade <Discharge>, und dieses Lied wurde mehr gekotzt als gesungen. Hatte er Reita nicht gerade noch in der Küche gesehen? Wer spielte denn dann den Bass zu Rukis Stimme? Und vor allem, wer brachte Ruki überhaupt dazu, um so eine Uhrzeit ans Proben zu denken? Als beim Refrain die Stimme eines zweiten Vocals einsetzte, steckte Kai interessiert den Kopf zur Tür herein und prustete beinahe schockiert seinen Kaffee wieder heraus.

„Kyo!“, keuchte er entsetzt, was aber im dröhnenden Bass schlichterdings unterging. Ruki und Kyo sprangen wie die Bekloppten auf jeweils einem der Betten herum wie auf Trampulinen. Kyo spielte dabei sogar noch Bass und gröhlte (korrekterweise) ein „Follow this Shit!“ auf jede von Rukis Textzeilen. Mao, der eigentlich mit in Rukis Zimmer einquartiert war, war wohl geflüchtet. Die beiden beendeten auch völlig ungerührt ihren Song, ohne Kai zu beachten. Dann brachen sie letztlich in gröhlendes Gelächter aus, als sie endlich fertig waren.

„Jungs, passt bitte auf, daß ihr mit den Betten nicht zusammenbrecht, sonst schlaft ihr auf dem Fußboden.“, merkte Kai trocken an, als er endlich Gehör fand. Man, hatte er hier einen Haufen Kleinkinder zu hüten, oder waren das wirklich alles erwachsene Männer? Nun, immerhin hatte er Ruki gefunden. „Kyo, seit wann spielst du Bass?“

„Ach, hab ich mir von Toshiya geliehen.“, gab der gutgelaunt zurück und warf sich ausgelassen schwungvoll auf die Matraze, daß das Bettgestell nur so ächzte. „Und das Lied ist ja nicht so schwer, das krieg sogar ich hin.“

„Ah ja.“, meinte Kai verstehend. „Ruki, ich dachte du hasst diesen Song!“

„Schon, der ist mir zu niveaulos. Aber wir hatten gerade beide Lust, uns mal wieder so richtig auszukotzen. Dafür kann man ihn verwenden.“

„Hast du nicht gestern noch gesagt, daß du nicht in anderen Bands spielen willst?“

„Wer sagt, daß ich in anderen Bands spiele? ... Nein, ich habe lediglich gesagt, daß ich mit unseren eigenen Songs genug zu tun habe. Aber das hier WAR ja einer unserer eigenen Songs.“

„Wie auch immer, ich muss euch leider mal unterbrechen. Ruki, ich brauch dich im Konferenzraum, wir haben Besuch.“
 


 

Mana gestikulierte stumm und mit unbewegtem Porzellanpuppengesicht in der Gegend herum. K schaute eine Weile zu und lächelte dann amüsiert. „Mana sagt <Die PSC will Krieg. Die PSC bekommt Krieg.>“, übersetzte er.

Mana war persönlich im Gazette Plaza aufgetaucht, um sein weiteres Vorgehen mit den vielen PSC-Flüchtlingen abzustimmen. Immerhin entschied sein Handeln über das Schicksal von fast einem Dutzend Bands. Im Gegensatz zu den 10 Bands, die inzwischen hier herumlungerten, und die allesamt ungestyled herumliefen, lies Mana sich nicht lumpen. Er war in vollem Aufzug angetreten, in Bühnenklamotte und Make-up. Und leider auch mit seinem typischen Presse-Gehabe. Er sprach kein Wort, sondern fuchtelte nur herum und lies seinen Gitarristen K dann übersetzen.

„Du hast ja keine Ahnung, wie du uns gerade das Leben rettest.“, meinte Ruki, der seitlich saß. Kai saß Mana gegenüber, zusammen mit K, welcher Mana gern frontal sehen wollte, um sein Gefuchtel besser dolmetchen zu können. Ansonsten war der Konferenzraum so gut wie leer. Sie hatten ein kleines Geheimnis daraus gemacht, daß Mana persönlich hier war. Wenn sich das erstmal rumsprach, konnten sie jedwede weitere Gespräche mit ihm vergessen, weil er dann einfach nur noch von allen belagert werden würde.

Wieder gestikulierte Mana schweigend herum. „Er sagt, er hätte lediglich ein paar Bands unter Vertrag genommen, das sei etwas ganz alltägliches.“, meinte K.

„Hör zu, Mana, wir haben da so eine Idee im Sinn.“, meinte Kai und begann von dem Konzert-Event zu erzählen. Mana hörte sich alles ohne eine Regung an. Kai fragte sich, ob er inzwischen schon gar nichts anderes mehr konnte. Selbst hier, wo keine Kamera und gar nichts ihn festnagelte, behielt er seine Stumme-Puppe-Masche bei. „Wir wollen dir sämtliche Rechte an dem ganzen Event überlassen.“

K schaute seinen Leader fragend an. „Daran wirst du dich dumm und dämlich verdienen, vom Prestige ganz zu schweigen.“, gab er zu bedenken.

Mana reagierte eine ganze Weile überhaupt nicht. Dann machte er eine flüchtige Handbewegung. „Er ist geneigt, das anzunehmen, weil es einfach ein zu gutes Angebot ist. - Er wird unter Umständen darauf zurückkommen.“

„Los! Ich halte ihn fest, und du kitzelst ihn!“, warf jemand ein.

„Auf ihn!“

Ein neonbuntes Etwas warf sich zu Mana auf den Sessel, und hinter der Rückenlehne tauchte eine weitere Gestalt mit Gangster-Rapper-Mütze und riesiger Sonnenbrille auf, die von hinten die Arme um Mana schlingen wollte.
 

Mana war reaktionsschnell mit einem erstaunlich flinken Satz hochgesprungen, bevor die beiden ihn so richtig zu fassen bekamen. Der Kerl mit der Sonnenbrille – Yoshihikos Gitarrist Nao – sprang über die Sessellehne hinweg und setzte ihm nach. Als er sich erneut auf Mana stürzen wollte, um ihn zu umklammern, flüchtete dieser sich zwei, drei Schritte weit außer Reichweite, bekam dann aber am anderen Ende der Sitzecke von Takeru den Weg abgeschnitten.

Eine Sekunde lang herrschte Unschlüssigkeit. Mana war eingekesselt, links vom grinsenden SuG-Sänger, rechts von Nao, vorn und hinten von Möbelstücken. Er schaute mit ausdruckslosem Gesicht zwischen den beiden lauernden Scherzbolden hin und her, mehr aus den Augenwinkeln als daß er wirklich den Blick hinwandte.

Takeru ging als erster wieder in den Angriff über und sprang auf Mana zu, um ihn zu Boden zu ringen und so richtig durchzukitzeln. Doch der wich nur - für seine Plateauschuhe - mit einer beneidenswerten Balance ein Stück zur Seite, so daß Takeru ihn verfehlte und danebengriff. Mit Manas geradezu lässigem Nachhelfen stolperte er haltlos über einen niederen Tisch, auf dem er auch verdattert liegenblieb. Dann drehte sich Mana schnell dem heranstürmenden Nao zu, der direkt in ihn hineinzurennen drohte, und beförderte ihn mit einem brachialen Schulterwurf hinterher. Takeru konnte sich gerade noch ein wenig zur Seite drehen, bevor der heidi.-Gitarrist ebenfalls hochkant neben ihm in die Tischplatte krachte, welche unter ihm zerbrach. Nao kullerte noch eine komplette Umdrehung weiter. Seine Sonnenbrille, die er bei dieser unfreiwilligen Flugstunde verloren hatte, segelte klappernd in eine Ecke.

Ruhe kehrte ein, nur unterbrochen von dem leisen Stöhnen der beiden übermütigen Spaßvögel, die jetzt abgefertigt in den kläglichen Überresten des Holzmöbels lagen. Mana schaute noch einen Moment mit nach wie vor unbewegter Miene auf sie herunter. Weder Ärger noch Belustigung verzog sein maskenartiges Gesicht mit den schwarzen Lippen. Als sei er völlig emotionslos und wolle lediglich mit sachlichem Interesse abschätzen, wie groß die Gefahr war, die von den beiden jetzt noch ausging. Aber die war zugegeben gering, also kehrte Mana schließlich schweigend zu seinem Sessel zurück.
 

Kai hatte immer noch resignierend das Gesicht abgewandt und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger verzweifelt den toten Punkt über der Nasenwurzel, als Mana sich wieder ihm gegenüber niederlies. K, der sich mit verschränkten Armen zurückgelehnt hatte, grinste nur gehässig. Er beherrschte sich, nicht zu lachen. Mana verzog keine Miene. Wie immer.

„Ich hoffe, Manas Humor ist zufriedenstellend.“, merkte K ruhig an und brachte Ruki damit zum gröhlen.

Kai sog scharf Luft ein, hielt den Atem an und versuchte, seine Gesichtszüge möglichst nicht entgleisen zu lassen, denn er wusste nicht was dabei herausgekommen wäre. Obwohl ihm überhaupt nicht nach Lachen zu Mute war, zwang K´s Kommentar es ihm regelrecht auf. Seufzend lies er die Luft wieder entweichen, dann erst wagte er es, aufzusehen. „Tut mir leid, Mana-sama. Ich habe irgendwie geahnt, daß es eskalieren würde. Ich hätte dich nicht einladen sollen. Ich kann mich nur entschuldigen.“

„Mana ist das gewöhnt. Es versuchen ständig alle, ihn zum Reden oder zum Verziehen einer Miene zu bringen.“, beruhigte K ihn.

Ruki fragte sich, ob Mana nun wirklich reden konnte, oder nicht. Aber er stellte die Frage lieber nicht laut.

„Geht euch das Blut abwaschen, los, zieht Leine!“, maulte Kai den SuG-Sänger und den heidi.-Gitarristen voll, die gerade ächzend aus den Trümmern des niederen Tisches kraxelten. Wären das jetzt seine eigenen Bandmitglieder gewesen, hätte er denen gehörig Erziehungsmaßnahmen angedeihen lassen. Aber leider Gottes hatte er über die zwei keine Befehlsgewalt. Nao sah verwirrt aus, als hätte er ein Schleudertrauma kassiert. Tja, ohne Vorwarnung durch die Luft geworfen zu werden, war auch nicht ganz ohne. Geschah ihm irgendwie ein bischen recht.

Mana gestikulierte in der Gegend herum. „Mana gefällt es hier im Gazette Plaza, er denkt er wird hier noch viel Spaß haben.“, erklärte K. „Er sagt, es tut ihm leid um den Tisch. Er hätte beim Werfen schlecht gezielt und will den Tisch bezahlen.“

„Unnötig. Das blöde Ding hat uns sowieso noch nie gefallen.“, gab Ruki zurück.

Kai lachte. „Genau. Den hat Uruha mal hier reingestellt, weil er ihn in seinem Zimmer nicht mehr haben wollte. Weil er ständig drübergeflogen ist. Wir sind froh, daß das Teil endlich kaputt ist, damit wir einen Grund haben, es wegzuwerfen.“
 

„Was denkst du?“

„Scheiße man.“, nuschelte Takeru, nahm das Taschentuch aus dem Gesicht und schniefte. Es war nicht ganz klar, ob er damit das blutige Zellophan meinte, oder ob das tatsächlich die Antwort auf Nao´s Frage war.

„Er hat sich nichtmal gewehrt.“, meinte Nao, beobachtete im Spiegel sein blau anlaufendes Auge und fuhr dabei vorsichtig mit der Zungenspitze über seine aufgeplatzte Oberlippe. Die Wunde hatte er sich bei seiner Bruchlandung mit den Zähnen selbst zugefügt. Sie war aber zum Glück nicht sehr groß und würde nicht weiter auffallen.

„Das nennst du nicht gewehrt?“ Takeru wedelte hysterisch mit seinem blutigen Taschentuch, warf es ins Klo und nahm sich ein neues. Er hatte sich auf der Tischplatte einen Nasenstümper eingehandelt, sich dabei aber zum Glück auch nichts wirklich ernsthaftes getan.

„Du weist schon, was ich meine. Er hat sich nicht verbal gewehrt. Er hat nichtmal <nein> gesagt. Oder <hm>, oder irgendwas. Wenigstens ein Grummeln hätte ich erwartet. Er hat die ganze Zeit nicht ein einziges verdammtes Mal eine Augenbraue oder einen Mundwinkel verzogen.“

„Hm, zu wehren weis er sich jedenfalls. Der Typ ist sowieso gruselig. Vielleicht kann er ja wirklich nicht reden.“, vermutete Takeru.

„Aber wenn er stumm wäre, hätte er doch nicht so eine Position in der J-Rock-Welt. Das ist doch nichtmal richtige Gebärdensprache, was er da zusammenfuchtelt, und K ist ja auch nicht 24 Stunden am Tag als Dolmetcher um ihn rum. Außerdem haben Stumme normalerweise eine extrem ausdrucksstarke Mimik.“

„Mit dem ist offensichtlich nicht zu spaßen. Also keine Spielchen mehr mit ihm.“

„Darauf wird Kai schon achten.“, murmelte Nao und begann endlich sein Auge zu kühlen, bevor es noch ganz zuschwoll. Er würde sich eine verdammt gute Ausrede für seinen Vocal einfallen lassen müssen. Yoshihiko machte zwar sehr viel Spaß mit, aber er war noch einer von der alten Schule, er hatte noch allen gebührenden Respekt vor Höherrangigen. Yoshihiko würde ausflippen, wenn er das hier erfuhr, und würde ihn wahrscheinlich am Kragen zu Mana schleifen und zwingen, sich auf den Knien rutschend bei diesem zu entschuldigen.
 

„Ist Seth okay?“, wollte Ruki wissen, um das so rüde unterbrochene Gespräch wieder in Gang zu bekommen.

„Ja. Die PSC hat ihn wieder gehen lassen, nachdem er diesen seltendämlichen Vertrag unterschrieben hat. Er muss sich ständig verfügbar halten, aber solange die keine anderen Musiker außer ihm haben, wird er sowieso keine Musik produzieren müssen.“, erzählte K.

„Wollen wir´s hoffen.“

„Er überlegt schon, ob er von der PSC Vertragsstrafe verlangen soll, wenn die dieses Projekt wieder aufgeben. Aber ich muss sagen, das halte ich für überzogen. Wenn die diese idiotische Idee wieder fallen lassen, können wir uns freuen, und sollten es dabei belassen. Immerhin ...“ K unterbrach sich selbst, um Mana zuzusehen, der wieder zu gestikulieren begonnen hatte. „Ah ja, Mana würde gern zum Geschäftlichen kommen. Er sagt, wenn die PS Company nicht einlenkt, wird er anfangen, denen die großen Bands abzuwerben. Er will wissen, wieviel die PSC euch bietet, damit er gegebenenfalls ein entsprechendes Gegenangebot machen kann. Im Ernstfall wärt ihr die erste Band, die er von der PSC abziehen will, wenn ihr einverstanden seid.“

Kai nickte und zückte seinen Vertrag mit der PSC, den er wohlweislich schon bereitgelegt hatte, und schob ihn Mana über den Tisch. „Unser Vertrag ist schon ziemlich gut. Die lassen sich nichts nachsagen, wenn man erstmal Verkaufszahlen vorweisen kann. Wenn wir bei euch auch nur annähernd die gleichen Bedingungen bekommen, unterschreiben wir ohne zu fragen. Ihr müsst uns nicht das dreifache zahlen, wie den Nachwuchsbands. Wir sind mit dem hier mehr als zufrieden.“, merkte der Gazette-Leader an.
 

Mana studierte aufmerksam den gesamten, mehrseitigen Vertrag von vorn bis hinten durch, inclusive Anlagen und Kleingedrucktem. Wie üblich sah man ihm nicht an, was er dachte. Nach einer Weile legte er den Vertrag weg, verschränkte die Arme und grübelte vor sich hin. Eine Zeit des Wartens folgte.

„Darf ich mal?“, wollte K nach einer Weile des gespannten Schweigens wissen, weil er selber nicht wusste, wie er Manas Körpersprache interpretieren durfte. Er nahm das Papier, warf nur einen kurzen Blick darauf, und legte es dann mit einem „Alles klar.“ wieder auf den Tisch zurück.

„Hm?“

„Er wird´s euch schon gleich selber sagen.“

„Will er weniger bezahlen?“, hakte Ruki nach.

„Bezahlen?“ K beugte sich vor und schaute nochmal auf den Vertrag, als habe er sich den Punkt <Vergütung> gar nicht angeschaut. „Hm, nein, das wird wohl nicht das Problem sein.“, stellte er fest.

Mana begann kurz, seine Frage zusammenzugestikulieren.

„Mana fragt, wer eure Outfits entwirft.“

„Wir selber. Die letzten hat Uruha designed. Warum?“

„Die PSC garantiert euch Dress-Freiheit.“, kam K seinem Leader zuvor. „Wenn ihr meint, nächste Saison im Badeanzug auf die Bühne gehen zu wollen, ist das okay. Ich bin mir nicht sicher, ob Mana auch gewillt ist, euch Dress-Freiheit zu lassen. Wenn ihr in unser Label kommt, werdet ihr tragen, was Mana euch vorsetzt.“

Kai und Ruki schliefen leicht die Gesichter ein. Wäre das hier alles nur ein Scheinvertrag, wäre es ihnen ja egal gewesen. Aber so wie es aussah, würde Gazette künftig tatsächlich unter Manas Namen weiterproduzieren, wenn sich die PSC weiter so bockig hatte. Das hier war bitterer Ernst.

Der Große Schweigsame winkte bereits wild ab und drehte mit dem Zeigefinger Kreise in die Luft. „Er sagt, er denkt nochmal darüber nach.“, erklärte K.

„Also ... wir sprechen unsere Outfits gern vorher mit dir ab, Mana, aber du wirst uns definitiv nicht in Lolita-Kleider reinkriegen.“, stellte Kai klar.

Manas Mundwinkel zuckten tatsächlich kurz nach oben, dann drehte er wieder mit dem Zeigefinger Kreise. „Wie gesagt, er denkt darüber nach.“ Mana gestikulierte weiter. „Mana bedankt sich für die ehrlichen Verhandlungen. Wenn die PSC nicht von ihrem Projekt ablässt, werdet ihr wieder von ihm hören.“, übersetzte K.

„Wir haben zu danken, Mana-sama. Du rettest uns wirklich alle miteinander. ... Wollt ihr nicht noch zum Mittagessen bleiben, bevor ihr wieder abreist?“

K schaute fragend seinen aufgetakelten Leader an. Mana zögerte, nickte dann aber langsam.

„Wenn ihr wollt, gebe ich euch ein Zimmer, wo ihr noch etwas Ruhe habt, bis das Essen fertig ist.“

Mana nickte eifriger. Diese Idee fand er offensichtlich gut. Und auch K machte fast einen Kniefall beim Danken.
 


 

„Echt? Cool, nach Europa sollten wir auch mal wieder.“, meinte Tsukasa begeistert. „Wo werdet ihr denn überall touren?“

Mana begann, gediegen mit seinen Stäbchen herumzugestikulieren. Der Moi-dix-Mois-Leader hatte sich ohne große Umschweife direkt zu D´espairs Ray gesetzt, als er zum Mittagessen an die lange Tafel gekommen war. Er war anfangs von allen Bands einfach nur regelrecht überfallen und mit Fragen gelöchert worden. K war mit dem Dolmetschen gar nicht mehr nachgekommen. In solchen Momenten hasste er Mana für seine blöde Masche. Er hatte gewusst, daß es hier stressig werden würde, aber er hatte sich echt kein Bild gemacht, WIE stressig. Irgendwann hatte K sich einfach geweigert, weiter zu dolmetschen, damit er noch was von seinem Essen zu sich nehmen konnte, bevor es endgültig kalt war. Mana schien ihm sogar recht dankbar dafür zu sein, denn auch er hatte sich sofort heißhungrig auf sein Essen gestürzt, in der Hoffnung, die anderen würden ihn einfach in Ruhe lassen.

Wegen der nicht enden wollenden Versuche, doch noch irgendwelche Antworten aus den beiden herauszupressen, hatte sich K letztlich ganz weggesetzt. Er war ans andere Ende der Tafel zu Masashi gegangen. Das hatte geholfen, und der Andrang löste sich langsam und widerwillig auf, denn ohne K verstand keiner Manas Gefuchtel. Naja, fast keiner. Tsukasa schien ganz gut damit klar zu kommen. Und ihm gab Mana auch bereitwillig weiter Auskunft, vorrangig wohl auch deshalb, weil sich Tsukasa nicht veranlasst sah, als Ersatzdolmetscher für die anderen herzuhalten.

„Ach, ihr tourt gar nicht?“, rückversicherte sich der D´espairs-Ray-Schlagzeuger, ob er Manas Stäbchengewedel auch richtig verstanden hatte. „Ah, dann war das nur ein Fake, um die PSC unter Druck zu setzen!“, ging ihm dann das Licht auf.

Mana deutete mit einer Geste auf ihn, für die wirklich keiner einen Übersetzer gebraucht hätte: Du hast es erfasst.
 

Masashi wog nachdenklich den Kopf. „Also Sugiyas Outfits sind ganz vertretbar.“

„Das sind ziemlich alte Designs von Mana.“, erzählte K.

„Manas Designs sind alle der Wahnsinn. Sowohl die alten als auch die neuen. Mana ist einer der größten Modeschöpfer die ich kenne.“, schwärmte Kamijo los. „Wenn wir für Versailles nicht schon ein anderes Konzept etabliert hätten ...“

„Au!“, machte Masashi empört, als ihm ein Brötchen gegen den Kopf flog. Ärgerlich sah er sich um, von wem er hier mit Essen beschossen wurde.

„Sorry, ich wollte eigentlich Kamijo treffen.“, rief Takeru, der auf der gegenüberliegenden Tischseite weiter links saß, mit entschuldigender Miene. „Hab daneben geworfen. Gib ihm mal ne Kopfnuss von mir. Der soll nicht solche Grütze erzählen! Manas Mode ist einfach grauenvoll!“

„Komm rüber und sag´s ihm selber!“, maulte Masashi und warf seinerseits eine Tomate nach ihm.

Der SuG-Sänger ging erschrocken in Deckung. „Hey, nicht mit Tomaten! Die machen Flecken!“, jaulte er und revanchierte sich mit einer Erdbeere. Die landete mit einem Klatschen auf Kamijos Teller, welcher nur genervt mit den Augen rollte.

„Ach, und Erdbeeren machen wohl keine Flecken, oder was? Wenn du dich richtig vollsauen willst, dann nimm das hier!“ Sauer griff der Versailles-Bassist nach der Flasche Soja-Sauce und wedelte drohend damit.

„Okay, komm nur!“, gab Takeru zurück und steckte grinsend den Löffel in die große Schüssel mit Schokopudding.

„Jetzt reicht´s aber!“, ging Kai dazwischen. „Du bist heute schon genug aufgefallen, du Spaßvogel.“ Er griff nach Takerus Handgelenk, um das Schlimmste zu verhindern. Im Gegensatz zu Masashi, der sich beherrschen konnte, war Takeru durchaus zuzutrauen, eine Schüssel Pudding über den ganzen Tisch zu kippen. Das letzte was er jetzt noch brauchen konnte, was eine handfeste Essenschlacht. „Wieso zur Hölle müsst ihr euch ausgerechnet jetzt so oberpeinlich aufführen, wenn Mana da ist?“, stöhnte er und brachte damit Yoshihiko auf der anderen Tischseite zum Lachen. „Dein Gitarrist übrigens auch, Kollege!“, fuhr Kai Yoshihiko säuerlich an.

Das Lachen des heidi.-Sängers verebbte verdutzt. „Nao? Was hat er denn angestellt?“

„Nichts, nichts, wir hatten nur einen kleinen Scherz am Rande.“, warf Takeru schnell ein.

„Ja, DEINE Art von kleinen Scherzen kenne ich.“, gab Yoshihiko mit schlagartiger Missmutigkeit zurück und drehte sich zu seinem Gitarristen um, der heute auffällig weit weg saß. „Nao!?“

Der zog spürbar den Kopf ein, als er die ärgerliche Stimme seines Vocals hörte.

„Was hast du wieder angestellt, du Sack?“, rief Yoshihiko und schoss eine Physalis quer über die halbe Tafel.

„Gar nichts, ich war total lieb!“

Yoshihiko warf gleich noch eine Physalis. „Lügner!“

„Lass mich in Ruhe, ich habe meine Strafe schon!“, rief der Gitarrist zurück und bewarf nun seinerseits Yoshihiko mit Gummibärchen.

„K, tu doch was.“, heulte der Gazette-Leader und Plaza-Vorsteher verzweifelt.

Mit einem „Yeah, Krieg!“ sprang dieser daraufhin hoch, um mit vollen Händen in die Müsli-Verpackung zu greifen und das Zeug wie Konfetti herumzuschleudern. „DIX!!!“, gröhlte er dabei mit tiefer Stimme.

Vom anderen Ende der Tafel antwortete Mana mit einem devil-Handzeichen und fuhr ebenfalls hoch, den Reistopf schon auf dem Arm, und teilte mit ausdruckslosem Gesicht schwungvoll aus.

„Neeeeeeiiiiiiiiiinnnn, K, so war das nicht gemeint.“ Kai verbarg kurz das Gesicht in beiden Händen. Nun war alles zu spät. Wenn selbst der sonst so ernsthafte Mana-sama ausflippte, konnte keiner mehr helfen. Gedankenschnell zog Kai sich die Puddingschüssel heran. Wenn Takeru die tatsächlich noch missbraucht hätte, wäre die Schweinerei irreversibel geworden.
 


 

Mana fuchtelte mit einem unterschwelligen Schmunzeln – Kai konnte SCHWÖREN, daß Mana schmunzelte – seine Verabschiedung.

„Mana sagt, er hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß wie hier.“, übersetzte K. „Er sagt, er bedankt sich für die nette Bewirtung und Unterhaltung und hofft, mal wiederkommen zu dürfen.“

„Natürlich, jederzeit. Wir würden uns freuen. Kommt gut nach Hause und grüßt Seth von uns!“, gab Kai fröhlich winkend zurück und grinste, bis die beiden das Haus verlassen hatten. Aber so wie die Tür hinter Mana ins Schloss fiel, fiel Kai auch das Grinsen aus dem Gesicht. Fast schlagartig herrschte verängstigte Ruhe in der Eingangshalle, wo alle den Moi-dix-Mois-Leader verabschiedet hatten. Dieser plötzlich so viel düsterere Blick war schlimmer als 3 Stunden Strafpredigt.

„Takeru! Masashi! Nao! Esszimmer schrubben, Abmarsch! Und wehe ich finde auch nur noch ein einziges verdammtes Reiskörnchen da drin!“, kommandierte er sauer. Diese Blamage würde ihm ewig anhängen, und diese drei Jungs waren in seinen Augen irgendwie die schuldigsten von allen.

„Ich mach mal mit. Ich hab ja auch Essen rumgeworfen.“, meldete Yoshihiko kleinlaut.

„Und ich pass auf, daß sie´s auch ordentlich machen.“, bot Kamijo an.

„Nicht nötig. Sie WERDEN es ordentlich machen, mein Wort darauf!“ Mit diesen harschen Worten und seltsam gequältem Gesichtsausdruck fegte Kai davon. Als versuche er mit Mühe eine Mimik aufrecht zu erhalten, die schon lange nicht mehr der Wahrheit entsprach. Er rauschte in den Proberaum, die Tür schepperte hinter ihm zu und dann hörte man ihn leise drinnen lachen.

„Jetzt ist er übergeschnappt.“, kommentierte Hizumi fröstelnd.

Tag 6 - Nervensache

„Kai, ich brauch mal deine Hilfe.“

Kai seufzte innerlich. „Ist es dringend?“

Ruki wog nachdenklich den Kopf hin und her. „Naja, ich würde es jedenfalls gern geklärt haben. Es geht um unseren Auftritt auf dem Konzert-Event.“

Also nichts dringendes. Kai ging weiter. „Lass uns beim Abendessen darüber reden, ich hab jetzt keine Zeit.“

Der Vocal stöckelte auf seinen Absatzschuhen hinter ihm her, die er fast immer trug, um nicht ständig überall als der Kleinste aufzufallen. „Ich muss als Frontmann eine Show abziehen, Kai. Ich würde die gern noch ein bischen planen. Beim Abendessen wirst du auch wieder keine Zeit haben, weil du von allen belagert wirst. Gestern bist du gar nicht erst zum Abendbrot aufgetaucht!“

Der Gazette-Leader holte tief Luft, sagte aber doch nichts, sondern ging nur unbeirrt weiter. Er hatte jetzt weder Lust noch Zeit, mit Ruki über seine Menge an freien Kapazitäten zu diskutieren.

„Hörst du mir zu?“, wollte Ruki etwas ärgerlich wissen.

„Nein, tu ich nicht! Geh mir doch nicht auf´s Blech, man.“, maulte Kai wahrheitsgemäß. „Warum stellst du die Bühnenshow diesmal nicht einfach allein auf die Beine und ich richte mich dann einfach ganz nach dir, wenn es soweit ist?“

„Und erträgst dann wieder tagelang deine Ungnade, weil sie dir nicht gefallen hat? Nein, danke. Das tu ich mir nicht an.“

Kai stöhnte. „Das war damals Aoi´s Show. Ich hoffe doch wohl, daß deine ein bischen angemessener wird.“ Langsam war der Drummer wirklich angenervt. So leid es ihm auch tat, und so ungern er unfreundlich zu seinem Vocal sein wollte, aber langsam war das Maß echt voll. Warum lies der Kerl sich nicht einfach abwimmeln? Tja, weil er dann wohl nicht Ruki gewesen wäre. Kai war inzwischen vor dem Büro angekommen, aus welchem er bereits wieder das Telefon schellen hörte.

„Weist du, ich hätte gern Akrobaten auf der Bühne.“, fuhr Ruki fort und machte Anstalten, Kai einfach ungefragt ins Büro hinein zu folgen, während er seine elegante Klamotte zurecht zog. Er war nie leger oder ungestyled. Ohne penibel frisierte Haare und perfekt manikürte Nägel bekam man ihn nie zu Gesicht, nichtmal in der privatesten Runde. „Wenn du mir erlaubst, einen Zirkus anzu...“

Kai fuhr herum und hielt ihm grob den Mund zu, um ihn zu unterbrechen. Als Bekräftigung drückte er den zierlichen Sänger noch mit seinem Unterarm rücklings gegen die nächstbeste Wand. Dank seiner Tätigkeit als Drummer hatte Kai eine brachiale Körperkraft aufzuweisen, der sein kleinerer Vocal absolut gar nichts entgegen zu setzen hatte.
 

Ruki sah ihn mit großen Augen entgeistert an.

„Ich sagte, ich will das jetzt nicht wissen!“, zischte Kai ungehalten und hielt Ruki noch ganze drei Sekunden gegen die Wand gedrückt und mit blockiertem Mund fest. Damit Ruki auch wirklich ausreichend Zeit hatte, diesen Satz in seinem Gehirn ankommen und verarbeiten zu lassen.

Ruki starrte ihn weiter fassungslos an. Es war noch nie irgendjemand handgreiflich gegen ihn geworden. Schon gar nicht Kai, dessen einzige Waffe sonst immer nur ein Grinsen war. Der Leader hatte ihm zwar nicht wehgetan, aber die schiere Plötzlichkeit dieser Aktion verstörte ihn zutiefst.

Kai lies ihn endlich wieder los und trat einen Schritt zurück, selbst sichtlich erschrocken über seinen unbeherrschten Ausbruch. Kurz herrschte Schweigen.

„Kai? Bist du okay?“, wollte Ruki dann vorsichtig wissen. „So kenne ich dich gar nicht.“

„Tut mir leid. Ich bin einfach furchtbar übermüdet und kurz vor einem Nervenkollaps und mir wächst gerade alles über den Kopf. Sei mir nicht böse. Wir werden über die Bühnenshow sprechen, aber nicht jetzt!“ Mit diesen Worten fegte Kai ins Büro und warf die Tür zu. Es war kein echtes Zuknallen der Tür, aber doch derber als nötig. Ruki überlegte noch kurz, ob er dem Drummer folgen und ihm seine Hilfe anbieten sollte. Aber das vernehmliche Drehen des Schlüssels im Schloss erübrigte auch dieses Vorhaben. Kai hatte sich selbst eingesperrt.
 


 

„Yosh! Yosh!“

„Für dich immer noch <Yoshihiko>.“

„Yosh! Die Gazettos haben im Keller ein Wasserbecken! Kommst du mit schwimmen?“

„Nein!“, entschied Yoshihiko sofort, blieb aber doch stehen und wartete auf den kindischen Sänger von SuG, der ihm im Gang nachhechtete. Allein schon von ihm angesprochen zu werden verhieß nie etwas Gutes. Jedenfalls hatte Yoshihiko noch keine gegenteilige Erfahrung mit ihm gemacht.

Takeru zog eine Schmollschnute. „Wieso denn nicht?“

„Mit dir nicht, ich bin ja nicht lebensmüde. Außerdem hab ich sowieso kein Badezeug dabei.“

„Och maaaaaan, du bist so langweilig.“

Yoshihiko seufzte. „Woher weist du überhaupt, daß im Keller eine Schwimmhalle ist? Was hast du denn dort unten verloren?“, hakte er nach. Wenn dort wirklich eine war, fragte er sich, warum die noch nicht eher entdeckt worden war.

„Uruha meinte, Kai hätte dort unten einen Kraftraum. Den hab ich zwar nicht gefunden, dafür aber das Planschbecken.“, grinste der bunte Vocal schelmisch.

Yoshihiko ging kopfschüttelnd weiter. „Na dann wünsch ich dir mal viel Spaß da unten. Frag doch Nao, der kommt sicher mit.“
 

Als Takeru und Kanon etwas später fröhlich schwatzend, in Badehosen und mit großen Handtüchern unter dem Arm in den Keller kamen, trieb eine Luftmatraze mitten im Wasserbecken. Darauf lag Kai, bäuchlings dösend. Einer seiner Arme hing ins Wasser, auf dem anderen hatte er sein Gesicht abgelegt.

Der Gazette-Drummer schaute fragend auf, als so plötzlich die Tür aufging und guckte die beiden dumm an. „Was tut ihr denn hier?“, wollte er verdutzt wissen.

„Wir wollen baden.“, erwiderte Kanon. „Aber was tust DU denn bitte hier? Sagtest du nicht, du könntest dich vor Arbeit gar nicht retten?“

Kai murrte. Na klar hatte er viel zu tun. „Ich hab mir eben mal ne halbe Stunde Auszeit genommen, um nicht endgültig überzuschnappen.“ Er dachte an seinen armen Ruki, den er vorhin beinahe geschlagen hätte. Er musste wirklich was tun, wenn er hier nicht unzurechnungsfähig werden wollte. „Allerdings kann ich mich nicht erinnern, das Becken für öffentlich erklärt zu haben. Das hier ist Sperrgebiet für euch.“, fügte er an.

„Ach was, wen interessiert das schon?“, lachte der AnCafe-Bassist, warf die große aufblasbare Gummi-Ente ins Wasser und machte einen Kopfsprung hinterher. Takeru folgte gröhlend mit einer fetten Arschbombe, die das halbe Bad flutete. Neben Kai tauchte Kanon fontainenspuckend wieder auf und griff nach der Luftmatraze. „Los runter da mit dir!“, meinte er und wippte den Drummer von der Matraze herunter.

Kai versank hilflos mit den Armen rudernd im Wasser, tauchte platschend wieder auf und begann dann mit einem „Ihr seid sowas von fällig!“ die beiden Musiker wechselseitig unter Wasser zu tunken.

„Hey, habt ihr etwa schon ohne mich angefangen?“, wollte Miku wissen, der in diesem Moment ebenfalls hereinplatzte. Er trug nur Boxershorts, da er offenbar keine Badehose dabei hatte.

Kai sah den AnCafe-Sänger fragend an. Der auch hier? Hatten Takeru und Kanon das etwa publik gemacht, daß es hier unten ein Schwimmbecken gab? Na super, dann war es wohl jetzt vorbei mit der Ruhe. Draußen vor der Tür hörte er schon Hizumi und Kamijo, die beiden Vocals von D´espairs Ray und Versailles, quatschen.
 

Yoshihiko sah schmunzelnd Teru an, der pitschnass wie ein übergossener Hase vor ihm stand. Die Haare klatschten tropfnass an seinem Kopf, nur ein paar einzelne Strähnen stachelten weg. Teru versuchte gerade, ihn zum Baden zu überreden.

Yoshihiko überschaute flüchtig die kleine Schwimmhalle. Sie war wirklich hübsch gemacht, in dunkelblauem Mosaik gefließt, mit kunstvollem Stuckrelief an den Decken und näckischen Wandbemalungen.

Am Rand standen ein paar künstliche Palmen, unter denen Kamijo sich in einen Liegestuhl gepflanzt hatte. Der Sänger von Versailles sah nicht aus, als wäre er schonmal im Wasser gewesen, er saß nur daneben und verfolgte amüsiert das Treiben. LMC-Vocal Maya hatte sich eine große Wasserpistole besorgt, mit der er permanent nur am Austeilen war. Hizumi von D´espairs Ray und Shinya von Dir en Grey dümpelten quatschend am Beckenrand herum, während Hiroto und Saga von Alice Nine sich um eine herrenlose Luftmatraze balgten. Miku und Kanon standen lachend draußen und hantierten an Uruha herum.

Viele trugen nur Unterhosen oder Boxershorts. Bei ihrer Flucht vor der PSC hatten die wenigstens von ihnen an sowas wie Badesachen gedachte. Seufzend begann Yoshihiko sich aus seinem Pullover zu schälen. Ach, warum auch nicht. Ging er halt auch ein bischen baden. Entschlossen machte er einen Satz ins Becken und hoffte, daß das Wasser nicht so kalt war wie es aussah. Aber lieber ging er freiwillig hinein, denn er wollte nicht so enden wie Uruha, der gerade von Miku und Kanon gegen seinen Willen ans Wasser getragen und samt Klamotten in hohem Bogen hineingeschmissen wurde.

Yuki, der Drummer von Versailles, der auch gerade gekommen war, tat es ihm gleich. Ein anzügliches Johlen ertönte, als er seine Hose auszog. Er rollte mit den Augen. Doch plötzlich wurde aus dem Johlen ein einstimmiges Lachen. Yoshihiko sah fragend zu Yuki hinüber, erkannte auch sofort, was los war und konnte sich ebenfalls ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Drummer trug eine oberpeinliche Boxershorts mit blauen Herzen. Erschrocken zog Yuki seine Hose wieder hoch und wurde knallrot. „Äh, ich geh mich fix nochmal umziehen, bin gleich zurück.“, grinste er verlegen und hastete los.
 


 

Ruki steckte vorsichtig die Nase in den Proberaum. Kai saß tatsächlich schon drin. Überpünktlich. Irgendwie hatte Ruki nicht wirklich damit gerechnet.

„Ruki, komm rein!“, winkte der Drummer ihm betont fröhlich entgegen.

„Was gibt es denn?“, wollte Ruki verunsichert wissen. Die Bandproben, die Kai trotz des überfüllten Hauses und trotz all seines Stresses konsequent weiter voranpeitschte, begannen eigentlich erst in einer halben Stunde. Kai hatte ihn früher herbestellt.

„Du wolltest doch über unseren Auftritt auf dem Konzert-Event und die Bühnenshow sprechen. Also lass uns reden.“

„Jetzt?“

„Ja, jetzt. Ich hab Zeit für dich.“, versicherte Kai.

„Tust du mir einen Gefallen?“

„Welchen?“

„Lächel mal!“

Kai kicherte über diesen sonderbaren Wunsch laut los und griff nach Zettel und Stift.

„Danke.“, meinte der Vocal nur, erleichtert, daß Kai irgendwie doch noch er selbst war und noch nicht über all seinem Organisationskram die Nerven verloren hatte.

„Hör zu, entschuldige diese handgreifliche Aktion heute Vormittag. Es tut mir wirklich leid, daß ausgerechnet du derjenige warst, der das alles abgekriegt hat. Du hast es von diesem ganzen Haufen Spaßvögeln hier am wenigsten verdient. Ich wollte dir keine Angst machen, und ganz sicher nichts tun.“

„Ach, schon vergessen.“ Ruki warf sich euphorisch auf einen der Sessel.

„Also los, du wolltest Akrobaten auf der Bühne haben, hab ich das richtig mitbekommen? Ich habe bei drei Zirkussen angerufen, die gerade nah genug in der Gegend sind, um auf unser Event zu kommen. Aber das scheint ziemlich schwierig zu werden. Die haben Bedenken wegen des Versicherungsschutzes, wenn sie auf einer Bühne rumspringen. Die haben alle miteinander noch nie auf so einer wackeligen Bühne rumhantiert, sondern nur auf dem festen, ebenen Erdboden. Sie vor oder neben die Bühne zu stellen, dürfte aber auch ziemlich sinnfrei werden.“

„Du hast schon welche angerufen?“, gab Ruki zwischen dankend und völlig überrumpelt zurück. Das kam ja überraschend.

„Ja klar. Was sie uns anbieten können, sind Hochseiltänzer, Gummimenschen, Feuerspucker und Jongleure, alle ganz pompös rausgeputzt.“

„Brauchen Hochseiltänzer nicht Fangnetze?“

„Bei uns nicht. Die bleiben auf anderthalb Metern Höhe. Und die trauen es sich sogar zu, bei unserer flackernden Bühnenbeleuchtung zu arbeiten.“

„Respekt, cool.“

„Ey, wenn du Takeru davon erzählst, und der dann zu mir angeschneit kommt, weil er Zirkusclowns haben will, kriegst du Ärger!“, stellte Kai ernsthaft klar. „Behalt die Sache mit den Artisten für dich!“

„Ja, Sir!“, grinste Ruki.

Kai machte sich auf seinem Blatt einen Haken an die entsprechende Notiz. „Schön. Also was hast du noch im Sinn? Ich hätte ja gern mal wieder so richtig fette Nebelmaschinen.“

„Ja, du musst ja bei dem Rauch auch nicht singen ...“

„Ich weis, daß das Zeug mörderisch im Hals kratzt. Ich dachte auch eher an das Intro und die Instrumentalsequenzen. Einige unserer Songs haben eine ziemlich lange Bridge.“
 


 

„Komm, Ruki, lass uns Federball spielen!“, forderte Uruha, der unvermittelt mitten in Rukis Zimmer stand und mit den Schlägern wedelte. „Auf dem Parkplatz haben wir jede Menge Platz dafür, was meinst du?“

Ruki knitterte seine Zeitung zur Seite und sah ihn mit gerümpfter Nase an. „Was bringt dich zu dem Schluss, daß ausgerechnet ich Federball spiele?“

Ja, die Antwort hatte Uruha irgendwie erwartet. Er wollte Ruki vielleicht nicht gleich eine Spaßbremse nennen, aber für das was man gemeinhin <Funsport> nannte, war er einfach zu adelig. Zu sehr Diva. „Naja, ich dachte ich frag dich halt mal.“

„Frag Shinya!“, trug Ruki ihm auf und brachte wieder die Zeitung zwischen sein Sichtfeld und Uruha, um weiterzulesen.

„Hab ich schon, der probt gerade mit seiner Band.“

„Dann frag Teru.“

„Der will nicht.“

„Na, dann frag eben Maya.“

„Mit dem habe ich bis eben noch gespielt. Der hat jetzt keine Lust mehr.“

Ruki stöhnte. „Mein Gott, dann frag eben ... keine Ahnung ... jedenfalls nicht mich.“

„Ach komm schon, gib dir einen Ruck.“, bat Uruha.

Ruki schaute vielsagend über den Rand seines Tagesblattes hinweg. Eher würde er helfen, in der Küche Geschirr zu spülen. „Nein. Wenn keiner mit dir Federball spielen will, dann frag Reita, ob er mit dir Playstation zockt.“

„Nö, ich möchte raus an die frische Luft. Wir sind schon seit Tagen hier im Plaza eingesperrt, langsam fällt mir die Decke auf den Kopf.“

Keine Antwort mehr.

„Nagut, ich frag jemand anderen. Bis später, Ruki.“, seufzte Uruha.

„Ja, bis später.“ Kopfschüttelnd steckte der Vocal seine Nase wieder in die Zeitung. Federball. Mit ihm. Wofür hielt Uruha ihn denn?
 


 

„Den krieg ich! Den krieg ich!“ Mit elegant gestreckten Armen hoppste Takuya los und schwang den Federballschläger.

„Takuya, ich hab noch gar keinen Aufschlag gemacht.“, gab Uruha trocken zurück.

Der AnCafe-Gitarrist schaute sich fragend um. „Oh.“, meinte er nur. In der Tat konnte er den Ball jetzt nicht mehr sehen. War wohl nur Einbildung gewesen. Er hatte die Bälle sowieso schon seit einer Weile nur noch erahnen können, weil er sie nicht mehr sah. „Wo bist du denn überhaupt?“

Uruha wedelte mit dem Schläger, damit sein Mitspieler eine Orientierung hatte.

Takuya seufzte. „Verdammt. Langsam wird es echt zu dunkel, wir sollten aufhören. Ich sehe dich ja kaum noch.“, stellte er fest.

„Tja, dann müssen wir unser filigranes Federball wohl für heute beenden.“ Uruha schaute mit Mühe auf die Armbanduhr. „Ist ja auch schon ganz schön spät.“ Irgendwie war er enttäuscht, schon aufhören zu müssen. Er hatte durchaus Spaß an dem Spiel gefunden, aber leider gab es auf dem Parkplatz momentan keine Laterne.

„Hey, da kommt jemand!“, bemerkte der AnCafe-Gitarrist.

„Das ist Tsukasa, oder? Los, ab hinter´s Auto!“ Hämisch grinsend hüpfte Uruha hinter ein schwarzes Cabrio, das auf dem Hof stand.
 

Der Drummer von D´espairs Ray schlurkste ohne Eile auf den Parkplatz hinaus und hielt Ausschau nach seinem fahrbaren Untersatz. Sein Auto war nicht unbedingt das größte und auffälligste. Er wollte nicht so einen protzigen Luxusschlitten fahren, obwohl er es sich durchaus hätte leisten können. Er mochte die benzinfressenden Snobkarren einfach nicht, er warf seine Kohle lieber für andere Sachen aus dem Fenster. Nach kurzem Blick in die Runde fand Tsukasa seinen Wagen am Ende des ziemlich vollen Parkplatzes und tigerte los. Er war sich sicher, eine CD von Girugamesh dabei zu haben, fand sie aber nirgends. Vielleicht lag sie ja noch im Handschuhfach oder Kofferraum. Er musste halt einfach mal gucken.

Als er gerade den Autoschlüssel ins Türschloss schob und die Innenbeleuchtung aufflammte, stürzten sich plötzlich zwei Gestalten mit Gebrüll auf ihn. Tsukasa sprang mit einem erschrockenen Quietschen weg, weil er in der Dunkelheit nichts sehen konnte. Sein erster Gedanke war, daß die PSC ihn jetzt endgültig erwischt hatte.

Die beiden ließen lachend wieder von ihm ab. Erst jetzt erkannte er Uruha und Takuya, die sich triumphierend abklatschten. „Du hättest dein Gesicht sehen sollen! Köstlich!“, kicherte Uruha und bog sich.

„Boar, habt ihr nicht mehr alle Schrauben beisammen, sagt mal?“, wollte der D´espairs-Ray-Drummer mit klopfendem Herzen wissen. „Was tut ihr hier?“

„Federball spielen!“, entgegnete Uruha und hob den Ball hoch.

„Intuitiv im Blindgang, oder was?“, maulte Tsukasa, der seinen Schreck zu überwinden begann und langsam die Verärgerung hochkommen spürte. „Es ist doch stockdunkel hier draußen!“

„Naja, wir haben gerade aufgehört.“

„Wisst ihr was, ihr zwei kommt mir gerade recht. Wenn ihr zu viel Zeit habt und hier eh nur in der Gegend rumalbert, könnt ihr mir auch gleich mal helfen.“ Tsukasa schloss den Kofferraum auf und brachte eine ziemliche Ladung Kleinteile zum Vorschein. Trommeln, Becken, Gestänge, Schrauben, Kabel, ein einziger Wirrwarr. „Ich hatte bis jetzt noch keine Lust, mein Schlagzeug auszupacken. Schnappt euch mal was und tragt es ins Haus!“, wies er die beiden Scherzkekse an, welche nur mit einem widerwilligen Murren reagierten, aber letztlich doch in den Kofferraum griffen.
 


 

Er schreckte aus seinem Schlaf hoch, als jemand derb gegen seine Tür hämmerte. Mit einem kurzen Blick auf die Uhr konnte er sich ein Murren nicht verkneifen.

„Kai! Kai! Mach auf!“, drang eine aufgelöste Stimme von draußen herein, dann wieder das Hämmern an der Tür, das einer Abrissbirne Konkurrenz machte.

Kurz vor 3 Uhr in der Nacht. Stöhnend quälte sich der Gazette-Drummer aus dem Bett und ging die Zimmertür aufschließen.

Im Flur stand Mao, der Sänger von SID. „Kai! Kai! Ruki hat <Hackfresse> zu mir gesagt!“, jaulte er mit weinerlicher Stimme, noch ehe Kai ihn auch nur begrüßen konnte.

Kai lies, einem Heulkrampf nahe, den Kopf nach vorn sinken. Die wollten ihn fertigmachen, er spürte es genau. Seine Nerven waren am Ende. Den ganzen Tag über nur Stress und Massen von Musikern, die sich wie Kleinkinder aufführten. Und jetzt ließen sie ihm nichtmal mehr nachts seine 5 Stunden Schlaf. Waren 5 Stunden Schlaf zuviel verlangt? So langsam hatte er das Bedürfnis, vom Schlagzeuger zum Schläger zu mutieren. Aber er beherrschte sich. Lächeln und Winken.

„Hauch mich mal an!“, verlangte Kai mit erzwungener Ruhe.

„Ich hab nichts getrunken!“, gab Mao beleidigt zurück.

„Was willst du dann hier?“

„Ruki hat <Hackfresse> zu mir gesagt.“, beharrte Mao mürrisch. Nachdrücklicher.

Kai holte tief Luft, um nicht etwas sehr unhöfliches zu entgegnen. „Dann erinnere ihn daran, daß er überall der Kleinste ist, das zieht immer!“, schlug der Drummer vor und war schon drauf und dran, seine Tür scheppernd wieder ins Schloss zu schmeißen.

„Ich bin doch nicht lebensmüde!“

„Was zur Hölle soll ICH denn jetzt dagegen tun?“

„Mitkommen und ihm die Leviten lesen!“

Kai fuhr sich mit der Hand durch´s Gesicht. „Mao, du bist erwachsen. Denkst du nicht, du kannst das auch alleine? Geh ins Bett, man.“

Maos eingeschnapptes Gesicht sprach Bände : Nein, konnte er nicht.

„Ich sag´s ihm morgen.“, entschied der Gazette-Drummer und wandte sich wieder in sein Zimmer, um zurück ins Bett zu fallen.

„Nein, Kai! Jetzt!“

Langsam kam ihm der Verdacht, daß mehr dahinter steckte. Es ging Mao hier eindeutig nicht um die unschönen Spitznamen, die sein Zimmerkollege ihm verpasste. Außerdem würde ein Schimpfwort wie <Hackfresse> auch gar nicht zu Ruki passen, seine Beleidigungen waren von einem anderen Kaliber.

„Schön. Lass uns gehen.“, seufzte Kai und verschwand im Zimmer, um sich wenigstens einen Morgenmantel oder irgendetwas in der Art überzuwerfen, bevor er mitkam.
 

Kai war so müde und dösig, daß er zunächst gar nicht mitbekam, wohin Mao ihn führte. Rukis Zimmer lag in der anderen Richtung. Das hier war der Trockenraum. Ehe Kai das so richtig zu Bewusstsein kam und er Gelegenheit hatte, sich darüber zu wundern, ging die Deckenbeleuchtung an und tauchte alles in ein gleißend helles Neonlicht. Geblendet riss er die Hände vor das Gesicht und plötzlich zerplatzte etwas furchtbar nasses an seiner Schulter. Wasser lief an ihm herunter und sog sich tief in seine Klamotten. Erschrocken fuhr Kai herum. Im gleichen Moment hagelten von allen Seiten die Dinger auf ihn ein, die er nach einer Weile als Wasserbomben erkannte. Gegröhle und Gelächter wurde laut. Kai wollte erschrocken den Rückzug antreten, bekam aber den Fluchtweg abgeschnitten. Wohin er sich auch wandte, von überall klatschten die Wasserbomben auf ihn ein und zerplatzten sprotzend auf ihm. Letztlich blieb er einfach stehen und wartete, bis es von selber aufhörte. Es dauerte lange. Keine Ahnung, wieviele Wasserbomben er kassierte, aber ein Vollbad hätte nicht gründlicher sein können.

Ein letzter, wassergefüllter Luftballon zerschellte in seinem Genick, dann war endlich Ruhe. Nur das Gelächter um ihn herum blieb. Da stand er nun wie ein begossener Pudel und wusste nicht, ob er mitlachen oder toben oder doch lieber heulen sollte. Also wischte er sich erstmal mit seinem klatschnassen Ärmel einen Wassertropfen von seiner Nasenspitze und schniefte. „Super, Leute. Der Spaß ist euch gelungen.“, meinte er schließlich mit einem Lächeln, das so herzlich war, daß es den anderen einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Ein ganz und gar unangebrachtes Lächeln für seine Situation. „Wärt ihr auch so nett, das wieder aufzuwischen?“, hakte Kai nach und wusste nun auch, warum sie ihn in den Wasch- und Trockenkeller geholt hatten. Hier war alles gefließt und gekachelt. Immerhin soweit hatten sie mitgedacht. Mit gierigen Augen überflog er die Gesichter um sich herum. Es war keiner aus seiner eigenen Band dabei. Gut so. Es wäre ihnen auch nicht sonderlich gut bekommen.

Tag 7 - Enthüllungen und Backversuche

Für alle, die sich wundern, warum das Kapitel nochmal neu kommt:

Ich musste bissl umsortieren. Ich hab gerade gemerkt, daß Kyo der Wunderknabe an zwei Orten gleichzeitig sein kann. XD

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Maya erwachte mit einem Frösteln aus dem Schlaf, weil er sich aus irgendeinem Grund furchtbar beobachtet fühlte. Er schaute auf die Uhr. Nach 7 Uhr, durch das Fenster fiel schon der erste Sonnenstrahl herein. Der Sänger von LMC fuhr erschrocken zusammen, als er bemerkte, daß jemand direkt neben seinem Bett stand und ihn anstarrte. Kai. Der Drummer hob langsam und mit süffisantem Grinsen einen großen Eimer Wasser hoch und schüttete ihn genüsslich langsam über Mayas Kopf aus. Mitten ins Bett hinein. Maya quiekte auf. Das Wasser war eiskalt.

„Guten Morgen, du Sonnenschein. Das war die Rache für letzte Nacht!“, kicherte Kai gutgelaunt und rüttelte die letzten Tropfen aus dem Eimer heraus. „So, als nächstes geh ich zu Teru.“ Ja, er hatte sich verdammt gut gemerkt, wer alles an der Wasserbombenschlacht im Keller beteiligt gewesen war. Und das sollten sie ihm büßen, jeder einzelne. Gleiches mit gleichem, so hatte er es schon immer gern gehalten. Und wenn er fertig war, würde er sich wieder auf´s Ohr hauen, nahm er sich vor.

„Morgen, Kyo! Weiterschlafen!“, befahl er noch fröhlich winkend Mayas Zimmerkollegen, der von dem Gequietsche aufgewacht war und nun mit großen Augen und offenem Mund in seinem Bett saß. Dann spazierte er summend aus dem Zimmer und zog die Tür von außen zu. Kyo war nicht mit im Waschkeller gewesen, also durfte er jetzt auch trocken bleiben.
 


 

„Yosh´?“

Kiri steckte den Kopf zur Tür herein und sah gerade noch, wie sein Vocal hektisch eine Schublade vollstopfte und zuschob. „Ich war´s nicht!“, gab er sofort zurück und stellte sich mit scheinheiligem Lächeln blockierend vor den Schrank.

Kiri verengte argwöhnisch die Augen. „Also eigentlich wollte ich nur fragen, ob wir ein bischen proben wollen. Aber wenn du schon so zwielichtig reagierst, interessiert´s mich doch! Was treibst du hier?“

Aus Yoshihikos Lächeln wurde ein Lachen. „Ach, nichts Schlimmes.“, gab er zurück und zog die Schublade wieder auf. „Ich hab nur Hizumis Sachen nach Schokolade durchstöbert. Ich weis genau, daß er noch welche hat.“

„Glaubst du, das findet er witzig?“

„Wieso?“, hakte der Vocal nach und ramschte euphorisch weiter in den Sachen.

„Naja, hat er dir das erlaubt?“

„Erlaubt? Der benutzt ungefragt meinen Kajal. Das um-Erlaubnis-fragen hat sich bei uns eh noch nicht so richtig durchgesetzt. ... Ah, da ist sie ja!“ Triumphierend hielt er eine angebrochene Tafel Schokolade hoch, verzog dann aber die Nase, als sein Blick auf die Verpackung fiel. „Bäh, mit Banane, wie ekelig. Nee, die kann er behalten.“ Er stopfte den Süßkram zurück in Hizumis Schubfach, schaute dann noch einen Moment unschlüssig hinein ob er nicht doch noch was besseres fand, und schob es dann enttäuscht wieder zu. Dann musste er sich wohl doch in die Küche bemühen. Seufzend wandte er sich wieder Kiri zu. „Was, ihr wollt proben? Klar, warum nicht.“

„Also <wollen> ist vielleicht das falsche Wort, wenn es nach Nao ginge. Der will lieber mit Takeru irgendwelche Grütze verzapfen. Und Kohsuke ist es egal. Also entscheidet die Mehrheit. Und die bist im Moment du.“

Yoshihiko kicherte amüsiert. „Warst nicht bisher immer du die Mehrheit, egal was wir anderen drei wollten?“

„Natürlich. Und ich sage, wir proben! Aber ich wollte wenigstens so tun, als hättet ihr ein Mitspracherecht. Also los, lass uns irgendwo hingehen.“

„In den Proberaum?“

„Nein, da hat sich wiedermal Kyo verschanzt.“

„War klar. ... Ins Esszimmer? Da ist außerhalb der Mahlzeiten eh keiner drin.“

„Muss ich mal schauen, ob ich da was zum drauf rumtrommeln finde. Es ist echt nervig, daß ich mein Schlagzeug nicht hier habe. Der Staff holt es erst morgen.“

„Frag doch Kai, er lässt dich sicher mal an seins. Wieso werfen wir Kyo nicht einfach raus? Soviel ich mitgekriegt habe, hängt er zu 90 Prozent alleine im Proberaum rum. Und als Sänger muss er nun echt keinen Proberaum haben, üben kann der auch auf seinem Zimmer.“

„Glaubst du wirklich, daß er da drin übt?“, gab Kiri mit einem gehässigen Grinsen zurück.

„Nicht? Was soll er denn sonst da drin treiben?“

„Geh doch mal schauen, dann siehst du schon.“, lachte der heidi.-Schlagzeuger und drehte sich wieder zur Tür. „Also ich trommel die anderen zusammen. Wir treffen uns in einer viertel Stunde im Esszimmer.“
 


 

„Hey, hast du Teru gesehen?“, wollte Masashi von Karyu wissen, der ihm gerade im Gang entgegenkam.

Der D´espairs-Ray-Leader stockte kurz im Laufen, als er überlegen musste. „Teru? Ah ja!“, erinnerte er sich dann und deutete mit dem Daumen über seine Schulter hinweg in die Richtung aus der er gerade gekommen war. „Der ist beim Lolli-Wettlutschen!

Masashi fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. „Lolli ... wettlutschen?“, echote er schockiert. „Das klingt pervers.“

„Ist es auch!“, kicherte Karyu und ging weiter. „Du findest den Lollilutscher-Zirkel in Kyo´s Zimmer!“, rief er noch, dann war er um die Ecke verschwunden.
 

Mit einem verdammt unguten Gefühl schlich Masashi weiter. Er war sich plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob er Teru wirklich suchen wollte. Eigentlich hatte sein Anliegen doch auch noch Zeit. Dennoch erreichte er irgendwie auf ausgedehnten Umwegen Kyo´s Zimmer und lauschte. Drinnen herrschte gespenstige Stille. Vorsichtig schob er die Tür auf, ohne zu klopfen. Er wollte ja wissen, was da drin vor sich ging, ohne die zu warnen, die das, was auch immer da vor sich ging, vor sich gehen ließen.

Ihm schlief das Gesicht ein, als er den ersten Blick ins Zimmer warf. Da hockten sie alle im Kreis auf dem Fußboden und starrten sich gegenseitig verbissen an. Zero von D´espairs Ray, Toshiya von Dir en Grey, Saga von Alice Nine, Teru und Takeru. Und natürlich Kyo, dem dieses Zimmer vorübergehend gehörte, und Maya, der als einziger lässig nach hinten gelehnt auf den Ellenbogen stützte und belustigt die Runde beobachtete. Stimmt, Maya hatte sich ja bei Kyo einquartiert, der wohnte auch hier.

„Was ... tut ihr da?“, wollte Masashi skeptisch wissen. Pervers sah es zum Glück erstmal nicht aus, aber es machte ihm trotzdem Angst.

„Ah, Masashi!“, meinte Maya, als er den Neuankömmling bemerkte. „Wir veranstalten ein Lolli-Wettlutschen.“, erklärte er und deutete auf die große Box mit Lollipops in allen möglichen Farb- und Geschmacksrichtungen in der Mitte des Kreises. Erst jetzt sah Masashi, daß die wirklich alle Lollis im Mund hatten.

„Also wenn du´s jetzt nicht selber gesagt hättest ...“

„Willst du mitmachen? ... Naja, du bist zu spät, aber du kannst trotzdem einen haben, wenn du willst.“
 

„Wettlutschen.“, gab der Bassist kopfschüttelnd zurück und trat endlich ganz ein. „Du weist auch vor Langeweile nicht mehr, was du noch machen sollst, oder?“

„Wieso? Ist doch ne lustige Sache.“

„Das dauert doch mindestens ne viertel Stunde.“

„Fünf Minuten einundzwanzig!“, korrigierte Maya und hielt seinen leeren Lollistiel hoch. „Ich hab natürlich gewonnen.“

Der Versailles-Bassist schaute abwägend in die verbissenen Gesichter, die sich um den zweiten Platz die Zungen abraspelten. Die sahen alle noch lange nicht so aus, als ob sie bald fertig werden würden.

„Das Zeug schmeckt grässlich.“, nuschelte Kyo unwillig und zog sich dann seinen halb aufgelutschten Lolli aus dem Mund.

„Hättest du eben eine Sorte genommen, die dir schmeckt.“, gab Maya gelassen zurück.

„Ich hasse Lutscher allgemein. Das hat nichts mit der Sorte zu tun.“, maulte der Vocal. Es war offensichtlich, daß er zu diesem Wettlutschen einfach gezwungen worden war, schlicht und ergreifend weil er zur falschen Zeit in seinem eigenen Zimmer war.

„Lass uns tauschen!“, schlug Takeru vor, zog sich seinen Lolli ebenfalls mit einem widerlich schmatzenden Geräusch heraus und hielt ihn Kyo hin.

Kyo verzog angewidert die Nase. „Bist du ekelhaft!“, gab er zurück und brachte den SuG-Sänger damit zum Lachen. Natürlich war das nur Spaß gewesen.

„Also meiner ist lecker.“, strahle Teru und wechselte seinen Lolli vom linken in den rechten Mundwinkel. „Probier mal den hier!“ Er griff in Mayas große Box und hielt Masashi einen von den süßen Dingern hin.

Seufzend lies sich Masashi also im Zirkel nieder und packte Terus Empfehlung aus, bevor er sie sich zwischen die Zähne schob. Noch immer musste er mit dem Kopf schütteln. Lolli-Wettlutschen. Maya war doch nicht ganz normal. Wahrscheinlich wussten sie langsam mit ihrer Zeit nichts mehr anzufangen. Sie konnten ja nicht 24 Stunden am Tag proben, obwohl dieser Aufenthalt hier sowieso schon das reinste Trainingslager war. Sie alle hatten in den letzten 5 Tagen mehr geprobt als in den ganzen 5 Wochen davor. Und weil Kai die Schwimmhalle jetzt abgeschlossen hatte, konnten sie auch dort nicht mehr herumtrödeln. Masashi verzog das Gesicht, als ihm der Geschmack seines Lollis so richtig bewusst wurde, und warf nochmal einen Blick auf das Packpapier. <Lollipop mit Spargel>. Okay, Terus Anwandlungen waren eindeutig auch nicht ganz normal.

„Morgen machen wir das nochmal mit zwei oder drei Lollis gleichzeitig. Ihr glaubt ja nicht, was für witzige Effekte das gibt.“, nuschelte Saga mit vollem Mund. „Vor allem, wenn man die falschen Sorten erwischt.“

Maya musste kichern, als er sich den Alice-Nine-Bassisten mit drei Lollipops auf einmal im Mund vorstellte.
 

„Teru, eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mit mir ...“, begann Masashi, als ihm wieder einfiel, warum er überhaupt hergekommen war. Aber er unterbrach sich verunsichert, als er sich überlegte, wer hier eigentlich gerade alles so um ihn herum saß. Dieser Zirkel hier bestand ja aus den Spaßvögeln vom Dienst.

„Ja? Wir hören!?“, hakte Takeru auch sofort nach.

„Ähm, also ich hab nur jemanden gesucht, der mit mir ... für Hizumi einen Kuchen bäckt. Der hat doch morgen Geburtstag.“, gestand er leise, als käme er sich allein für den Gedanken daran schon ziemlich schwul vor. Er und Kuchenbacken passte ja auch nicht wirklich zusammen. „Teru, du hast doch so viele tolle Rezepte auf Lager.“

„Hey, geil, ich bin dabei!“, entschied Takeru.

„Yoah, ich auch!“, warf Toshiya ein.

„Lasst uns anfangen!“, meinte auch Zero.

Schlagartig kam Bewegung in die Truppe. Die meisten sprangen sofort euphorisch auf. Maya schaute sich ungläubig um, als alle aus dem Zimmer stürmten und er mit Teru und Masashi allein zurück blieb. „Das ist jetzt nicht denen ihr Ernst, oder?“, wollte der LMC-Vocal fassungslos wissen.

„So hatte ich das aber nicht gemeint.“, gab auch Masashi verdutzt zurück.

„Also, daß sogar Kyo mit zum Kuchenbacken geht, verblüfft mich jetzt.“, meinte Maya.

„Der hat vielleicht nur einen Grund gesucht, hier wegzukommen.“

„Vielleicht sollten wir uns was Neues für Hizumis Geburtstag überlegen.“, schlug Teru vor.

„Nein, ihr braucht einfach nur zwei oder drei Stunden warten bis die Küche wieder frei ist und euren Kuchen dann backen. Das Zeug, das Takeru und Toshiya zusammenrühren, wird eh ungenießbar sein.“, lachte der Sänger mit den orangenen Haaren und wickelte sich einen neuen Lollipop aus. Nun, sein Lolli-Wettlutsche war irgendwie Geschichte, aber da er ja gewonnen hatte und es ohnehin nur noch um den zweiten Platz gegangen war, war das okay.
 


 

„Kai, schau mal!“, meinte Teruki, als er in die Küche schneite. „Ich hab mal die Copyrights zusammengetragen. Die studieren alle wie die Wilden neue Songs ein, die sie teilweise gerade erst gemeinsam geschrieben haben. Mitunter hat der Sänger einer Band die Rechte am Text, der Gitarrist einer anderen Band die Rechte an der Melodie, und der Schlagzeuger der dritten Band die Rechte am Bühnenoutfit.“

Kai nahm den Zettel und schaute ihn sich geduldig an. Eigentlich hatte er gerade überhaupt keine Zeit. Aber für Teruki nahm er sich die Zeit einfach. Der gute Geist war ja nicht ganz freiwillig zum Projektkoordinator geschlagen worden, also wollte Kai ihn wenigstens so gut wie möglich unterstützen. „Das ist gut, du denkst ja wirklich an alles.“, stellte er anerkennend fest. „Das werden wir wohl in jedem konkreten Einzelfall klären müssen.“, seufzte er.

„Willst du wirklich sämtliche Rechte Mana überlassen?“, hakte der AnCafe-Drummer mit wenig Begeisterung nach. „An jedem einzelnen Wort, jeder einzelnen Note, an jeder Kameraeinstellung, jedem Stofffetzen?“

„Das ist das Angebot, das ich ihm gemacht habe, ja. Für diese unglaubliche Hilfsbereitschaft müssen wir ihm irgendwas bieten. Das können wir alle miteinander gar nicht wieder gut machen, was er hier gerade für uns tut. Aber ich bin ziemlich sicher, daß er die kompletten Rechte gar nicht haben will. Er wird eine DVD-Box draus machen wollen, vielleicht noch eine CD-Box, und sie unter seinem Label vertreiben, und das wird ihm dann auch schon genügen. Ich glaube nicht, daß er Rechte an jedem einzelnen Song geltend macht. Was soll er auch damit? Diese Musiker werden sich nach dem Konzert in alle Himmelsrichtungen zerstreuen und vermutlich nie wieder irgendwas gemeinsam spielen. Die Songs unserer Mix-up-Konstellationen werden nie wieder Verwendung finden.“

Teruki nickte erleichtert. Das hatte er sich auch schon gedacht, aber es beruhigte ihn doch, es von Kai bestätigt zu hören. Das machte alles um ein Vielfaches einfacher. Sonst hätte er sich mit jedem einzelnen Musiker hinsetzen und über jede einzelne Text- oder Notenzeile verhandeln müssen. Bestimmt waren die wenigsten begeistert davon, an ihren eigenen Sachen keinerlei Rechte mehr zu haben. Schon gar nicht, wenn ausgerechnet jemand wie Mana derjenige war, der diese Rechte bekommen sollte – und zwar mehr oder weniger ersatzlos. Sicher waren nicht alle der gleichen Meinung wie Kai, daß man Manas Hilfe in Copyrights aufwiegen sollte.
 

„Soll ich dir nachher noch die Setlist zeigen?“, fuhr Teruki fort. „Wir haben inzwischen Musik für gut 10,5 Stunden Konzert.“

„Krass!“, merkte Kai überrascht an. Aber eigentlich war es nicht verwunderlich. Immerhin spielten hier 10 Bands, die Mix-up-Haufen noch nichtmal berücksichtigt.

„Ist das zu lang?“, wollte der AnCafe-Drummer, erschrocken über Kais Reaktion, wissen. „Ich hab sie schon alle angehalten, ihre Songlisten kurz zu halten!“

„Nein, nein, ist schon okay. Völlig in Ordnung. Gib ihnen ruhig noch eine Stunde oder zwei. Je mehr Material, desto besser. Mana wird dann schon aussortieren, was er auf den DVD´s haben will und was nicht.“

„Naja, gut ¼ der Zeit wird für Umbauarbeiten zwischen den Acts draufgehen. Ich hätte da ja eine Idee, aber ich weis nicht ob du mir dafür den Hals umdrehst.“

Kai lachte und gab ihm den Zettel mit den Copyrights zurück. „Spuck´s schon aus.“

„Ich hätte gern eine Drehbühne. Dann könnte die eine Band schonmal in Ruhe aufbauen, während die andere noch spielt.“

Kai legte sich nachdenklich einen Zeigefinger über die Lippen. „Hm, ne Drehbühne ist für Musikveranstaltungen irgendwie doof. Da ist viel zu viel Technik verkabelt, das kann man nicht einfach durch die Gegend drehen. Aber vielleicht ...“ Er grübelte. „Wenn wir auf zwei Bühnen spielen? Dann könnte man immer auf einer spielen und auf der anderen umbauen. Wenn man die Bühnen so direkt nebeneinander stellt, muss das Publikum auch nicht zwischen beiden pendeln, weist du?“, überlegte er laut. „Mach es so, Teruki. Lass abwechselnd auf zwei Bühnen spielen. Streich die einkalkulierte Umbauzeit aus dem Plan und gib den Jungs dann nochmal zwei Stunden oben drauf. Die sollen sich ruhig richtig austoben und alles spielen was sie haben.“

„Sag das nicht so laut, sonst wird das ein 36-Stunden-Event, nonstop ohne Werbepausen.“, scherzte Teruki.

„Okay, du hast Recht, lass es uns auf 12 Stunden beschränken. Von 10 Uhr bis 22 Uhr, das sollte ausreichend sein, sonst klappen uns die Fans irgendwann einfach weg. ... Wie ist eigentlich die Versorgung? Wir rechnen ja mit Menschenmassen soweit das Auge reicht!“, wollte Kai wissen.

„Ach, das läuft. Ich hab mehrere Imbiss- und Getränkestände in die Pflicht genommen.“

Kai klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Ich wusste, du bist der richtige für den Job. Also die Setliste musst du mir nicht zeigen, die wird schon in Ordnung gehen. Aber worauf du bitte nochmal ein Auge haben könntest, das sind die Outfits. Verbiete denen alles, womit sie sich lächerlich machen könnten.“

Teruki grinste. „Okay, dann kann ich Versailles quasi komplett vom Event ausschließen.“

„Na! Gut, daß Mana mit Moi dix Mois nicht mitspielen, was? ... Äh, ich muss weiter!“, keuchte Kai panisch, als ein gröhlender Mob in die Küche einfiel und begann, den Backofen vorzuheizen und auf der Suche nach Geschirr und Zutaten alle Schränke aufzureißen. Der Drummer suchte schnell das Weite und auch Teruki versuchte sich möglichst unauffällig davonzumachen.
 

„Okay, hier ist ne Backform.“, rief Zero laut und wedelte mit einem Blechboden.

„Wir haben keine Eier.“

„Die hat Yoshihiko neulich im Flur Kyo hinterher geworfen.“

„Ach, deshalb musste er zur Strafe dann den ganzen Gang schrubben?“

„Quatsch. Ich dachte, er hat die Packung Eier nur fallen lassen. Darum hat er´s dann wieder aufgewischt.“

„Achso. Wie langweilig.“, maulte Takeru.

„Ändert nichts an der Tatsache, daß wir jetzt keine mehr haben.“

Toshiya klappte murrend die Schranktür zu. „Mehl ist auch keins mehr da.“

„So´n Mist.“

„Das hat Yoshihiko auch fallen lassen. Genauso wie die Milch. Ist alles kaputt gegangen.“

„Dann sollten wir ihn losschicken, was neues kaufen.“

„Leute, hier steht Fertigteigmischung rum.“ Saga hielt triumphierend eine Schachtel hoch und ging dann schnell in Deckung, als sich plötzlich alle auf ihn stürzten.

„Zum Glück! Gib her!“

„Nein, die ist meine!“

„Rück die Teigmischung raus!“

„Die hab ich gefunden!“, jaulte Saga und schlang beide Arme um den Pappkarton.

„Egoist! Willst du jetzt Kuchen backen, oder nicht?“, nörgelte D´espairs-Ray-Bassist Zero und zog ihm die Backmischung mit einem groben Ruck weg, um die Backanweisung zu studieren. „Okay, da muss noch Wasser und Salz dazu.“

„Lasst uns Mandarinen mit reinmachen!“

„Und viel Sckokolade!“, verlangte Takeru, mit dem Kakaopulver wedelnd.

„Rum! In einen Schokokuchen gehört Rum!“, rief Saga über den Tumult hinweg

„Hast du etwa welchen?“

„Kai hat doch alle alkoholischen Sachen weggeschlossen.“, merkte Miku an.

„In der Bar ist sicher welcher!“

„Ich hol ihn. Wenn du gehst, kommt die Flasche doch leer hier bei uns an.“

Takeru raschelte mit einer Tüte. „Hier sind noch Nüsse. Die können wir auch mit verbacken.“
 

Maya bekam unvermittelt einen Lachanfall, als er eine halbe Stunde später in das Schlachtfeld kam, zu dem die Küche inzwischen mutiert war. Auf dem Boden war großflächig Zucker verteilt, überall an die Schranktüren war Teig gekleckst, der Kühlschrank stand offen und taute in einer Wasserpfütze langsam vor sich hin, Zero hatte Backpulver überall in seinen Haaren kleben und Takerus Gesicht war braun von Kakaopulver. In Toshiyas Gesäßtasche stak ein großer Holzlöffel, mit dem er sich bei jeder Bewegung irgendeine Sauce auf der T-Shirtrückseite verteilte. Am Fenster klebte Butter, wie auch immer die das geschafft hatten.

„Was macht ihr da, Jungs?“, wollte der LMC-Vocal wissen und versuchte, seinen Lachanfall wieder unter Kontrolle zu bekommen. Im Moment standen sie gerade alle ratlos um ein Glas mit einer undefinierbaren, ekelig aussehenden Suppe herum und versuchten, dieses in Grund und Boden zu starren.

„Wir legen Rosinen in Rum ein.“, belehrte Zero ihn.

Maya gröhlte schon wieder los. „Und ihr wartet jetzt, bis die Rosinen gut sind?“

„Genau. ... Wie lange werden die wohl brauchen?“

„Ich sage, zwei Stunden.“, maulte Takeru.

„Unsinn, ne halbe reicht völlig!“, grollte Zero zurück. Offenbar stritten sie über dieses Thema schon länger.

Maya bog sich förmlich. Er musste sich bereits am Türrahmen festhalten. „Leute! Früchte und Rosinen müssen schon ein paar TAGE da drin bleiben, damit das was wird.“

„Echt?“ Alle guckten ihn dumm an. „Das ist aber lange.“

„Lasst uns den Rum doch lieber mit in den Teig kippen, das geht schneller.“

„Okay, vielleicht hast du Recht.“

„Schütte am besten gleich das ganze Glas samt Rosinen in die Backform um.“

Maya wollte noch einwerfen, daß sie die Küche besser wieder einer Grundreinigung unterzogen hätten, bevor Kai die Sauerei hier sah. Aber er wankte stattdessen schnell aus dem Raum ohne etwas gesagt zu haben, da er vor Lachen inzwischen in die Knie zu brechen drohte. Er musste dringend Kyo holen, der sich in den Proberaum abgesetzt hatte. Der wusste ja gar nicht, was ihm entging.
 


 

Der heidi.-Vocal schaute kurz nachdenklich vor sich hin. Tja, was mochte Kyo wohl im Proberaum treiben, wenn nicht proben? Die Neugier in ihm war geweckt. Und wenn er sich eh in die Küche bequemen musste, um essbare Schokolade zu finden, konnte er auch den kleinen Umweg noch machen.
 

„Kyo?“, machte Yoshihiko vorsichtig, als er die Tür aufschob. Eigentlich war es total unhöflich, in den Proberaum reinzuplatzen, wenn die rote Lampe über dem Eingang brannte. Und normalerweise war er auch der letzte, der andere in die Pfanne hauen wollte. Aber in diesem einen Ausnahmefall war ihm das gerade mal total egal. Die Neugier brachte ihn fast zum Platzen. Interessiert steckte er die Nase herein. Und ihm schlief das Gesicht ein. Einen Moment lang wusste er beim besten Willen nicht, was er sagen sollte, also hielt er sich erstmal selbst den Mund zu. Bis er sich endlich für eine Reaktion entschieden hatte und leise zu glucksen begann.

„Kyo, ich wusste ja, daß du nicht alle Latten am Zaun hast. Aber so?“

„Warum denn?“, meinte der Dir-en-Grey-Vocal mit aufgesetzter Verständnislosigkeit und klappte sein Teletubby-Ausmalbuch zu.

„Sag mir bitte, daß das nicht dein Ernst ist.“

„Ich brauch das für meine Inspiration.“, verteidigte er sich. „Du glaubst nicht, was für kranke Ideen einem kommen, wenn man sich diesen geqirlten Shit reinzieht.“

Yoshihiko kam näher und griff nach dem Ausmalbuch. Kyo überlies es ihm auch bereitwillig und lehnte sich grinsend zurück, während sein Sänger-Kollege zu blättern begann. Er hatte die Teletubbies mit schaurigen Helloween-Fratzen überkritzelt, sie mit Narben und Blutflecken verziert, ihnen perverse Genitalien angestückelt und ihnen diverse Fessel- und Folterwerkzeuge verpasst. Die Hintergründe hatte er mit Grabsteinen, Dornenranken, Dämonen, Feuer und einem Moi-dix-Mois-Symbol gefüllt und die Sonne kotzte vom Himmel herab. Nunja, besser als die Bilder einfach nur bunt auszumalen, aber trotzdem. Befremdet legte Yoshihiko das Buch zurück auf den Tisch. „Ich geh dann mal wieder, du machst mir Angst.“, fand er. Kein Wunder, daß Kyo sich mit diesem oberpeinlichen Ding im Proberaum verschanzte. In jedem anderen Winkel dieses Plazas wäre er damit ja gesehen worden.

„Was wolltest du denn?“, hakte Kyo grinsend nach.

„Nichts, nichts, lass dich mal nicht stören, mach weiter.“

„Yoshihiko!“, machte Kyo fast drohend. „Du wirst mir sofort sagen, was du von mir wolltest. Wenn du nur zum Gaffen hier reingeplatzt bist, gibt es Ärger.“

Mist, ertappt. „Ich wollte bloß fragen, ob wir auch mal in den Proberaum dürfen.“, rettete er sich in eine spontane Ausrede. „Aber du bist ja beschäftigt.“

„Achso. Nein, nein, ihr könnt rein. Ich bin schon weg.“

„Wirklich?“

„Für dich doch immer.“

„Ah ja?“, gab Yoshihiko verunsichert zurück.

Kyo begann seinen Krempel zusammenzupacken. „Klar. Du bist der erste, der mich <normal> genannt hat, das will gewürdigt werden.“

Yoshihiko warf noch einen verstohlenen Blick auf das Teletubby-Ausmalbuch und war sich plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob er diesen Kommentar von damals nicht doch besser zurücknehmen sollte.

„Ich habe mich genug inspiriert. Songtexte schreiben kann ich auch wo anders.“

„Danke. Kiri will in 10 Minuten proben. Ich denke, in 2 oder 3 Stunden sind wir wieder weg, dann kannst du weiter ... äh ... Inspiration sammeln.“, merkte Yoshihiko mit einem Deut auf das Malbuch an und verschwand so schnell er konnte.

Tag 8 - Kidnapping an Hizumis Geburtstag

„Hey, Hizumi, alles Gute zum Geburtstag!“, rief Hiroto ihm im Flur nach.

„Danke!“, rief der D´espairs-Ray-Vocal zurück und grinste ihm hinterher. Hiroto schien es eilig zu haben und hielt sich daher nicht länger auf. Also setzte Hizumi seinen Weg ins Esszimmer fort. Er hatte Hunger und wollte endlich frühstücken, nachdem er nun schonmal zu so einer gotteslästerlich frühen Uhrzeit von allen möglichen Leuten geweckt worden war, die ihm gratulieren wollten. Sein Zimmerkollege Yoshihiko hatte echt die Nase voll gehabt, denn er hätte gern noch ein gutes Stück länger geschlafen. Aber nach dem dritten Besucher hatte auch das Decke-über-den-Kopf-ziehen nichts mehr genützt. Dennoch hatte er Hizumi sogar ein kleines Geburtstagsgeschenk präsentiert, nachdem er sich endlich aus dem Kopfkissen herausgequält hatte.

Hizumi schob nichtsahnend die Tür zum Esszimmer auf. Es war so voll wie immer. Aber irgendwie konzentrierte sich heute morgen alles an einem Ende der Tafel, wo gefühlte 200 Musiker mit gierigen Mienen um einen großen Kuchen herumstanden, auf dem eine Kerze brannte.

„Hey, da ist er! Es geht los!“, rief irgendjemand mit einem Deut auf Hizumi.

Der Sänger fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht, als die versammelte Mannschaft in verdammt schlechtem Englisch <Happy Birthday to you> anstimmte. Und da eigentlich keiner auch nur ansatzweise singen konnte, war es auch kaum mehr als <Lied> zu bezeichnen. Die wenigen Bandvocals, von denen man Gesangskönnen erwarten durfte, rissen die schiere Masse an talentfreien Instrumentalos auch nicht mehr rum. Kyo hörte man sehr deutlich aus dem ganzen Haufen heraus, da er die komplette Strophe in exhale sounds beisteuerte, sprich: eher kotzte als sang.

Takeru und Zero schnappten sich den großen Kuchen und trugen ihn zu Hizumi hinüber, der immer noch verdattert in der Tür stand. Der überlegte schon, ob er besser den Rückzug antreten sollte, weil der Kuchen wohlmöglich in seiner Gesamtheit Bekanntschaft mit seinem Gesicht hätte machen können, aber der schelmisch grinsende SuG-Sänger schien heute mal nichts in dieser Richtung zu planen.

„Ich ... ich weis nicht, was ich sagen soll.“, gestand Hizumi.

„Wie wäre es mit <das Buffet ist eröffnet>???“, schlug Takeru vor. „Los, blas die Kerze aus und wünsch dir was!“

„Nein, erst was wünschen und dann Kerze auspusten!“, korrigierte Zero augenrollend.

Hizumi nickte verunsichert und tat dann, wie ihm geheißen.

„Endlich! Los, lasst uns den Kuchen anschneiden!“ Takeru und Zero schleppten das Gebäck zum Tisch zurück und schon blitzte ein großes Messer.
 

Hizumi lächelte. Langsam machte sich doch gute Laune in ihm breit. Er hatte also doch keine gemeinen Scherze zu erdulden. Und einen leckeren Schokokuchen hatte er auch bekommen. Doch, das würde ein toller Geburtstag werden, entschied er und gesellte sich zu den anderen. „Okay, dann lasst mich das tolle Zeug doch auch mal kosten!“, bat er und schob Kanon zur Seite, der schon fordernd einen Teller hinhielt, während Takeru den Kuchen stückeweise verteilte.

Hizumi schlief das Gesicht ein. Der Kuchen war bereits binnen weniger Sekunden komplett aufgeteilt. Ihn strahlten nur noch der blecherne Backformboden und die heruntergefallene, ausgepustete Kerze an.

„Hey, ich wollte auch noch was davon abhaben!“, jammerte Kanon.

„Na und ich erst!“, gab Hizumi weinerlich zurück. Da bekam er zum Geburtstag schon einen tollen Schokokuchen geschenkt und kriegte dann nichtmal was davon ab. Er drehte sich schniefend um, als er eine schwere Pranke auf seiner Schulter spürte. Hinter ihm war Masashi erschienen, der ihn zur Seite wegzog.

Der Versailles-Bassist bugsierte ihn zu Teru, der ein Stück abseits stand, mit einem fröhlichen Grinsen und einem weiteren Kuchen in der Hand, auf dem eine Wunderkerze vor sich hin funkte. „Hey, ignorier die anderen. Hier, der ist allein für dich.“

„Alles Gute zum Geburtstag.“, fügte Masashi an und hielt ihm eine Gabel hin.

Hinter ihnen wurde derweile Protest laut.

„Boar, das Zeug schmeckt ja total widerlich!“, maulte Reita.

„Ja, man, voll versalzen.“

„Wer hat´n den gebacken, sag mal?“

„Amateure!“

„Genau, das kann ja keiner essen!“, jaulte Takeru.

„Halt die Klappe, du hast den Fraß selber mitgebacken! Jetzt tu nicht so, als ob du nichts damit zu tun hättest!“, gab Zero zurück.

Mayas ungehaltenes Lachen schwebte über allem.

Hizumi zog die Augenbrauen hoch und musste dann leise kichern. Vielleicht war es ja doch nicht so schlimm, daß er von dem Schokokuchen nichts abbekommen hatte. Lachend versenkte er die Gabel in der luftigen Creme-Masse, die Teru ihm hinhielt und schaufelte sich eine große Ladung davon in den Mund. „Mmh! Oh mein Gott, ist das lecker. Habt ihr zwei den selber gemacht? Yoshihiko, komm her, das musst du kosten! Bring dir eine Gabel mit!“, winkte er dem heidi.-Vocal, der nur kopfschüttelnd am Rand stand und das ganze Treiben aus der Ferne beäugte.
 

„Hey, alles Gute, du Rocker. Viel Glück und Gesundheit und so, bleib wie du bist, lass dir den Spaß nicht verderben.“, meinte Kai, als er zum Frühstück kam, wo Hizumi, Yoshihiko, Teru und Masashi gerade unter den neidischen Blicken aller anderen zu viert den ganzen Kuchen nieder machten. Da die Cremetorte sehr leicht war, konnte man auch viel davon essen, ohne daß einem das Zeug zu den Ohren rauskam.

„Yeah, danke.“, gab Hizumi zurück. „Willst du mal kosten? Sag <ja> solange noch was da ist.“, meinte er mit schiefem Grinsen.

„Nein, danke, lasst es euch mal schmecken. ... Ich bedauere dich ein bischen, daß das Konzert-Event schon morgen ist. Ich würde dir ja gern einen lustigen, stressfreien Geburtstag wünschen. Aber wir werden den ganzen Tag proben wie die Blöden. Zum Feiern kommst du heute sicher nicht.“

„Ich weis schon. Aber das ist okay.“
 

„Wie stehen denn die Dinge mit der PSC inzwischen?“, wollte Yoshihiko zwischen zwei Gabeln Cremetorte wissen.

„Ganz gut soweit.“ Kai lies sich bei den vieren auf einem Stuhl nieder. „K hat gestern abend noch mit Ruki telefoniert. Es hat sich rumgesprochen wie ein Lauffeuer, daß Mana bei uns zu Besuch war. Die PSC kriegt Muffensausen. Die haben Angst, daß Mana mit uns Gazettos in Verhandlungen getreten sein könnte und wir von einer Stunde auf die nächste zu Manas Label wechseln. Der Warnschuss mit den 5 Nachwuchsbands, die Mana denen abgeworben hat, hat offensichtlich gezogen.“

„Haben die ihr Projekt schon abgeblasen?“

„Nein. Aber angeblich wurde eine Vorstandssitzung diesbezüglich einberufen.“

„Und wenn die jetzt plötzlich bekannt machen, daß sich das erledigt hat?“, hakte Hizumi voller Bedenken nach.

„Dann hätten wir was zu feiern.“, meinte Kai schulterzuckend.

„Ja, aber was wird aus dem Konzert-Event?“

„Das ziehen wir so oder so durch. Wir haben inzwischen zu viel Aufwand und zu viel Kreativität da reingesteckt, um das jetzt noch absagen zu können. Und wir haben Mana die Rechte versprochen.“

„Und wenn die PSC nicht aufgibt? Müssen wir nicht Angst haben, daß die uns direkt von der Bühne wegfangen, oder uns sabotieren?“

„Unsinn, das trauen die sich nun wirklich nicht, vor einem Publikum von mehreren zehntausend Leuten.“, warf Masashi ein. „Dafür haben die auch gar nicht genug Reaktionszeit. Wir haben dieses Ding innerhalb von 4 oder 5 Tagen aus dem Boden gestampft, was wollen die uns da noch entgegensetzen, auf die Schnelle?“

„Ja, Teruki hat echt ein Wunder vollbracht, mit dem Konzert-Event. Naja, wichtig ist jedenfalls, daß die PSC erstmal ins Grübeln gekommen ist.“, gab Kai grinsend zu bedenken und sprang dann auf. Er musste weiter.
 


 

„Ist was passiert?“, wollte Mao wissen, als er in diesem Moment ins Zimmer kam und Ruki mit zusammengekniffenen Augen auf sein Handy starren sah.

„Ich bin mir nicht sicher.“, gab Ruki zurück und steckte das Handy dann nachdenklich langsam weg.

Der SID-Sänger lies nicht locker. „Was war denn?“

Ruki schüttelte mit einer guten Portion Restverwirrung den Kopf. „Ich hatte gerade einen Anruf von Seth ... glaube ich.“, fügte er an. Dann Schweigen.

„Man, lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Was wollte er?“

„Das frage ich mich auch! Ich kam mir vor wie in so einem Pokemon-Duell. Seth setzt <blöde Frage> ein. Ruki ist verwirrt. - Ruki setzt <Logik> ein. Der Angriff ging daneben. - Seth setzt <Connections> ein, der Angriff ist sehr effektiv. Ruki wurde besiegt. Oder so ähnlich.“

Mao lachte. „Das klingt schwer nach Seth. Erzähl mal, vielleicht kann ich dir helfen.“

Ruki begann sinngemäß den Inhalt des Telefonates herzubeten. Allzu lang war es nicht gewesen, daher hatte er keine Probleme, es halbwegs vollständig zu rekonstruieren.
 

2 Minuten früher : Ruki schaute skeptisch auf sein Handydisplay, als er von einer unbekannten Nummer angerufen wurde. „Ja?“

„Moi dix Mois grüßt! Wer grüßt zurück?“

Hä? Der Gazette-Vocal guckte dumm. „Ähm ... hier ist Ruki. Wer ist denn dran?“

„Die Stimme der Verdammnis.“

„...“

„Wir kommen dich holen! Sei auf alles vorbereitet, wenn wir dich erwischen!“

Ruki nahm das Handy herunter, um nochmal einen prüfenden Blick auf die Nummer zu werfen, von der er gerade angerufen wurde. Nein, er kannte sie wirklich nicht. Moi dix Mois grüßt. Langsam hob er das Telefon wieder ans Ohr. „Seth? Bist du das? Bist du betrunken?“

„Mit dem Morgengrauen!“

„Seth, kannst du keine ganzen Sätze bilden, man? Was willst du von mir?“

„Dix!“

„Ah ja ... Und wie darf ich das verstehen?“, seufzte Ruki resignierend.

„Wegen der Paprika! Merk dir meine Worte! Wegen der Paprika!“

Atom-HÄ??? Ruki verzog das Gesicht. „Seth?“

Ein <tuut tuut tuut> drang ihm gedämpft aus der Leitung entgegen. Seth hatte aufgelegt. Zur Sicherheit schaute Ruki auf das Display ob die Zeitanzeige noch weiterlief, hielt es sich wieder ans Ohr ob immer noch der Besetztzeichen hupte, schaute wieder auf´s Display, und legte dann ebenfalls zögernd auf.
 

Mao kugelte sich in seinem Bett vor Lachen. „Ja, eindeutig, das war Seth.“, gröhlte er und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. „Oh man, ist das heftig. Aber mach dir nichts draus. Der Typ bringt immer so eine Nummer. Er findet es witzig, solche Verwirrung zu stiften.“

„Aber wollte er mir damit nicht irgendwas sagen?“, hakte Ruki skeptisch nach. „Der hat doch nicht aus Langeweile angerufen. Ich meine, wenn er sagt, sie wollen uns morgen holen, heißt das doch, ... Keine Ahnung! Ich bin am Ende.“

Mao kicherte weiter. „Wahrscheinlich wollte er dir damit nur sagen, daß sie morgen auf dem Konzert-Event auftauchen und es sich ansehen werden.“

„Denkst du?“

„Ruf ihn doch zurück. Normalerweise ist er geneigt, durchsichtigere Gespräche mit einem zu führen, wenn man ihm ausreichend Konter gibt.“

„Ich weis was besseres! Ich frag K!“, beschloss Ruki säuerlich und zückte sein Handy wieder, um sein Telefonbuch zu durchforsten. Er rief an und lauschte. „Er geht nicht ran.“, seufzte er nach einer Weile und legt wieder auf.

„Hätte ich dir sagen können. Wahrscheinlich sitzen die zwei gerade zusammen und lachen sich über dich scheckig. Er wird nicht rangehen, bis du das mit Seth selber geklärt hast.“, gab Mao zurück.

„Woher weist du das?“

„Weil ich ständig solche Anrufe von ihm kriege.“

„Was hast du denn mit Seth zu schaffen?“, wollte Ruki verdutzt wissen.

Mao verzog das Gesicht. „Nichts vernünftiges, glaub mir. Los, ruf ihn zurück und stell auf Lautsprecher. Ich helf dir.“
 

Seufzend wählte Ruki die unbekannte Nummer, von der er immer noch nur mutmaßen konnte, daß es wirklich Seth gewesen war. Es klingelte 3 mal, dann war Ruhe. Ein irgendwie hohles Echo hing in der Leitung, als ob am anderen Ende jemand abgenommen hätte, aber nichts sagte.

„Seth?“, fragte Ruki nach einigen Augenblicken vorsichtig. „Bist du dran? ... Ich bin´s nochmal, Ruki.“

Keine Reaktion.

„Ich wollte fragen, was dieser Anruf gerade sollte.“

Keine Reaktion.

„Seth, hörst du mich? ... Hallo? ... Haaaaalloooooo.“

„Mana ist rangegangen.“, stellte Mao kopfschüttelnd fest.

„Aber der redet doch nie.“

„Eben, das ist ja der Clou daran.“

In der Leitung hörte man leises, unterdrücktes Kichern im Hintergrund. Die Bestätigung, daß tatsächlich eine stehende Leitung existierte. Die hatten wohl auch auf Lautsprecher gestellt, damit dort alle mithörten. Jetzt hatten sie quasi eine Konferenzschaltung.

„Seth, komm schon, rede mit mir.“, stöhnte Ruki langsam doch genervt.

„Mana ist ´ne Barbie-Puppe!“, rief Mao ins Handy.

Ruki riss erschrocken das Telefon weg.

„Woar ey, Sau! Das nimmst du zurück!“, ertönte auch sofort der empörte Protest am anderen Ende der Leitung.

„Bist du noch ganz dicht?“, keuchte der Gazette-Vocal panisch und starrte seinen Sänger-Kollegen entsetzt an.

Mao lachte nur. „Siehst du, jetzt reden sie mit dir!“, gab er nur mit einem Deut auf das Handy zurück.

„Mao, bist du das?“, erschall eine wütende Stimme aus dem Handylautsprecher.

„Nimm das sofort zurück!“, verlangte eine zweite.

„Hi, Seth! Hi, Sugiya! Schon gut, ich entschuldige mich in aller Form bei Mana-sama. Tut mir leid. Na, was geht ab, bei euch da drüben? Habt ihr Langeweile?“

„Nein, wir sind ganz gut beschäftigt. Wir planen die Übernahme der PSC.“

„Ach kommt schon, die haben ihr Rotzprojekt doch wieder an den Nagel gehängt.“

„Aber wir nicht! Wir werden morgen Gazette zwingen, in unser Label zu wechseln!“, erklärte Seth und untermalte es mit einem äußerst dreckigen Lachen.

„Der Beginn unserer Weltherrschaft!“, fügte Sugiya an.

„Falsch, der Beginn von Manas Weltherrschaft.“, korrigierte Mao lachend.

Ruki war sichtlich alle Farbe aus dem Gesicht gewichen. Das meinte Seth also mit <wir kommen euch morgen holen!> „Meinen die das ernst?“, wollte er leise wissen.

„Quatsch, das ist nur Spaß. Hör nicht auf das Gelaber.“, gab Mao zurück und wandte sich wieder dem Handy zu. Er fand es fast ein wenig schade, jetzt kein Bildtelefon zu haben. Er hätte Seth zu gern mal wieder von Angesicht zu Angesicht gesprochen. „Also, warum hast du angerufen, Seth?“

„Oh, wir wollten nur wissen, wann wir morgen da sein sollen ...“
 


 

Yoshihiko keuchte erschrocken auf, als sich eine Hand von hinten auf seinen Mund legte und eine andere sich fest um seine Mitte wickelte. Er wollte protestieren, oder sich freistrampeln, aber beides wurde verhindert indem er einfach radikal rücklings in ein Zimmer gezerrt wurde. Die Tür fiel ins Schloss.

„Pssst, sei still.“ Miku schob die Tür wieder ein Stück weit auf und lugte vorsichtig durch den Spalt in den Flur hinaus, ob irgendjemand etwas gesehen hatte.

Yoshihiko griff, da er freundlicherweise noch beide Hände frei hatte, nach der Pranke, die sich auf seinen Mund presste, und zog sie weg. „Seid ihr noch ganz blechern?“, maulte er verständnislos.

„Sei leise!“ Miku zog die Tür schnell wieder zu und sah sich panisch suchend im Zimmer um. „Versteck dich unter dem Bett!“, wies er den heidi.-Vocal an. Yoshihiko wurde endlich losgelassen, konnte noch kurz sehen, daß es Takeru gewesen war, der ihn so grob hinterrücks ins Zimmer gezerrt hatte, und wurde im nächsten Moment auch schon rüde in Richtung der Betten geschoben.

„Was soll das?“

„Beeil dich!“, verlangten die beiden fast im Chor und stopften den zappelnden Sänger mehr oder weniger gewaltsam unter das Lattenrost. Yoshihiko wollte fluchen, weil es hier unten wirklich verdammt dreckig und staubig war, aber er hielt erschrocken die Klappe, als die Tür aufgerissen wurde.

„Ist Yoshihiko hier?“, wollte jemand wissen und kam herein.

„Nein.“

„Ich hab ihn doch gerade reinkommen sehen.“

„Siehst du ihn denn hier irgendwo?“, gab Takeru zurück. Der SuG-Vocal klang erstaunlich gelassen und glaubwürdig.

Der Neuankömmling, von dem Yoshihiko nur die Schuhe sehen konnte, brummte etwas und machte auf dem Absatz wieder Kehrt. „Hab mich wohl verguckt. Dann such ich mal weiter. Bis später.“

Wieder scherbelte die Tür ins Schloss. Man hörte Stimmen draußen auf dem Gang.

Miku lugte wieder durch einen kleinen Türspalt nach draußen, aber allein das Verhallen sich entfernender Schritte zeigte eindeutig, daß, wer auch immer Yosh´ gesucht hatte, gegangen war. Der AnCafe-Vocal und der SuG-Vocal seufzten erleichtert auf. „Okay, sie sind weg. Du kannst wieder rauskommen.“
 

Mürrisch robbte Yoshihiko auf dem Bauch unter dem Bett hervor und putzte sich sauer die reichlich vorhandenen Staubflusen von den schwarzen Klamotten. Schöne Bescherung. Takeru pflückte ihm eine Staubrose aus den Haaren und lies sie achtlos fallen.

„Wer war das?“

„Hiroto und Toshiya.“

Also doch. Yoshihiko war sich nicht sicher gewesen, ob er die Stimmen richtig erkannt hatte. „Und was wollten sie von mir?“

„Woher sollen wir das wissen?“

„Na, ich dachte ihr hättet mich gerade vor denen gerettet!?“, meinte der heidi.-Sänger verdattert und hörte auf, sich den Staub aus den Klamotten zu klopfen. „Habt ihr mich nicht vor denen versteckt?“

„Doch, schon, aber nicht um dich zu retten.“, kicherte Takeru.

Yoshihiko kniff skeptisch die Augen zusammen. „Sondern?“, hakte er drohend nach. Das hier war entweder ein verdammter Scherz, oder ein verdammter Angriff. Er war sich noch nicht sicher, was von beiden den zweien besser bekommen würde. Andererseits, bei diesem Scherzkeks von Takeru war Scherz und Angriff eh nicht immer klar getrennt.

„Weil du jetzt bitteschön endlich deine Wette einlösen wirst!“, erklärte Miku.

Yoshihikos Augen blieben verengt wie eh und je. Wette? Wieso zur Hölle wusste er nichts von einer blöden Wette, wenn er sie denn schon verloren hatte?

„Genau. So kommst du uns nicht mehr davon. Immer mit anderen rumhängen, damit du nicht zu uns musst, was? Das ist jetzt vorbei.“

„Würdet ihr mich mal aufklären?“, bat der Schwarzhaarige zwischen verunsichert und langsam echt sauer und stämmte die Hände in die Hüften. Sein Blick irrte kurz zur Tür, als er seine Chancen abwägte, aus diesem Zimmer irgendwie herauszukommen.

„Hiroto und Toshiya haben gewettet, daß sie dich zum Schnapstrinken bringen könnten. Sie haben verloren.“

„Sie haben mich doch noch gar nicht gefragt!“

„Eben! Darum haben sie ja verloren. Wir waren schneller.“, lachte Takeru.

„Ah ja ... und weshalb muss ich jetzt die Wette einlösen, die Hiroto und Toshiya verloren haben?“

„Weil du den Schnaps jetzt stattdessen mit uns trinken wirst!“

Musste man das verstehen? Vermutlich nicht. Yoshihiko überlegte gerade, wie er aus dieser Nummer am besten wieder rauskommen konnte, als es bei ihm endlich <klick> machte und er verstand, was hier lief. Er stöhnte genervt. „Man, ihr habt Langeweile, oder? Wenn ihr mich auf einen Drink einladen wollt, wieso fragt ihr mich nicht einfach, statt hier so ein Kidnapping zu inszenieren?“
 

Miku und Takeru klatschten sich gröhlend ab. „Yeah, hat lange gedauert, aber er hat´s endlich kapiert!“, lachte Miku.

„Fragen kann doch jeder. Entführung ist viel witziger!“

Der heidi.-Vocal rollte nur mit den Augen. Jetzt stritten die sich schon darum, wer mit ihm einen trinken gehen durfte und stellten Wettrennen an, wer ihn zuerst fand, um ihn fragen zu können.

„Also kommst du nun mit uns in die Bar, oder was?“

Yoshihiko schüttelte den Kopf. „Ihr seid echt nicht ganz dicht. Ja, von mir aus. Ich komm gern mit euch einen heben. Aber ist es okay, wenn ich Wein trinke, statt Schnaps? Wir müssen morgen auf dem Konzert fit sein.“

„Okay, heute abend im Partyraum.“

„Wieso gehen wir nicht alle zusammen, Hiroto, Toshiya und wir?“

„Weil es dann keine Wette mehr gewesen wäre.“

„Ich lad sie trotzdem ein. ... Und Hizumi! Wir müssen Hizumi einladen und seinen Geburtstag noch ein bischen feiern.“ Mit einem Schmunzeln überlegte er, ob Hizumi heute abend wieder in einem trockenen Bett schlafen würde, nachdem Kai ihm gestern einen 10-Liter-Eimer Wasser hineingeschüttet hatte.

Tag 9 - Das Megakonzert

10:54 Uhr, backstage
 

„Warum höre ich dich nicht singen?“, wollte Aiji in drohendem Tonfall wissen. Es war viel mehr ein Befehl als eine Frage.

„Warum wohl? Weil wir noch nicht auf der Bühne stehen.“, maulte sein Vocal zurück und wischte sich mit dem Ringfinger einen überstehenden Wimperntuschefleck aus dem Gesicht. Wie üblich bekam er vor lauter Kajalstift die Augen kaum noch auf.

„Hast du dich denn schon eingesungen?“

„Au man, ich hab überhaupt keine Lust auf das Konzert.“, seufzte Maya und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während er einen letzten Blick in den Spiegel warf.

„Woar ey, das sagst du jedes Mal! Raus mit dir!“, fuhr Aiji ihn sauer an und zeigte auf die Tür. Der Countdown zum ersten Auftritt von LMC belief sich nur noch auf Sekunden. SuG spielten gerade ihr letztes Lied, danach würden Maya und Aiji zu ihnen auf die Bühne stürmen, für das erste Mix-up. Das Publikum tobte bereits, Takeru hatte ihnen gut eingeheizt. „Scher dich auf die Bühne! Und sei gut!“, verlangte er noch missmutig, griff mit einer Hand nach seiner Gitarre und mit der anderen nach Mayas Kragen, um beides die Treppen hinauf zur Bühne zu bugsieren. Maya machte auf der Bühne schon von jeher immer einen recht genervten Eindruck. Zum Glück, konnte man fast sagen. Denn so hielt es jeder nur für eine Masche, für Image.
 

Maya trat einen Schritt auf die Bühne hinaus und blieb dort abrupt stehen, so daß sein Gitarrist fast in ihn hineinrannte. „Scheiße, das sind aber viele Leute da draußen!“, stellte er mit einem Deut ins Publikum fest.

Aiji zog zischend Luft durch die Zähne und unterdrückte ein Fluchen. Er hatte das überwältigende Bedürfnis, Maya einen satten Schlag auf den Hinterkopf zu geben. Leider standen sie bereits im Sichtfeld der Zuschauer. Zu viele Zeugen. Also begnügte er sich damit, Maya eine Hand zwischen die Schulterblätter zu legen und ihn betont kameradschaftlich weiterzuschubbsen. „Dachtest du, wir spielen nur für uns selber?“

Mayas Augen begannen zu strahlen und unvermittelt sprang ein hellauf begeistertes Grinsen in sein Gesicht. Ein authentisches, durch und durch echtes Grinsen. Statt zu antworten, stürmte der Vocal – schlagartig Feuer und Flamme – zu Takeru hinüber, der gerade seine letzte Zeile fertiggesungen hatte. Takeru wandte sich zu ihm um und begann ihn anzutanzen. Maya zog auch sofort mit und sie verloren sich in einem bauchtänzerischen Hüftschwung, während die anderen den Ausklang des Songs so lang wie möglich hinauszogen.

„Vogelscheuche ...“, grummelte Aiji leise in sich hinein, immer noch etwas sauer auf Maya, und klinkte sich nahtlos in die Gitarren mit ein und übernahm dann die Führung für den Übergang zum ersten Mix-up-Song. Maya war ein überragender Animator und Partymacher, der voll abgehen, die Massen rocken und so richtig einheizen konnte wie kaum ein anderer. Aber leider nur, wenn er wollte. Und meistens war er verdammt schwer dazu zu bringen, freiwillig zu wollen. Oftmals bekam er erst so richtig Lust auf das Konzert, wenn er seinem Publikum das erste Mal gegenübertrat und es für groß und gebührend genug erachtete. Er brauchte ausreichend Resonanz, um zur Hochform aufzufahren.
 


 

12:28 Uhr, Bühne
 

Miku powerte seinen Song durch und tigerte dabei auf der Bühne hin und her als würde er Kilometergeld dafür bekommen. Er schaute fragend in die Runde, als ein gefährliches Knistern aus den Boxen kam und eines der Instrumente daraufhin einfach wegbrach. Unvermittelt veränderte sich das Klangbild des Songs und Miku erkannte ihn selbst kaum wieder. Der Bass fehlte, wurde ihm klar.

Kanon begann unwillig seine Gitarre zu schütteln und sah sich dann ebenfalls hilflos nach einem Tontechniker um.

Miku hörte auf zu singen und auch die anderen brachen nach und nach ab. „Was is´n los?“, fragte der AnCafe-Vocal belustigt ins Mikrophon. Die Belustigung war eindeutig aufgesetzt, wie seine Bandmitglieder sehr wohl wussten. Miku war ein grauenvoller Perfektionist und konnte Störungen oder Unplanmäßigkeiten absolut nicht ausstehen.

Kanon sprang zum nächsten greifbaren Mikrophon. „Mein Bass ist durchgebrannt, ey.“, jaulte er weinerlich, damit das Publikum auch was davon hatte. Jetzt hieß es schauspielern. Mit viel Glück ging das als gewollte Show oder wenigstens als harmlose, lustige Panne durch.

„Ich hab dir doch schon ewig gesagt, du sollst das schrotte Teil endlich austauschen.“, lachte Miku.

„Aber ... mein schöner Bass!“, leierte Kanon, als würde er gleich losheulen. Die Fans lachten. Kanon war eigentlich WIRKLICH nach Heulen zu Mute. Er hing an dieser Gitarre, von ganzem Herzen. Hoffentlich konnte irgendwer die nochmal reparieren. „Kann mir mal eben jemand meinen Ersatzbass bringen?“, fragte er in Richtung Bühnenabgang, in der Hoffnung, daß dort gerade irgendein arbeitsloser Staff herumlungerte.

Eine Weile tat sich gar nichts und Kanon überlegte schon, ober vielleicht besser selber gehen sollte, doch da kam Saga von Alice Nine heraufgehechtet. „Wir finden deinen Bass nicht! Nimm solange meinen!“

„Danke.“ Der Bassist stöpselte fachkundig und schnell die Technik um und testete kurz alle Saiten an. Sagas Bass lag sperrig und ungewohnt in der Hand und klang auch völlig anders. Aber es musste jetzt irgendwie gehen.

„Bereit, Kanon?“, wollte Miku wissen, immer noch mit Mikrophon vor der Nase, um das Publikum bei Laune zu halten.

„Bereit!“

„Bereit, AnCafe?“

Die anderen Bandmitglieder johlten in ihre Mikrophone, Teruki stimmte einen Trommelwirbel an.

„Bereit, meine Cafeko´s???“, brüllte der blonde Vocal.

Die Fans tobten und jubelten.

„Okay, dann nochmal ganz von vorn!“

„Äh ... das ganze Konzert?“, gab Takuya verdutzt zurück.

„Nein, den Song, du Scherzkeks!“
 


 

12:40 Uhr, backstage
 

„Yoshihiko, ist alles okay da drin?“

„Ja ... warum?“, kam die zögerliche Stimme zurück, aus der ein leichtes Zittern schwang.

„Weil du dich seit 25 Minuten in dieser Klokabine eingeschlossen hast.“

„Oh, so lange schon?“, drang es gedämpft hinter der verriegelten Kabinentür hervor.

„Werd fertig, unser Auftritt beginnt in 10 Minuten!“, meinte Nao.

„Ich komme ...“

„Sei nicht so hart zu ihm.“, ging Kiri dazwischen. „Das ist sein erster Auftritt mit einer fremden Band, mit der er noch dazu so gut wie nicht geprobt hat. Ist doch ganz natürlich, daß er aufgeregt ist. Du hast vor unserem vorletzten Live-Act vor lauter Aufregung deine Gitarre komplett geschrottet und wir mussten binnen einer viertel Stunde eine neue beschaffen, weist du noch?“

„Ja, und das war nur so ein kleiner Schuppen mit 2´000 Zuschauern. Yosh´ stellen wir heute mit seiner improvisierten Show gleich vor 90´000 Menschen.“, fügte Kohsuke an.

„Du bist echt motivierend.“

„Wieso? Er WEIS, daß da draußen 90´000 Menschen sind!“

In diesem Moment wurde das Schloss der Toilettenkabine derb herumgeriegelt und aus der sich öffnenden Tür trat der zierliche, wuschelige Sänger heraus. Sein Gesicht war eine Mischung aus Wut und etwas nahe einer Lampenfieberpanik. „Schon gut, schon gut, ich bin ja fertig.“, maulte er genervt. Es schien ihn zu kratzen, daß sie in seiner Hörweite so über ihn sprachen, als sei er nicht da. Auch wenn er hinter einer verschlossenen Klokabinentür hockte.

Kiri grinste. „Er macht das schon.“, versicherte er dem Bassisten und folgte Yoshihiko aus dem Aufenthaltsraum hinaus. „Mach dich nicht so alle, Yoshihiko, du wirst gut sein!“

„Ich stand noch nie mit Hizumi auf einer Bühne. ... Ich hab noch nie ein Duett gesungen! ... Und, verdammt, den Text von <yami ni furu kiseki> werd ich auch vergessen, wenn´s drauf ankommt. Wie ging die dritte Strophe los???“, heulte der nur und begann hibbelig und unkoordiniert zwischen den Requisiten herumzurennen.

Kiri hielt ihn schließlich einfach fest, um ihn zum Stehenbleiben zu zwingen. „Durchatmen, hörst du? Durchatmen!“, wies er seinen Vocal ruhig an und fuhr nochmal mit den Fingern durch seinen Seitenpony, um ihm die Haare zu entwirren. „Okay?“

„Okay.“ Yoshihiko nickte und wirkte schon eine gute Ecke gefasster.

„Bleib ruhig. Zuerst spielst du ja mit uns.“, redete Kiri beruhigend weiter. „Die heidi.-Songs kannst du in- und auswendig. Konzentrier dich ganz auf die. Du hast genug Zeit, dich auf die Bühne und das Publikum einzustellen, bevor du mit Hizumi spielst. Es ist alles in Ordnung.“

Wieder nickte Yoshihiko. Er bewunderte seinen Schlagzeuger für diese Ruhe, die er vor so einem Konzert hatte.

„Hier, deine Funkbox.“, meinte Kiri und steckte ihm das kleine, schwarze 4-Kanal-InEar an den Gürtel, damit er sich auf der lauten Bühne noch selber singen hörte.

„Danke.“, hauchte der Vocal, fertig mit den Nerven, fischte nach dem Ohrstöpsel und stopfte ihn sich in den Gehörgang.
 


 

12:47 Uhr, Bühne
 

Kohsuke war bereits vorangestürmt, um auf der Bühne mit seiner Bass-Gitarre das Intro zu eröffnen. Yoshihiko wartete noch einen Moment. Als Sänger und Frontmann hatte er das Privileg, als letzter aufzutauchen und die große Show abzuziehen. Er holte Luft und spazierte mit angehaltenem Atem auf die Bühne hinaus. Es war immer wieder ein Gänsehautfaktor, einem vollzähligen Publikum gegenüberzutreten.

Als Yoshihiko herauskam, hielt er verdutzt inne und schaute fassungslos in die Massen, die sich zum Intro der Band hiphop-artig einen abspasteten. Er war sogar zu perplex um wie abgesprochen die Show aufzutakten. Nao brach sein Gitarrenspiel ab, als er merkte, daß Yoshihiko nicht wie geplant mit dem Gesang einsetzte und sah sich fragend um, ob etwas nicht stimmte.

„Seid ihr alle noch ganz dicht?“, fragte der Sänger trocken ins Mikrophon. Das Publikum lachte los und hörte auf, herumzuspasten.

Neben ihm kniete auch Kohsuke auf der Bühne und krümmte sich vor Lachen über seinen Bass.

„Macht ihr jetzt einen auf Hip Hop, oder was?“, wollte Yoshihiko von seinem Publikum wissen, und musste dann selber lachen, weil diese ganze Situation plötzlich zu komisch anmutete. Die Fans gröhlten noch lauter. Nao schüttelte nur den Kopf und bekam lediglich ein müdes Schmunzeln zustande, viel mehr weil das Lachen der anderen ihn ansteckte als daß er es selber wirklich lustig fand.

„Also bitte, Leute, das hier ist ein ernstzunehmendes Rockkonzert.“, fuhr Yoshihiko feixend fort und verstärkte Kohsukes Lachkrampf neben sich damit nur noch mehr. Okay, so schnell würden sie das erste Lied nicht mehr anstimmen. Nicht, bevor Kohsuke sich wieder eingekriegt hatte. Und hinter ihm am Schlagzeug wurde auch Kiris Gekicher immer nachdrücklicher.
 

Nach über einer Minute beschlossen die Jungs von heidi., daß sie die Show nun doch langsam mal anfangen müssten, obwohl sich der Bassist immer noch nicht wieder richtig im Griff hatte. Sie hatten bereits einmal angespielt, peinlichst darauf bedacht, sich gegenseitig nur nicht anzuschauen, damit sie nicht alle miteinander wieder in Lachkrämpfe ausbrachen. Aber irgendeiner hatte dann doch wieder angefangen zu kichern und schon war das Lied vorbei. Der zweite Versuch musste besser werden. Eieiei, und sie wollten Profis sein, dachte Yoshihiko amüsiert und machte eine entschuldigende Geste in die Kamera, die gerade vor seiner Nase tanzte.

Er nutzte die wenigen Sekunden Handlungsunfähigkeit, um sich umzusehen. Das Konzert-Event lief auf zwei Open-Air-Bühnen, die aneinandergeschoben im Tal eines schier endlosen Freigeländes standen. Zur Not konnte man mit einem Satz von der einen direkt auf die andere hinüberhüpfen. Auf der anderen waren gerade Tontechniker am Rumwerkeln. Ringsum gab es seichte Hügel, so daß auch die hintersten Fans noch die Bühne sehen konnten. Für die, die zu weit weg waren, standen überall riesige Leinwände und Boxen mitten in der Landschaft herum. Menschen so weit man sehen konnte. Er wusste nicht so recht, ob das wirklich „nur“ 90´000 Leute waren, soviele wie auch ins Wembley Stadion in London gepasst hätten. Direkt vor der Bühne sah er Mana in seinem typischen, vollen Aufzug, und Kai herumspringen. Deshalb hatte der Gazette-Leader also angekündigt, während des gesamten Events nicht greifbar zu sein. Der stand lässig im angesperrten VIP-Bereich rum und sah sich die Show an, abgesehen von der dreiviertel Stunde in der er mit Gazette selber auf die Bühne musste. Yoshihiko schaute wieder fragend zu seinem Bassisten Kohsuke, der einen erneuten Versuch unternahm, den ersten Song anzustimmen.
 


 

14:26 Uhr, Bühne
 

Hizumi schnappte nochmal schnell einen Atemzug, damit er genug Luft hatte, um das letzte Wort so richtig zu ziehen und den Ton lange zu halten, bevor die Bridge begann. Jetzt hatte er ein paar Sekunden Pause bis zur nächsten Strophe. Also begann er auf der Stelle zu wippen und drehte sich, um nach den anderen zu schauen. Der D´espairs-Ray-Vocal hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, immer mal zu gucken, was die anderen so trieben, denn er mochte es nicht, wenn jeder für sich allein spielte und keine Interaktion zwischen ihnen herrschte.

Als er sich umwandte, sah er Zero und Karyu neben dem Drumkit stehen und quatschen, während sie mit schlafwandlerischer Sicherheit und geradezu beiläufig ihre Instrumente weiterspielten. Karyu lachte gerade. Offenbar waren die zwei mit diesem Song nicht ausgelastet, wenn ihre Konzentration noch Kapazität für´s Witzereißen hergab.

Hizumi krallte sein Mikro und gesellte sich dazu. „Wenn ihr was zu sagen habt, dann laut!“, brüllte er Karyu über den Lärm hinweg ins Ohr und hielt ihm dann das Mikrophon direkt vor die Nase.

In diesen Moment wechselte Tsukasas Schlagzeug auffallend den Rhytmus, um das Ende der Bridge und den Beginn der nächsten Strophe anzukündigen. Zero und Karyu fluchten erschrocken. In dieser Strophe mussten sie Background singen. Panisch sprangen sie auseinander und hechteten zu ihren Mikrophonen. Zu spät. Sie verpassten ihre Einsätze beide um mehrere Augenblicke. Aber Tsukasa rettete die Aktion ein kleinen wenig, indem wenigstens er ordnungsgemäß seinen Part anstimmte.
 


 

16:57 Uhr, Bühne
 

Teru strudelte verunsichert zu Kamijo hinüber, welcher ihm mit dem gleichen nachdenklichen Ausdruck entgegenschaute. Während der Bridge, wenn Kamijo nicht sang, bestand die einzige Chance, Infos auszutauschen. „Kamijo, welches Lied wollten wir gleich nochmal als nächstes spielen?“

„Keine Ahnung! Sag mir lieber mal, wie die nächste Strophe anfängt!“, gab der verzweifelt zurück.

Der Versailles-Gitarrist guckte dumm. Kamijo hatte die Texte der Cross-over-Projekte tadellos beherrscht, die erst vor wenigen Tagen komponiert und einstudiert worden waren, aber seine eigenen Songs vergaß er? „Kiete nakunaru mae ni?“, schlug er vor.

„Ah ja!“ Euphorisch drehte sich der Vocal wieder seinem Mikrophon zu und wartete, daß die Bridge endete und er weitersingen konnte. Er wedelte wieder elegant mit seinen Armen herum, zählte kaputte Glühbirnen, scheuchte Tontechniker herum oder was immer sein ausdrucksstarkes Gefuchtel auch darstellen mochte.

Kopfschüttelnd sprang Teru weiter, hinüber zu Hizaki. „Welchen Song als nächstes?“, versuchte er also hier sein Glück.

Hizaki überlegte ebenfalls kurz. Er war nicht der Tpy, der Gitarre spielen und nebenbei über etwas anderes plaudern konnte. „Ascendead Master!“, meinte er.
 

Teru leitete von <Ascendead Master> galant zu <Zombie> über und rockte weiter. Er wollte sich gerade nach vorn an den Bühnenrand drängen und das Publikum ein bischen anfeuern, als sich alle anderen plötzlich umdrehten und die Bühne verließen. Teru wunderte sich, warum sie aufhörten zu spielen und brach ebenfalls verwirrt ab. „Warum geht ihr?“, rief er Masashi zu, der als einziger noch in Hörweite war.

Der Bassist drehte sich mit fragendem Blick zu ihm um. „Dein Solo?“, warf er als Stichpunkt in den Raum.

Solo? Ach ja, da war ja auch noch was. Mit beschämt zusammengekiffenen Augen spielte Teru hecktisch weiter, ehe das Nachdröhnen seiner E-Gitarre gänzlich ausgeklungen war, damit der Bruch im Spielfluss nicht gar so schlimm auffiel. Und versuchte, von der Zombie-Melodie irgendwie möglichst unauffällig in sein übliches Solo zu wechseln. Er hatte gewusst, daß bei diesem Konzert irgendwas schiefgehen musste. Da sie all die Tage ausschließlich mit ihren Mix-up-Partner geprobt hatten, statt miteinander, war so gut wie nichts planmäßig. Die Show war eher improvisiert als abgesprochen. Gerade so, daß sie nochmal schnell beim Frühstück darüber gequatscht hatten, welche Songs sie überhaupt spielen wollten. Von einer Reihenfolge war schon keine Rede mehr gewesen. Sie hatten sich mehr oder weniger auf eine gekürzte Version ihrer letzten Tour geeinigt. Vielleicht hätten sie sich doch nicht so sehr darauf verlassen sollen, daß sie Profis waren, dachte er innerlich grinsend.
 


 

18:10 Uhr, backstage
 

„Kyo, bist du als nächster dran?“, wollte Mao, der Sänger von SID wissen.

„Ja, die Jungs da oben spielen noch zwei Lieder, und dann rocken wir die Hütte selber!“, grinste Kyo und zupfte sich sein sadistisches Bühnenoutfit zurecht. „Heute werde ich zur Höchstform auflaufen, ich spüre es ganz genau!“

„Sau uns nicht die ganze Bühne mit Blut voll, man. Wir müssen nach dir da hoch.“

„Ja, und denk dran, daß du mit mir noch ein Mix-up durchzustehen hast. Also mach dich nicht platt bis zum bitteren Ende. Ich will nicht mit einer einbandagierten Mumie auf die Bühne.“, warf Yoshihiko ein.

„Bleibt man ganz ruhig, Leute.“, maulte Kyo genervt zurück. „Schlagadern hab ich mir bisher noch keine aufgeschlitzt.“

„Nein, aber du hast dich selber K.O. gehauen! Das muss man erstmal hinkriegen. Nicht, daß das jetzt eine nacheiferungswürdige Leistung wäre, aber trotzdem.“

„Das war Show! Warum zur Hölle glaubt mir das keiner? Ich war nicht K.O., das war alles nur gestellt!“

„Sicher!“, gaben Mao und Yoshihiko zynisch wie aus einem Mund zurück. „Deshalb waren dann auch so viele Sanitäter um dich rum.“

„Doch nur für die Kamera.“

„Ja klar.“ Yoshihiko winkte ab und spazierte davon. „Naja, du machst das schon. Viel Spaß jedenfalls bei deiner Show, genieße das Publikum.“ Er hatte seinen Auftritt mit heidi. und seine Songs mit D´espairs Ray ja schon hinter sich. Er würde dann nur später nochmal kurz mit Kyo die Bühne stürmen, um ihr Mix-up mit Uruha und Reita zu spielen. Sie würden Gazette quasi nach deren Show auf der Bühne ablösen. Uruha und Reita würden auf der Bühne bleiben und die anderen würden verschwinden um Yoshihiko und Kyo Platz zu machen. Aber Gazette spielten erst ziemlich spät, weil sie ihre Lichtshow unbedingt durchbringen wollten und es dafür dunkel sein musste.
 

Yoshihiko musste Teruki doch gewaltig bewundern. Die Bandaufstellung zu managen war eine wahrhafte Meisterleistung von ihm. Er hatte es tatsächlich hinbekommen, daß die ganzen Mix-up-Haufen nahtlos irgendwie zwischen die Acts mit hineinpassten, obwohl die Überschneidungen teilweise haarsträubend waren. SuG hatte ein Gemeinschaftsprojekt mit LMC gehabt, und LMC wiederrum eines mit AnCafe. Soweit war das ja okay gewesen. Erst hatten SuG ihre komplette Show gespielt, dann waren LMC dazugestürmt und hatten mit SuG gemeinsam gespielt, und dann hatten sich SuG von der Bühne verkrümelt und LMC waren allein zurückgeblieben, um ihre eigene Show durchzuziehen. Danach waren AnCafe mit auf die Bühne gekommen, hatten ihren Mix-up-Kram mit LMC gemacht, damit LMC dann Leine zogen und die Bühne an AnCafe abtraten. - Soweit war das durchaus realisierbar gewesen. Haarig wurde es erst, wenn Mitglieder aus vier verschiedenen Bands gleichzeitig zusammen spielen wollten. Da konnte man nicht mehr einfach durchtauschen. Solche Sachen sinnvoll irgendwo einzubinden war eine Glanzleistung des AnCafe-Drummers gewesen, der die Leitung des ganzen Events verdonnert bekommen hatte.

Takeru hatte unbedingt bei den seltsamen Blechköpfen von LMC mittanzen wollen. Takeru tanzte wirklich fantastisch, musste er neidfrei eingestehen. Er lies auf der Bühne sogar seine Backgroundtänzer im Schatten stehen, die ja extra für´s Tanzen bezahlt wurden. Leider hatte Yoshihiko die Nummer mit den Blechköpfen nicht gesehen, weil er zu diesem Zeitpunkt noch zu sehr damit beschäftigt gewesen war, sich auf der Toilette einzuschließen. Hoffentlich war es später auf den DVD´s mit drauf.
 


 

20:23 Uhr, VIP-Bereich vor der Bühne
 

Yoshihiko konnte sich ein staunendes „Waaaaaaoooooouuuuuh“ nicht verkneifen, als er sich vom VIP-Bereich aus mit großen Augen die Show ansah. Neben ihm stand Kyo und schien ähnlich verzaubert zu sein. Es war inzwischen fast dunkel geworden, so daß nun die Lichtshows endlich richtig zur Geltung kamen. Überdimensionale Konfettikanonen wehten Tonnen von Glitter ins Publikum, das vom günstig stehenden Wind auch bis zu den letzten Zuschauern davongetragen wurde. In der vielfarbigen Lasershow, die darin herumfunkte, wirkte alles wie ein gewaltiges Schneegestöber bei Vollmond. Yoshihiko hatte das akute Bedürfnis, sich in eine gemütliche Decke einzuwickeln und eine romantische Kerze anzuzünden, weil alles so unglaublich winterlich anmutete. Mit offenem Mund lies er den Blick schweifen. „Wahnsinn. Ich hab noch nie Konfettikanonen bei einem Open Air gesehen.“, staunte er vor sich hin.

„Ja, noch dazu so pompös. Wundervoll.“, meinte auch Kyo beeindruckt.

Oben auf der Bühne hatten Alice Nine gerade ihre Zugabe beendet und genossen noch kurz ihren Applaus, verschwanden dann aber ziemlich schnell, bevor am Ende noch neuerliche Zugabe-Rufe laut wurden. Die Bands lagen sowieso schon dezent hinter dem Zeitplan. Ihre Bühne wurde dunkel und die Scheinwerfer schwenkten hinüber auf die andere schon aufgebaute Bühne. Das aufbrausende Intro klang verdächtig nach Gazette. Yoshihiko hatte es zwar noch nie gehört, aber der Gitarrenstil war recht eindeutig.

„Hey, nach denen sind wir dran!“, erinnerte Kyo ihn und verschwand dann wieder hinter die Bühne. Yoshihiko blieb noch draußen und schaute sich die Show an. Die würden ja noch mindestens eine dreiviertel Stunde spielen, bevor er und Kyo mit auf die Bühne sprangen um das Mix-up aufzuziehen.
 


 

22:41 Uhr, backstage
 

„Gute Nachrichten, Leute.“, verkündete Kai gerade, als Shinya zurück in den „Tresor“ kam. Das war eine große Hütte hinter der Bühne, die den Bands als Vorbereitungsraum und Unterschlupf diente, wenn sie gerade nicht zu spielen hatten. Shinya und einige andere Drummer hatten zu den letzten Acts gehört. Kiris Drum-Battle hatte den krönenden Abschluss der ganzen Veranstaltung gebildet und die Fans zum Schluss nochmal richtig abgehen lassen. Jetzt war Sense. Das Konzert-Event war Geschichte, und Shinya war auch ein bischen froh darüber, denn er war einfach nur endfertig. In mehreren Projekten zu hängen, zwischen deren Auftritten teilweise Stunden des Wartens lagen, war wirklich wahnsinnig anstrengend. Sowohl das lange, untätige, nervöse Warten als auch das darauffolgende wieder-durchstarten-müssen beanspruchten die letzten Kräfte. Er würde heute Nacht verdammt gut schlafen.

„Gute Nachrichten?“, gab Shinya fragend zurück und bemerkte, daß Mana neben Kai stand und offenbar nur darauf wartete, daß alle eintrafen.

„Was ist denn hier los?“, wollte Kiri wissen, der hinter ihm müde mit einem Handtuch um den Hals hereinschlurkste und das Aufgebot bemerkte. Shinya bedeutete ihm, leise zu sein. Er sah sich um. Es waren bei weitem nicht alle da, aber doch zumindest von jeder Band mindestens ein Vertreter. War das hier sowas wie eine Lagebesprechung?
 

„Also, wie sich ja rumgesprochen hat, hat die PS Company Seth mit einem Vertrag gekrallt, für dieses irrsinnige CrossOver-Projekt.“, begann Kai. Ein Murmeln ging durch die Runde. Natürlich war das bekannt gewesen. Wegen eben diesem Projekt hatten sie sich ja allesamt tagelang im Plaza der Gazettos verbarrikadiert. „Die PSC hat Seth vor zwei Stunden den Vertrag wieder aufgekündigt und offiziell verlautbart, daß sie das Projekt an den Nagel hängen. Wir sind wieder sicher vor denen.“

Ein Jubelsturm brach in der Hütte los. Einige fielen sich in die Arme, Hizumi warf sich sogar Kai an den Hals und knuddelte ihn begeistert durch. „Mach mal halblang, hey!“, lachte der Gazette-Leader. „Bedank dich bei Mana, das ist alles sein Verdienst!“, fügte er an. Hizumi fuhr herum und breitete schon die Arme aus, um den in greifbarer Nähe stehenden Moi-dix-Mois-Leader schwungvoll zu umarmen, wurde aber von dessen drohend erhobenem Zeigefinger gebremst. Also hielt Hizumi ihm nur grinsend die Hand hin und untermalte sein <Danke schön!> noch mit einer zusätzlichen Verneigung. Mehr und mehr der J-Rocker kamen auf die Idee, Hizumis Beispiel zu folgen und sich bei Mana zu bedanken. Oder ihm zumindest zu gratulieren, wenn sie ihren Stolz schon nicht so offensichtlich runterschlucken wollten. Die zwei Oberscherzkekse Takeru und Miku machten sich zu Belustigung aller sogar einen Spaß daraus, vor Mana gemeinsam einen Kniefall hinzulegen.

Die Aufregung und Anspannung der letzten Tage und die Anstrengungen des Konzert-Events fielen spürbar von allen ab und ausgelassenes Gelächter wurde laut. Man gratulierte sich gegenseitig zu dem gelungenen Event, sprach sich Respekt für die gezeigten Leistungen aus, dankte sich für die gute Zusammenarbeit.

„Hey, das muss gefeiert werden!“, rief Kanon schließlich und zauberte aus irgendeinem Schrank eine Kiste Sektflaschen hervor, die er wohl eigens für diese After-Show-Party hier deponiert hatte. Euphorisch begann der AnCafe-Bassist sich am Korken der ersten Flasche zu schaffen zu machen, bis es einen lauten Knall gab.

Tora konnte gerade noch vor dem herausschießenden Korken in Deckung gehen. Vor der darauffolgenden Sektfontaine jedoch nicht. Fast die halbe Flasche leerte sich in hohem Bogen über ihm aus. Da stand er dann wie ein stinksaures Häufchen Elend – eine Kombination die bei den anderen durchaus Belustigung verursachte.

„Ach komm, du willst doch sowieso duschen gehen.“, lachte Kiri und tupfte dem durchgeweichten Alice-Nine-Gitarristen vorsichtig mit seinem Handtuchzipfel das Gesicht trocken, bevor noch sein ganzes Make-up verschwamm und er endgültig zur Lachnummer wurde.

„Willst du trotzdem noch ein Glas Sekt.“, wollte Kanon mit einem erzwungen entschuldigenden Gesichtsausdruck wissen, obwohl er sich eher totlachen wollte.

„Nein, ich denke ich hatte genug.“, grummelte Tora und grinste dann selbst.

Das Leben war schön. ... Und Kai würde ausflippen, wenn er erfuhr, daß sie alle gemeinschaftlich beschlossen hatten, noch bis Ende der Woche im Gazette Plaza zu bleiben.

Outtake

So, ihr Lieben. Die FF ist offiziell zu Ende. Diese Szene hatte ich eigentlich wieder rausgenommen, weil sie nicht richtig reinpasste und auch vom Heftigkeitsgrad anders war als das vergleichsweise harmlose Zeug im Rest der FF. Aber irgendwie komme ich doch nicht mehr dran vorbei, sie noch hochzuladen.
 

Als Dank für über 300 Leser!
 

Viel Spaß damit

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Yoshihiko verlangsamte verdutzt seinen Schritt und lauschte skeptisch, als er irgendwo jemanden „Neeeeiiiiiiin, ich will das nicht.“ quengeln hörte. Dann ein Keuchen. Yoshihiko blieb unschlüssig stehen und versuchte zu lokalisieren, aus welcher der vielen Türen das kam. „Kyooooo ... hör aaaaauuuuuuf.“, nörgelte derjenige weiter. Es klang lustlos oder wie im Halbschlaf. Das war Takeru, wurde ihm klar. Der heidi.-Vocal schüttelte den Kopf und wollte schon einfach weitergehen, aber das anhaltende Stöhnen und Protestieren machte ihn doch stutzig. Was auch immer die zwei da drin trieben, es beruhte offenbar nicht auf Gegenseitigkeit.

Entschlossen spazierte Yoshihiko zurück zu Kyo´s Zimmer und stieß die Tür auf. Ihm stockte kurz der Atem, als Kyo´s Kopf herumruckte und er ihn entgeistert ansah. Kyo hockte im Bett, hielt Takeru gewaltsam unter sich fest und machte sich an dessen Klamotten zu schaffen. Der kleinere, bunte Sänger wand sich, wenn auch mit einer Behäbigkeit die gar nicht zu seiner sonst so agilen und quirligen Art passen wollte. „Kyoooo, lass mich looooos.“, nuschelte das Wusel. Als Yoshihikos Blick auf die große, halbleere Schnapsflasche auf dem Nachtschränkchen fiel, wurde ihm klar, daß es ein Lallen war.
 

Der Schwarzhaarige starrte noch einige Momente fassungslos auf diese Szene, in der verzweifelten Hoffnung, daß es sich aufklären würde und nicht das war wonach es aussah. „Kyo! Lass ihn sofort los!“, verlangte er dann drohend und kam festen Schrittes ins Zimmer. Kyo kletterte fluchend von dem chaotischen SuG-Vocal herunter. Yoshihiko ergriff Takeru am Arm, zog ihn aus dem Bett und musste ihn auch gleich auffangen, weil der so taumelte, daß er fast zusammenbrach.

„Yosh´, ich fühl mich komisch.“, nuschelte Takeru weinerlich und schlang ungelenk beide Arme um Yoshihikos Hals. Eine geradezu sinnesbetäubende Rumfahne wehte ihm entgegen. Yoshihiko schob ihn schnell in die Badparzelle, wo er sich auch ohne größere Umschweife ins Klo übergab, dann vor dem Klo in die Knie brach und sich nochmal hinein übergab. Während Yoshihiko mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte und wartete, daß das Quietschi fertig wurde, starrte er Kyo mit einem Blick an, der jedem Dolch zur Ehre gereicht hätte. Er fand keine passenden Worte um irgendwas hierauf zu sagen, also pfählte er den Dir-en-Grey-Sänger lediglich mit stummen, stinksauren Blicken. Kyo schwieg ebenfalls. Was hätte er auch sagen sollen, bei einer so eindeutigen Situation?
 

„Yosh´, danke.“, lallte Takeru, als sein Sänger-Kollege ihn kurz darauf durch den Gang rangierte, weg von Kyo´s Zimmer. Er hatte sich einen von Takerus Armen um die Schultern gelegt, um ihn besser stützen und bugsieren zu können, weil er sich kaum selber auf den Beinen halten konnte.

„Du sollst mich nicht so nennen.“ Er wollte von diesem verhassten, kindischen Kerl nicht mit Spitznamen betitelt werden. Nichtmal in so einer Situation.

„Trotzdem danke.“

„Werd erstmal wieder nüchtern.“, maulte Yoshihiko etwas genervt. Er war hin und hergerissen zwischen seiner Abneigung gegen diesen Spaßvogel und ehrlicher Besorgnis um ihn.

„Bist du mir böse?“, wollte Takeru weinerlich wissen.

„Nein. Jedenfalls nicht auf dich.“
 

„Yosh´, willst du mit mir rauskommen und auf die ...“ Hizumi unterbrach sich selbst, als er in das Zimmer platzte, das er sich mit Yoshihiko teilte, und sein Blick auf das Bett fiel. Da lag Takeru und schlief tief und fest. Er hätte ja viele Leute hier zu Besuch erwartet, vielleicht sogar welche in Yoshihikos Bett – aber ausgerechnet ihn?

„Nein, ich kann nicht, sorry.“, merkte Yoshihiko an, ohne von seinem Schreibtisch aufzusehen. Er wusste zwar nicht, wohin Hizumi ihn schleppen wollte, aber das war auch egal da er hier sowieso gerade nicht weg konnte. Das fassungslose Schweigen des D´espairs-Ray-Vocals sprach Bände, auch ohne daß Yoshihiko seinen fragenden Blick gesehen hätte. „Kyo hat ihn abgefüllt.“, erklärte er knapp. Mehr nicht. Was da noch passiert war, musste nicht jeder wissen.

„Und warum ist der halb nackt?“

„Red keinen Quatsch.“, nörgelte Yoshihiko gereizt. Er hatte jetzt wirklich keine Nerven mehr für Scherze oder zynische Kommentare. Er hatte lediglich Takerus Hemd aufgeknöpft, um ihn atmen sehen zu können. Takeru war ihm nämlich vorhin einfach zusammengeklappt und einige Sekunden komplett ohnmächtig gewesen. Yoshihiko hatte wirklich Angst, daß der SuG-Sänger ihm noch endgültig kollabierte.

„Meine Fresse, muss ja eine ganz schöne Orgie gewesen sein, die er mit Kyo gefeiert hat.“, merkte Hizumi an.

Yoshihiko entgegnete nichts.

„Ist alles okay?“, wollte Hizumi daraufhin besorgt wissen. So kannte er seinen Zimmergenossen ja gar nicht. Yoshihiko antwortete auch diesmal nicht, sondern starrte nur weiter grummelnd auf sein Blatt Papier, das er gerade schrieb. Er konnte und wollte einfach keinem erzählen, was Kyo mit dem Scherzkeks vorgehabt hatte. Und, bei Gott, er hätte sich im Traum nicht ausgemalt, besagten Scherzkeks mal retten zu müssen, wo er schon seit Jahren immer nur auf der Flucht vor ihm gewesen war. Takeru hatte den lästigen Drang, ständig Späße auf Kosten anderer zu veranstalten. Vorzugsweise auf Yoshihikos Kosten, wenn der gerade greifbar war.

„Sollten wir nicht Kai Bescheid sagen?“, wollte Hizumi vorsichtig wissen. Er spürte deutlich, daß Yoshihiko auf eine Art und Weise sauer war, die nicht allein dem betrunkenen Musikkollegen in seinem Bett geschuldet sein konnte. Allerdings wagte er auch nicht nach der Vorgeschichte hierzu zu fragen.

„Nein, lass es. Das hier hat schon genug Probleme gemacht. Einen genervten, am Rad drehenden Plaza-Vorsteher können wir jetzt beim besten Willen nicht auch noch brauchen.“, seufzte er.

Hizumi nickte. „Ich lass euch besser wieder in Ruhe.“, entschied er hilflos und verkrümelte sich mit einem letzten Blick auf Takeru, der wie totgeschlagen völlig reglos herumlag.
 

Yoshihiko schloss die Augen, als er hinter sich ein Würgen und ein ekelhaft geräuschvolles Sich-Übergeben hörte. Er hoffte, Takeru hatte den Eimer getroffen, den er ihm extra hingestellt hatte. Dann ein Husten und wieder ein Übergeben. Er drehte sich langsam um und musterte den blassen Sänger. Es war schon ein paar Stunden später. „Hey, wieder wach?“

Takeru nickte. „Schon gut. ... Mir ist nur schwindelig.“

„Und übel, offensichtlich.“

„Geht schon wieder. Es war wohl mein Glück, daß ich das meiste wieder rausgebrochen habe, bevor es ins Blut gegangen ist.“

Yoshihiko stand auf, schob den Eimer mit einem Fuß ins Bad und schloss die Tür. „Wieso hast du auch zugelassen, daß Kyo dich so abfüllt?“

Takeru lies sich zurück ins Kopfkissen sinken und hatte ironischerweise schon wieder sein übliches, schelmisches Grinsen im Gesicht. Yoshihiko überlegte ernsthaft, ob er den Scherzbold gleich rauswarf, oder ihm doch noch ein paar Minuten gab, um sich wieder richtig zu sammeln. „Kyo hat doch mitgetrunken. Er verträgt das Zeug nur offenbar besser als ich.“, gestand Takeru. Tatsächlich? Kyo hatte keinen angetrunkenen Eindruck gemacht, fand Yoshihiko.

„Und so ein elendes Besäufnis findest du okay? Erinnerst du dich überhaupt daran, was er gerade mit dir angestellt hat, als ich euch gefunden habe?“, wollte er aufgebracht wissen.

„Ja, er wollte mich daran hindern weiterzutrinken. Aber ich musste ja, so war die Abmachung.“

„Welche Abmachung?“

„Maya hat den Rum für mich beschafft. Und er hat gesagt, wenn er für mich schon Rum beschafft, dann muss ich ihn gefälligst auch trinken.“

Yoshihiko griff sich stöhnend an die Stirn. Soweit er wusste, war der Rum für Hizumis Geburtstagskuchen gewesen, und nicht für Takeru. „Aber doch nicht alles auf einmal. ... Wieso hat Kyo dir dann bitteschön die Klamotten vom Leib gerissen?“

„Weil es seine Klamotten sind.“, lachte Takeru. „Die hab ich mir geliehen, weist du? Aber dann hab ich Rum draufgekleckert, das fand er nicht so witzig.“, erklärte er und deutete auf einen Fleck am rechten Ärmel.

Yoshihiko stöhnte wieder genervt. Wieso hatte Kyo nichts gesagt? ... Richtig, weil Yoshihiko ihm in diesem Moment vermutlich eh kein Wort geglaubt hätte. Um so weniger je mehr er sich rausgeredet hätte. Er musste sich nachher dringend entschuldigen gehen. Und Takeru eine gehörige Kopfnuss verpassen!



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Mayuui
2012-08-22T18:14:12+00:00 22.08.2012 20:14
Der arme Kai! Würde mich auch stressen! >.<
Aber wie du versprochen hast ist auch dieses Kapi wieder super geworden!!
(hehe und Ruki kommt endlich mal etwas öfters vor xD)

Von:  Mayuui
2012-08-20T18:48:15+00:00 20.08.2012 20:48
Ich finde es total unterhaltsam zu lesen wie die verschiedenen Bands miteinander klar kommen. Du hast eine unterhaltsame Art zu schreiben! Und Humor auch! xD
(Vor allem sind meine absoluten Lieblingsbands dabei!!)
Schreib weiter!!

Von:  MycroftCoon
2012-08-19T19:33:01+00:00 19.08.2012 21:33
ich mag diese story sehr, sie ist echt lustig!
auch wenn der hintergrund ernst ist xD

ich hab grad gedacht: "oh bitte lass sie bei mana unterschreiben! Gazette in lolita kleidchen wie geillll!"


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