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Jahrtausendhexer

Krieg um das Eroberte Meer
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Chairete miteinander, wie auch immer man das mit unseren Buchstaben schreibt. Auf jeden Fall sitze ich in Griechenland auf der Hotelterrasse und schaue mir den Sonnenuntergang an. Super heiß hier und meine wundervolle Rundreise lässt mir auch keine freien Minuten. Aber ich dachte mir, ich lade mal endlich hoch, was ich bisher habe. Endlich reden sie mal alle langsam über ihre Ziele. Und Luka bekommt die Zeit, endlich ein paar Fragen zu stellen.
Mal sehen, ob ich hier im Urlaub noch etwas hin bekomme oder nicht.
Beste Grüße aus Hellas! Komplett anzeigen

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Rast

Luka schloss die Augen und genoss die Wärme des Feuers auf seiner Haut. Nach einer wirklich langen und feuchten Nacht hatten sie im Morgengrauen einen Unterschlupf gefunden, den Ain trotz seiner noch immer schlechten gesundheitlichen Verfassung weiter an ihre Bedürfnisse angepasst hatte. Mit einer einzigen Bewegung hatte er die kleine Lücke zwischen der nicht besonders tiefen Höhle, die sie an einem winzigen Weiher entdeckt hatten, und dem kargen Hain geschlossen, der sich an das Gewässer schmiegte. Gras und Büsche waren weit genug in die Höhe geschossen, dass sie die Sicht auf den Höhleneingang verdeckten. Luka wusste, dass ein Hexer seine Magie nicht aus dem Nichts heraus erschuf, sie ruhte in ihm und wenn er sie anwendete, kostete ihn das dieselbe Kraft wie körperliche Ertüchtigung. Die Magie eines Jahrtausendhexers war schier unerschöpflich. Ain musste seine Kraft auch aus anderen Quellen beziehen, Luka konnte sich nicht vorstellen, dass eine solche Macht in einem so zerbrechlichen, schmalen Körper hausen konnte.

Doch auch Ain hatte für den Moment seine Grenzen erreicht. Eingehüllt in eine der inzwischen getrockneten Decken kauerte er gerade so nahe an den Flammen, dass sie ihn nicht erreichen konnten. Mit den Armen hielt er seine Knie umschlungen, auf denen sein Kopf ruhte. Sein bleiches Gesicht glänzte schwitzig feucht und der Hexer wirkte trotz der müde geschlossenen Augen konzentriert. Sicher vertraute er Noll und vor allem Liam noch nicht, außerdem glaubte keiner von ihnen wohl wirklich daran, dass sie in ihrem offensichtlichen Versteck wirklich sicher vor den Weißen waren. Irgendetwas war grundlegend schief gelaufen, irgendetwas hatten sie übersehen. Und nicht nur Ain hatte zweifelsohne Fragen, auch Luka hatte sie.

Noll schlief wie ein Neugeborenes. Luka vermutete, dass er körperliche Aktivität nicht gewohnt war. Er konnte es dem Heiler allerdings nicht verübeln, denn auch für ihn selbst war der lange Marsch im Dauerregen und auf unwegsamem Gelände ausgesprochen anstrengend gewesen. Und natürlich sein misslungener Auftritt mit den beiden Magiern. Die Erinnerung versetzte Luka einen Stich. Er war so unfähig gewesen, nie hätte er sich effektiv verteidigen können. Seine Reflexe waren gut, seine Nachtsicht mehr als überdurchschnittlich, er hatte mit Liam trainiert, sich in wenigen Tagen so gut wie nur irgend möglich an den Umgang mit Magie gewöhnt – und alles war umsonst gewesen, sobald es zu einem wirklichen Kampf kam.

Luka hatte nicht gesehen, was passiert war, als der Verhüllte erschienen war, keiner von ihnen hatte es, doch ihre Angreifer waren beide tot. Liam hatte nicht gezögert und die Männer mit nur wenig Kraftaufwand getötet. Auch das musste Luka noch verdauen. Er bewunderte und respektierte den Verhüllten, aber seit diesem Moment war er sich bewusst, dass er ihn auch fürchten sollte. Er wusste nichts über die Beweggründe des geheimnisvollen Mannes, dem der junge Jahrtausendhexer so sehr am Herzen zu liegen schien. Eines Mannes, der mühelos töten konnte.

Jetzt saß Liam entspannt neben Luka am Feuer. Die Pferde hatte er in Sichtweite angebunden, nachdem er sie hatte am Weiher trinken lassen. Nun grasten die vier Tiere friedlich, ihre Beine von morgendlichen Nebelschwaden umspielt.

„Was habt ihr jetzt mit mir vor?“

Ains Stimme beendete das lange Schweigen, das sie sich alle gegönnt hatten. Sie waren müde, doch keine von ihnen konnte nach der langen Nacht schlafen. Bis auf Noll natürlich, der sich in falscher Sicherheit vor ihren Verfolgern wähnte. Luka beneidete ihn um seine Naivität und die dringend benötigte Ruhe, die er damit gewann.

„Wir bringen dich auf neutralen Grund“, antwortete der Verhüllte. „Die Herrin der Wüsten von Styk Mylady Elra wird dich aufnehmen. Das sollte Rowenos' abersinnigem Treiben Einhalt gebieten. Ohne dich ist der Krieg für Jupran verloren.“

Luka schluckte. Davon hatte er noch nicht gehört – Styk war unglaublich weit entfernt, das westlichste aller Länder, die an das Eroberte Meer anschlossen. Aber Liam hatte natürlich Recht. Wenn sie den Jahrtausendhexer den Einflüssen des Krieges entziehen wollten, mussten sie neutralen Grund finden und diesen gab es westlich von Styk nicht.

Der junge Hexer nickte zögernd. Luka sah, dass er mit sich rang, dass er abwägte, ob er sagen sollte, was ihm auf dem Herzen lag, oder nicht.

„Ich... habe noch einen Verbündeten, nein, er ist...“ Ain stockte. Er sah Liam und Luka nicht an und Luka bezweifelte, dass er den Satz beenden würde.

„Wen?“, fragte Liam ernst. Luka hörte das Erstaunen in seiner Stimme.

„Ich... denke, er ist ein Gefangener des Königs.“ Ains Stimme wurde mit jedem Wort leiser und unsicherer. „Ich möchte euch wirklich helfen, ich möchte diesen Krieg beenden... aber Mentis ist der einzige Mensch, der mir immer beigestanden hat.“

„Mentis?“ Luka wurde hellhörig. „Den Namen hast du schon einmal erwähnt, wer ist er?“

„Er ist-“

„Reks Mentis“, fiel Liam Ain ins Wort. „Geboren in das Königsgeschlecht von T'Len, Bruder des derzeitigen Königs. Und ein Jahrtausendhexer.“

Luka schnappte nach Luft. „Was? Es gibt mehr als einen? Aber... die Wahrscheinlichkeit eines zeitgleichen Existierens von zwei Jahrtausendhexern liegt bei... bei mindestens eins zu einer Million!“

„Nicht nur das. Reks Mentis ist seit fünfzehn Jahren tot.“ Liams Stimme klang schwärzer als die Nacht. „Ich weiß nicht, wen du gesehen hast, Ain“, fuhr er harsch fort, „aber es war nicht Reks Mentis.“

Ain zuckte erschrocken zurück und senkte den Blick. Mit zusammengebissenen Zähnen starrte er in die Flammen. „Er ist nicht tot“, flüsterte er und zog die Decke enger um sich. Eine einzige Träne rollte seine Wange hinab. „Das ist es, was alle glauben sollen.“

„Ain, was meinst du damit?“, hakte Luka nach. Er hatte einige Male das Gefühl gehabt, dass der Jahrtausendhexer ihn nicht alleine besucht hatte. Natürlich, Ain war einsam gewesen, aber Luka glaubte kaum, dass er sich einen Freund wie Reks Mentis ausgedacht hätte. Woher hätte er denn von ihm wissen sollen? Alle andere Fragen, die Luka bis dahin auf der Zunge gelegen hatten, waren wie weggeblasen. Ein zweiter Jahrtausendhexer, das war nichts, was sie ignorieren durften. In der Hand von Rowenos noch dazu!

Liam verschränkte abschätzend die Arme vor der Brust. „Wir hören.“

„Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen...“ Es war Ain sichtlich unangenehm, so viel von sich preis zu geben. Doch Luka wusste, dass sie jetzt darüber sprechen mussten. Sie mussten ihre Prioritäten und Ziele klären, bevor sie ruhten und ihre Reise antraten.

„Mentis ist...“ Ains Blick suchte Lukas. „Du weißt, wie ich dich besucht habe, ohne wirklich da zu sein? Dasselbe macht Mentis seit Jahren. Ich weiß nicht, wie lange genau, ich war ein Kind... Aber eines Tages war er da und ist seitdem nie wieder gegangen. Du hast sicher gemerkt, dass du nicht der Einzige warst, der mich sehen konnte, Luka, oder? Mit Mentis war das anders, nicht einmal die Weißen... die Magier haben ihn bemerkt. Er hat mir auf dem Weg in die Freiheit geholfen, ohne ihn hätte ich es nie geschafft, dich zu treffen. Aber jetzt...“ Wieder sah Ain in die Flammen. Das Feuer schien im Rhythmus seiner Worte zu pulsieren. „Plötzlich war er weg.“

„Und du weißt, wo er ist?“, fragte Liam. Luka hörte noch immer die Skepsis in der Stimme des Verhüllten, doch der ließ seine abwehrende Haltung langsam fallen.

Ain schüttelte den Kopf. „Ich habe den Ort nicht gesehen. Mentis hat mich in eine riesige Säulenhalle voller Dunkelheit geführt, dort halten sie seinen Körper gefangen. Ich glaube, dass er dorthin zurückgekehrt ist.“

„Sollte an deiner Theorie etwas dran sein, dann wird Rowenos ihn in seiner Nähe halten. Wie stellst du dir das vor?“

„Warte“, warf Luka ein, „ich glaube nicht, dass es so schwer sein wird, in Rowenos' Nähe unerkannt zu bleiben. Wir würden doch niemals so dumm sein, freiwillig in die Hauptstadt zu reisen. Die Magier erwarten sicher von uns, dass wir ins Ausland fliehen.“

„Und genau das werden wir tun“, beharrte Liam. „Wir werden Lady Ayslinns Plan folgen und diesen wahnsinnigen Krieg beenden. Kein Risiko.“

„Aber sieh es so, wenn wir zwei Jahrtausendhexer auf unserer Seite hätten...“

„Glaubst du, es ist so einfach? Wer weiß, was Reks Mentis will. Denkst du, er wird der Politik des Eroberten Meeres seinen Segen geben und sich auf unsere Seite stellen? Sei nicht dumm, Luka, zu viel ist passiert.“

„Es ist ein Risiko, aber es ist auch eine Chance!“

„Luka!“ Der Verhüllte war kurz davor, die Geduld zu verlieren und Luka erinnerte sich schlagartig daran, wie gefährlich sein Gegenüber sein konnte. War es klug, Liam weiter zu reizen?

Mit einem wütenden Zischen schlugen die Flammen gegen die Höhlendecke, fielen wie Wasser zurück auf ihre Scheite und erloschen knackend. Das Holz zerfiel augenblicklich zu Asche.

„Ihr müsst mir nicht helfen“, sagte Ain leise aber bestimmt. „Ihr habt schon so viel für mich getan und ich möchte euch nicht in den Rücken fallen. Ich schulde euch und Lady Ayslinn so viel.“ Er erhob sich und wandte sich von der Gruppe ab. Seine schmale Gestalt zeichnete sich klar vor dem Höhlenausgang ab. Sie alle konnten sehen, dass ihm sein Vorhaben nicht leicht fiel. Die Stimme des jungen Magiers blieb weich, als er weitersprach, kein Vorwurf lag darin, keine Enttäuschung oder gar eine Drohung. „Aber wenn ihr mir nicht helfen wollt, muss ich Mentis alleine finden. Ich kann nicht mit euch kommen.“

Luka wusste, dass er Ain niemals alleine ziehen lassen würde. Dieser schmächtige Junge schulterte sozusagen das Schicksal des gesamten Kontinents, alle, ob König Rowenos und die Weißen oder Lady Ayslinn und der Verhüllte, sie alle erwarteten so viel von ihm. Luka wunderte sich, dass die Verantwortung den Jüngeren nicht erdrückte. Der Hexer brauchte Reks Mentis genau so, wie er selber als Nomade seine Freiheit benötigte – die er wohlgemerkt nur dank seines Treffens mit Ain so gut wie zurück gewonnen hatte. Nun, in gewissem Maße war er in der Tat frei, doch solange die Häscher des Königs ihnen auf den Fersen waren, konnte diese Art der Freiheit ihre Reize noch nicht wirklich entfalten.

Liam seufzte resigniert. „Natürlich lassen wir dich nicht alleine gehen. Der Plan mag mir nicht gefallen und ich weiß nicht, was uns erwartet. Aber aufhalten könnte dich vermutlich keiner von uns. Bitte bleib und ruh dich aus.“

Nicht nur Ain wirkte erleichtert über die Entscheidung des Verhüllten, auch Luka merkte, wie sich seine verkrampfte Haltung lockerte. Er hatte nicht bemerkt, dass sich seine Muskeln derart angespannt hatten. Zum Glück musste er nicht gegen Liam gehen, sich nicht für Ain oder Liam entscheiden. Wenn er darüber nachdachte, war er sich nicht sicher, ob der Ältere sie hätte gehen lassen. Luka wusste, dass Liams magische Kräfte um einiges Größer waren, als er alle glauben machen wollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2017-02-04T21:55:36+00:00 04.02.2017 22:55
Wuuh, sie haben Mentis doch nicht ganz vergessen. Ist natürlich blöd, daß sie nicht wissen, wo genau er steckt. Aber Ain findet da sicher eine Lösung.

Schade, daß die Story hier abbricht. Ich hoffe, sie wird irgendwann weitergeschrieben. Der Schreibstil ist toll und der Plot gefällt mir super. Die Geschichte gibt unglaublich viel her.


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