Zum Inhalt der Seite

Josephine Klick - Allein unter Cops

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ich sah Tereza überrascht an. „Bist du dir sicher, dass Sie im fünften Monat schwanger war?“

„Ja, bin ich.“

„Wie hast du das denn rausgefunden?“ Alex klang skeptisch. Ich musste selber kurz überlegen, aber dann wurde es mir klar. Tereza hatte die Leiche bisher nur oberflächlich untersucht, konnte daraus also noch keine Schlüsse gezogen haben. Dann sah ich nur noch eine Möglichkeit.

„Hat die SpuSi den Mutterpass sichergestellt?“ Tereza nickte mir zu.

„Ihr wart schon los, als die Kollegen darüber geredet haben. Den Bericht solltet ihr aber bestimmt bald bekommen.“
 

Die Erkenntnis warf nun natürlich einen Haufen neuer Fragen auf. Wer war der Vater? Der Freund von Frau Weiß musste davon gewusst haben. Ob es deshalb Streit gegeben hatte?

„Siehst du Tereza, selbst ohne vollständige Untersuchung konntest du uns schon wieder weiterhelfen. Was würden wir nur ohne dich machen.“

Tereza verzog den Mund und nahm mein Kompliment anscheinend nicht zu ernst.

„Vermutlich würdet ihr jemand anderen löchern mit Fragen.“
 

Das Telefon von Alex klingelte und er wandte sich von uns ab?

„Mahler?“, beantwortete er den Anruf. Alex hörte eine Weile nur zu. „Danke Vivienne, wir machen uns auf den Weg.“ Er legte auf und drehte sich zu mir.

„Josephine, komm! Die Mutter von Tim ist da.“

Ich nickte, wandte mich noch einmal an Tereza, bevor wir uns verabschiedeten. „Wenn du noch mehr herausfindest, rufst du uns dann bitte gleich an?“

„Wie immer“, stimmte sie zu.
 

***
 

„Tim ist ein guter Sohn. Er hätte Elisabeth niemals was getan“, beteuerte Tim´s Mutter, die neben ihren Sohn saß und ihn dicht an ihre Schulter zog. Er war ganz abwesend und wiegte immer wieder seinen Oberkörper leicht vor und zurück.

„Frau Lange, uns wurde berichtet, dass Tim zu Wutausbrüchen neigt“, gab Alex zu bedenken.
 

„Wutausbrüche?“ Sie sah uns irritiert an, schüttelte dann aber entschieden ihren Kopf „Er hatte zum Anfang seine Schwierigkeiten im Heim“, begann sie und blickte wieder Alex an. „Wissen Sie, sein Vater hat ihn oft geschlagen, weil dieser mit seiner Behinderung nicht klar kam. Ich trennte mich deswegen von ihm. Aber das Geld wurde mit der Zeit knapp, also musste ich wieder arbeiten gehen und Tim in dieses Heim geben. Er hatte Angst vor Männern und ihm fehlte eine Bezugsperson. Als wir den betreuenden Arzt wechselten und Elisabeth anfing sich um ihn zu kümmern, wurde alles viel besser. Er ist hier sehr glücklich. Er hat Bethy geliebt wie seine eigene Schwester.“
 

Bei ihrem Namen wimmerte Tim auf und vergrub sein Gesicht an die Schulter seiner Mutter. Sie sah ihn traurig an und streichelte seinen Kopf.

„Was ist mit dem Vater?“, fragte ich nach einer kurzen Pause.

„Der Vater von Tim? Seit der Scheidung haben wir keinen Kontakt mehr zu ihm. Mir haben aber Freunde berichtet, dass er mittlerweile in Stuttgart lebt, verheiratet ist und zwei gesunde Töchter hat.“

„Können Sie sich vorstellen, wer was gegen Frau Weiß hatte?“, fragte Alex.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube, dass niemand sich so etwas vorstellen könnte. Jeder mochte sie.“
 

Alex rieb mit einer Hand die rechte Schläfe. Es war frustrierend. Jeder mochte Elisabeth Weiß und trotzdem wurde sie umgebracht.

„Frau Dr. Beck sagte, Sie wollen Tim mit zu sich nach Hause nehmen für die nächsten Tage?“

„Ja, ich habe Urlaub genommen“, bestätigte sie mir. „Ich will nicht, dass Tim hier ist, solange der Fall nicht geklärt ist.“
 

Es war eine kluge Entscheidung. Immerhin war Tim möglicher ein Zeuge, wenn er nicht selber der Täter war und davon ging ich nicht aus. „Bleiben Sie aber bitte für uns erreichbar“, bat ich sie. Ich gab ihr die Visitenkarte mit allen Kontaktinformationen. „Wenn ihnen irgendetwas einfallen sollte, sagen Sie bitte Bescheid.“

Sie nickte. „Natürlich.“
 

***
 

„Ich habe die Krankenschwester von gestern Abend erreicht“, berichtete uns Vivienne nach der Befragung.

„Und?“, hakte Alex nach.

„Es gab gestern keinen Notruf aus Zimmer Zehn. Zwischen ein und zwei Uhr hatte sie einen Einsatz bei einem anderen Patienten. Aber aus dem Zimmer von Tim kam nichts.“

„Aber wenn sie im Einsatz war und nicht am Empfang konnte sie einen möglichen Notruf doch gar nicht wahrnehmen“, schlussfolgerte Alex.
 

„Das kann nicht passieren“, widersprach Vivienne. „Unser System ist so aufgebaut, dass ein Notruf, wenn der Empfang nicht besetzt ist auf den Pager weitergeleitet wird. Die Krankenschwester hätte also eine Nachricht bekommen.“

„Hat sie Frau Weiß zu irgendeinem Zeitpunkt gestern Abend noch gesehen?“

„Ja. Sie war natürlich total erschüttert. Frau Weiß beendete gerade die Spätschicht, wollte aber noch – wie jeden Abend – kurz bei Tim reinschauen. “

„Es war also bekannt, dass sie jeden Abend zu Tim ging?“

Vivienne nickte. „Frau Weiß hat sich immer für die Spätschichten eingetragen. Tim kämpft in letzter Zeit mit Schlafproblemen und sie hat ihn besucht um ihn zum Einschlafen eine Geschichte vorzulesen.“

„Kannst du uns die Kontaktdaten der Kollegin noch notieren?“, bat Alex Vivienne. „Nur für den Fall, dass wir sie noch einmal befragen müssen.“

„Natürlich.“ Vivienne schrieb uns die Nummer auf.
 

Gerade als Alex den Zettel einsteckte, hörte wir vom Flur lautes Gebrüll. Vivienne los und wir folgten ihr.

„Tim, beruhig dich“, mahnte die Mutter ihren Sohn.

Wir standen im Flur und beobachteten wie Tim wütend auf zwei Menschen starrte und immer wieder Laute von sich gab, die nicht verständlich waren. Er fuchtelte mit seinen Händen rum, verteilte Tritte in die Richtung in die er gehen wollte. Aber seine Mutter hielt ihn mit aller Kraft und größter Not fest.

Vivienne ging dazwischen. „Jetzt gehen Sie schon weiter, Dr. Schneider“, forderte Vivienne den Mann auf. Erst da fiel mir auf, dass Tim nicht versuchte beide zu attackieren, sondern speziell Dr. Schneider.
 

„Was ist denn los?“ fragte die Frau neben ihm besorgt. „Frau Krämer, bitte. Gehen Sie weiter! Tim verträgt momentan keine Aufregung.“

Tim atmete schwer, schnaufte, rang nach Luft. In seinen Augen bildeten sich Tränen, als er versuchte sich von seiner Mutter loszureißen. Vivienne stellte sich vor ihn und redete beruhigend auf ihn ein. Sie zog eine Salbe aus ihrem Kittel und rieb diese unter seine Nase. Ihm stiegen noch mehr Tränen in die Augen, aber er beruhigte sich zunehmend.
 

Frau Krämer hatte auf die Bitte von Vivienne reagiert und sich mit Herrn Dr. Schneider ins nächste Behandlungszimmer begeben. Sobald die beiden aus der Sicht von Tim verschwunden waren, halfen die beruhigenden Worte von Vivienne. Als er wieder regelmäßig und ruhig atmete, ließ seine Mutter ihn vorsichtig los.

„Frau Sgundek“, rief Vivienne. Einige Sekunden später war die Empfangsdame auch schon zur Stelle.

„Ja, Frau Dr. Beck?“

„Bringen Sie doch bitte Frau Lange und Tim nach draußen. Wenn sich Tim noch beruhigen muss, können beide solange in die Zwei vom Wohnbereich gehen, okay?“

„In Ordnung“, stimmte die Dame vom Empfang zu und ging auf Tim zu.

„Ich bring Sie beide noch zur Tür“, sagte Vivienne zu Frau Lange.

„Na komm, Tim. Lass uns gehen“, sagte Frau Sgundek freundlich. Sie führte zusammen mit Frau Lange Tim langsam aus dem medizinischen Bereich. Vivienne folgte den Dreien.
 

Ich sah Tim einen Augenblick hinterher. „Also wenn ihm so ein Ausraster gestern Abend nicht vielleicht auch passiert ist...“, murmelte Alex.

Ich schüttelte meinen Kopf. Nein. Das musste was anderes gewesen sein. Es konnte kein reiner Wutanfall sein, dazu war zu viel Trauer in den Augen von Tim. Er hatte Alex nicht angegriffen während des Gespräches. Wenn sich seine Wut also gegen Männer richtete, warum hatte er nur bei Herrn Dr. Schneider so reagiert?
 

***
 

„Das ist wirklich furchtbar“, sagte Frau Krämer erschüttert. „Sie war so ein liebes Mädchen.“

Es stellte sich raus, dass Frau Krämer die Leiterin des Heims war. Wir saßen im Büro an ihrem Besprechungstisch. Alex stand neben mir an den Tisch gelehnt während ich gegenüber von Frau Krämer und Herrn Dr. Schneider Platz nahm.

„Es war doch zu erwarten“, warf Herr Dr. Schneider ein.

„Wie meinst du das, Torsten?“, fragte Frau Krämer erstaunt.

Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und gestikulierte mit seiner Hand. „Der Junge war in das Mädchen vernarrt. Wie ein Welpe ist er ihr überall hinterher gerannt.“
 

„Und Sie finden nicht, dass es ein Zeichen sein sollte, dass er Frau Weiß kein Leid zufügen würde?“, hakte ich nach.

„Nein, das finde ich nicht“, entgegnete er kühl. „Viel mehr erklärt es die Sache. Sie hatte einen neuen Freund. Er ist bestimmt damit nicht klargekommen, dass er sie teilen musste. „Aus meiner Sicht ein klarer Fall von Eifersucht.“

„Sie scheinen nicht viel von dem Jungen zu halten“, warf Alex ein und beäugte ihn kritisch. Irgendwas stimmte mit diesem Mann nicht. Ich war mir nur nicht sicher was. Lag es an dieser abgeklärten, arroganten Art, die er versuchte zu demonstrieren?
 

„Herr Dr. Schneider war der behandelnde Arzt von Tim“, informierte Fr. Krämer uns.

„Ja, aber da er krankhaft aggressiv gegenüber Männern ist, behandelt Frau Dr. Beck ihn seit einer Weile“, erzählte er weiter und beugte sich zu uns vor während er seine Unterarme auf den Tisch legte. Er wirkte unruhig.

„Gegen Männer im Allgemeinen oder nur gegen bestimmte Männer? Er hätte dann doch eigentlich keine Gefahr für Frau Weiß darstellen dürfen“, gab ich zu bedenken.

„Vielleicht hat der Patient die Wut, die er für den Freund von Frau Weiß empfand auf Frau Weiß direkt projiziert. Was weiß ich. Ich bin Allgemeinmediziner, kein Psychologe.“ Er verschränkte die Hände vor der Brust und lehnte sich zurück.

`Abwehrhaltung´ schoss es in den Kopf und ich verengte meine Augen.
 

„Wo waren Sie gestern Abend, Frau Krämer“, warf Alex ein. „Auf einer Benefizveranstaltung. Es ist heutzutage nicht leicht noch Menschen für den guten Zweck zu gewinnen“, sie lächelte zaghaft.

„Und wo waren Sie, Herr Dr. Schneider?“, lenkte ich das Gespräch in seine Richtung.

Er sagte einen Augenblick nichts, lächelte mich dann selbstzufrieden an, während er die Hand von Frau Krämer nahm. „Ebenfalls auf der Veranstaltung - mit meiner Partnerin.“ Frau Krämer blickte auf seine Hand, die ihre hielt um dann schüchtern zu Boden zu sehen.
 

Mich erstaunt das. Beide sahen nicht aus wie ein typisches Paar. Sie war Ende vierzig, etwas untersetzt und hatte ein eher durchschnittliches Gesicht. Er war Anfang dreißig, groß gewachsen, muskulös und recht gutaussehend. Ich versuchte noch dieses befremdliche Bild zu verstehen, als Alex die Befragung fortführte.
 

„Wie lange waren Sie auf der Benefizveranstaltung?“

Frau Krämer sah unsicher zu Herrn Dr. Schneider. „Ich glaube wir sind nicht all zu spät los, oder Torsten?“

Er nickte. „Es wird wohl kurz nach Mitternacht gewesen sein. Wir haben Zuhause noch einen Wein getrunken und sind dann schlafen gegangen.“

„Kannten Sie den Freund von Frau Weiß, Peter Köhler?“, wechselte Alex das Thema.

„Ja”, setzte Frau Krämer an. „Er war bei uns für drei Monate Praktikant. Sehr patenter, junger Mann. Er wollte im Sommer eine Umschulung bei uns beginnen.“
 

„Haben Sie vielleicht eine Nummer unter der wir ihn erreichen können?“

„Natürlich.” Sie stand auf und ging zu einem Aktenschrank. Sie benötigte eine Weile und ich nahm mir die Zeit, Herrn Dr. Schneider genauer zu beobachten. Er beachtete uns gar nicht und schob die Seiten auf seinem Handy in aller Ruhe hin und her. Ein Alibi hatte er, dachte ich genervt. Aber irgendwas stimmte da trotzdem nicht.

Frau Krämer kam auf uns zu. „Hier ist seine Adresse und seine Telefonnummer. Der arme Junge, hoffentlich verkraftet er das.“

Ich richtete mich auf und ich nahm den Zettel entgegen. „Vielen Dank, Frau Krämer. Wenn wir weitere Fragen haben, werden wir auf Sie zukommen.“

„Selbstverständlich“, willigte sie ein.
 

***
 

Auf dem Weg zu Peter Köhler rief ich bei Karin an.

„Ihr habt die Adresse schon? Wir wollten euch gerade Bescheid sagen, dass wir Herr Köhler schon verständigt haben“, sagte Karin.

„Die Heimleiterin hat sie uns gegeben. Wir sind auf dem Weg. Trotzdem danke. Habt ihr an die Blutproben gedacht?“

„Ja, die habe ich persönlich ins Labor gebracht und einen Schnelltest beantragt. Vielleicht kriegen wir heute noch eine Antwort. Waldi wartet darauf.“

„Das ist super. Wir kommen dann später noch ins Büro.“ Ich legte auf und sah Alex an. „Karin hat uns bei Herrn Köhler schon angemeldet. Er weiß, dass wir kommen.“ Er nickte und hielt sein Blick weiter auf die Straße gerichtet.
 

Als Herr Köhler uns die Tür öffnete, sahen uns schale, traurige Augen an.

„Hallo Herr Köhler, Alexander Mahler mein Name. Das ist meine Kollegin Josephine Klick.“

„Kommen Sie rein.“

Das Gespräch verlief schleppend. Herr Köhler musste immer wieder weinen und seine Stimme brach. Ein Kollege aus seiner Praktikumszeit hatte ihn kurz nach dem Anruf von Karin kontaktiert. Rein von den Fakten her sah es für ihn nicht gut aus. Er konnte kein Alibi nachweisen und gab zu sich Freitag mit Frau Weiß gestritten zu haben. Am Samstag war nach seiner Aussage aber wieder alles in Ordnung gewesen.
 

„Es hat Sie nicht gestört, dass Frau Weiß von jemand anderen schwanger war?“, fragte Alex skeptisch. Herr Köhler fuhr sich langsam mit seiner Hand durchs Gesicht und sah Alex müde und kraftlos an.

„Nein, das war vor meiner Zeit und ich liebe Kinder. Ich hätte es geliebt wie mein eigenes. Und auch Bethy wollte es behalten. Sie hatte keine eigene Familie. Ihr Wunsch war immer viele Kinder zu haben.“
 

„Und sie hat Ihnen nie gesagt, wer der Vater ist?“, fragte ich nach.

Er schüttelte seinen Kopf. „Nein, ich habe immer wieder danach gefragt, aber sie wollte es mir einfach nicht sagen. Sie meinte, es würde sowieso keine Rolle spielen und es wäre besser für mich. Deswegen hatten wir auch Freitag den Streit.“

„Hat sie jemals erklärt warum sie glaubte, dass es besser für sie wäre?“

„Das hat sie mir nie gesagt, aber ich glaube, dass der leibliche Vater ebenfalls im Heim arbeitet. Ihr ganzes Leben hat sich dort abgespielt. Sie hätte keine Zeit gehabt, woanders jemanden kennenzulernen. Ich wollte in diesem Heim meine Umschulung beginnen. Sie kannte meine Meinung zu Verantwortungsbewusstsein. Vielleicht wollte sie einfach einen Streit zwischen dem leiblichen Vater und mir vermeiden.“
 

***
 

„Es könnte Reue sein“, sagte Alex als wir Richtung Revier fuhren.

„Es könnte aber auch reine Trauer sein“, hielt ich dagegen als wir über den Gemütszustand von Herrn Köhler sprachen.

„Er hat kein Alibi, hat den Streit zugegeben und wäre kräftig genug um den Pokal als Waffe zu benutzen“, fasste Alex zusammen.

„Möglich ist es“, gab ich widerwillig zu. „Aber viel wichtiger ist doch, dass wir rausfinden, wer der Vater war.“
 

Es war recht schon recht spät als wir auf den Parkplatz vom Revier fuhren und ich erwartete nicht jemanden im Büro anzutreffen. Wir gingen durch den Flur, während Alex mir weitere mögliche Theorien schilderte zum Fall Elisabeth Weiß.

Gerade als wir um die Ecke zu unserer Abteilung bogen, sah ich wie Herr Altenburg in das Zimmer vom Chef ging. Was er wohl hier wollte? Gab es Neuigkeiten zu Fritz? Wie gerne würde ich jetzt Mäuschen spielen.
 

„Josephine“, unterbrach Alex meine Gedanken. „Hörst du mir überhaupt zu?“

„Was..? Ich...”, stammelte ich. „Nein, tut mir leid. Was hast du gesagt?“

Alex schnaubte entnervt. „In deinem Kopf möchte ich nicht drin stecken.“

Ich lächelte. „Das würdest du vermutlich nicht überleben.“

Alex verzog seinen Mund. „Damit hast du vermutlich Recht.“
 

Wir betraten unser Büro und ich blieb erstaunt stehen, als ich Fritz sah. Waldi saß neben ihn und beide blickten uns an. Alex musste wohl damit gerechnet haben ihn hier anzutreffen. Beide begrüßten sich mit einem Handschlag. Fritz sah mich an.

„Und? Habt ihr den Täter gefasst?“, fragte er herausfordernd. Ich verzog mein Gesicht. Er musste mir ansehen, dass der Tag heute nicht erfolgreich verlaufen war. Es gab viele Gespräche, aber zu wenige Erkenntnisse - zumindest meiner Meinung nach.
 

„Wie war es beim Psychologen?“, konterte ich als Gegenfrage und lehnte mich an einen der Aktenschränke. Er sah in etwa genauso geläutert aus wie ich.

„Langweilig“, stöhnte er genervt. „Habe nen Haufen Sitzungen reingedrückt bekommen.“ Alex klopfte ihn mitfühlend auf die Schulter.

„Ich hab dir ja gesagt, dass ein Tag bei dir nicht ausreichen wird, Fritz“, grinste ich ihn an und versuchte das Ganze ein wenig aufzulockern. Aber Fritz sah mich nur unzufrieden an.

Ich zuckte kurz mit den Schultern und blickte möglichst unschuldig drein.

„Was machst du überhaupt hier?“, fragte ich Fritz.
 

Bevor er was sagen konnte, antwortete Alex. „Caroline ist mit den Mädchen bei ihren Eltern. Ich kann heute also noch mit Fritz ein Bier trinken gehen und Fußball gucken.“

„Willst du mit?“, erkundigte sich Fritz. Ich war erstaunt durch seine Frage. Es war das erste Mal, dass mich einer der beiden aktiv einlud. Ich wollte annehmen und mein Puls schnellte bei dem Gedanken in die Höhe, aber im selben Moment sah ich Herr Altenburg vor meinem geistigen Auge. `Jeder sollte seinen Platz kennen´, hatte er mir am Donnerstag gesagt. Ich wusste immer noch nicht genau, wie ich diesen Satz interpretieren sollte und wollte deshalb nichts riskieren. Also lehnte ich ab.
 

„Vielleicht ein andermal. Habe heute schon andere Pläne.“

„Die wären? “ hakte Fritz nach.

Ich verdrehte meine Augen. „Haben wir nicht über das Thema Privatleben gesprochen?“ Ich hoffte, das die Frage damit vom Tisch war und ich mir keine Ausreden ausdenken musste.

„Vielleicht trifft sie sich wieder heimlich mit ihrem Förster“, warf Waldi ein. Ob er es ernst meinte oder nicht, mich störte es.
 

„Erzähl keinen Quatsch“, mahnte ich Waldi. Mein Blick schweifte über Alex zu Fritz, der finster drein schaute und angespannt wirkte. Ich wusste ja, dass er den Förster nicht leiden konnte, aber warum hatte er so eine Abneigung gegen ihn entwickelt?

Ich verschränkte die Hände vor der Brust und sah nachdenklich in die Ecke. „Dem Förster haben vermutlich meine Pommes nicht geschmeckt“, flüsterte ich schwach vor mich hin. Keiner der drei erwiderte etwas und ich ließ das Thema fallen. Ich räusperte mich nach einem Moment und sah Waldi an.
 

„Warum bist du überhaupt noch hier? Hast du nichts Besseres zu tun? Mach endlich Feierabend!“

„Ich warte noch auf die Ergebnisse der Blutproben. Die sollten heute noch kommen“, sagte er etwas kleinlaut.

Ich hatte mich wohl im Ton vergriff und versuchte etwas freundlicher zu antworten. „Mach Feierabend, Waldi. Heute Abend können wir doch eh nichts mehr machen. Es reicht, wenn wir uns Morgen früh die Ergebnisse ansehen.“

„Wenn du meinst...“ Ich nickte zustimmend. Er fuhr den Rechner runter und machte sich auf den Weg nach Hause.
 

Auch Fritz und Alex packten ihre Sachen zusammen und verschwanden in den Feierabend. Ich wartete nur noch, dass die Tür ins Schloss fallen würde, aber in diesem Moment steckte Fritz seinen Kopf noch einmal ins Büro.

„Bielefeld“, sagte er.

Ich drehte mich zu ihm um. „Ja?“

„Wenn du es dir anders überlegst, weißt du wo wir sind.“

Ich lächelte. „Macht euch nen schönen Abend, Fritz.“ Eine Weile sah er mich an, dann nickte er und hob seine Hand zur Verabschiedung.

„Alles klar, dir auch Josephine“, sagte er und wirkte beinahe enttäuscht.

Als die Tür ins Schloss fiel, ging ich zu meinem Schreibtisch, ließ mich in meinen Stuhl fallen und atmete erschöpft aus. Alex hatte sich einen Abend alleine mit seinem besten Freund redlich verdient. Ich versuchte mich wieder auf den Fall zu konzentrieren.
 

Auch wenn Tim im gleichen Zimmer wie Elisabeth gewesen war und auch wenn der Freund kein Alibi hatte, glaubte ich nicht, dass einer der beiden als Täter in Frage kam. Wer war der Vater? Ich hatte das Gefühl, dass uns diese Information der Wahrheit näher bringen würde. Ich lehnte mich in meinen Stuhl bis zum Anschlag zurück und massierte meine Schläfen.
 

„Langer Tag?“, drang eine Stimme durch den Raum. Ich schnellte hoch, blieb aber in meinem Stuhl sitzen.

„Herr Altenburg, was machen Sie denn hier? Haben Sie kein Zuhause?“

Er lehnte im Türrahmen. Nicht einmal angeklopft hatte er. „Sie scheinen sich wohl auch weniger in ihren vier Wänden wohlzufühlen, wenn Sie noch hier sind.“, entgegnete er mir mit hochgezogener Augenbraue.

„Vielleicht will ich ja einfach ein bisschen Heizkosten sparen...“

Ich hörte ihn lachen. „Sie haben auch auf alles eine Antwort, oder? Aber ich glaube Ihnen das nicht. Selbst Ihr Chef meint, dass Sie zu viel arbeiten.“
 

„Ich hab nen Fall, der mich beschäftigt“, antwortete ich ehrlich.

„Ich auch...“, entgegnete er mir. Ich sah ihn jetzt deutlicher an. Er sah erschöpft aus, übermüdet und blass. Er schien niemand zu sein, der die Fälle einfach nur als seinen Job ansah.

„Gibt es was Neues in Ihrem Fall?“, fragte ich nach.

Er ging nicht weiter auf meine Frage ein und spielte sie an mich zurück. „Mich würde interessieren, was SIE so beschäftigt, dass Sie um diese Uhrzeit noch hier sind.“
 

Ich überlegte kurz, entschied mich dann aber ihm davon zu erzählen. „Eine ermordete schwangere Heilerzieherin. Tatverdächtig sind derzeit nur ein Patient und der neue Freund. Ich halte aber beide nicht für den Täter. Das Kind stammt nicht vom Freund. Er glaubt, dass der Vater ein Arbeitskollege war. Mehr ist nicht bekannt.“

„Und Sie glauben, dass der leibliche Vater der Täter sein könnte?“, hinterfragte Herr Altenburg meine Vermutung.

Ich nickte. „Sie war auf Arbeit sehr beliebt und ein Privatleben hatte sie wohl kaum. Anfeindungen außerhalb von Arbeit können wir also ausschließen.“
 

„Wäre es nicht möglich von allen männlichen Arbeitskollegen eine DNA Probe für einen Vaterschaftstest einzuholen?“, schlug er vor.

Ich stutzte, schüttelte aber dann den Kopf. „Den Gedanken hatte ich auch schon. Aber wir können nicht allen Männern dort eine DNA Probe abverlangen. Dazu kriege ich keinen Beschluss bei der Sachlage.“

„Haben Sie nicht gesagt, dass das Opfer beliebt war?“, hakte er nach.

„Ja“, erwiderte ich und es dämmerte mir, was er meinte. „Natürlich, Sie haben Recht. Wir müssen niemanden zwingen. Wir bitten um freiwillige Beteiligung. Wenn die Mitarbeiter das Opfer wirklich mochten, werden sie an einer Aufklärung interessiert sein und alle die ihre Probe nicht abgeben, verhören wir noch einmal und prüfen das Alibi.“

Das war endlich eine vernünftige Lösung. Warum war ich nicht eher drauf gekommen.
 

„Ihr Chef hat Recht“, warf er ein.

„Wieso? Was meinen Sie damit?“, fragte ich verdutzt.

„Sie sind eine hervorragende Ermittlerin. Die Berliner Polizei kann sich glücklich schätzen eine Kollegin wie Sie dazu gewonnen zu haben.“ Ich wusste nicht so recht, was ich zu diesem Lob sagen sollte. Ich wollte nicht, dass er mir Komplimente machte. Ich wollte ihn nicht mögen.

„Ist ja nicht so, dass es meine Idee war“, wehrte ich ab. „Sie haben immerhin den Ball ins Rollen gebracht.“

Er zuckte mit den Schultern „Ich habe nur die richtigen Fragen gestellt, aber Sie haben die nötigen Antworten gefunden. Finden Sie nicht auch, dass wir ein gutes Team sind?“ Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Dieser Mann verwirrte mich. Mal war er freundlich, mal eiskalt. Ich hatte schon genug mit meinen Kollegen zu tun und wollte mich nicht auf ein weiteres Spiel mit jemandem einlassen.
 

„Sie schulden mir auch noch eine Antwort“, versuchte ich vom Thema abzulenken. „Wie steht es um Ihren Fall, der Sie so beschäftigt?“

„In meinem Fall habe ich interessante Erkenntnisse erlangt.“

„Die wären?“, hakte ich nach. Konnte ich darauf wirklich eine Antwort erwarten?

Er stieß sich vom Türrahmen ab und kam auf mich zu. Sein Blickt wirkte ernst, als er aus seiner Mappe eine Akte zog. Er entfernte einen Stapel Fotos aus einer Folie und reichte mir die Bilder. Es waren Fotos von Fritz und mir. Vor meinem Haus, spät abends. Es war der Samstag gewesen, als Fritz mich besucht hatte. Benny lag bereits schlafend im Auto.

Ich musste schlucken und versuchte mir nicht die Anspannung in meiner Stimme anmerken zu lassen
 

„Beschatten Sie mich?“

„Nur Herrn Munro“, entgegnete er neutral.

„Wir sind Kollegen“, versicherte ich.

„Ich weiß.“

„Wir vertrauen uns.“

„Ich weiß“, sagte er wieder in dieser undurchdringlichen Art. Er machte mich nervös. Welche Erkenntnisse hatte er wohl aus diesen Bildern gewonnen?

„Herr Munro besucht genauso die Familie von Herrn Mahler von Zeit zu Zeit. Er hat mich dieses Wochenende nur besucht, weil sein Sohn mein Pferd sehen wollte und er nicht wusste, wann er das nächste Mal Gelegenheit dazu haben würde. Wir wissen ja alle nicht, was nach den Untersuchungen entschieden wird.“
 

„Ich glaube Ihnen, Frau Klick.“

„Es ist ja nicht so, dass-„ Ich hielt inne. Er glaubte mir? Aber warum hatte er mir die Bilder gezeigt?

Er gab mir einen weiteren Stapel mit Bildern. Auf den Fotos waren Benny, Fritz, Alex, Caroline und die beiden Mädchen zu sehen. „Er hat den Samstag mit Ihnen verbracht und Sonntag mit Herrn Mahler. Wussten Sie das?“

„Nein“, antwortete ich ehrlich.

„Frau Klick“, sagte er und machte eine kurze Pause, als wenn er nach Worten suchte. „Ich habe das Gefühl, dass Herr Munro davon ausgeht, bald ins Gefängnis zu müssen. Ihr Kollege scheint sich verabschieden zu wollen. Ich wollte Sie das nur wissen lassen“, teilte er mir mit und nahm wieder die Bilder aus meiner Hand.
 

Warum würde Fritz so etwas tun? Es gab doch Hoffnung, oder? Es hatte keine Untersuchungshaft bisher gegeben. Das war doch ein gutes Zeichen, oder?

„Sieht es denn so schlecht aus?“, fragte ich vorsichtig nach. Mein Körper spannte sich bei der Frage nur noch mehr an.

„Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Ich treffe keine Entscheidungen, Frau Klick. Ich spreche nur die Empfehlungen aus. Entscheiden muss später der zuständige Staatsanwalt.“ Er schwieg einen Moment, sah mich an, bevor er wieder auf seine Mappe blickte. „Nach meiner ganz persönlichen Einschätzung sollte er sich noch nicht als Angeklagter sehen. Es gibt noch einige Berichte, einige Gutachten, die positiv für ihn ausfallen könnten.“
 

Wir beide schwiegen für eine Weile. Ich wurde aus ihm nicht schlau.

„Warum tuen Sie das?“, wollte ich wissen.

„Was meinen Sie?“

„Warum habe ich das Gefühl, dass Sie versuchen uns zu helfen?“

„Ich helfe nicht“, stellte er klar und seine Stimme wurde wieder fester und dienstlicher. „Frau Klick, ich bewerte. Das ist mein Job. Wenn ich der Annahme wäre Herr Munro wäre nicht mehr tragbar für die Polizei, dann wäre er bereits in Untersuchungshaft. Wissen Sie, ich werde nicht so recht schlau aus Ihrem Kollegen und dachte, dass Sie mir vielleicht helfen können.“
 

Helfen? Ausgerechnet mich fragte er? Ich wurde doch selber nicht schlau aus Fritz. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass er schon mit dem Fall abgeschlossen hat. Er war immer ein realistischer Mensch, das wusste ich. Aber dass er aufgehört hatte zu hoffen?

„Da sind wir schon zu Zweit. Wer wird schon schlau aus einem anderen Menschen, wenn man sich selber kaum versteht?“ Eine Weile sagte er nichts, aber dann stimmte er mir zu.

„Da mögen Sie Recht haben“, schmunzelte er. „Feierabend?“, fragte er mich.

„Feierabend“, stimmte ich zu. Ich stand auf und schnappte meine Tasche. „Na dann wollen wir mal.“
 

Wir gingen den Flur entlang und machten uns auf den Weg zum Ausgang. Als wir uns nicht am Parkplatz verabschiedeten, sondern er mir zum Tor folgte, sah ich ihn fragend an.

„Sind Sie nicht mit dem Auto hier?“

„Nein“, antwortete er mir. „Ich wohne nicht allzu weit weg. Die Busverbindungen sind gut und es spart mir eine stressige Autofahrt durch Berlin.“

„Sie kommen nicht aus Berlin?“, wunderte ich mich.

„Ursprünglich nicht. Ich stamme aus Lübeck“, sagte er und zum ersten Mal hörte ich bei ihm einen leicht nordischen Dialekt heraus.

“Vermissen Sie ihre Heimat nicht?”

„Tuen Sie es...?“, konterte er mit der passenden Gegenfrage.

Ich überlegte einen Augenblick, dann schüttelte ich den Kopf. „Nicht mehr.“

„Ich auch nicht.“
 

Wir standen noch einen Augenblick zusammen an der Bushaltestelle. Meine Linie kam zuerst. Wir verabschiedeten uns und ich stieg in den Bus. Als ich durch die dunklen Straßen fuhr, konnte ich mein Spiegelbild im Fenster erkennen. Ich lehnte mich an die Scheibe und blickte mich selber erschöpft an.

Der Chefermittler und ich hatten mehr gemeinsam, als ich dachte. Uns ließen beide Fälle bis in den Feierabend hinein nicht los. Und das er mir das heute mit Fritz gesagt hatte, rechnete ich ihm hoch an.
 

Aber was sollte ich tun? Was konnte ich machen, damit Fritz seine Chance sah und weiter kämpfte? Mein Kopf dröhnte vom Tag. Ich musste unbedingt heute Schlaf finden. Morgen würde ich einen Haufen Vaterschaftstest einsammeln müssen. Ich brauchte meine Kräfte. In meinem Kopf hämmerte es unentwegt und ich begann für den Rest der Fahrt meine Schläfen zu massieren.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück