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Dornröschen...

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Kapitel ist vermutlich noch sehr zäh und uninteressant. Doch ich empfand es für mich persönlich recht wichtig zu erläutern was mit Noah nach dem Unfall geschehen ist - also bevor er im nächsten Kapitel recht fortgeschritten ist mit seiner Rehabilitation. Dafür kam mir seine jüngere Schwester Anna gerade Recht, welche doch vermutlich kein weiteres Kapitel aus ihrer Sicht bekommen wird, da die Geschichte ja eigentlich von Noah erzählt wird...

Ich hoffe es gefällt euch dennoch irgendwo. Viel Spaß beim lesen!

Liebe Grüße Emma Komplett anzeigen

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Kapitel EINS
 


 

…bekam auch keinen Kuss – leider.
 


 

„Wenn er aufwacht können Sie nicht erwarten, dass er sofort mit Ihnen spricht, aufspringt und herumtollt“ ertönte genau wie in den letzten schier endlos wirkenden Tagen die Stimme der ambitionierten Ärztin im vorangeschrittenen Alter „Der Lernprozess ist schwierig und wird mit einer großen Anzahl verschiedenster Ärzte bis ins kleinste Detail geplant. Ihr Sohn muss vermutlich alles erneut lernen. All die Dinge welche für sie Frau Bram komplett verständlich sind. Wir müssen ihm zeigen wie er selbst atmet, schluckt, sich bewegt und vermutlich auch redet“.
 

Das Gezeter meiner Mutter brach allerdings nicht ab, auch nicht als mein Bruder, welcher bleich und bewegungslos im Bett lag ein leises Brummen von sich gab. Wie die Ärztin meiner Mutter verzweifelt versuchte zu erklären lag Noah momentan im sogenannten Wachkoma. Nichts von wegen „Er öffnet die Augen und die Welt ist wieder schön“. Dieses Wunschdenken gehörte nach Hollywood, doch nicht in die kalte Realität eines Schädel-Hirn-Trauma-Patient.

Nachdem Noah von einer Frau auf der Straße angefahren wurde erlitt er neben anderen inneren Verletzungen auch ein Schädel-Hirn-Trauma.
 

Damals erklärte mir die zuständige Ärztin ich sollte mir das Gehirn meines großen Bruders wie einen Luftballon vorstellen. Durch den Aufprall pumpte sich noch mehr Luft in den Ballon, solange bis er zu platzen drohte. Die Ärzte schickten meinen Bruder schlafen um den Ballon am Platzen zu hindern. Heute wusste ich es natürlich besser, sein Gehirn wäre nie wie ein Luftballon zerplatzt. Als Kind hatte mich diese Erklärung allerdings ziemlich erschrocken.
 

Ein künstliches Koma hieß nicht mehr, als das sie das Koma in dem mein Bruder lag medizinisch vertieften. Damit senkten sie den Gehirnstoffwechsel und schützten seine Gehirnzellen vor weiteren Schäden.
 

Nach zwei Jahren glaubten die Ärzte Noah wäre endlich soweit, sie reduzierten die Medikamente welche ihn in dem künstlichen Koma hielten. Doch es dauerte weitere zwei Monate bis sich überhaupt etwas tat. Irgendwann, es war ein kalter Wintertag im Januar an dem ich extra noch einmal beim Bäcker hielt um mir einen warmen Kakao zu kaufen, betrat ich sein Zimmer und mein Herz schien auszusetzen. Er lag in seinem Bett so wie immer, doch nach zwei Jahren voller bangen und beten um das Leben meines Bruders konnte ich sie sehen, seine wunderschönen blauen Augen die meinen so ähnlich sahen. Er schaute mich nicht an, es wirkte sogar als würde Noah nicht einmal einen direkten Punkt fixieren, doch er hatte sie geöffnet. Dies sollte einer der Momente in meinem Leben sein die ich niemals vergessen würde. Der kaum merkliche kühle Windzug, welches vom aufgeklappten Fenster hinweg über das Fensterbrett den leichten Duft der Orchideen herantrug. Die schwache Note von sterilem Reinigungsmittel und frisch bezogener Bettwäsche. Das leise piepen der Überwachungsgeräte und das Stimmengewirr auf dem Flur des Krankenhauses. Solch unbedeutende Dinge die den Knoten in meiner Brust zerrissen und mir das erste Mal seit zwei Jahren die Tränen in die Augen trieben. An diesem Tag schaffte ich es endlich um meinen großen Bruder zu weinen, denn mir wurde klar man würde mir Noah endlich wiedergeben.
 

Nun lag er bereits seit weiteren Wochen im Wachkoma, die Ärzte nennen es das Aufwachen. Ich nannte es eine weitere Zerreißprobe meiner Nerven. Wir sprachen jeden Tag mit ihm, ohne eine Antwort zu erhalten. Baten Noah seinen Finger oder sogar seine Hand zu bewegen. Wie oft saß ich nun bereits an seinem Bett und flehte ihn an wenigstens mit den Augen zu zwinkern – nichts.
 

„Musst du schon wieder herumschreien Marianne“ die Tür zu Noahs Zimmer wurde aufgestoßen und Marko – mein Vater betrat das Krankenzimmer mit genervter Mimik, in seinen Armen eine neue Orchidee. Noahs Lieblingsblumen. Man musste leider sagen, dass auch mein Papa bereits besser aussah. Sein Dreitagebart deutlich sichtbar und unter seinen braunen Augen ruhten dunkle Ringe.
 

Obwohl Marko nicht Noahs leiblicher Vater war sorgte er sich liebevoll um ihn und verbrachte beinahe jede freie Minute im Krankenhaus. Von meiner Mutter kam ein empörtes Schnauben und die Ärztin schien erleichtert über das Auftauchen meines Vaters. Marko lief zielstrebig an uns vorbei, streichelte kurz über meinen Kopf und lief weiter zum Fensterbrett um mittlerweile der sechsunddreißigsten Orchidee ihr neues Zuhause vorzustellen.
 

Mit empörter Miene – welcher der meiner Mutter sehr ähnelte – richtete ich mir meine Haare und wechselte meine Sitzposition auf dem Stuhl in einen Schneidersitz.
 

„Dr. Coenen. Wie sieht es aus, die Frage von Marianne zu Noahs Zustand. Ist eine vollständige Genesung wirklich gänzlich ausgeschlossen?“ mein Vater wendete sich weder zu Dr. Coenen, noch zu mir oder Mutter. Sein Blick schien starr auf die Orchidee gerichtet, welche er unkoordiniert hin und her drehte.
 

„Na ja“ es schien Dr. Coenen sichtlich schwer zufallen „Wissen sie. In den meisten Fällen muss man damit rechnen, dass der Komapatient nicht dieselbe Person sein wird welche sie vor dem Unfall war. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie genau denselben Noah zurückbekommen den sie vor zwei Jahren verloren haben“. Eine Antwort die sich bereits jeder von uns dachte, doch keiner hören wollte. Die Schultern meines Vaters verloren ihre Spannung und meine Mutter setzte sich wimmernd auf die Kante von Noahs Bett. Sie klang wie ein Welpe den man quälte und traktierte. Auch wenn Noahs Unfall sie verändert hatte, so konnte man ihr nicht unterstellen sie würde meinen Bruder nicht von ganzem Herzen lieben.

„Aber Noah ist jung Herr Bram. Es besteht eine unglaublich gute Chance auf eine körperliche Rehabilitation“.
 

„Dr. Coenen“ stellte ich nun eine Frage. Eine Frage die mich bedrückte und mir mein Herz schwerer werden ließ „Kann es passieren, dass sich Noah nicht mehr an uns erinnert?“. Ein sachtes Lächeln bildete sich auf den Lippen der brünetten Ärztin als sie auf mich zu trat und mir ihre Hand auf die Schulter legte „Keine Sorge Anna. Das passiert nur in wirklich wenigen Fällen“.
 

„Aber es kann nicht ausgeschlossen werden?“ hakte meine Mutter nach und schnäuzte in ihr Taschentuch. Sie sah mitgenommen aus. Die Ärztin schüttelte leicht den Kopf „Dazu kann ich zum momentanen Zeitpunkt noch nichts sagen“.
 

Nachdem die Ärztin gegangen war herrschte Stille im Raum. Mein Vater stand am Fenster und ließ seinen Blick auf Noah ruhe, während meine Mutter mit dem Rücken zu ihm weiterhin auf der Bettkante saß. Damals war alles besser. Worte die ich nie verstand, besonders da sie meist von älteren Menschen in Bezug auf die Vergangenheit benutzt wurden. Eine Vergangenheit die ich nur aus Büchern kannte und welche mich – um ehrlich zu sein – wirklich wenig interessierte. Vielleicht war es sogar etwas egoistisch, doch momentan interessierten mich die Probleme anderer Menschen nicht. Kein bisschen.
 

Seid Noahs Unfall hatte sich so viel geändert. Und irgendwie, ganz tief in mir, wünschte ich mir für Noah er würde weiterschlafen. Er mochte Veränderungen noch nie und vermutlich konnte er vieles nicht verstehen, da ihm die letzten zwei Jahre verwehrt blieben. Man konnte meinen man hätte sie ihm gestohlen. Einfach verweigert. Er hatte nie die Chance meinem ersten Freund lächerliche Androhungen zu machen, konnte mich nicht zu meiner Aufnahme auf meinem Wunschgymnasium beglückwünschen oder mir sagen wie schön mein Lächeln ist nachdem ich endlich meine Zahnspange los wurde. Und auch wenn mir all diese Sachen so lächerlich wichtig erschienen, so wusste ich, dass er ebenfalls viel verpasste. Seinen Schulabschluss, die Trennung seines Freundeskreises und so einiges mehr. Nur noch selten kamen ihn seine alten Freunde besuchen. Eventuell hatten sie auch einfach schon aufgegeben. So wie Mama und irgendwo auch Papa.
 

Die Stille umschloss mich, nachdem unsere Eltern das Krankenzimmer verließen und wie jeden Abend beobachteten du und ich den Sonnenuntergang, welchen wir von deinem Krankenzimmerfenster aus beobachten konnten. Das warme Farbenspiel. Das sanfte violett jenes tanzend in das kräftige orange überging. Ich wusste, die Ärzte wollten nicht, dass ich mich zu dir ins Bett legte. Ich könnte an eines der Kabel kommen mit denen sie dich verunstalteten. Doch es änderte nichts daran.
 

„Ich vermisse dich so sehr Noah“. Durch die letzten zwei Jahre lernte ich woher das Sprichwort „So nah und doch so fern“ kam. Denn auch wenn du hier warst, schien es als wärst du irgendwo an einem anderen Ort.
 

„An-na...“
 

Verwirrt öffnete ich die Augen, rappelte mich hoch und blickte zur Tür. Eine heisere, kratzige Stimme flüsterte durch den Raum. Es klang dumpf, als die Person einen Raum weiter stehen. Erst glaubte ich Marko wäre zurück, doch die Tür machte einen fest verschlossenen Eindruck.
 

„An-na“.
 

Ganz sanft, wie ein Windzug, ein streifender Atem fuhr es über meine Hand. Kühl und weich, schwach und dennoch bestimmend. Noch bevor ich meinen Kopf herumdrehte konnte fühlte ich wie sich meine Augen mit Tränen füllten und meine Brust schwerer wurde. Erneut hörte ich jemanden meinen Namen wispern. Meine Hand wanderte wenige Millimeter weiter und ergriff die Hand meines Bruders und da, kaum merklich erwiderte sie meinen Druck. Es dauerte eine Ewigkeit bis ich meine Augen auf Wanderschaft schickte, die Angst all dies wäre nur ein Gespenst, entstanden aus meinen Wünschen, war so unbeschreiblich groß.
 

„Noah…“
 

Und doch, seine Augen trafen direkt auf meine.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Ray-
2016-07-27T14:10:05+00:00 27.07.2016 16:10
Hey du die letzte Szene verursacht eindeutig Gänsehaut. Du hast zwar recht dass das Kapitel zunächst einen zähen Eindruck macht doch hat sich meine Meinung recht schnell geändert! Gute Idee Anna als Erzählerin einzusetzen solange Noah nicht aktiv teilhaben kann. Schönes Kapitel und schöne Idee ich bin gespannt wie du das ganze umsetzen wirst. Liebe Grüße


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