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Dead Ringer for Love

von

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Anacrusis


 

Es wurde bereits dunkel, als der letzte Kunde den Laden verließ. Die Verkäuferin stieß ein Seufzen der Erleichterung aus, als sie endlich die freundliche Maske, die man von ihr erwartete, ablegte. Bevor jemand noch auf die Idee käme, spontan etwas kaufen zu wollen, schloss sie die Ladentür ab, damit sie sich in Ruhe dem Aufräumen widmen konnte.

Den ganzen Tag über nahmen Kunden die Bücher heraus, um sie sich anzusehen und räumten sie dann an den falschen Stellen wieder in die Regale. Oder sie landeten gar nicht mehr darin, sondern blieben auf irgendeinem Stapel liegen. Aber um sich diesem Chaos zu widmen, war sie unter anderem ja erst eingestellt worden. Und das Aufräumen störte sie auch wesentlich weniger als der Umgang mit den Kunden; das dauerhafte Lächeln ließ einem irgendwann die Wangen schmerzen und sorgte bei ihr nur noch für schlechte Laune.

Während sie die Bücher sortierte, flackerte die alte Lampe an der Decke. Das war sie aber bereits gewohnt, die Glühbirne war an die hundert Jahre alt, falls sie den Geschichten der anderen Angestellten glauben durfte (was sie natürlich nicht tat). Wenn sie aber funktionierte, spendete sie genug gelbliches Licht, dass man sich ganz auf die Arbeit konzentrieren konnte.

Sie selbst war noch nicht so lange im Laden angestellt; es waren erst zwei Wochen, doch es war genug, um bereits die Eigenheiten der Einrichtung zu kennen (eines der Beine des Stuhls hinter dem Tresen war zu kurz, deswegen lag stets eine Streichholzschachtel darunter), sowie die Geschichten, die man sich so erzählte (meistens ging es dabei um Dämonen, die Bücher lesen wollten oder sich in Badezimmern versteckten). Sie glaubte das alles natürlich nicht, schließlich war sie ein vernünftiger Mensch im 21. Jahrhundert, da konnte man diesem Aberglauben nicht mehr nachhängen. So sah sie es jedenfalls.

An diesem Abend schien ihr das Licht mehr als sonst zu flimmern, sie machte sich innerlich eine Notiz, dass sie dem Besitzer deswegen Bescheid gab. Auch was die Heizung anging, denn plötzlich fröstelte sie. Den Schwefelgeruch im Anschluss konnte sie sich allerdings nicht erklären. Sie wollte nichts darauf geben, aber sie musste wieder an die unheimlichen Geschichten denken und kam dabei nicht umhin, sich vorzustellen, wie eine Hand unter dem Tisch nach ihr zu greifen versuchte.

Sie wich ein wenig zurück und sah nach unten, entdeckte aber nichts, das danach aussah als versuche ein Teufel sie in die Unterwelt zu ziehen. Natürlich nicht.

Derart zufrieden gestellt atmete sie erleichtert auf – doch da erklang plötzlich eine leise Stimme: »Das Buch.«

Verwirrt sah sie sich um. Der Laden war zu klein als dass sich jemand darin verstecken könnte, und die Tür war abgeschlossen. Es konnte also unmöglich jemand hereingekommen sein, schon gar nicht, ohne dass ihr das aufgefallen wäre. Spielte ihr Verstand ihr dann nur Streiche?

»Wo ist das Buch?«, erklang die Stimme noch einmal, diesmal intensiver als zuvor.

Unzählige Schauer liefen ihren Rücken hinab, während sie zurückwich. Die Arbeit und auch ihre Vernunft waren ihr egal, sie wollte nur noch wegrennen, egal wohin.

»Gib mir das Buch!«

Plötzlich wurden Folianten von unsichtbaren Kräften aus den Regalen gerissen und quer durch den Laden geschleudert. Sie stieß einen erschrockenen Schrei aus, wirbelte herum und stieß gegen die Tür. Sie fummelte am Schloss herum, rutschte immer wieder mit der Hand ab. Ihr Herz schlug ihr inzwischen schmerzhaft gegen die Rippen.

»Mein Buch!«, kreischte die Stimme hinter ihr.

Schließlich gelang es ihr, die Tür zu öffnen. Sie stürzte hinaus, ohne sich noch einmal umzusehen. Kaum war über die Schwelle beschloss sie bereits, diesen Laden nie wieder zu betreten.
 



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