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Dead Ringer for Love

von

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Verse 1


 

Normalerweise war Sonntag lediglich Ryusukes freier Tag, den er überaus nötig hatte. An diesem tat er nichts anderes als auszuschlafen, seine Hausaufgaben zu erledigen und online in diversen Foren herumzuhängen. Wenn er bedachte, was er den Rest der Woche alles erledigen musste – vor allem bei seiner Arbeit –, hatte er sich diese Auszeit durchaus verdient.

An diesem Sonntag war aber einiges anders. Statt auszuschlafen, war er frühmorgens aufgestanden, um seine Hausaufgaben zu erledigen und sich dann auf das Kommende vorzubereiten: sein erstes Date mit Masamune Shiga.

Schon beim Gedanken daran musste er zufrieden grinsen, bis sein Gesicht zu schmerzen begann. Daran müsste er noch arbeiten, damit Shiga ihn am Ende nicht noch unheimlich fände. Schließlich wollte er noch ein weiteres Treffen mit ihm haben. Und unheimliche Dinge erlebten sie unter der Woche bereits genug.

Als sein Haar vernünftig saß – jedenfalls so sehr es möglich war – und auch die Krawatte ihm nicht mehr die Luft abschnürte, machte er sich auf den Weg zu ihrem Treffpunkt. Shiga hatte vorgeschlagen, dass sie sich in einem Café in Jimbocho treffen könnten. Eine ungewöhnliche Wahl, da Ryusuke eher mit Akibahara gerechnet hatte, aber immerhin bedeutete dies auch, dass sie nicht nach Computer-Zubehör suchen würden. Beim letzten vermeintlichen Date war genau dies der Fall gewesen. Offenbar war Shiga diese Verabredung auch ernst.

Neben den Hobbys gab es noch die Arbeit, die ihnen in die Quere kommen könnte. In manchen Wochen konnten sie sich vor Geistern und Exorzismen kaum retten, in der vergangenen hatten sie aber die meiste Zeit im Büro verbracht; immerhin kam die nächste Ausgabe ihrer Zeitschrift gut voran. Es gab damit keinen Grund, dass er annehmen müsste, dass doch noch überraschend eine rastlose Seele – oder ein dringender Artikel – auftauchte.

Dem besten Tag des Jahres stand also absolut nichts im Weg.

Seine Schritte waren locker und schneller als sonst, während er sich schließlich seinen Pfad durch die Besucher Jimbochos bahnte. Die meisten Buchläden waren am Sonntag geschlossen, dennoch gab es überraschend viele Leute, die umherschlenderten. Aber ihm war, seit er nach Tokyo gezogen war, ohnehin oft der Gedanke gekommen, dass die Straßen hier niemals leer wurden. Er fand es erstaunlich, doch langsam gewöhnte er sich daran.

Kaum kam das Café in Sichtweite, entdeckte er durch dessen Glasfront auch schon Shiga, der wieder überpünktlich vor Ort gewesen war. Sein zufriedenes Seufzen über den Anblick seines Freundes konnte er nicht verhindern. Glücklicherweise beachtete ihn aber auch niemand, deswegen störte sich auch keiner an seinem schwärmerischen Blick.

Shiga war in die Karte des Cafés vertieft, den Kopf nach unten gerichtet, die Brille war heruntergerutscht, sie saß fast auf seiner Nasenspitze. Er war aber so sehr in seine eigene Welt verschwunden, dass er sich darum nicht kümmerte.

Ryusuke machte einen ersten Schritt, um endlich zu seinem Date zu kommen – da teilte sein Handy ihm mit, dass er eine Nachricht bekommen hatte. Sie konnte nicht von Shiga sein, deswegen überlegte er kurz, einfach nicht danach zu sehen, aber sein Verantwortungsgefühl siegte schließlich. Er zog sein Telefon aus der Tasche. Die Mail war von Iku Kaede, der kleinen Magierin der Gate Keepers. Das an sich störte Ryusuke nicht, er mochte Kaede, aber der Inhalt ließ sämtliche Farbe aus seinem Gesicht weichen: Ryu-kun, denk an die Vorstellung des Magieclubs heute!! Du hast versprochen, aufzutauchen, ich erwarte dich also bald! (≧∀≦)

Seine Atmung beschleunigte sich ein wenig. Er hatte das vollkommen vergessen! Vor lauter Freude über das Date war ihm alles andere vollkommen aus dem Gedächtnis verschwunden. Was sollte er nur tun?

Er sah von seinem Handy hoch zu Shiga, der von seiner Anwesenheit noch immer nichts mitbekommen hatte. Wenn er sein Versprechen einhalten wollte, würde er dieses Date versäumen. Aber wenn er egoistisch handelte, verletzte er Kaede, was er genauso wenig wollte.

Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, lieferte ihm aber nur allerlei Horrorszenarien, für den Fall, dass er einen der beiden enttäuschte, und wie sich das auf den Rest der Gruppe auswirken würde.

Da er aber eine Entscheidung fällen musste – und er sich berechtigt fühlte, einmal egoistisch zu sein – suchte er in seinen Kontakten nach der Nummer von Tomokiyo Otoe. Bei allen anderen war er überzeugt, eine Abweisung zu erfahren oder er wusste, dass sie keine Zeit hatten, also blieb der launische Musikfan seine einzige Chance. Während er darauf wartete, dass Otoe den Anruf annahm, überlegte er, ob dieser vielleicht an einem Sonntag arbeiten musste; er hatte ihn nie danach gefragt.

Gerade als er entnervt aufgeben und sein Glück bei Moichi versuchen wollte, gab es ein Klicken in der Leitung, gefolgt von einem gelangweilten »Was ist?«.

Ryusuke fiel ein ganzes Gebirge vom Herzen. »Otoe, hast du heute was zu tun?«

Sein Gesprächspartner seufzte. »Was willst du denn? Ist wieder ein Geist unterwegs?«

»Nein, nein. Du müsstest mir nur einen Gefallen tun.«

Otoe schwieg. Ryusuke fuhr eilig fort: »Iku hat heute eine Aufführung ihres Magieclubs.«

»Was hab ich damit zu tun?«

»Du müsstest sie für mich besuchen und ihr Mut zusprechen. Ich habe was Wichtiges zu tun.«

»Vergiss es.« Otoe schnaubte. »Erstens ist das dein Versprechen, zweitens kannst du doch eher Yamakawa fragen. Moichi hat mir erzählt, dass er-«

»Nein, das ist nur ein Missverständnis.«

Kojiro Yamakawa war von Moichi einmal beobachtet worden, wie er den Ballon eines kleinen Mädchens gerettet hatte. Natürlich war diese Situation vollkommen falsch verstanden worden. Ryusuke kannte die Sichtweise beider Seiten, deswegen konnte er das sagen. Leider redete Kojiro nicht gern über sich mit den anderen Teammitgliedern, deswegen kannte jeder von ihnen nur Moichis falsche Version.

»Wie auch immer«, fuhr Otoe fort, »ich hab keinen Bock darauf. Frag halt irgendeinen anderen.«

Er konnte schlecht damit argumentieren, dass alle anderen beschäftigt waren. Mit Sicherheit würde sein neuster Kollege dann einfach auflegen und seine Nummer blockieren. Nein, er bräuchte eine bessere Idee. Glücklicherweise kam ihm auch sofort eine: »Iku hat gesagt, dass sie dich besonders mag. Es würde sie bestimmt viel mehr freuen, wenn du auftauchst, statt ich.«

Otoe schwieg, aber er legte nicht auf. Ryusuke nutzte die Gelegenheit, um einschmeichelnd nachzusetzen: »Sie sagte, sie sieht dich als eine Art großer Bruder

Er hielt den Atem an. Hier würde sich entscheiden, ob das Date überhaupt stattfinden könnte oder ob er Shiga auf ein andermal vertrösten müsste. Dieser wechselte inzwischen immer wieder zwischen der Speisekarte und seinem Handy hin und her. Es wurde unbarmherzig später.

Es dauerte fast zu lange, bis Otoe endlich ein Seufzen ausstieß. »Okay, fein. Ich mache es. Aber dafür schuldest du mir dann was, Touma.«

»Klar, alles, was du willst. Du rettest mein Leben.« Sein Liebesleben jedenfalls, aber das musste genügen.

»Ja, was auch immer. Schick mir die Infos per Mail.«

Damit beendeten sie das Gespräch auch schon. Ryusuke leitete ihm Kaedes Mail mit den Details weiter und bedankte sich noch ein paarmal bei Otoe für die Hilfe.

Nachdem das geschehen war, steckte er das Handy ein, richtete noch einmal seine Krawatte und betrat erhobenen Hauptes das Café.

Mit einem hoffentlich möglichst selbstsicheren – und nicht gruseligen – Lächeln, setzte er sich zu Shiga an den Tisch. »Hey. Tut mir leid, dass ich so spät komme.«

Sofort richtete sich die Aufmerksamkeit seines Freundes auf ihn. Die scharfen, klaren Augen Shigas glitzerten kaum merklich, als er lächelte. »Keine Sorge, ich habe mich noch nicht gelangweilt.«

Er hob sein Handy ein wenig. »Die Chefin hat mich schon ein paarmal angeschrieben.«

Ryusuke zog die Augenbrauen zusammen. Aber noch ehe er fragen konnte, fuhr Shiga bereits selbst mit einer Erklärung fort: »Sie scheint etwas von unserem Date mitbekommen zu haben, und deswegen ärgert sie mich jetzt damit.«

Zu hören, dass Shiga diese Verabredung wirklich selbst als Date bezeichnete, löste ein warmes, kribbelndes Gefühl in seinem Inneren aus. Der Rest eher weniger. »Hat sie nichts Besseres zu tun?«

»Du weißt doch, wie sie ist.« Shiga zuckte mit den Schultern. »Sie findet das einfach lustig.«

Das war nur eine von Fukurais skurrilen Arten und Weisen, ihre Freizeit zu verbringen. Da sie aber sein Boss war, zog Ryusuke es vor, das nicht zu hinterfragen; schließlich mochte er seine Arbeit.

Shiga legte das Handy wieder beiseite. »Genug davon. Wir haben heute frei.«

Und dafür war Ryusuke auch wirklich dankbar. Deswegen vertiefte er sich nicht so wirklich in die Karte, während er überlegte, was er bestellen sollte, sondern hing weiter seinem Schwärmen nach, während er Shiga immer wieder ansah und ihm lauschte. Dass Kaede wütend sein könnte, hatte er inzwischen längst in die Untiefen seines Gehirns verdrängt.

 

Zu Ryusukes Unglück endete die gemeinsame, unbeschwerte Zeit aber schon nach nicht einmal einer halben Stunde. Er hatte gerade den letzten Bissen seines Kuchens geschluckt, als Shigas Handy klingelte. Sie sahen sich an, beide ganz genau wissend, dass der Klingelton signalisierte, dass es ihre Chefin, Chizuru Fukurai, war, die da unbedingt mit Shiga sprechen wollte.

Ryusuke lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Hoffentlich will sie noch mehr blöde Scherze machen.«

Ansonsten gäbe es einen neuen Auftrag, der sie von dieser Verabredung abhielt. Aber bei seinem Glück war er sich fast sicher, dass er darauf bauen konnte.

Aufmerksam beobachtete er Shigas Gesicht, während dieser den Anruf annahm und Fukurai nach dem Grund für die Störung fragte – nur fragte Shiga das wesentlich höflicher.

Nach wenigen Sekunden runzelte Shiga die Stirn. Nie ein gutes Zeichen.

Plötzlich verkündete Ryusukes Handy, dass er eine neue Mail bekommen hatte. Solange sein Freund abgelenkt war, griff er nach seinem eigenen Handy. Schon als er sah, dass es Kaede war, die ihm geschrieben hatte, lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Als er sie öffnete, bestätigte sich sein Eindruck: Warum hast du mir Otoe geschickt??? Du wolltest doch selbst kommen!!! (ε´)

Möglichst wortreich entschuldigte er sich dafür, erklärte ihr aber auch, dass er mit den Daten durcheinandergekommen war und er gerade eine Verabredung hatte. Er schrieb nicht, mit wem, vermutlich konnte sie es sich ohnehin denken. Ihre Antwort bestand dann nur noch aus einem Smiley: (>μ<#)

Er hoffte, dass Kaede sich bald wieder beruhigte. Ansonsten müsste er überlegen, wie er sie wieder versöhnen könnte. Schließlich mochte er sie, da wollte er nicht, dass sie ihn plötzlich nicht mehr mochte.

Nachdem das einigermaßen geregelt war, konzentrierte er sich wieder auf Shiga, der noch immer mit gerunzelter Stirn mit Fukurai telefonierte.

»In Ordnung«, sagte er schließlich. »Wir treffen uns dort.«

Shiga legte auf, steckte das Handy weg und seufzte. »Es gibt einen neuen Auftrag für uns.«

»Jetzt?« Ryusukes Stimme klang schriller als er es sich gewünscht hatte. »Ist es echt so notwendig?«

»Die Chefin sagt, dass wir in der Nähe sind und deshalb eben hinkommen können.«

Woher wusste Fukurai davon? Hatte Shiga es ihr verraten? Nein, das wollte Ryusuke nicht glauben.

»Wir können das Date später fortsetzen«, sagte Shiga, während er der Bedienung winkte, um zu bezahlen. »Es wird bestimmt nicht lange dauern.«

Das konnte Ryusuke nur hoffen, aber wirklich überzeugt war er davon nicht. Bislang waren sie nicht einmal zum romantischen Teil gekommen. Dabei hatte er sich das endlich verdient. Schließlich war er derjenige, der für den Job sogar gestorben war. Wieso gönnte ihm das Leben dann nicht einmal ein wenig Liebe?

Nachdem Shiga bezahlt hatte, stand Ryusuke auf. »Okay, dann bringen wir es lieber hinter uns, bevor uns wieder mal das Gehalt gekürzt wird.«

Einmal jedenfalls hatte Fukurai das bereits getan, nur weil sie zu spät gekommen waren. Gut, es waren fast zwei Stunden gewesen, aber wie konnte man sich auch auf die Zeit konzentrieren, wenn man Zeit mit der Person verbrachte, in die man verliebt war?

Shiga navigierte seinen Rollstuhl beneidenswert einfach hinter dem Tisch hervor, dann nickte er Ryusuke zu. »Ja, lass uns gehen. Ich führe dich hin.«
 



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