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Balance Defenders

von

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Zwischenspiel 2

Schmidt blickte zum x-ten Mal verwundert auf die zwei Steinplatten, die neben ein paar Aufzeichnungen und einem Schreiben des Professors in dem Paket enthalten gewesen waren. Abermals las er den beiliegenden Brief durch:
 

Sehr geehrter Herr Doktor Schmidt, lieber Freund,

vermutlich wird dieser Fund Dich genauso faszinieren wie mich. Ich habe nach alten Römerstätten gesucht und die verschütteten Überreste eines Bauwerks gefunden, das allerdings um einiges jünger ist.

An den Wänden fand ich diese Inschriften und löste sie mit höchster Behutsamkeit ab. Du bist der erste, der von ihrer Existenz erfährt. Mit was für einer Schrift ich es hier zu tun habe, ist mir bisher nicht klar. Ich hoffe, es gelingt Dir, sie einzuordnen und zu übersetzen.

Wie Du an den Tafeln erkennen kannst, scheint die Inschrift in den Stein eingebrannt worden zu sein. Doch mir bleibt es ein Rätsel, wie dies mit solcher Präzision, wie man sie an den feinen Buchstaben erkennen kann, zu jener Zeit möglich gewesen sein soll.

Nun zu etwas anderem:

Eine gewisse Finster GmbH trachtet nach meiner Ausgrabungsstätte. Meine Partner, soweit man diese Ignoranten so bezeichnen kann, haben dem Kauf bereits zugestimmt. Ich bin als einziger noch dagegen. So einfach werde ich meine Ergebnisse nicht an einen dahergelaufenen Dilettanten abtreten! Aus diesem Grund habe ich Dir auch die Originalplatten geschickt. Bei Dir weiß ich sie in Sicherheit vor diesen raffgierigen Individuen.

Bitte informiere mich so schnell wie möglich über den Inhalt der Schriften.

Mit freundlichen Grüßen

Giovanni
 

Kritisch betrachtete Schmidt die beiden Artefakte. Ganz zart und schlank waren die Buchstaben darin eingelassen; die sachten Schwünge, die ohne zusätzliches kitschiges Geschnörkel auskamen – eine vollendete Schönheit, wie er fand.

Auf den Zügen des Doktors zeigte sich ein kurzes Schmunzeln. Natürlich hatte der aus Italien stammende Geronimo die Schrift nicht erkannt. Sein alter Freund war vermutlich alle möglichen antiken Schriften durchgegangen, mit denen er sich im Laufe der Jahre beschäftigt hatte, doch mit alter deutscher war er vermutlich nicht vertraut.

Schmidt kannte die Sütterlinschrift natürlich, daher war es für ihn ein Leichtes die Worte zu entziffern:
 

In einer Ära, da der Kosmos gestört durch die eine Lebensform, die wider die Natur zu verhalten befähigt, ist das Gleichgewicht bedroht und das Chaos ziehet herauf.

Leben zu Tod, Tod zu Leben. Dies Geschick den Beschützern gegeben. Jenseits von Licht und Finsternis erschaffen, müssen ihren Weg sie wählen, der da führt zu Rettung oder Untergang.
 

So lautete der Text der ersten Tafel, während die andere einen Reimtext beinhaltete:
 

Finster ward es beim Einbruch der Nacht

der da verdrängt des Lichtes Wacht

Das Eine gespalten nun entzweit

brachte statt Liebe nur Schmerz und Leid

Entstandenes Leben drohet zu wanken

überschreitet die Schöpfung des Gleichgewichts Schranken

Schicksal Verändern

Vereinen Vertrauen

Wunsch Geheim

Auf diese Beschützer müsst ihr bauen

Bald wird gekommen sein die Zeit

Die Auserwählten geleitet Ewigkeit
 

Die Sütterlinschrift war ab 1930 an allen deutschen Schulen gelehrt worden. 1941 verbot Hitler ihren Gebrauch. Kreiert worden war die sogenannte „deutsche Schrift“ von dem Graphiker Ludwig Sütterlin durch eine Vereinheitlichung unterschiedlicher deutscher Handschriften des 17. bis 19. Jahrhunderts.

Somit war Schmidt sich nicht sicher, ob es sich nun um Sütterlinschrift oder eine der ihr vorangegangen Kurrentschriften handelte. Dies erschwerte die Bestimmung der Entstehungsepoche.

Des Weiteren stellte sich die Frage, wie der geradezu primitiv abergläubische Inhalt mit dieser Zeitspanne vereinbar war, wo doch zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung in Deutschland begonnen hatte?

Vielleicht hatten irgendwelche Sektenanhänger diese Endzeitprophezeiung verschuldet. Aber wie war es ihnen gelungen, die Zeilen in die Wand zu gravieren? Der Gedanke, dass jemand aus der Gegenwart den Text mit den fortgeschrittenen Mitteln des 21.Jahrhunderts in die Wände geschweißt hatte, hätte zwar den Umstand erklärt, wie die Schrift mit solcher Präzision in den Stein gebrannt worden sein konnte, klang aber absurd. Zudem war der Herkunftsort laut Geronimo bis zur Freilegung verschüttet gewesen.

Des Rätsels Lösung suchte Doktor Schmidt vergeblich in seinen grauen Zellen. Sein Denken wurde durch das kontinuierliche Prasseln des Regens, der mit einer enormen Gewalt auf das Fenster eindrang und immer schlimmer zu werden schien, nicht gerade beflügelt. Zumindest war das Donnern schwächer geworden.

Plötzlich war ein lautes Klirren zu hören.

Herr Schmidt stand auf. Das Geräusch musste aus einem der hinteren Räume gekommen sein. Hatte eine Scheibe dem Druck nicht Stand halten können?

Schmidt öffnete die Türe seines Arbeitszimmers, dessen Licht nun in den stockfinsteren Gang fiel und betätigte den Lichtschalter. Er war es gewohnt, dass die Lampen etwas längere Zeit beanspruchten, ehe sie ihre Arbeit aufnahmen, und so wartete er, umhüllt vom Heulen des durch die Fensterscheibe dringenden Windes. Dabei bemerkte er nicht, wie ein Teil des Schwarzen wie ein lebendiger Schatten in sein Arbeitszimmer schlüpfte.

Es tat sich nichts. Die Beleuchtung sprach nicht an.

Erneut legte Schmidt, nun fluchend, den Schalter um, doch es blieb beim gleichen Ergebnis.

Zu allem Übel wurde im nächsten Moment die Türe zu seinem Arbeitszimmer zugestoßen. Wohl vom Windzug.

Deutlich gereizt öffnete er die Tür wieder, doch auch dieser Raum lag jetzt in Finsternis. Der gesamte Strom musste ausgefallen sein.

Dieses verdammte alte Gemäuer!

Plötzlich entdeckte er auf seinem Tisch, zumindest war er sich sicher, dass dieser sich an jener Stelle befinden musste, eine ihm unbekannte Lichtquelle.

Vorsichtig, um nicht irgendwo anzustoßen, näherte er sich dem Leuchten, dessen Aktivität unaufhaltsam intensiver wurde. Seine Augen weiteten sich.

„Unmöglich...“

Die Inschrift auf den Steintafeln hatte begonnen zu glühen.

Schmidt war sprachlos. Gebannt starrte er auf das zauberhafte Schauspiel vor seinen Augen: Weißblaues Licht, in dem Millionen von winzigen Kristallen zu funkeln schienen, strömte aus den Buchstaben. Im nächsten Moment änderte sich dies. Die Zeichen erleuchteten in einem knalligen Pink, gleichzeitig fingen sie an, zu blinken, als wollten sie ihn vor etwas warnen.

Mit einem Mal gewahrte Schmidt einen eisigen Hauch im Nacken, der sich nicht nur um seinen Körper, sondern auch um seinen Geist legte und mit erbarmungsloser Gewalt diesen zu zerquetschen drohte. Ehe sein Verstand registriert hatte, was vorging, hatte sein gesamter Körper begonnen, zu zittern. Das Knurren, das seine Ohren vernahmen, spiegelte puren Hass und Mordlust wider. Er wollte sich nicht umdrehen, doch tat er es im Affekt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  CMH
2022-06-24T19:47:47+00:00 24.06.2022 21:47
Zu Hilfe! Erst Bonbonpink (deswegen deine Farbgebung auf Instagram?), dann gruselig. 😱 Die Reime gefallen mir! 💚
Antwort von:  Regina_Regenbogen
25.06.2022 01:01
🤯 Du eröffnest mir hier gerade ganz neue unbeachtete Interpretationen meines Unbewussten! Vielleicht kommt wirklich daher meine Farbgebung. Das würde so viel Sinn ergeben!
Von:  totalwarANGEL
2020-09-04T23:21:03+00:00 05.09.2020 01:21
Man hat da schon ein paar Indiana Jones Vibes empfangen können bei diesen leuchtenden Schrifttafeln. Und so eine kleine Prophezeiung am Morgen ist auch nicht schlecht.
Von:  RukaHimenoshi
2020-08-21T19:37:15+00:00 21.08.2020 21:37
Uff, spannend spannend. Wie kannst du nur ein Zwischenspiel-Kapitel so enden lassen?! °o°
Ich muss gestehen, dass ich mich immer noch erst mit den (eigentlich) beiden neuen Charakteren anfreunden muss, aber es ist cool jetzt schon die angedeuteten Verbindungen zum Rest zu sehen. Besonders gut hat mir der geschichtliche Part gefallen! Musste die Schrift erst einmal googlen, aber sie sieht wirklich hübsch aus. :D
Hoffentlich kommt der gute Herr Schmidt heil aus dieser Sache heraus, der arme, grummelige Mann hat doch eigentlich gar nichts mit all dem zu tun. :(
Antwort von:  Regina_Regenbogen
22.08.2020 09:17
Das freut mich. :D Zum Glück gibt es Google. Ich kann aufgrund der Richtlinien von Animexx ja kein Bild von Sütterlinschrift hochladen. :)
Gewöhn dich besser nicht zu sehr an den alten grummligen Mann. (>_O')\


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