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Balance Defenders

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Die fünf haben Erik in ihr Hauptquartier mitgenommen und ihm eröffnet, dass das Rollenspiel keine Fiktion ist. Vivien hat daraufhin beschlossen, dass Ewigkeit den Abend bei ihm verbringen soll, damit sie sich besser kennenlernen können...

Viel Freude bei diesem leichtherzigen Zwischenkapitel! Komplett anzeigen

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Farbe bekennen


 

Farbe bekennen

 

„Die Aufrichtigkeit ist die verletzbare Form der Wahrheit.

Sie wohnt gleich neben dem Herzen.“

(Aus Tibet)

 

Erik konnte nicht fassen, dass Vitali ihn tatsächlich teleportiert hatte. Er berührte die Einrichtung, nur um sicherzugehen, dass er nicht nur einer Wahnvorstellung erlag. Dann ließ er seine Tasche zu Boden gleiten und warf seine Jacke auf den Schreibtischstuhl.

Hinter sich hörte er das leise Geräusch von zarten Glöckchen und drehte sich zu Ewigkeit um.

Prompt machte sie einen Satz zurück. als habe sie sich vor seinem Gesichtsausdruck erschreckt. Sie zog die Schultern an.

Er stöhnte.

Ewigkeit stand wortlos in der Luft und ließ den Kopf hängen, als habe sie etwas falsch gemacht.

„Kannst du auch reden?“, fragte Erik streng.

Ewigkeit nickte eifrig.

Erik zog eine seiner Augenbrauen skeptisch in die Höhe.

Sie stand mit einem Mal stramm und salutierte. „Ja!

Eriks Blick wurde nur noch ungläubiger und Ewigkeit machte einen traurigen Eindruck.

„Hör zu, ich weiß nicht, wie ich mit dir umgehen soll, oder was du überhaupt bist.“

Ewigkeit nickte reumütig.

„Also, was bist du?“

Sie sah ihn hilflos an.

Erik verdrehte die Augen.

Ein Gleichgewichtsbegleiter.“, sagte sie zaghaft.

„Und was ist das?“

Ich helfe den Beschützern.

„Aha.“, machte Erik wenig überzeugt. „Soweit ich verstanden habe, hast du von allem genau so wenig Ahnung wie die anderen. Große Hilfe.“

Ewigkeit ließ die Schultern hängen.

Erik seufzte. „Was hast du davon?“

Sie schien die Frage nicht zu verstehen.

„Wieso hilfst du ihnen?“

Ewigkeit legte ihren Kopf schief.

„Verstehst du überhaupt, was ich sage?“

Ewigkeit nickte heftig. Dann stockte sie und schüttelte langsam den Kopf.

Erik verzog das Gesicht.

Jäh hellte sich ihre Miene auf. „Man isst, weil man Hunger hat.

Das hatte Vitali ihr zu der Bedeutung des Wortes ‚Grund‘ erklärt, als sie sich im Kampf gegen die Allpträume mit dem Schatthenmeister zusammengetan hatten.

Nun konnte Erik ihr nicht folgen.

Ihre Lippen schürzten sich nachdenklich „Was, wenn man keinen Grund hat?

„Jeder hat einen Grund.“, sagte Erik abfällig.

Ewigkeit zog ein deprimiertes Gesicht.

„Vielleicht kennst du den Grund einfach noch nicht.“, meinte er. „Oder nicht mehr.“

Sie lauschte aufmerksam. „Du hast einen Grund?

Erik stockte. Er wich ihrem Blick aus, seine Muskulatur verspannte sich.

Dann hörte er Ewigkeits Glöckchenklang näher kommen. Sie schwebte vor ihn und lächelte, als habe sie eine großartige Erkenntnis gewonnen.

„Was?“, fragte er argwöhnisch.

Du hast keinen Grund, ich hab keinen Grund, kein Grund ist auch ein Grund!“ Sie lachte vergnügt.

Etwas an ihrem begeisterten Lachen war auf fremdartige Weise ansteckend und verführte ihn zu einem verkniffenen Lächeln.

Das Geräusch einer Vibration ertönte.

Erik holte das Smartphone aus seiner Jackentasche.

Eine Nachricht von Vivien. Sie hatte ihn in die Gruppe ‚Beschützer aufgenommen:

 

Vergesst nicht meinen Geburtstag am Mittwoch!

Nach der Schule im Café Reiter!

 

Obwohl Vivien am Samstag eine offizielle Feier bei sich zu Hause veranstalten wollte, hatte sie sich in den Kopf gesetzt, auch am Tag ihres Geburtstags noch Zeit mit ihnen zu verbringen. Doch genau an diesem Tag war Erik nach der Schule bereits mit einem ehemaligen Klassenkameraden verabredet.

Vivien hatte sich von dieser Eröffnung nicht entmutigen lassen, sondern kurzerhand entschlossen, dass sie alle mit ihm in das Café gingen, in dem sein Treffen stattfinden sollte.

Ariane war das sichtlich peinlich gewesen. Sie hatte Vivien halblaut mitgeteilt, dass sie sich nicht einfach selbst einladen konnte.

Vivien hatte gelächelt, als habe sie eine Generaleinladung von Erik, die ihr erlaubte, immer in seiner Nähe zu sein.

Daraufhin hatte Ariane in normaler Lautstärke nachgesetzt, dass sich Eriks Freund über die Anwesenheit so vieler Fremder sicher nicht freuen würde!

Erik wusste manchmal nicht, ob er Viviens Dreistigkeit bewundernswert oder flegelhaft finden sollte. Doch Arianes übertriebenes Drängen auf Höflichkeit und gute Manieren hatten ihn dazu verleitet, zu antworten, dass er seinen Bekannten fragen würde. Dass Ariane auch noch in den unpassendsten Situationen höflich blieb, trieb ihn in den Wahnsinn.

Zu seiner Überraschung hatte Jannik ihm am Wochenende geantwortet, er freue sich darauf, seine Freunde kennenzulernen. Damit hatte Erik nicht gerechnet.

Jannik war im Internat von den anderen Mitschülern geschnitten worden. Irgendwie war Erik davon ausgegangen, nach diesen Erfahrungen würde Jannik mit fremden Personen nicht so gut klarkommen.

Wenn er sich richtig erinnerte, dann war er damals häufig von Jannik als sein einziger Freund betitelt worden. Obwohl Erik das nicht als Freundschaft bezeichnet hätte.

Sie waren lediglich vier Jahre lang Zimmergenossen gewesen. Und das auch nur, weil die anderen Jungen sich geweigert hatten, mit Jannik – der aus einer nicht so wohlhabenden, angesehenen Familie stammte – das Zimmer zu teilen. Erik war das völlig egal gewesen.

Jannik hatte sich damals stets bemüht, mit ihm befreundet zu sein, aber Erik hatte ihn auf Abstand gehalten. Im Nachhinein tat ihm das leid, schließlich hatte Jannik es nicht leicht gehabt.

Vielleicht hatte er sich daher so schnell zu einem Treffen bereit erklärt, als Jannik sich unverhofft über Facebook bei ihm gemeldet hatte.

Er lenkte seine Gedanken wieder auf Viviens Nachricht.

Ewigkeit schwebte um ihn herum und begutachtete, wie er auf sein Handydisplay tippte.

„Hast du schon mal was von Privatsphäre gehört?“, brummte Erik wenig freundlich.

Ewigkeit sah ihn mit großen Augen an, als sei sie ganz interessiert, worum es sich dabei handelte.

„Das heißt, man lässt Leuten Abstand.“

Die Kleine wirkte beeindruckt.

Erik ließ ihr einen vielsagenden Blick zukommen. Aber Ewigkeit sah ihn nur weiterhin fasziniert an und lächelte fröhlich.

Er hatte nie ein Haustier besessen, aber in etwa so stellte er sich das Verhalten eines treudoofen Hundes vor.

„Ich bin eher der Katzenmensch.“

Muskelkater?“, fragte Ewigkeit begeistert.

Eriks Augenbrauen zogen sich zusammen.

Daraufhin fielen Ewigkeits Mundwinkel wieder nach unten und sie schien ernsthaft damit beschäftigt, aus seinem Verhalten schlau zu werden.

„Hör zu. Ich habe keine Ahnung, wie ich mit dir umgehen soll und dir geht es offenbar nicht besser. Daher würde ich vorschlagen, dass du zu einem der anderen gehst.“

Ewigkeit schaute zutiefst unzufrieden und schüttelte entschieden den Kopf.

„Meinetwegen. Dann mach halt irgendwas, aber lass mich in Ruhe.“

Ewigkeit nickte beflissen.

Erik widmete sich wieder seinem Smartphone. Dann bemerkte er, dass Ewigkeit ihn noch immer anstarrte. Als er zu ihr aufsah, lächelte sie unschuldig und blinzelte.

Er seufzte und begriff, dass er sich wohl oder übel mit der Anwesenheit dieses treudoofen Hundes abfinden musste.

 

„Kannst du dein Licht nicht etwas dunkler machen?“, beschwerte er sich.

Ewigkeit hatte darauf bestanden, in unmittelbarer Nähe zu ihm auf seinem Nachttisch schlafen zu wollen, woraufhin er ihr reichlich unwillig einen warmen Pullover als Nachtlager und einen Schal als Decke hergerichtet hatte.

Ewigkeit richtete sich auf und sah ihn getroffen an. „Tut mir leid.

„Kannst du nicht weiter weg schlafen? Oder irgendwo, wo du niemanden störst?“

Die Kleine senkte ihr Haupt und regte sich nicht.

Erik seufzte und sah dann zu ihr. „Was ist?“

Sie wirkte geknickt.

„Du könntest dort drüben schlafen.“, schlug er vor und deutete auf den Schreibtisch auf der anderen Seite des Raums.

Immer noch regte sie sich nicht.

„Was ist denn?“

Er erkannte, dass sie zu Worten ansetzte, aber erneut abbrach.

„Was auch immer es ist. Raus mit der Sprache. Fühlst du dich unwohl? Willst du zu den anderen?“

Sie schüttelte den Kopf und sah sich dann etwas ängstlich im Zimmer um.

Als ihr Blick auf den großen Spiegel vor seinem Schrank fiel, starrte sie wie versteinert darauf. Ihr Gesichtsausdruck wirkte für Momente älter, nicht wie der eines Kindes, sondern als würde sich ein altes Leid darauf abbilden.

„He.“, sagte Erik. „Was ist?“

Sie sah ihn scheu an. Offenbar machte ihr die fremde Umgebung Angst. Gleichzeitig hatte sie sich wohl in den Kopf gesetzt, die Nacht bei ihm zu verbringen.

Erik stöhnte. Er stand auf und suchte nach etwas, das er verwenden konnte, um Ewigkeit einen gewissen Schutz vor der Umgebung zu bieten.

Als Kind hatte er sich oft genug auch einsam und verletzlich in diesem Zimmer gefühlt.

Er stellte drei dicke Bücher um Ewigkeits Nachtlager auf und legte ein schwarzes T-Shirt von sich wie einen Baldachin darüber.

„So?“, fragte er Ewigkeit.

Sie hob den Ärmel des T-Shirts nach oben, um ihn zu sehen und nickte schüchtern lächelnd, dann verschwand sie wieder in ihrer neu geschaffenen Höhle.

„Wenn etwas ist,“, begann Erik, Ewigkeit lugte nochmals aus ihrem Versteck hervor, „geh zu den anderen und lass mich schlafen.“

Mit diesen Worten legte er sich hin und wandte Ewigkeit den Rücken zu.

Momente später hörte er Ewigkeits leise Stimme.

Danke.

 

Am folgenden Tag, einem Dienstag, wartete Vitali im Klassenzimmer ungeduldig auf die Ankunft Eriks. Endlich trat der Schwarzhaarige durch die Tür.

Vitali stierte ihn an.

Statt seinen Blick zu erwidern, lief dieser einfach an ihm vorbei, nahm in aller Ruhe seine Tasche ab, entledigte sich seiner Jacke und setzte sich schließlich auf seinen Platz, alles unter den Argusaugen Vitalis.

Dann holte er allen Ernstes seine Schulsachen für die anstehende Englisch-Stunde hervor, statt Vitali seine Aufmerksamkeit zu widmen, und zog aus seiner Jackentasche sein Smartphone – was er sonst nie tat!

„Mann!“, schrie Vitali ihn an.

Amüsiert schmunzelte Erik.

Vitali beugte sich näher zu ihm und flüsterte hinter vorgehaltener Hand: „Erinnerst du dich?“

Eriks Gesichtsausdruck wurde ernst. „An Viviens Geburtstag?“

Vitali machte ein entsetzt-fassungsloses Gesicht. „Nein! An gestern!“

Irritiert hob Erik die Augenbrauen, als verstünde er nicht, was gestern gewesen sein sollte.

„Das ist doch jetzt nicht dein Ernst!“, schimpfte Vitali aufgebracht.

Ein diabolisches Grinsen trat auf Eriks Gesicht.

Vitali schreckte zurück.

Der darauf folgende argwöhnische Blick Eriks schien die Befürchtung, Secret gegenüberzustehen, zu widerlegen.

„Das war ein Scherz.“

Erleichtert atmete Vitali auf, seine Anspannung ließ nach.

Durchdringend sah Erik ihn an. „Was war das für eine Reaktion?“

Ohoh.

„Ey, du hast gerade so getan, als hättest du alles vergessen!“, gab Vitali möglichst patzig zurück, doch seine Stimme klang etwas zu hoch.  

„Aber du bist erschrocken, als würde ich dich gleich anfallen.“

Vitali setzte ein dümmliches Gesicht auf.

Erik stöhnte. „Ja, schon kapiert. Schatthenmeister et cetera.“

Seine sprechende Miene durfte jetzt nur nicht zu viel verraten!

Erik durchbohrte ihn mit seinen Blicken. „Oder ist da noch was anderes?“

Mist! Vitali wich zurück.

In diesem Moment kamen Serena und Ariane ins Klassenzimmer.

Dankbar für die willkommene Ablenkung rief er ihnen ein Hallo zu.

Ariane bemerkte seine hilfesuchende Mimik. „Ist was passiert?“

Erik schaute grimmig. „Vitali scheint Angst vor mir zu haben.“

Lautstark und auf Erik zeigend rechtfertigte sich Vitali: „Er hat so getan, als könnte er sich wieder an nichts erinnern!“

Serena warf Erik einen abschätzigen Blick zu. „Da brauchst du dich nicht wundern, dass er Angst bekommt.“

Belustigt schnaubte Erik. „Du verteidigst ihn?“

Serena wirkte ertappt und wandte sich eilig ab.

„So gehört sich das auch!“, gab Vitali zurück. „Ist schließlich meine Partnerin!“

Von ihrem Sitzplatz aus feuerte Serena einen wütenden Blick auf ihn ab.

Erik legte Vitali kurz die Hand auf die Schulter, wie um ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. „Beschützerpartnerin.“

Vitali schaute beleidigt.

Erik zog die Hand zurück. Ein lauerndes Lächeln trat auf seine Züge. „Hat jeder einen Partner?“

„Öh.“, machte Vitali.

Ariane antwortete an seiner Stelle. „Wir sind alle Partner, wir sind ein Team.“

Vitali nickte zustimmend.

„Aber Vitali redet immer nur von Serena als seine Partnerin.“, merkte Erik vielsagend an.

Vitali verzog das Gesicht.

Ariane erläuterte: „Vivien hat die beiden zu Partnern erklärt, weil sie sich ständig gestritten haben.“

„Und hat es geholfen?“, fragte Erik vergnügt.

Arianes Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass sie dem Vorhaben, Serena und Vitali in ein harmonisches Duo zu verwandeln, keine besonders großen Erfolgschancen einräumte.

„Hey.“, beschwerte sich Vitali, der Arianes ernüchterte Miene als Schmälerung seines Erfolgs einstufte.

Serena stöhnte.

Erik wandte sich verschlagen an sie. „Hättest du lieber mich als Partner?“

Serena schaute völlig verdutzt und antwortete nicht.

„Äääääääh?!“, rief Vitali und forderte eine Antwort von ihr, doch Serena sagte nichts.

Vitalis Unterlippe trat hervor. „Dann sei doch sein Partner!“

Mit einer heftigen Bewegung wandte er sich ab und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Das hab ich doch überhaupt nicht gesagt!“, rief Serena ein wenig schrill.

Vitali riss den Kopf nochmals zu ihr herum. „Aber du hast drüber nachgedacht!“

Serena schaute böse.

„Dann sag halt, was du willst!“, forderte Vitali lautstark.

Serena wirkte unsicher und sagte wieder nichts.

Vitalis Blick verfinsterte sich zusehends. Beleidigt wandte er sich wieder ab.

Wenn Serena ihn nicht wollte, dann sollte sie es doch bleiben lassen.

„Du Vollidiot!“, tobte Serena plötzlich.

„Waaaas?“, brüllte Vitali zurück.

„Die ganze Klasse hört zu!“

„Ist mir doch egal!“, schrie Vitali.

Serena warf ihm einen Blick zu, der ihn endlich verstehen ließ.

Verlegen wandte er sich ab und gab Ruhe.

Neben ihm stieß Erik ein belustigtes Geräusch aus, woraufhin Vitali mit dem Arm nach ihm schlug, was nur dafür sorgte, dass Erik laut lachte.

 

Mittwoch, 28. November. Als Vivien an diesem Morgen erwachte, war sie bester Laune. Nicht dass sie nicht fast immer bester Laune war, aber an ihrem Geburtstag hielt sie sich selbst für überfreudig. Schließlich war das ihr Tag. Und es würde ein wundervoller Tag werden!

Zwar war es noch dunkel draußen und das Thermometer zeigte an, dass es zudem noch sehr kalt war, außerdem war Regen vorhergesagt worden… Aber es war trotzdem ein wundervoller Tag!

Zur Feier des Tages waren ihre Geschwister früher aufgestanden, um ihr vor der Schule noch ein Geburtstagsständchen zu bringen. Sie hatten sogar Ewigkeit miteingebunden.

Alle drei sangen aus voller Kehle. Vivien drückte sie daraufhin freudig an sich. Mit Ausnahme von Ewigkeit – für sie wäre eine solche Dankesbezeugung gesundheitsschädlich gewesen. Daher tätschelte sie ihr stattessen bloß das Köpfchen.

Während sie sich richtete, lächelte Vivien leise vor sich hin. Das war ihr erster Geburtstag als Beschützerin und der erste seit sie die anderen kannte.

Und um die Sache perfekt zu machen, war die Aktion, Erik einzuweihen, bisher ein voller Erfolg gewesen!

Alles war gut.

Kurze Zeit später hüpfte sie aus der Tür, zu Justins Haus hinüber, und klingelte. Sie sah hinter der Haustür, die aus dickem, kaum durchsichtigen Glas bestand, wie jemand – vermutlich Justin – wild herumwuselte. Vivien musste grinsen und wartete, bis Justin schließlich etwas außer Atem die Tür öffnete. In seiner Hand hielt er eine Rose, deren Blütenblätter jeweils in unterschiedlichen Farben des Regenbogens erstrahlten.

„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“, sagte er eilig und streckte sie ihr entgegen.

Vivien strahlte über das ganze Gesicht. „Sie ist wunderschön!“ Sie nahm die Blume freudig an sich. „Ich liebe sie!“ Sie sah mit leuchtenden Augen zu Justin auf. „Ich würde jede Blume lieben, die du mir schenkst.“

Justin wirkte äußerst verlegen..

Vivien genoss diesen Anblick einen Moment lang und ließ die Freude sie ganz durchfluten.

Dann machte Justin eine etwas unbeholfene Bewegung mit den Armen. „Ich äh, sollte meine Jacke anziehen.“

Vivien nickte. „Ich bin gleich wieder da!“ Sie eilte noch mal zu ihrem Haus hinüber.

Justin ging derweil noch einmal ins Haus und zog seine Jacke an. Als Vivien zurückkam, hatte sie die Rose noch immer bei sich, nur dass sie jetzt in einer kleinen Vase steckte. Justin sah sie überrascht an.

„Wohin –“, versuchte er zu fragen.

„Ich nehme sie mit in die Schule!“, erklärte Vivien begeistert.

„Aber –“

Vivien gab ihm nicht die Gelegenheit, Einwände vorzubringen. Sie stellte die Plastikvase auf den Boden und hatte im nächsten Moment die Arme um seinen Brustkorb geschlungen. „Dankeschön!“

Als sie versuchte, sich an ihn zu schmiegen, ärgerte sie sich kurz, dass sie das nicht getan hatte, als er noch keine Winterjacke getragen hatte. Die wirkte nämlich wie eine unerwünschte Sicherheitspolsterung zwischen ihnen.

Böse Winterjacken!

Sie nahm sich fest vor, ihn einfach noch mal zu umarmen, wenn sie in der Schule die Jacken wieder ausgezogen hatten.

 

Erik saß bereits an seinem Platz, als Vivien mit Justin ins Zimmer stürmte und ein fröhliches Hallo rief, als würde sie die ganze Klasse grüßen wollen.

Es war immer wieder erstaunlich, dass sie und Justin fast immer die letzten waren, die ankamen. Ariane stand sofort auf, um sie zu umarmen und ihr zum Geburtstag zu gratulieren. Eindeutig verhaltener folgte Serena ihrem Beispiel, machte aber keinen Ansatz Vivien zu umarmen, woraufhin Vivien schlicht die Initiative ergriff und ihr in die Arme fiel. Vitali dagegen rief nur ein Happy Birthday und machte sich erst gar nicht die Mühe aufzustehen. Daher sah auch Erik davon ab und gratulierte Vivien ebenfalls von seinem Sitzplatz aus. Dennoch freute sich Vivien riesig darüber, jedenfalls strahlte sie übers ganze Gesicht.

Dann war sie auch schon an seine Seite getreten und umarmte ihn. Erik ließ es stumm über sich ergehen. Genau wie Vitali, der als nächstes an der Reihe war.

„Wo kommt die Rose her?“, fragte Ariane mit Blick auf die Blume in der Plastikvase, die Justin Vivien für die Umarmungen abgenommen hatte.

„Die hat Justin mir geschenkt!“ Vivien klang genauso begeistert wie sie aussah. „Sie hat etwas von jedem von euch!“

Ihr schien etwas einzufallen. Sie huschte zu Justin, nahm ihm die Rose ab und hielt sie im nächsten Moment Erik unter die Nase.

„Welches ist deine Farbe?“

Erik sah sie irritiert an.

„Jeder von uns hat eine bestimmte Erkennungsfarbe.“, klärte sie ihn auf.

„Dann können ja nicht mehr viele übrig sein.“, meinte er gelangweilt.

Vivien schaute unschuldig. „Hast du keine Lieblingsfarbe?“

Eriks Augen wurden schmal, doch Vivien ließ sich davon nicht abschütteln. Außerdem war ja ihr Geburtstag. Es war wohl unangemessen, sich heute mit ihr zu streiten.

Er war kurz davor, Schwarz zu sagen, um nicht auf ihre unnütze Frage eingehen zu müssen, aber sie hätte ihn wohl doch nicht zufriedengelassen.

„Welche Farbe ist denn noch übrig?“, versuchte er nochmals eine Antwort zu umgehen..

„Nein, es muss deine Lieblingsfarbe sein!“, beharrte Vivien.

„Ich habe keine Lieblingsfarbe.“

„Und was war deine Lieblingsfarbe, als du klein warst?“

Eriks Gesichtsmuskeln spannten sich an. Er hatte längst keine Lieblingsfarbe oder Lieblingsbeschäftigungen mehr, unsinniges Zeug, das einen nur angreifbar machte.

Dass Vivien immer auf so einen Unsinn aus war!

Vivien zog sich ein wenig zurück. „Wenn du nicht willst, musst du es natürlich nicht sagen.“, flüsterte sie wie ein kleines enttäuschtes Mädchen.

Er atmete langsam aus.

Nichts zu sagen, hätte bedeutet, dass er etwas zu verheimlichen hatte. Es gab nicht, was Erik Donner peinlich war.

„Indigo.“, sagte er knapp.

Vitali neben ihm starrte ihn irritiert an. „Was für ‘n Ding?“

Erik besann sich auf seine charakteristisch-nonchalante Mimik. „Dunkelblau-Violett.“, belehrte er Vitali, als wäre es das Natürlichste auf der Welt diesen Farbton zu kennen.

Vivien strahlte. „Perfekt! Rot-Pink für Serena, Orange für Ariane, Gelb für mich, Grün für Justin, Blau für Vitali und Indigo für Erik.“

Serena beschwerte sich. „Wieso Pink?“

Vivien blinzelte arglos. „Du magst doch Pink.“

Serena machte ein Gesicht, als wäre sie ertappt worden. „Ich mag auch Rot.“

„Ja, Pink und Rot. So wie Erik Dunkelblau und Violett.“, entgegnete Vivien. „Zusammen ergeben wir einen Regenbogen! Und machen das Grau bunt!“

„Wegen Graue Eminenz?“, fragte Erik. Die anderen hatten ihm auf seine gestrige Nachfrage mehr über den Schatthenmeister erzählt.

„Du meinst Grauen-Eminenz. Grauen.“, verbesserte Vivien, dann legte sie sich den Zeigefinger ans Kinn. „Aber er war wirklich grau.“

Nicht nur seine Kleidung, auch seine Haut und Augen hatten gräulich gewirkt.

Vitali ergänzte: „Die Schatthen sind auch grau! Und –“ Er brach ab.

„Schimmel?“, fragte Erik ihn spöttisch.

„Haha.“, machte Vitali. Er konnte ja nicht sagen, dass der Bedroher Secret ebenfalls eine graue Uniform trug.

„Könnte ich mal hier durch?“, brummte eine tiefe Männerstimme. Herr Mayer, ihr Wirtschafts- und Klassenlehrer, wollte ins Klassezimmer treten.

Sofort setzten sie sich an ihre Plätze.

 

Auf dem Weg zum Café hüpfte Vivien begeistert vor ihnen her, sicherheitshalber trug Justin daher ihre Blume.

„Jetzt bin ich nicht mehr jünger als ihr!“, lachte sie.

Eriks Erwiderung war nüchtern. „Du bist immer noch jünger als wir.“

„Aber jetzt bin ich sechzehn!“, jauchzte sie.

„Ich bin siebzehn.“

„Oh.“, machte Vivien. „Hatte ich vergessen.“ Sie hörte auf zu hüpfen, offenbar war ihre Euphorie nun gebremst worden. Dann drehte sie sich zu Erik. „Du bist alt.“

Erik sah sie grimmig an. „Du bist frech.“

Vivien kicherte ausgelassen und fuhr fort zu hüpfen.

Neben Eriks Kopf erschien Ewigkeit.

Er erschrak als einziger und funkelte sie böse an. „Tauch nicht einfach so auf.“

Ewigkeit machte einen hilflosen Gesichtsausdruck, als wisse nicht, wie sie es anders machen sollte.

„Was willst du überhaupt?“, fragte Erik grob.

Ihr Gesicht hellte sich wieder auf. „Geburtstag!

„Wir gehen in ein Café, da kannst du nicht mit.“

„Natürlich kann sie mit.“, widersprach Vivien. „Keiner sieht sie.“

Begeistert nickte Ewigkeit.

Erik stöhnte.

Statt einen Sicherheitsabstand zu ihm einzunehmen, lächelte Ewigkeit ihn an, als wären sie alte Freunde.

Er reagierte nicht darauf und tolerierte stumm, dass Ewigkeit um ihn herum schwirrte, als suche sie seine Nähe.

Ariane betrachtete die Szene fassungslos. „Sie … scheint dich zu mögen.“

Erik warf ihr einen Seitenblick zu. „Wieso klingst du so ungläubig?“

„Weil du nicht gerade freundlich zu ihr bist!“, verteidigte sich Ariane.

„Vielleicht mag sie das ja.“

Ariane verengte die Augen. „Niemand mag das.“

Erik drehte sich zu ihr und hob mit einem süffisanten Lächeln die Augenbrauen.

Kurz verzog Ariane das Gesicht, als ärgere sie sich über was auch immer sie glaubte, das er damit hatte andeuten wollen. Dann wandte sie sich ohne Kommentar ab.

Erik konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Anschließend richtete er das Wort an Vivien. „Bevor Jannik kommt, verschwindet sie aber.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Treffen mit Eriks ehemaligen Zimmergenossen steht bevor.
Wird sich Eriks Einschätzung bewahrheiten? Und wird Jannik den anderen etwas Neues über Erik erzählen können? Das erfahrt ihr nächste Woche in "Jannik".


Ach, endlich wieder ein neues Kapitel! Ein Freitag ohne Kapitel fühlte sich einfach nicht wie Freitag an. Aber vielleicht ging es da nur mir so. Ich freue mich auf jeden Fall riesig, wieder etwas mit euch teilen zu können. 🥰 Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  RukaHimenoshi
2022-06-12T18:21:36+00:00 12.06.2022 20:21
Nach dieser Pause war das Kapitel wirklich ein schöner Einstieg.
Ich wüsste ehrlich auch nicht, wie man bei Ewigkeits Leuchten einschlafen kann. Hatte der Rest ihr da nicht auch was gebaut? 😅
Passt zu Erik, dass er ein Katzenmensch ist. 😆 🐈‍⬛

Naaaaw und Justin, der Vivien die Rose geschenkt hat. Soooooo süüüüüüüüüüß 🥺😍😍😍😍😍😍😍😍😍😍😍💚💚💚💚💚💚💚💚💚💚💚💚💚💚💚🥰🥰🥰🥰🥰🥰🥰🥰🥰🥰🥰🥰🥰🥰 Und diese böse Winterjacke. 😆
Antwort von:  Regina_Regenbogen
13.06.2022 14:55
>Nach dieser Pause war das Kapitel wirklich ein schöner Einstieg.
Das freut mich! 😃

>Ich wüsste ehrlich auch nicht, wie man bei Ewigkeits Leuchten einschlafen kann.
Stimmt, ich hab nie erzählt, dass ihr Leuchten ganz gedimmt ist, sobald sie schläft. Aber wenn sie nervös ist, dann ist es vermutlich heller. 😂 Bei den anderen fühlt sie sich nicht so unwohl und kann daher auch weiter weg von ihnen schlafen.

>Naaaaw und Justin, der Vivien die Rose geschenkt hat. Soooooo süüüüüüüüüüß
😂 Ich sehe schon, dass sich jemand über so manche Szene im 4. Band freuen wird.

>Und diese böse Winterjacke. 😆
Ja, ganz schlimm! 😆
Von:  totalwarANGEL
2022-06-10T21:26:58+00:00 10.06.2022 23:26
Erik ist so herzallerliebst.
Ja, ein treudoofer Hund trifft das perfekt. :D

Erik soll wohl in dem Kapitel aufhören so grau zu seinen, oder was? ^^
Er gefällt mir aber so wie er ist.

Okay...
nicht viel von Bedeutung passiert.
Das kommt davon, wenn man das Vorwort erst nach dem Kapitel ließt.
Ich hab die ganze Zeit mit DEM Hammer gerechnet.

> Ein Freitag ohne Kapitel fühlte sich einfach nicht wie Freitag an.
Ein Freitag fühlt sich nach Wochenende an und nach 2 Tage faullenzen. ^^

Gut, dann ist DER Hammer auf das nächste Mal verlegt.
Dann gibt es den übelsten Schocker und gleich 3 Cliffhanger in einem Kapitel. ;)
Zumindest wird dieser Jannik bestimmt nicht nur dasitzen und schweigen.
... Hoffe ich. ;)
Antwort von:  Regina_Regenbogen
11.06.2022 00:05
Haha, wer hat behauptet, Erik sei grau? Und wieso sollte man ihn anders wollen? 😄

😂 Ja, ich hatte ja vorgewarnt, dass es jetzt kein superspannendes Kapitel wird. Du weißt, bei mir sind Entwicklungen immer sehr langsam.
Das nächste Kapitel dient auch noch zur Überleitung zum nächsten Oberkapitel, auch wenn Jannik nicht nur schweigend dasitzen wird. 😂
Aber im nächsten Oberkapitel wird es dann tatsächlich wieder viele Cliffhanger geben. 😂 Ich weiß schon, dass ich da wieder Beschwerden kriegen werde. Du bist, was das angeht, wirklich sehr genügsam.
Antwort von:  totalwarANGEL
11.06.2022 00:46
Klar. Ich WILL Cliffhanger haben. :D
Immer her damit. Tonnenweise.


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