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Strong enough

Victor in der U21
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So… letztes Kapitel. Wir sind auf dem Weg zum Sieg. Victor wird alles erreichen, was er sich vorgenommen hat. Oder? Komplett anzeigen

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Was ist ein Sieg?

„Ach Victor, kommst du mal bitte?“ Chris winkt ihn in einen leeren Konferenzraum.

Neugierig folgt er ihm und schließt hinter sich die Tür.

„Es ist folgendes:“ Chris ist es sichtlich unangenehm, er hat die Arme vor der Brust verschränkt und scharrt unruhig mit den Füßen. „Ken ist in die reguläre Mannschaft gewechselt“ Victor hebt überrascht die Augenbrauen. „So früh? Die haben doch schon 2 Torwarte. Ist einer von ihnen gegangen?“

„Nein“

Victor stockt: „Er... er wird die Nummer 3?“

Chris zuckt mit den Schultern. „Ja“ und als Victor ihn weiterhin mit offenem Mund ansieht, fügt er hinzu „Er hat darum gebeten. Ich nehme an, dass er Angst hatte, er würde von nun an nur noch auf der Bank sitzen. Und da er eh in 4 Monaten für unsere Mannschaft zu alt geworden wäre, haben wir die Übernahme jetzt schon eingeleitet.“

Victor ist sprachlos. Eher akzeptiert Ken der dritte Torwart zu sein, als zuzugeben, dass Victor ihn überholt hatte?

„Jedenfalls, habe ich mich gefragt, ob du...“ Chris legt ein Trikot auf den Tisch. Es ist Kens altes. Groß und mittig prangt die 1 darauf. „... die 1 haben willst, so wie es sich für einen Torwart gehört.“ Er grinst etwas schief, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

Victors Mund ist trocken. Wie hypnotisiert starrt er auf die große, weiße Ziffer.

Eins, das war seine Zahl. Hatte er sie nicht sein ganzes Leben lang getragen? Wie ein Talisman, der stets garantierte, dass er auch der Sieger war, die Nummer 1 blieb?

Und dann fallen ihm die beiden Blondschopfe wieder ein und ihr großes Plakat: ‚Uesugi #21‘

Er schließt die Augen, als hätte er selbst Angst vor der Entscheidung, die er gleich fällt.

„Nein.“

Jetzt ist es Chris, der ihn überrascht ansieht.

„Danke Captain, aber da draußen kennen sie mich als #21. Ich bleibe dabei.“
 

Zurück im Flur hört Victor bekannte Schritte auf ihn zukommen. Diesmal ist er schneller. Noch bevor Jenny durch eine der vielen Türen flüchten kann, ist er bei ihr und hält sie auf.

„Was willst du?“

„Dass du nicht mehr vor mir wegläufst, wäre ein Anfang.“

Etwas unsicher sieht Jenny auf seine Hände links und rechts von ihr an der Wand, die sie ausbruchssicher einschließen.

„Jetzt hast du mich ja. Also?“

„Ich liebe dich.“

Jenny entfährt ein Keuchen. Schnell dreht sie den Kopf zur Seite

„Ich habe dir doch gesagt, dass…“

„Ich tue es trotzdem.“

„Hikaru, ich...“

„Ich werde es dir beweisen.“

Sie sieht ihn mit großen Augen an.

„Du siehst dir das Spiel an?“

Jenny nickt etwas skeptisch. „Ja, natürlich.“

„Jeden Ball, der heute auf mein Tor zufliegt, werde ich nur für dich halten. Wenn ich auch nur einen Schuss durchlasse, kannst du mich fallen lassen. Aber wenn ich halte, dann bist du meine Freundin.“

Jenny öffnet den Mund.

„Also sieh genau hin, hörst du.“

Jenny will etwas sagen, aber sie kommt nicht mehr dazu. Victor umgreift ihren Nacken und verschließt ihren Mund mit seinen Lippen.

Jenny ist starr vor Überraschung. Er merkt wie ihre Augen verwirrt flackern. Ihre Hände drücken gegen seine Schultern. Doch er lässt nicht locker. Sanft umschließt er ihren Mund, zieht leicht an ihrer Oberlippe, neckt ihre Zunge mit seiner. Er hört Jenny leise seufzen. Ihre Hände lassen seine Schultern los und wandern zu seinem Nacken. Beinahe schüchtern erwidert sie das leichte Schlagen mit der Zunge, hascht mit den Zähnen nach seinen Lippen. Er spürt, wie sich ihr Körper entspannt und sich an seinen schmiegt. Noch einen Moment lang genießt er diesen Kuss, dann drückt er sie ruckartig von sich. Jenny blinzelt irritiert.

Er dreht sich von ihr weg und läuft schnellen Schrittes in Richtung der Umkleide. „Also sieh genau hin!“ ruft er noch einmal lachend.

„Hikaru!“ ruft sie ihm nach. „Warte, ich … ich muss … dir etwas sagen.“ Die letzten Worte flüstert sie nur noch zu sich selbst. Victor ist bereits den langen Gang hinunter und verschwunden.
 

“… Manchester wird in gewohnter Formation mit seiner berüchtigten Doppelspitze antreten. Das letzte Spiel gegen die Nachwuchsmannschaft von Chelsea haben sie verdient mit 3:0 gewonnen. Genau wie in der letzten Saison führen sie auch diesmal die Tabelle an. Doch in diesem Frühjahr ist Chelsea ein starker Gegner. Seit Beginn der Saison haben sie sich vom guten Mittelfeld der Liga nach oben bis zu Platz drei vorgearbeitet. Das ist vor allem den Verbesserungen in der Abwehr zu verdanken. Hier geben inzwischen durchweg neue, junge Spieler den Ton an. Nicht zu vergessen Chelseas neuer Torwart, der sich mit seinen Paraden in die Herzen der Zuschauer gespielt hat. Wir können hier heute großartigen Fußball erwarten!“
 

Victor bezieht seine Position im Tor. Prüfend lässt er seinen Blick über die Tribünen von Stamford Bridge schweifen und bleibt schlussendlich an Jenny hängen, die oberhalb der Bank in der ersten Reihe unter den Zuschauern sitzt. Mit ihrem roten Mantel ist sie leicht zu erkennen. >Sieh genau hin. Ich werde dich nicht verlieren.<
 

“Anpfiff! Manchester hat Anstoss. Der Ball rollt. Das Sturmduo von Manchester, bestehend aus Damian Burns und David White preschen sofort nach vorn. Augenblicklich schließt sich Chelseas Mittelfeld um die beiden, macht die Räume dicht. Schön gespielt von Mike O’Sullivan! Manchesters Angriff ist gestört, bleibt aber in Ballbesitz. Pass zurück auf Burns. Der Stürmer sucht die Lücke… versucht es… und scheitert an Chelseas Abwehr. Wie vermutet sehen wir heute ein starkes Abwehrspiel der Londoner. Manchester wird es schwer haben…“
 

„Gut gemacht Nelson!“ ruft Victor zu seinem linken Verteidiger. Er erntet ein wissendes Grinsen und einen Daumen hoch. Victor spürt die kribbelnde Anspannung in jedem Muskel. Mit seinen Augen verfolgt er ohne Unterlass den Ball. Er ist so hoch konzentriert, dass er jede Bewegung seiner Mannschaftskameraden mitfühlt. >Ich werde dich nicht verlieren.<
 

„… Chris Stuart läuft sich frei… niemand zum Abspielen, er steht ganz allein vorm gegnerischen Tor. Wird er es allein machen?…. Schuss! Zu hoch! Der Ball fliegt weit über die Latte hinweg. Trotzdem ein Auf-weck-Moment für Manchester. Mit diesem Überraschungsangriff haben sie nicht gerechnet. Abschlag vom Tor. Weit über die Mittellinie. Eine perfekte Vorlage des Keepers an seine Stürmer. Burns und White auf dem Weg zu Strafraum….“
 

Victors Schuhe knirschen als er sie tiefer in den Rasen drückt. Wie ein lauernder Tiger verfolgt er die Bewegungen der beiden Stürmer. Links, rechts, Matt ausgespielt, Nelson zu langsam, Joe deckt seinen Gegenüber vom Mittelfeld. Luke steht rechts vorm Tor und erwartet in leicht gebückter Haltung White, der gleich vor ihm auftauchen wird. Burns tänzelt. >Wird er schießen oder abgeben?< White hat Luke erreicht. Burns schießt. >linker Pfosten< Sicherheitshalber läuft Victor rüber nach links. Wie erwartet, trifft der Ball das Metall, doch er dreht sich nach innen. Victor streckt die Hände aus, packt zu, aber der Ball dreht sich weiter, dreht sich aus seinen Händen. Reflexartig streckt er die Arme durch. Der Ball geht zurück in den Raum vor dem Tor. >Wo ist White?< durchfährt es ihn. Er hört Luke aufschreien. In seinem Augenwinkel sieht er hektische Bewegungen am rechten Pfosten. Direkt vor ihm rappelt sich Burns plötzlich wieder auf, macht sich bereit zu einem Kopfball. Hinter ihm erscheint Nelson mit ausgestrecktem Bein. Instinktiv hechtet Victor nach vorn. Seine Hände zielen auf den Punkt, an dem Burns den Kopfball erreichen müsste. Es geht so schnell. Er sieht ihn nicht, aber er fühlt das harte Leder unter seinen Fingern. Er taucht unter Burns hinweg und legt sich schützend über den Ball am Boden. Erst als der Schiedsrichter abpfeift, wagt er es aufzusehen.
 

“Viel Bewegung vor Chelseas Tor. Hier sehen wir ein Beispiel für Manchesters Stärke im Sturm. Das Duo aus Burns und White ist brandgefährlich, sobald sie den Freiraum bekommen. Trotz der Überraschung dieses Angriffs hat die Abwehr von Chelsea sehr gut funktioniert. Klasse Parade von Keeper Uesugi.“
 

„Hey, besser du nimmst ihn wieder.“ lacht Nelson hinter ihm. Als Victor sich fragend zu ihm umdreht, streckt er ihm einen seiner Handschuhe entgegen. Verdutzt kontrolliert Victor seine Hände. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er seinen rechten Handschuh verloren hatte.

Er bekommt noch einen anerkennenden Klaps auf den Rücken, dann stellt er sich wieder auf seine Linie. Sein Blick geht rüber zur Tribüne. >Sieh genau zu.<
 

“Nach diesem unerwarteten Widerstand in der Abwehr, muss Manchester sich erst einmal wieder sammeln. Der Ball wandert von einem Mittelfeldspieler zum Nächsten. Zurück zur Abwehr. Manchester jetzt ohne Konzept. Wie wollen sie als nächstes angreifen?…“
 

„Jetzt geht doch dazwischen!“ schreit Chris über den Platz. „Lasst sie das Spiel nicht neu aufbauen!“ Mike und Connor fassen sich als erste ein Herz und stürmen mitten in die Gegner hinein. Drei weitere Spieler tun es ihnen gleich. Es folgt ein wildes hin und her an der Mittellinie. Die Spieler bilden ein undurchschaubares Knäuel, in dem irgendwo der Ball wild hin und her springt. Victor kneift die Augen zusammen. Er kann nur noch erahnen wo der Ball sich gerade befindet. Er kann nur hoffen, dass jetzt nicht…
 

“Schnelle Ballwechsel im Mittelfeld. Weder Manchester noch Chelsea schaffen es den Ball zu behalten. Die Situation ist unübersichtlich. Von der Seitenlinie kommt jetzt White angelaufen. Er ist ungedeckt. Nathan Brown verliert den Ball. Wie der Blitz ist White da, holt sich das Leder, fackelt nicht lang und zieht ab! Erstklassiger Distanzschuss aufs Tor von Chelsea!“
 

>Nicht mit mir!< Victor hat Manchesters Captain längst gesehen, als dieser ausserhalb des Knäuels im Mittelfeld auf eine günstige Gelegenheit gewartet hat. Der Ball fliegt in einer sauberen Linie hoch auf das Tor zu. >Wenn er gut ist, wird er sich kurz vorher senken.< denkt er sich und bleibt abwartend stehen. Kurz vorm Tor zieht der Ball einen leichten Bogen nach rechts unten. >Kinderspiel< Victor lässt sich auf die Knie fallen, rutscht noch leicht nach rechts, dann fängt er den Ball mit sicheren Händen. Demonstrativ hebt er ihn die Höhe. „Da musst du dir schon was besseres einfallen lassen!“ ruft er White zu, dann schießt er den Ball zurück ins Feld, direkt auf den Fuß seines Captains.
 

„Souverän gelöst von Chelseas Torwart. White scheint sein Pech noch nicht fassen zu können er steht immer noch am rechten Spielfeldrand und starrt auf das Tor von Chelsea. Er hatte wohl fest mit einem Treffer gerechnet.

Chelsea jetzt im Angriff. Während Manchester die vertane Chance noch verdauen muss, nutzen die Londoner die ihre und greifen an. Stuart, McAllister und Brown jetzt im Strafraum. Doppelpass zwischen Stuart und Brown. McAllister weit links. Brown schießt! Latte! und Tor!! Stuart ist so schnell zur Stelle das Smith im Tor von Manchester keine Chance hat. Ein Überraschungsangriff von Anfang bis Ende. Wunderbar vorbereitet von Nathan Brown. Eddie McAllister sollte nur die Aufmerksamkeit der Abwehr auf sich ziehen. Wunderbares Kombinationsspiel von Chelsea!“
 

„Super Leistung von euch allen!“ feuert Chris seine Mannschaft während der Halbzeitpause an. „Nicht nachlassen. Wir führen nur mit einem Tor. Dieser Vorsprung kann schnell dahin sein, wenn wir die Konzentration schleifen lassen. Ihr macht alle einen super Job! Wir bleiben dabei, sie früh im Mittelfeld zu stören und in der Abwehr auflaufen zu lassen. Eddie und ich, wir kümmern uns um die Überraschungsangriffe nach vorn.“
 

Als sie wieder das Spielfeld betreten, geht Victors Blick automatisch zur Tribüne. Direkt über ihm sitzt Jenny und hebt zum Gruß die Hand. Sie lächelt. >Jeden Ball, hörst du, jeden Ball werde ich für dich halten. Wenn wir zu 0 gewinnen, bist du mein Mädchen.<
 

“Mit dem Schwung des Vorsprungs geht Chelsea sofort wieder in die Offensive. Hat Manchester in der Halbzeitpause ein Rezept gegen Chelseas Blitzangriffe gefunden? Pass auf McAllister. Zwei Abwehrspieler blocken ihn ab. Trotzdem kommt er zum Schuss! 5 Meter am Tor vorbei. Oh, was war das? Der Stürmer von Chelsea geht auf Stone los, den Abwehrspieler, der ihn eben aufgehalten hat. Was war da los? Liegen die Nerven so blank? Schauen wir uns die Zeitlupe an…. ja kann man schon sagen. Stone zieht hier den Stürmer am Trikot, hält ihn so zurück. Auch der Schiedsrichter bespricht sich mit seinem Linienrichter…. und er gibt gelb! Gelbe Karte für Stone. Ja hier geht es um viel. Und da kann zu solchen Mitteln schon einmal gegriffen werden….
 

„Meine Güte, hört doch mit dem Diskutieren auf.“ stöhnt Victor in seinem Tor und lehnt sich genervt gegen einen Pfosten. „Gelb ist Gelb und weiter gehts.“

„Ja,“ lacht Luke neben ihm, „hab noch nie erlebt, dass ein Schiedsrichter eine gelbe Karte zurückgenommen hätte.“

Victor linst zu ihm rüber. Luke scheint ihm seinen Wutausbruch beim Spiel gegen Sheffield nicht nachzutragen. Er wirkt wie immer. Ein lässiger Schlacks, der sich eine Spur zu oft mit der Hand durch die rot-blonden Haare fuhr. Er hatte nicht weiter nachgefragt und Victors Entschuldigung lachend angenommen.

>Trotzdem gehört sie mir.<

Hektische Bewegungen im Feld vor ihm reißen ihn aus seinen Gedanken. Manchester bahnt sich seinen Weg aufs Tor zu. Victor und Luke gehen in Position. „Du weißt, was du zu tun hast!“ ruft Victor zu ihm rüber.

„Du meinst, kein Eigentor schießen?“ lacht der Verteidiger laut.

„Genau!“

Victor blinzelt irritiert. Statt der beiden Stürmer laufen zwei Mittelfeldspieler mit Burns nach vorn. Die kennt er nicht. >Das könnte interessant werden.<

Auch Luke tänzelt unentschlossen hin und her. Sein Gegenpart, White, fehlt. Auf wen sollte er gehen?
 

“Burns, Jones und Miller auf dem Weg zum Tor. Mit sicheren Pässen bahnen sie sich durchs Mittelfeld. Chelseas Verteidigung scheint irritiert zu sein. Natürlich, sie haben White erwartet. Doch der lässt sich zurückfallen und überlässt seinen Jungs die Bühne. Miller erreicht den Strafraum. Schuss!“
 

Victor sieht die Nummer 5 schießen. Luke streckt noch ein Bein dazwischen, kommt aber nicht mehr dran. Mit erhobenen Fäusten streckt sich Victor dem heranfliegenden Ball entgegen. Mit lautem Knall prallt er von der Latte ab und fliegt zurück ins Feld. Als hätte er mit dem Abpraller gerechnet, steht die Nummer 7 kurz vorm Tor bereit zum Kopfball. Nelson kommt angeflogen. Victor breitet die Arme nach links und rechts aus, versucht alle möglichen Zielbereiche abzudecken. Doch Jones tut etwas vollkommen unerwartetes. Es ist die Millisekunde, in der Victor begreift, warum White nicht mit vorgelaufen kam.
 

“Was für eine Überraschung! Anstatt den Ball ins gut bewachte Tor zu köpfen, gibt Jones ihn nach hinten ab, zurück auf seinen Captain. Durch die drei Angreifer vor dem Tor von Chelsea blieb White vollkommen ungedeckt. Und jetzt ist er da und erhält eine wunderbare Vorlage von seinem Mittelfeldspieler. White läuft in den Strafraum hinein, der Ball landet perfekt auf seinem Fuß und durch die gegnerische Abwehr hindurch schießt er in die Ecke, die am weitesten von Uesugi entfernt ist.
 

„Nein!“ schreit Victor, „Du nimmst sie mir nicht weg!!“ wie ein Wahnsinniger hechtet er nach rechts. Er spürt den Ball in seinen Händen. Der Schuss ist stark. Um gegen den Druck anzukämpfen, drückt er den Ball auf den Boden. Doch er bekommt den Schuss nicht gestoppt. Er stemmt sich mit den Stollen seiner Schuhe in den weichen Rasen. Sein Körper ist bereits hinter der Torlinie. Er spürt wie sich seine Füße im Netz verfangen. Unaufhaltsam rutscht er mit dem Ball ins Tor hinein. Mit letzter Kraftanstrengung bleibt er endlich stehen. Der Schiedsrichter pfeift.

Keuchend öffnet Victor die Augen. Seine Stirn liegt auf dem weißen Kreidestreifen der Torlinie. Seine Handflächen brennen. Als er den Blick hebt, sieht er in fassungslose Gesichter. Noch einmal umschließt er mit seinen Fingern fester das Leder. Der Ball liegt an seinem ausgestreckten rechten Arm. Vor dem Tor.
 

“Was für eine Parade, meine Damen und Herren! Was war das für ein Schuss? So hart geschossen, der Ball hätte das Netz zerrissen. Doch hier sieht man das ganze Können eines genialen Keepers. Mit seinem ganzen Körper ist er bereits unaufhaltsam ins Tor gerutscht, aber den Ball hält er draußen. Wie ist dieser Torwart zu überwinden? Die Fans von Chelsea feiern. Der Jubel ist ohrenbetäubend. Einige stimmen bereits die Siegeshymne an…“
 

Immer noch schwer atmend steht Victor vom Boden auf. Er wischt sich ein paar Grashalme aus dem Mund. >Das hätte auch anders ausgehen können.< Wie von selbst wandert sein Blick Richtung Tribüne. Ihren Gesichtsausdruck kann er nicht genau erkennen, aber ihr Mantel leuchtet wie eine rote Fahne.
 

“Solch ein hartes Spiel hat Manchester wohl nicht erwartet. Im letzten Spiel kurz vor der Winterpause hatten sie Chelsea noch spielend mit 3:0 besiegt. Der Tabellenerste ist seit 10 Spielen ungeschlagen. Um die Nachwuchsspieler von Manchester bewerben sich sämtliche Clubs auf den Britischen Inseln. Es gibt niemanden, der sie nicht haben will. Und nun das? Wer hätte so eine Wendung erwartet. Chelsea lässt die siegesverwöhnte Mannschaft regelrecht auflaufen. Ihnen bleiben nur noch 5 Minuten um wenigstens einen Ausgleich zu erzielen. Zunehmend frustriert rennen sie gegen die Abwehr an. Doch die Londoner Jungs stehen wie eine eiserne Mauer im Strafraum. Wieder hält Nelson Mensah einen Angriff auf. Gewinnt den Zweikampf gegen Burns. Miller kommt zu Hilfe. Pass auf Jones. Sehen wir wieder das Dreigespann von vorhin? Danny Roberts geht dazwischen…. Ball im Aus. Jones liegt am Boden und hält sich das Knie. Ist Roberts da etwas zu engagiert gegen Jones angegangen? Oder simuliert Jones nur? Denn immerhin ist dieser Zwischenfall bereits im Strafraum geschehen. Eine gelbe Karte wäre in dieser Situation sehr unangenehm für Chelsea. Denn das gäbe 11-Meter! Der Schiedsrichter berät sich noch einmal mit seinen Assistenten. Doch… Ja! Er zückt die gelbe Karte. Gelb für Roberts und das heißt 11-Meter für Manchester. Was für eine Wendung! Was für eine Chance für die Gäste!“
 

Victor zieht scharf die Luft zwischen den zusammengepressten Zähnen hindurch. Seine Mannschaftskameraden stehen etwas hilflos vor dem Tor herum, als könnten sie es jetzt noch irgendwie beschützen. Chris kommt auf ihn zugelaufen. „Victor, du schaffst das.“ er schlägt ihm zuversichtlich auf die Schultern. „Burns wird schießen, weil White sich gegen dich nicht traut.“ er zwinkert. Noch einmal klopft er ihm auf den Rücken. „Du schaffst das, beim letzten Training hattest du 85%. Weißt du noch?“ aufgeregt sieht er ihm in die Augen. Victor grinst nur und zieht seine Handschuhe fester.

„Soll er es versuchen.“

Er lässt seine Hände ins Netz sinken und schließt kurz die Augen. Dreimal atmet er tief ein und aus. Wie in Trance dreht er sich um und stellt sich auf die Linie. Burns tritt mit ernstem Gesichtsausdruck zum Strafpunkt und legt den Ball darauf. Dann macht er drei Schritte rückwärts und fixiert das Tor.

Victor denkt an Chris‘ Worte. Wenn er so gut war wie im Training, dann lagen Burns‘ Chancen bei 15%. >Na komm.<

Dann hält er plötzlich inne. Die Rufe, Pfiffe und Schreie des Publikums haben ihren Rhythmus geändert. Es klingt wie drei Silben, die, unverständlich zwar, aber wie aus einem Mund etwas rufen. Unterbrochen von rhythmischem Klatschen.

Hinter Burns steht seine Mannschaft, geschlossen mit den Armen gegenseitig auf den Schultern. Sie sprechen einander Mut zu. All ihre Hoffnung, dieses Spiel doch noch zu gewinnen, liegt jetzt auf Victors Schultern.

Und dann dämmert es ihm. Sie rufen seinen Namen. Diese drei Silben gefolgt von Klatschen, die gerade durch das Stadion hallen. Das war sein Name: Ue-su-gi. Er spürt sein Herz hart von innen gegen seine Brust. Höchste Konzentration durchströmt ihn. Sein Atem geht ruhig im Rhythmus der Rufe des Publikums. Burns‘ Bewegungen erscheinen ihm wie in Zeitlupe. Jede einzelne Bewegung des Stürmers offenbart ihm, was in der nächsten Sekunde geschehen wird. Es ist so leicht. Er sieht ihn anlaufen und schießen. Der Ball fliegt in die rechte obere Ecke. Es ist ihm, als wenn er bereits da wäre. Leicht erreicht er den Ball mit beiden Händen, hält ihn fest, rollt auf dem Boden ab, steht auf und hebt den Ball wie eine Trophäe in die Höhe.

Das Stadion scheint zu explodieren. Seine Mannschaft rennt auf ihn zu, die Arme weit ausgebreitet, die Gesichter vor Freude zu wahnsinnigen Grinsen verzerrt. Sie stürzen sich auf ihn und begraben ihn unter einem Berg von Körpern.
 

“…Und da ist der Schlusspfiff! Chelsea gewinnt dieses Match mit 1:0, dank einer unglaublich starken Abwehrleistung. Gekrönt von diesem gehaltenen 11-Meter. Manchester hat wirklich alles gegeben, sie haben alles versucht, aber sie hatten keine Chance gegen diese einzigartige Teamleistung. Die Fans sind außer sich. Torwart Uesugi wird hier gerade auf Schultern übers Spielfeld getragen. Diese Mannschaft hat heute eine ungeheure Leistung vollbracht!…“
 

Als sie ihn endlich wieder herunterlassen, fällt Victor etwas wichtiges ein. Sofort dreht er seinen Kopf zur Tribüne, doch er kann Jennys roten Mantel nirgendwo entdecken. >Bestimmt ist sie unten an der Bank.< denkt er und reckt den Hals um zwischen den feiernden Ersatzspielern, Assistenztrainern und Sanitätern vorbei sehen zu können. Er läuft zu ihnen und wird sogleich mit großem Jubel empfangen. Während er Schulterklopfen, Daumen hoch und Glückwünsche empfängt, suchen seine Augen hektisch nach Jenny. Er findet Brian, der erst beim dritten Mal versteht, was er fragt. Aber er schüttelt nur den Kopf. Victor läuft durch die Gänge des Stadions, er sucht die Tribüne ab, fragt alle möglichen Leute nach einem Mädchen mit roten Haaren und rotem Mantel, doch Jenny bleibt verschwunden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Jaja, ok 😅 es gibt noch einen Epilog Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tasha88
2021-07-27T13:00:48+00:00 27.07.2021 15:00
Hallo Rike,

also ich will kurz anmerken, dass ich diese Einblicke in das Spiel wirklich sehr mag und es mir sehr gut gefällt. Davon könnte ich tatsächlich mehr lesen.

Und Jenny ... bzw Victor und Jenny. Also ... hmm ... schön, dass es Victor egal ist, dass sie auch mit anderen geschlafen hat und die Ansage an sie - huiuiui - der Mann weiß, was er will, aber so ist unser Victor, nicht wahr?
Und spannend ist jetzt - wo ist sie denn?????
Ich freue mich sehr auf den Epilog und bin trotzdem jetzt schon traurig, dass die Geschichte dann zu Ende ist.

Es ist wirklich sehr gut gewesen, dass wir uns unterhalten haben, denn dadurch dachte ich, komm, gib der Geschichte eine Chance - beim ersten reinlesen war ich nämlich eher so: joa ... net unbedingt meines.
boah, beim Gedanken daran könnte ich mir in den Hintern beißen, denn ist eine der besten Geschichten - auch wenn es natürlich an sich keine Kickers Geschichte ist (Kakerus auftauchen mal am Rande ...)

ich mochte sie sehr und freue mich auf (fast) alles weitere ;)
was das "fast" betrifft, weißt du selbst ;p
LG
Antwort von:  Centranthusalba
27.07.2021 15:56
Hallo Tasha,
Du ahnst gar nicht, wie brennend ich diesmal auf dein Kommentar gewartet hab. 😁
Erst mal vielen Dank für „eine der besten Geschichten“ 😍. Das ist schöööön.
Und ich glaube, dass ich mich vorerst zur Genüge an Viktor abgearbeitet hab. Ich freue mich schon auf seichteres mit Gregor, Conny und auch Mario.

Ich mag in diesem Kapitel vor allem den Unterschied zwischen den ersten beiden Szenen. Da denkt man erst, er sei endlich erwachsen geworden, als er souverän die 1 ablehnt und dann geht er rüber zu Jenny und tischt ihr so einen unreifen Kinderkram auf. 😂😂😂 Kein Wunder dass Jenny sprachlos war.
Ja aber in das Spiel habe ich nochmal sämtliche Siegesszenen reingepackt. Victor for (UEFA) President!💪🏻
Ach ja und zu Jennys Seitensprung: Ich weise darauf hin, dass auch Victor kein Unschuldsengel war… überhaupt ist es in dieser Geschichte nicht die größte Herausforderung mit jemandem Sex zu haben, sondern eher mit jemandem eine ernsthafte Beziehung einzugehen. Fürs erstere brauchst du keine Reife… und übrigens auch keine Stärke.
… da fällt mir doch glatt was hübsches für den Epilog ein.. 🖊💭
Antwort von:  Tasha88
27.07.2021 20:43
:) das freut mich doch :)
du hobst dir halt immer so viel Mühe, alles authentisch zu schreiben und das finde ich super. Und es war einfach toll, mal was nur von Viktor zu lesen - ich mag es ^^

Und ich bitte dich, brech bei der Gregor x Conny (mit Mario) Geschichte nicht mein Herz...

und das tue ich doch gerne, dich auf Ideen zu bringen - tun wir beide schließlich ganz gerne XD (ich nehme das mal auf meine Kappe ;p )
Antwort von:  Centranthusalba
27.07.2021 20:50
😇😇
Bei Gregor Conny mach dir keine Sorgen. Zur Zeit plane ich das so, dass Viktor nur Fußball im Kopf hat und bei den Mädchen aus Angst zu versagen… ja eben genau das tut: versagen 🙈
Antwort von:  Tasha88
27.07.2021 21:11
uhhh, das klingt schon etwas lustig :D
und danke ;)


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