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Eine Begegnung verändert alles

Daryl und Matt
von

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Miese Entscheidung


 

Daryl

 
 

Die Entscheidung ist nur der Anfang von etwas.

Unbekannt
 

Es ist Freitag. Die Sterne leuchten bereits am Nachthimmel. Ich sitze im Liegestuhl und starre in den Pool, als würde an seinem Grund die Antwort auf alle meine Fragen liegen.

Neben mir, ebenfalls in einem Liegestuhl, sitzt mein Bruder und starrt genauso in den Pool.

Würde ein Unbekannter vorbeikommen und uns so sehen, würde er wahrscheinlich an seiner geistigen Gesundheit zweifeln. Wir sehen genau gleich aus. Statur und Mimik, alles gleich. Unsere braunen Haare, unsere braunen Augen, unser goldener Hautton. Zwillinge, deren Wurzeln unübersehbar in Puerto Rico liegen. Einwandererkinder, durch und durch. Gleich und doch so verschieden.

Doch das alles spielt gerade keine Rolle.

Zwei Wochen ist es her. Zwei. Scheiß. Wochen. Und ich denke immer noch an sie. Trotz allem, was ich inzwischen weiß.

Ich hatte ja schon geahnt, dass sie mich wohl über diese Nacht hinaus beschäftigen würde, aber dass es so extrem wird, damit hatte ich nicht gerechnet. Wirklich nicht.

Mein Privatleben bestand eigentlich immer nur aus One-Night-Stands und ich war nicht unglücklich damit gewesen. Schon einige Male war ich vom anderen Geschlecht bitterbös enttäuscht worden und legte einfach keinen Wert auf eine weitere dieser Geschichten.

Außerdem hatte ich bei meinem Bruder mitansehen müssen, was Liebe im Katastrophenfall anrichtet kann. Was passiert, wenn einer geht und einer zurückbleibt … Nein, das am eigenen Leib zu erfahren, darauf lege ich keinen Wert.

Ich mache mir nichts vor, mein Leben ist gefährlich. Ich bewege mich kontinuierlich zwischen komplett Illegal und rechtlicher Grauzone. Die schlimmsten Zeiten liegen zwar hinter mir, aber deswegen bin ich noch lange nicht raus aus der Szene.

Bei Matt ist das anders. Er hat nach dem Unfall all dem den Rücken gekehrt und den Absprung geschafft … Beeindruckend, wenn ich ehrlich bin. Er glaubt aber auch immer an das Gute im Leben, und in den Menschen. Er hatte immer noch Hoffnung, wo ich schon lange nichts mehr erwartet habe, von wem auch immer. Auch in mich setze er noch Hoffnung, obwohl ich das anders sehen.

Ich, ich bin geblieben; aus verschiedenen Gründen. Inzwischen bin ich zwar raus aus der Gang, aber sie wird immer Teil meines Lebens bleiben. Und damit auch eine Gefahr. Für mich; was mich eher weniger stört. Für meinen Bruder; was ich mir nie verzeihen würde. Für jeden anderen; der in mein Leben tritt, oder treten sollte. Deswegen gibt es da niemanden … Deswegen wollte ich da niemanden …

Doch jetzt komme ich nicht umhin darüber nachzudenken wie es wäre wenn … Ob es vielleicht doch möglich wäre … Vielleicht mit jemanden dem das alles nicht unbekannt ist …

Und ich mache mir nichts vor: Mia ist der Grund dafür.

Ich hatte die Puppen immer, falls sie morgens noch da waren, in ein Taxi gesetzt und auf Nimmerwiedersehen. Ich wollte die Mädels immer auf dem schnellsten Wege wieder loswerden.

Dieser Morgen war anders. Ich öffnete die Augen und sie war noch da, und ich freute mich darüber. Allein schon dieser Umstand sorgte für eine vorübergehende Übelkeit bei mir.

Wir hatten irgendwann gefrühstückt, nachdem wir uns vorher noch anderen Dingen gewidmet hatten; sehr ausführlich gewidmet hatten.

Es war schön sie da zu haben. Ihre freche Art hatte mir wirklich den Tag verschönert. Von dieser natürlichen Sanftheit die von ihr ausging ganz zu schweigen. Gegen Mittag ist sie dann los und … das Haus hatte sich eigenartig leer danach angefühlt. Leer und auch … Kalt.

Wir hatten telefoniert und geschrieben. Meine Geschäfte hatten in der darauffolgenden Woche ein erneutes Treffen unmöglich gemacht. Dieser Umstand hat mich fürchterlich genervt, ließ sich aber auch nicht ändern.

Gleichzeitig hat es mich genervt, dass es mich genervt hat.

Mich haben zunehmend Gefühle geplagt, mit denen ich mich noch nie in dieser Form und Intensität konfrontiert gesehen hatte. Ich fühlte mich wie ein Ertrinkender, der nach Halt suchte aber keinen fand.

Am Ende der Woche sah ich mich nicht mehr dazu in der Lage, dass alles nur mit mir selbst auszumachen. Mir wurde klar, dass ich … Hilfe brauchte; oder zumindest jemanden, dem ich das alles erzählen konnte um mich danach, hoffentlich, leichter zu fühlen. Schließlich hatte ich am Samstag dann Matt angerufen. Ich … Ich brauchte eine zweite Meinung. Und wer kennt mich besser, als mein Bruder? Niemand, so viel steht fest.

Ich habe mich versucht zu drücken; was albern war, weil ich ihn ja extra herbestellt hatte und auch extra meinen eigentlichen Termin verschoben hatte. Trotzdem hatte ich mich schwer getan damit, ihm endlich zu sagen, was mich plagte.

Ich habe irgendwann angefangen ihm von Mia erzählen. Rein hypothetisch und ohne konkret zu werden. Ich habe von ihr gesprochen, ohne sie zu nennen. Einmal angefangen konnte ich gar nicht mehr aufhören. Ihre Art, ihr Charme, die blauen Augen … Ja, die kleine Raubkatze hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich habe erzählt … und erzählt … und irgendwann angefangen zu schwärmen, auch wenn ich nur ungern zugebe, dass ich das tatsächlich gemacht habe.

Es war schrecklich das alles so zu offenbaren. Ich hatte mich noch nie so nackt und verletzlich gefühlt wie in diesem Moment. Das ist auch der Grund, warum ich Matt als Gesprächspartner ausgesucht hatte. Wir kennen uns, unsere Geschichte. Ihm muss ich nicht erklären, warum ich mich so unwohl fühle, warum ich mich so schwer tue mit dem Ganzen. Er weiß es.

Dennoch hatte ich es zwischenzeitlich bereut mich ihm anzuvertrauen. Wie er dasaß und mich ansah. Furchtbar. Dieses Funkeln in seinen Augen und dieses dämliche Grinsen. Am liebsten hätte ich ihm eine reingehauen, nur um zu verhindern, dass er es laut aussprach.

„Du bist verliebt“, hatte er begeistert frohlockt und in die Hände geklatscht wie ein kleines Kind, dass nicht wusste wohin mit seiner Freude.

Ich hatte meinen Bruder angefaucht, er solle seinen Müll für sich behalten, was ihm ein herzliches Lachen entlockt hatte.

Wir wussten beide, dass er recht hatte mit seiner Einschätzung. Doch es so gesagt zu bekommen, hatte sich wie ein Faustschlag in die Magengrube angefühlt. Und ich nur weiß zu gut, wie sich das anfühlt.

Ich bin nicht dämlich, mir war natürlich selber klar, dass es so war. Zumindest irgendwo ganz hinten in meinem Verstand. So weit hinten, dass ich es bis zu dem Moment ignorieren konnte.

Schweigen legte sich über uns. Ich wollte nicht weiter darauf eingehen und Matt spürte das. Also erzählt er mir, dass er am folgenden Tag eine Verabredung hatte.

Mir fiel sofort die Unsicherheit in seiner Stimme auf. Der Unfall und der damit einhergehende Verlust lag zwar schon ein paar Jahre zurück, aber verheilt waren die unsichtbaren Wunden noch lange nicht. Das wussten wir beide. Und genau deswegen wunderte mich, dass er sich darauf eingelassen hatte. Nein, sogar selber die Initiative ergriffen hatte.

„Warum?“, hatte ich ihn gerade heraus gefragt.

Matt wendete den Blick ab und druckste herum. „Sie ist anders …“, hatte er schließlich geflüstert.

Es tat weh ihn so zu sehen. Zu sehen, wie er sich selbst quälte. Gleichzeitig freute ich mich, dass er sich doch langsam wieder aus seinem Kokon wagte.

Ich sprach ihm Mut zu. Es würde wahrscheinlich gegen die Wand laufen und der Kleinen womöglich das Herz brechen, aber das war mir zu dem Zeitpunkt egal. Mein Augenmerk lag auf meinem Bruder, und ihm würde es nicht schaden, mal etwas Dampf abzulassen.

Hätte ich geahnt was folgt, hätte ich … ihm davon abgeraten. Der Gedanke tut weh, und ich verabscheue mich dafür. Aber so ist es nun einmal. Ich hätte gesagt, dass es zu früh ist und er das Date absagen soll.

Das Date.

Mit Mia.

Ich spüre das Brennen tief in meinem Magen. Eine Mischung aus Wut, Eifersucht und Enttäuschung. Nichts davon ist berechtigt. Mia hat mir nichts versprochen. Wir haben uns nicht mehr gesehen und nur losen Kontakt gehabt. Dass sie mit einem anderen ausgegangen war, war ihr gutes Recht …

Trotzdem grämt es mich und es zerrt unweigerlich an einigen alten Narben die ich mir in den Jahren zugelegt habe. Doch das Schlimmste war, dass es ausgerechnet mein Bruder gewesen war. So sehr wir uns liebten, so sehr waren wir auch schon immer Konkurrenten gewesen.

Verdammt, hatte sie die frappierende Ähnlichkeit nicht bemerkt? Oder war es am Ende der Grund? Ich würde sie es gern fragen, aber ich bekomme bereits seit Sonntag keine Nachrichten mehr von ihr. Wenn ich sie versuche anzurufen, geht sie nicht ran.

Das einzig beruhigende ist, dass es Matt nicht anders geht. Sie hatten wohl am Dienstag nochmal telefoniert, danach war Funkstille.

Das kleine Biest hüllt sich in Schweigen und scheint zu versuchen von der Bildfläche zu verschwinden. Ob ihr bewusstgeworden war, dass sie offenbar mit Zwillingsbrüder ausgegangen war? Schämte sie sich deswegen? Oder nutze sie es als Vorwand, um uns beide abzuservieren?

Matt neben mir seufzt schwer.

Ich bin hin und her gerissen. Ich weiß, dass wir wegen derselben Frau hier sitzen; er nicht. Soll ich es ihm sagen? Ihm sagen, dass die kleine Raubkatze und seine Fotografin ein und dieselbe Frau sind?

Er war am Mittwoch zu mir gekommen. Verwirrt und unruhig. Er hat mir alles erzählt, alles. Und nichts davon wollte ich wissen, nachdem ich eins und eins zusammengezählt hatte. Ich hatte nicht lange gebraucht um zu begreifen, dass seine Mia und meine identisch sind. Mein Bruder hatte offen von ihr gesprochen, im Gegensatz zu mir die Tage zuvor.

Eine kurze Recherche im Internet zu Matts Fotografin und ich hatte die Gewissheit, die ich lieber nicht wollte.

Ich würde ihn gern schützen und aufbauen. Gleichzeitig kann ich nicht, weil … weil ich sie für mich möchte. Schon verrückt, aber an meine Gefühle ihr gegenüber haben sich durch das Ganze nicht wirklich verändert. Ich will sie in meinem Leben, nicht in dem von meinem Bruder. Aber ich will meinem Bruder nicht weh tun, ihn aber auch nicht anlügen.

Außerdem stellt sich mir noch eine andere Frage: Wieviel hat Mia mit der Szene zu tun? Sie war bei dem Streetrace. Das ist keine Veranstaltung über die man mal eben so stolpert. Noch dazu, hatte ich nicht den Eindruck, dass sie das erste Mal bei so einem Event dabei war. Und es hat sich auch niemand an ihr gestört, so als wäre sie bereits bekannt und würde dazugehören.

Mein Bruder hat mit all dem nichts mehr zu tun, und ich möchte, dass das so bleibt. Die kleine Raubkatze könnte womöglich also für noch viel größeren Ärger sorgen …

Dennoch bin ich eine Erklärung schuldig. Ich kann ihn nicht weiter im Unklaren lassen. Ich habe eine Entscheidung getroffen, eine, die ich sicherlich bereuen werde. Eine miese Entscheidung; für uns beide.

„Matt … Ich muss dir etwas sagen.“ Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie er sich zu mir dreht. Mein Blick klebt weiter auf der glitzernden Wasseroberfläche. „Die kleine Raubkatze … sie…. ihr Name ist Mia. Sie ist Fotografin. Sie fährt einen goldgelben BMW Z3.“

Eine unerträgliche Stille legt sich über uns. Ich muss das nicht weiter ausführen. Er ist nicht dumm und weiß, was ich ihm da gerade offenbart habe und versucht es einzuordnen.

Er steht ruckartig auf und fährt sich durch die Haare. „Seit … seit wann …“, stammelt er.

Ich höre die Wut heraus, mag sie auch noch so unterschwellig sein. Wir kennen uns zu gut, zu genau. „Seit Mittwoch“, antworte ich kurz angebunden. Ich bemühe mich stoisch und desinteressiert zu wirken, obwohl ich weder das eine noch das andere bin.

„Heute ist Samstag“, knurrt er außer sich. Sein wütender Blick bohrt sich in mich hinein. Er kommt auf mich zu, die Fäuste geballt.

Plötzlich dröhnt Motorenlärm die Allee hinauf. Er ist rau und kräftig; und trotzdem irgendwie seidenweich.

„Erwartest du Besuch?“, fragt mich Matt misstrauisch.

„Nein.“ Ich stehe schnell auf und versuche auszumachen, wer sich da gerade ohne Vorankündigung auf mein Grundstück begibt. Es gibt da so einige Möglichkeiten …

„Das gibt es doch nicht …“, haucht mein Bruder ungläubig.

Ein goldgelber BMW taucht plötzlich auf. Was zum Teufel …?!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Überarbeitet 23.09.2021 Komplett anzeigen

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