Zum Inhalt der Seite

Bloody Twins

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Desmond Der Unterricht am nächsten Tag ist einfach nur langweilig. Ich höre den Lehrern nur mit halbem Ohr zu. Meine Gedanken sind ganz woanders. Selbst als Frau A.-B. mich anschreit, dass ich aufpassen soll und auch Lucern mich bereits mehrfach ermahnt hat, reagiere ich nicht. Zu sehr belastet mich die Tatsache, dass Großvater hier ist. Ich weiß, dass er das ganze Wochenende keine Gelegenheit auslassen wird, um mich fertigzumachen und mir zu sagen, wie wertlos ich eigentlich bin.

Flora versucht mehrfach mich anzusprechen, doch ich registriere es nicht. Erst als sie mir auf dem Nachhauseweg schmerzhaft ihren Ellenbogen in die Seite rammt, schreckte ich aus meinen Tagträumen auf. "W-was... was hast du gesagt?", stammel ich erschrocken. Flora sieht mich besorgt an. "Desmond, was ist los mit dir? Du bist schon den ganzen Tag so abwesend." "Es... es... ist nichts", winke ich ab, aber Flora lässt nicht locker. "Ich seh doch, dass etwas mit dir nicht in Ordnung ist. Erzähl mir doch, was los ist. Vielleicht kann ich dir helfen." Ich seufze und weiche ihrem Blick aus. Doch Floras lässt nicht locker bis ich schließlich doch zu reden anfange. "Ich wünschte, dass Großvater wieder weg wäre und... na ja... ich hab schon irgendwie... Panik vor heute Nacht...", gestehe ich ihr leise. Ich habe mir den ganzen Vormittag über den bevorstehenden Abend Gedanken gemacht. Es ist ja nicht so,, als würde ich die Rede nicht halten wollen, denn das will ich definitiv! Schon allein wegen dem, was Vater in den letzten Tagen abgezogen hat! Aber irgendwie fühle ich mich jetzt nicht mehr ganz so wohl, wenn ich an unser Vorhaben denke, wie noch vor wenigen Tagen.

Flora sieht mich mitfühlend an. "Mir geht es nicht anders", sagt sie und legt ihren Arm um meine Schultern. "Ich mag den Gedanken immer noch nicht, dass du die ganze Schuld auf dich nehmen willst..." "Ich muss es aber tun, weil ich dich in Sicherheit wissen will! Und deshalb müssen wir nachher sagen, dass jeder seinen Teil der Rede unabhängig vom anderen geschrieben hat. Außerdem musst du, wenn du meinen Part der Rede hörst, so tun, als wärst du ebenso geschockt wie die anderen!" "Aber das will ich nicht", antwortet Flora empört, "nicht nachdem gestrigen Gespräch mit Großvater!" Irritiert sehe ich sie an. "Was hat er denn gesagt?", frage ich.

"Er gibt dir die alleinige Schuld an den Morden und hält dich für das Böse in Person! Außerdem hätte er es am liebsten, wenn ich keinen Umgang mehr mit dir hätte, weil du angeblich nicht gut für mich seist!", regt Flora sich auf. Ich lächel sie milde an. "Und das verwundert dich? Du weißt doch, wie sehr er mich verabscheut. Was hast du denn geantwortet?"

"Ich habe versucht zu widersprechen, aber er hat mich nicht zu Wort kommen lassen." Fora sieht deprimiert zu Boden. "Das war gut so!", antworte ich und ernte dafür einen verwirrten Blick meiner Schwester. Nun lege ich meinerseits einen Arm um ihre Schultern. "Schau mal, Schwesterherz, deine Protestversuche waren ein Zeichen für unsere Verbundenheit, aber Großvater denkt vermutlich, dass unser Verhältnis noch so ist wie es vor Mutters Tod war. Er weiß nicht, wie eng unser Verhältnis wirklich ist. Und das ist ein wichtiger Vorteil für uns, weil der Rest der Familie doch genauso denkt. Wenn du geschockt von meinem Part der Rede bist und das auch zeigst, wird Großvater sich bestätigt fühlen und denken, dass er einen Sieg errungen hat, aber in Wirklichkeit ist es doch ein Sieg für uns!" Flora nickt nachdenklich. "Du hast recht", gibt sie zu, "also werde ich so tun, als wäre ich zutiefst geschockt und empört! Auch wenn es mir verdammt schwer fallen wird, dass zutun..." Ich lächel sie an. "Das schaffst du schon, Schwesterchen, bist doch ne gute Schauspielerin!" Flora lächelt nun ebenfalls und Arm in Arm gehen wir nach hause. Zu hause ist komischerweise keiner. Lucern wollte noch etwas mit unseren Lehrern besprechen Und Vater und Opa sind auch nicht zu Hause. Eigentlich ist das ziemlich komisch, dass so gar keiner da ist, aber egal, so haben wir wenigstens unsere Ruhe.
 

~*~*
 

Der Nachmittag selbst verläuft komplett ereignislos und schließlich bricht der Abend an. Langsam ist es an der Zeit, dass wir uns fertig machen. Glücklicherweise musste ich mir nicht extra eine vampirische Tracht kaufen. Es reicht vollkommen, wenn ich einen Anzug anziehe. Das einzige, was wirklich dabei sein muss, ist ein typischer vampirischer Umhang mit hohem Kragen.
 

Ich stehe vor meinem Schrank und mache mich auf die Suche nach einem passenden Anzug. Nach einiger Zeit entschließe ich mich für einen matt glänzenden schwarzen Anzug mit dunkelgrüner Krawatte. Der passende Umhang wird sich in Vaters Zimmer finden lassen. Ich verlasse mein Zimmer und mache mich auf den Weg zu Vaters Zimmer. Leise klopfe ich an die Tür. Ich warte einen Moment aber ich bekomme keine Antwort. Also öffne ich die Tür und betrete das Zimmer. Zielstrebig auf Vaters Schrank zu gehend. Glücklicherweise weiß ich, wo Vater seine Umhänge hängen hat, sonst würde ich in diesem riesigen Schrank wohl ewig suchen. Nur wenige Augenblicke später habe ich einen passenden Umhang gefunden. Schwarz mit grünem Innenfutter und am Kragen scheinen einige Blutstropfen hinab zu perlen. Einfach perfekt. Zumal ich diesen Umhang auch noch nie getragen habe. Ich hatte es zwar schon öfters vorgehabt, aber nie den passenden Anzug getragen und sich dann extra nochmal umzuziehen, war mir auch bisher immer viel zu blöd gewesen.
 

Als ich fertig bin, verlasse ich das Zimmer wieder und laufe direkt Vater in die Arme. Er sieht mich kurz an und nickt dann anerkennend. "Gut siehst du aus, mein Sohn", sagt er lächelnd. Gezwungen lächel ich zurück. Als ob es mich seine Meinung interessieren würde. Nach unserer Rede wird es ihm sowieso egal sein, ob ich jetzt gut aussehe.

Ich will mich gerade von ihm abwenden und wieder in mein Zimmer gehen, als Vater mich noch einmal zurückhält. Er sieht mich streng an. "Und das ihr mir ja keinen Unsinn macht, Desmond!", ermahnt er mich, "Die Familie weiß nichts von euren Eskapaden und das soll auch so bleiben! Also passt ja auf, was ihr heute Abend tut und vor allem was ihr sagt!" Ich nicke leicht. "Ja, Vater!", erwidere ich. Er scheint bereits etwas zu ahnen... na ja auch egal. Bis zur Rede ist es ja schließlich nicht mehr lange hin.

Trotzdem macht mich seine Ermahnung nervös. Zwar weiß ich, was nach der Rede auf mich zukommen wird, aber die Tatsache, dass er bereits etwas von unserem Vorhaben zu ahnen scheint, macht mich doch verdammt nervös.

Ich muss irgendetwas gegen diese blöde Nervosität machen. Nur was? Und dann habe ich endlich eine Idee. Schnellen Schrittes gehe ich nach unten ins Wohnzimmer zu unserer Hausbar. Normaler Alkohol macht Vampiren absolut nichts aus und hat auch keinerlei berauschende Wirkung. Wenn man den allerdings mit Blut versetzt, dann...

Ich habe zwar noch nie sonderlich Alkohol getrunken nur jetzt erscheint es mir der richtige Zeitpunkt zu sein. Wahllos ziehe ich eine Flasche hinter der Bar hervor und schenke mir ein Glas davon ein. Es ist mir so ziemlich egal, was ich da gerade trinke. Hauptsache es vertreibt diese blöde Nervosität. Der Alkohol brennt in meiner Kehle und ich schüttel mich. Es schmeckt ziemlich bitter, aber ein leicht fruchtiger Geschmack ist trotz allem vorhanden. Eine eigenartige Kombination, aber irgendwie lecker. So lecker, dass ich mir direkt noch ein zweites Glas einschenke.

Ich stehe noch immer an der Bar und trinke, als plötzlich die Tür zum Wohnzimmer aufgeht und Flora den Raum betritt.

Sie sieht mich erschrocken an. "Desmond... was... was machst du da?"

Ich grinse sie an. "Was schon? Ich... trinke was leckeres... Willst du auch was?" "Nein, verdammt! Hör auf damit!" Sie reißt mir das Glas aus der Hand und kippt den Inhalt in den Abfluss. Zuerst will ich mich aufregen, aber dann besinne ich mich eines besseren. Sie hat ja recht. Ich sollte nicht so viel trinken. Nicht jetzt vor der Trauerfeier. Aber der Alkohol, welcher sich in meinem Blut befindet, reicht, um mir die Panik und die Nervosität vor der Trauerfeier zu nehmen.

Flora sieht mich besorgt an. "Desmond, was machst du nur für Sachen?" "Mir Mut antrinken", erwidere ich trocken. "Aber... sowas hast du doch sonst nicht gemacht..." "Sonst war ich auch nicht so nervös wie ich es jetzt bin. Ich mein, überleg doch mal wer alles da sein und unseren Racheaufruf hören wird..."

"Wäre es dir lieber, wenn wir den Aufruf weglassen?"

"Nein. Jetzt, wo wir schon so weit sind, gibt es kein Zurück mehr! Jetzt müssen wir es durchziehen, egal wie schwer es uns fallen mag!"
 

Flora In der Eingangshalle warten Großvater und Vater schon auf uns. „Wie deiner Mutter aus dem Gesicht geschnitten…", sagt Vater verblüfft als er mich entdeckt. „Das sieht so bezaubernd aus, so eine Schönheit sieht man nicht alle Tage. Ich bin so stolz auf dich, Flora. Wenn deine Mutter dich nur jetzt sehen könnte." Ich bin wirklich sprachlos. So etwas nettes hat Vater schon lange nicht mehr zu mir gesagt. „Meine Lieblingsenkelin wird heute Nacht wirklich alle Blicke auf sich ziehen! Was natürlich kein Wunder ist, du bist ja schließlich meine Enkelin. Die Schönheit steckt bei uns doch im Blut, besonderes bei dir.", ergreift Großvater das Wort und streichelt mir sanft über die Wange. „Nicht so wie bei manch anderen!", fügt er hinzu und richtet einen verachteten Blick auf Desmond. Dieser reagiert allerdings nicht. Ich merke ihn an, wie er mit sich ringt. Ihn nimmt die Rede doch mehr mit als er zugibt. Und dann will er auch noch alle Schuld auf sich nehmen. Wie konnte ich da nur einwilligen? Soll ich es wirklich machen? Ich kann ihn doch nicht hängen lassen, aber er will es doch so…

„Ihr seid wohl schon beide nicht mehr hier, sondern auf der Trauerfeier.", erklingt Vaters Stimme in meinen Ohren. „Der gewiss nicht…", vernehme ich Großvater murmeln. „Was?", fragt Vater. Eine peinliche Stille tritt ein und auch Desmond scheint dem Gespräch wieder zu folgen. „Ach, das ist doch wohl kein Wunder, dass Flora so abwesend ist. Schließlich ist es die 20. Trauerfeier ihrer geliebten Mutter. Jetzt heißt es vorerst zum letzten Mal Abschied nehmen. Das steckt man nicht so einfach weg.", sagt Großvater schnell und legt seinen Arm beschützend um mich. „Ja, das stimmt.", gibt Vater nachdenklich von sich. „Ah, da draußen ist ja schon Lucern. Dann lasst uns mal losfahren. Wir wollen doch nicht zu spät kommen.", sagt er plötzlich. Wir gehen alle gemeinsam nach draußen. Desmond schlendert gelangweilt hinter uns her. Er scheint wieder in seine Gedanken versunken zu sein, als Großvater sich zu ihm absetzt. „Ich werde dich im Auge behalten. Wehe, wenn du auch nur eine einzige Kleinigkeit unternimmst diesen bedeutsamen Abend zu ruinieren! Denk an deine Mutter und deine Schwester, wie sehr ihr der Abend bedeutet und nahe geht! Haben wir uns verstanden?", sagt Großvater mit gedämpfter Stimme, während er Desmond brutal an seinem Ohr zieht, wie damals auf dem Spielplatz. „Schon gut!", faucht Desmond ihn an und Großvater lässt von ihm ab. Aber gewiss nicht wegen Desmonds Antwort, sondern wohl er, weil Vater sich zu uns umdreht und uns auffordert in sein Auto zu steigen. Auch wenn ich es nicht verstehen kann, wieso Großvater gerade vor Vater seine Feindlichkeit gegenüber Desmond zu verbergen versucht. Bei allen anderen ist es ihm doch auch egal! Wieso nicht auch vor Vater? Ist damals etwas doch mehr vorgefallen?
 

Während der Autofahrt spricht kein einziger ein Wort. Alle sind in Gedanken versunken. Selbst Großvater lässt die ganze Zeit Desmond in Ruhe, obwohl er hinten auf der Rückbank direkt zwischen uns beiden sitzt. Alle sind froh, als Vater endlich auf einen verlassenen Parkplatz beim Friedhof parkt und die beklemmende Stimmung sich langsam wendet…
 

Langsam gehen wir über den menschlichen Friedhof, ganz bis zum Ende durch. Es ist schon komisch, sich wieder auf einen menschlichen Friedhof zu befinden. Nicht, dass es mich an die letzten Trauerfeiern erinnern würde, als wir auch hierher gehen mussten, sondern eher an meine Begegnung mit Xeron. Und den damit verbundenen Streit mit Desmond…

Ich darf ihn einfach nicht noch einmal enttäuschen. Es darf niemals wieder so werden wie damals. Das war so eine schreckliche Zeit für mich. Ich dachte, ich hätte ihn für immer verloren! Ich muss später so tun, als ob ich nichts von der Rede weiß. Es ist Desmonds Wille und ich kann schon glücklich sein, dass er mir die Sache mit Elliot verziehen hat. Egal wie schwer es mir fallen mag…
 

Am Ende des Friedhofes stehen riesige Bäume. Ein düster erscheinender Wald, in den sich die Menschen nicht trauen. Bisher hat sich noch nie einer hierher verirrt. Und auch wenn, er würde es niemals überleben. Als Hinweis haben die Menschen hier hinten am Friedhof riesige Wahntafeln aufgestellt, was nicht gerade dem Aussehen des Friedhofes entspricht. Wer will auch schon riesige Leuchttafeln mitten auf einem Friedhof haben? Auch wenn ich zugeben muss, dass einige Schilder sehr originell sind. „Ein Schritt weiter und sie liegen auch hier!" „Haben sie ihr Grab schon geschaufelt? Sonst ist es ihnen abzuraten sich dem Wald zu nähren!" „Wollen sie ihren Verstorbenen Gesellschaft leisten? Dann gehen sie weiter! Wir freuen uns über jeden neuen Kunden! Ihre Friedhofsverwaltung!" Nur wenige Schilder weisen auf die tatsächlich drohende Gefahr hin, die demjenigen droht, der es wagt, den Wald zu betreten. „Achtung! Mienen!" Dies hat wirklich eine große abschreckende Wirkung auf die Menschen. Aber uns ist es egal! Uns können die Mienen nichts anhaben! Deshalb haben auch alle Vampire mit angepackt diese hier zu verlegen…

Ab einer gewissen Uhrzeit in der Nacht bewegen wir uns schwerelos. Jeder Vampir hat diese Fähigkeit von Geburt oder der Verwandlung an. Es ist kein einziger Vampir bekannt, der diese Fähigkeit nicht hat oder hatte. Nur so können wir unsere Heiligtümer und Gräber vor den Menschen schützen. Wer will auch schon auf einen menschlichen Friedhof begraben werden? Ich und Desmond bestimmt nicht! Und ausnahmsweise tuen dies uns alle Vampire gleich!
 

Unsere Gruft liegt ca. zwei Kilometer in dem Wald hinein. Durch unsere Schnelligkeit ist dies ein Katzensprung. Die Gruft hat ihren Eingang in einem riesigen Felsen. Durch eine geheime Kombination von sage und schreibe 666 Zahlen, lässt sich die schwere Felsentür öffnen. Diese wird von Generation zu Generation weitergegeben. Und ich muss sagen, dass ich froh bin, dass Vater diese noch nicht an uns weiter gegeben hat. Bei ihm sieht es aus wie ein Kinderspiel. In weniger als 30 Sekunden hat er die Tür geöffnet und wir gehen der Reihe nach die steinerne Treppe hinunter.
 

Der Anblick ist wirklich überwältigend. So etwas schönes habe ich noch nie gesehen. Mit strahlenden Augen gucke ich mich in der Gruft um. Und auch Desmond wird durch diesen Anblick aus seinen Gedanken gerissen. Auch er steht mit strahlenden Augen neben mir.

Selbst Großmutters letzte Trauerfeier war nicht so schön geschmückt, wie diese. Vater wird mit dieser Dekoration wirklich alle überraschen. Natürlich nur positiv…. für den negativen Teil sind ja wir zuständig…
 

„Wow… das habt ihr ja super hinbekommen.", bewege ich mich etwas zu sagen. „Es muss doch auch etwas besonderes sein, schließlich ist es doch der 20. Todestag eurer Mutter.", sagt Vater verlegen. Bilde ich mir das jetzt nur ein oder ist das wirklich unser Vater? Er und verlegen? Das habe ich ja noch nie erlebet, aber irgendwie ganz süß von ihm. Auch wenn süß für meinen Vater eher das falsche Wort ist. „Also ich finde es wirklich überwältigend! Das habt ihr echt toll gemacht. Mutter wäre so stolz auf euch!", sage ich lächelnd zu ihm. Auch wenn ich es nicht wirklich glauben kann, was ich gerade gesagt habe. Wie kann ich nur nach seiner brutalen Attacke gegenüber Desmond so etwas liebes zu ihm sagen? Aber Desmond scheint es nicht zu bemerken. Er hat das ganze Gespräch ignoriert und bisher kein einziges Wort gesprochen.
 

„Dann lasst uns doch mal mit der Trauerfeier anfangen.", meldet sich Lucern plötzlich zu Wort. „Nicht das die ganzen anderen Gäste hier eintreffen, bevor ihr euer Ritual abgeschlossen habt. Das würde nur Unglück bringen und das wollen wir ja wohl alle nicht!", ermahnt er uns. „Also Anchoret, darf ich dich nun als erstes bitten, runter zu Celistina zu gehen und ganz in Ruhe noch einmal von ihr Abschied zu nehmen?" Vater lässt sich nicht lange bitten, denn er kennt genau die Traditionen und die Folgen, die angeblich eintreten, wenn man diese nicht befolgt…
 

Die engsten Vampire, die mit dem verstorbenen Vampir zusammengelebt haben, haben bei der 20. Trauerfeier die Ehre ganze 30 min alleine von dem Verstorbenen noch einmal Abschied zu nehmen. In unserem Fall sind es eben Vater, Desmond und ich. Vater dient dabei ein besonderes Vorrecht, da er viel mehr Jahre mit unserer Mutter verbracht hat, als wir zwei. Daher darf er zuerst alleine hinunter in die Gruftkammer unserer Mutter gehen, wo ihre Urne aufbewahrt ist. Erst danach sind wir zwei mit unseren 30 min dran. Dieses Ritual muss abgeschlossen sein, bevor die anderen Gäste eintreffen, ansonsten soll etwas sehr schlimmes geschehen…
 

Nach genau 30 min tritt Vater wieder zu uns. Nun gibt es kein Weg mehr zurück. Desmond und ich gehen schweigend zusammen mit Großvater hinunter. Ausnahmsweise darf er uns begleiten, da es Minderjährigen Vampiren nicht erlaubt ist, alleine vor einen Toten Vampir zu treten.

An der hinteren Wand von Mutters Gruftkammer ist ein riesiges Portrait von unserer ihr angebracht. Nur wenige Zentimeter von der steinernen Wand sind noch zu erkennen. Sie sieht bildschön aus, wie sie uns anguckt. Auch Desmond ist jetzt voll bei der Sache.

Vorsichtig gehen wir zwei parallel zu einander im Gleichschritt auf Mutters Urne zu, die auf einem hohen Podest vor ihrem Portrait steht. Gleichzeitig verbeugen wir uns und knien uns in dem nur vorne beleuchteten Raum hin. Dies ist der einzige Raum, der nicht geschmückt wurde, da man nur zu diesem Anlass hierein darf. Sonst ist es strengstens verboten! Aber dennoch finde ich diese Kammer wunderschön…
 

Mama, ich vermisse dich so sehr! Grade jetzt, wo ich hier vor deiner Urne knie, wird mir bewusst, wie sehr du mir doch in meinem Leben fehlst! Und auch sonst, in allen Lebenslagen, hätte ich dich gebraucht. Wieso musstest du nur sterben? Das ist doch alles so ungerecht! Wie konnten die Menschen mir nur das wichtigste in meinem Leben nehmen? Ich hätte so gerne mein Leben mit dir geteilt und ich weiß, dass du genauso denkst… Aber es ist alles so schwer…

Vielleicht wäre mein Leben ganz anders verlaufen, wenn du mich noch ein wenig länger in meinem Leben begleitet hättest. Mir fehlt schon lange deine Fürsorge, die Vater uns nie gegeben hat. Und es auch nicht mehr geben wird. Du weißt gar nicht, wie sich alles nach deinem Tod verändert hat. Die harmonische, liebevolle und immer zueinander zärtliche Familie gibt es nicht mehr…

Ich wünschte so, dass du bei mir bist! Nicht nur im Geist, sondern im realen, schrecklichen Leben. Ich vermisse dich! Wieso?? Wieso musstest du nur sterben?? Wieso?
 

Die ganzen 30 min laufen mir Tränen über die Wangen. Alle Gefühle kommen wieder in mir hoch. Es war eine schreckliche Zeit für mich, als unsere Mutter gestorben ist. Ich hang ziemlich an ihr und wollte es am Anfang nicht glauben, dass sie tot ist. Es hat eine lange Zeit gedauert, bis ich es schweren Herzens akzeptiert habe…
 

„Hey Kleines! Ganz ruhig… wir müssen jetzt leider wieder nach oben, die 30 min sind vorbei. Dich nimmt die Sache wohl immer noch ziemlich mit.", sagt Desmond und versucht mich behutsam davon zu überzeugen nach oben zu gehen. Langsam erhebe ich mich. „Das wird schon… Denk immer daran, Mutter wird immer bei uns sein, auch wenn wir sie nicht sehen können." „Ich weiß, aber es ist so schwer…", erwidere ich noch etwas schluchzend. „Das ist doch normal. Na, komm, wir müssen jetzt wirklich hoch." „Ok!", sage ich immer noch niedergeschlagen. „Ach, und sei froh, dass du wasserfeste Schminke hast.", sagt er lachend. „Du siehst immer noch spitze aus!" Damit hat er es wirklich geschafft mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

„Jetzt lass deine Schwester doch in Ruhe! Sie hat momentan etwas besseres verdient als dich!", stürmt Großvater auf uns zu und stößt Desmond brutal zur Seite. Die Wucht ist so extrem, dass er auf den harten Boden knallt. „Was soll das?", stammle ich. „Ach, der hat es doch verdient. Ich sehe wie der Hass in Desmonds Augen lodert. Doch bevor er auf Großvater losgehen kann, zieht dieser mich schon mit sich nach oben. Ich kann mich nicht wehren, es geht alles so schnell. Oben angekommen, sehe ich Vater und Lucern in der großen Halle stehen. Sie erwarten uns schon. Nur wenige Sekunden später erreicht auch Desmond wieder die große Halle. Er ist immer noch wutentbrannt und ich sehe ihm an, dass er sich kaum zusammenreißen kann. Und der Alkohol tut bestimmt auch seine Wirkung dazu. Aber er weiß genau wie ich, dass wenn er jetzt auf Großvater losgeht, die Rede auf keinen Fall mehr halten wird, kann und darf!
 

Es dauert nicht lange, bis die ersten Gäste eintreffen. Unser Zeittiming hätte nicht besser ausfallen können. „Der geehrte Vampirrat! Ich darf sie alle herzlich willkommen heißen!", begrüßt Vater unsere netten ersten Gäste. „Darf ich Ihnen vorstellen, dass hier ist mein geehrter Herr Vater und das sind meine Kinder." „Ach ja, genau, die kennen wir doch noch.", entgegnet ein grauhaariger Typ, der wohl der höchste Vampir im Rat sein muss. Er reicht uns beiden die Hand. Ich versuche freundlich zu lächeln, doch Desmond gibt sich keine Mühe. Dies schlägt sich auf die von vornerein schlechte Stimmung des Herrn gegen uns ein. „Ich hoffe mal für euch beiden, dass ihr euer, wie soll ich sagen, Hobby, verworfen habt. Das würde euch zu mindestens sehr, sehr gut tun.", sagt er schäbig. Ich sehe, wie Großvater ihn verwirrt anguckt. Er weiß von allem dem nichts.

„Ah, guckt doch mal, wer dahinten in unsere Gruft tritt. Eure nette, liebevolle Oma! Geht doch mal zu ihr rüber und begrüßt sie. Sie wird sich bestimmt sehr freuen.", schickt Vater uns vor. Er hasst Oma und dies ist der beste Zeitpunkt, auch die brenzlige Situation mit dem Rat zu entschärfen…



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2011-02-13T14:03:40+00:00 13.02.2011 15:03
Ich mag sie.
Ich denke ich werde das ganze noch eine weile mit verfolgen, sprich werde ich sie mir dann auch in die Favoriten packen.
Zudem bin ich wirklich begeistert davon das du es packst so lange Kapitel zu schreiben - wenn ich mir da meine hingegen anschaue werd ich schon ganz schön neidisch auf dich und deine begabung ^^

Liebe Grüße,
Ri-chan alias Jessy
Von: abgemeldet
2011-01-31T21:03:30+00:00 31.01.2011 22:03
soooo, ich habs auch mal geschafft das Kapi durchzulesen und muss sagen, voll super!! ^^ ich liebe diese fanfiction wirklich total! ^^ yeay!!!!
freu mich schon wenn das nächste Kapi hochgeladen wird ^^

*-*

Hi-chaan
Von: abgemeldet
2011-01-30T00:08:20+00:00 30.01.2011 01:08
Ich habe endlich alles gelesen & finde es einfach nur spannend.
Freue mich schon, sobald es weiter geht!
Ich mag Lucern, auch wenn er anfangs echt schrecklich war. Ich glaube, der wird noch eine ganz tolle Rolle in der Geschichte spielen^^
Und die Zwillinge sind natürlich auch unbeschreiblich ;p
Hannah ist eine Schreckschraube und ich glaube ich würde auch durchdrehen wenn ich mit ihr reden müsste xD
Wen ich gar nicht mag ist der Großvater.. den Vater von Desmound und Flora finde ich in Ordnung, bis auf die Art, wie er mit den beiden umgeht, aber ich glaube da steckt noch viel mehr hinter^^

Wie gesagt, ich freu mich, sobald mehr kommt *gespannt bin*
Liebe Grüße, Angelina


Zurück