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Bloody Twins

von

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Desmond Wie ich diesen Kerl hasse! Ich kann damit leben, dass er mich ständig demütigt und bedroht. Ich bin es ja nicht anders von ihm gewohnt, aber muss er das ausgerechnet vor Flora machen?! Sieht er denn nicht, wie sehr sie leidet, wenn er mich so behandelt?

Die Wut lodert in mir, auch als wir dem Rat gegenüber stehen. Einzig Floras Anwesenheit hilft mir, mich zusammen zu reißen. Vater scheint die Spannung zu spüren, denn er schickt mich und Flora los, den Rest der Familie zu begrüßen. Flora scheint sich wirklich zu freuen einige Familienmitglieder wieder zu sehen, denn sie spricht mit den meisten recht freundlich. Ich stehe daneben, nicke hin und wieder und lasse die nervigen "Ihr seid ja so groß geworden" schweigend über mich ergehen. Wie gerne hätte ich dieses ganze nervige Begrüßungsprozedere schon hinter mir und am liebsten auch schon die Rede. Der Alkohol hat zwar geholfen, die Nervosität zu vertreiben doch leider hält die Wirkung nicht allzu lange an, denn ich spüre bereits, wie die Panik zurückkehrt. Wie gerne würde ich sie jetzt wieder betäuben, aber erstens gibt es erst wieder Getränke, wenn wir bei uns zu hause sind und zweitens würde mir niemals jemand Alkohol geben, da minderjährige Vampire, wie ich einer bin, keinen Alkohol trinken dürfen. Ein blöde Regelung, wie ich im Moment finde, aber ändern kann ich da ja leider auch nichts dran...

Zum Glück ist der Großteil der blöden Begrüßung endlich vorbei, als ich plötzlich eine verdammt hübsche Vampirin mit langen blonden Haaren sehe. Sie sieht richtig toll aus in ihrem weinroten Kleid. Richtig edel und nicht so billig wie meine Cousine Mallory mit der Vater mich schon seit Ewigkeiten zu verkuppeln versucht. Als ob ich jemals was mit der anfangen würde! Nie im Leben!

Aber diese blonde Schönheit zieht meinen Blick immer wieder zu sich hin. Wenn ich nur ihren Namen wüsste. Vielleicht ergibt sich ja später eine Möglichkeit, diesen herauszufinden... Irgendwie kommt sie mir bekannt vor, aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern woher. Aber viel Zeit nachzudenken hab ich auch nicht, denn da ist auch schon wieder Mallory. Hilfesuchend suche ich Flora, doch sie unterhält sich gerade mit unserer Cousine Gwyn. Mallory klammert sich an meinen Arm. "Desmond, mein Lieber, es ist einfach wundervoll, dich endlich wiederzusehen. Auch wenn die Umstände alles andere als erfreulich sind." Gezwungen lächel ich sie an. "Es ist auch schön, dich wiederzusehen, liebste Cousine", antworte ich, obwohl ich sie am liebsten schnellstmöglich wieder los werden würde. Doch daraus wird wohl nicht, denn ich spüre Vaters Blick auf mir ruhen. Wenn ich Mallory jetzt abweise, wird Vater nach der Rede nur noch wütender sein, als er es eh schon sein wird. Ich sollte zumindest jetzt versuchen mich angemessen zu verhalten und kein Aufsehen zu erregen. Vielleicht kann ich Vaters bald auftretenden Zorn dadurch ein wenig mildern... obwohl... wirklich glauben tu ich daran auch nicht... Mallory fängt an mich damit zu zu texten, wie sehr sie sich freut mich wiederzusehen und wie gerne sie mich öfter sehen würde und all sowas. Doch ich höre nur mit halbem Ohr zu. Mein Blick ist immer noch von der wunderschönen Vampirin eingefangen. Als unsere Blicke sich treffen, setzt mein Herzschlag für einen Augenblick aus und die Zeit scheint stehen zu bleiben. "Desmond! Hörst du mir überhaupt zu?", ertönt Mallorys Stimme neben mir. Verwirrt schüttel ich den Kopf, den Gedanken an die wunderschöne Vampirin abschüttelnd. "Entschuldige bitte, liebste Cousine, ich war in Gedanken. Was hast du gesagt?" "Ich habe dich gefragt, ob wir nachher auf der Feier gemeinsam tanzen wollen", lächelt sie. Ich lächel, wenn auch gezwungen, zurück, was Mallory allerdings nicht bemerkt. "Gerne", antworte ich. Ich weiß, dass es soweit gar nicht erst kommen wird, da ich bezweifel, dass Vater mich nach der Rede noch an der Feier teilnehmen lässt. Mallory redet weiter davon, wie sehr sie sich schon darauf freut mit mir zu tanzen, als glücklicherweise Flora zu uns stößt. "Wir sollen uns so langsam für das Trauerritual bereitmachen", sagt sie und ich nicke, erleichtert darüber, nun endlich von Mallory erlöst zu sein. Flora und ich verabschieden uns noch kurz von Mallory, ehe wir nach vorne zum Altar gehen, wo das Ritual stattfinden wird. Vater tritt vor und spricht mit lauter, klarer Stimme: "Geehrter Rat, liebe Familie, liebe Freunde, wir haben uns heute hier zusammengefunden, um den 20. Todestag von Celestina Arcania Alucard angemessen zu feiern. Wir wollen nun mit dem Trauerritual beginnen, ehe wir zu den weiteren Feierlichkeiten übergehen."

Ein Ratsmitglied trat ebenfalls nach vorne. Scheinbar um die Zeremonie zu leiten. Die Urne mit Mutters Asche wird aus dem Kellergewölbe geholt, damit das Ritual endlich beginnen kann. Vater ist zuerst an der Reihe und nur wenig später folgen Flora und ich. Gemeinsam treten wir nach vorne vor den Zeremonienmeister, welcher einen schwarzen Dolch in der Hand hält und uns beiden einen tiefen Schnitt über die rechte Handfläche zieht. Dann nimmt er ein wenig von Mutters Asche und streut sie in die offene Wunde. Ein brennender Schmerz zieht von meiner Hand aus durch meinen gesamten Körper. Am liebsten würde ich schreien so stark ist der Schmerz, aber das darf ich nicht. Ich muss die Prozedur regungslos über mich ergehen lassen. Das ist Teil des Rituals. Wer in diesem Moment Schwäche und Schmerz zeigt, hat die Unterstützung der Ahnen nicht verdient und Flora und ich brauchen Mutters Unterstützung nun mehr denn je. Nachdem die Wunde mit einer seltsam bläulichen Flüssigkeit verschlossen wurde, treten Flora und ich neben Vater, welcher uns stolz anlächelt. Nun sind die ganzen anderen Familienmitglieder an der Reihe. Es dauert ziemlich lange, bis das Ritual endlich bei allen vollzogen wurde, was bei unserer großen Familie ja auch kein Wunder ist. Nach ner guten dreiviertel Stunde ist es endlich vorbei und der Zeremonienmeister tritt wieder nach vorne. "Nachdem dieser Teil der Feierlichkeiten beendet ist, wollen wir den Angehörigen die Möglichkeit geben, uns etwas von der Verstorbenen zu berichten und ihre Gefühle und Erinnerungen mit uns zu teilen!" Jetzt wird es langsam Zeit. Vater geht nach vorne, um selbst noch ein paar Worte zu sagen, bevor Flora und ich dran sind.

Während Vaters Rede höre ich nicht wirklich zu. Ich bin zu nervös vor dem was gleich kommen wird.

Schließlich endet Vater und winkt Flora und mich auf die Bühne. Angsterfüllt sehe ich Flora an. Am liebsten würde ich das alles abblasen, aber das kann ich nicht. Nicht mehr jetzt!

Ich schlucke und atme noch einmal tief ein, bevor Flora und ich schließlich erhobenen Hauptes nach vorne schreiten. Meine Hände zittern vor Nervosität als wir schließlich vor der ganzen Verwandtschaft und dem Rat stehen. Nebeneinander stehen wir vorne, als schließlich Flora zu sprechen beginnt. "Also zuerst einmal möchten wir klarstellen, dass unsere Reden unabhängig voneinander entstanden sind und keiner von uns darüber Bescheid weiß, was der andere sagen wird. Deshalb kann es durchaus vorkommen, dass sich unsere Reden auszugsweise ähneln werden. Wir bitten dies zu entschuldigen.", sagt sie und ich nicke zustimmend. Flora tritt einen Schritt vor und beginnt mit ihrem Teil der Rede: "Ich bin so froh, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid, um unserer Mutter heute die letzte Ehre zu erweisen. Ein besonderer Dank gilt dabei dem heute vollzählig erschienenen Vampirrat. Ich weiß, dass dies nicht selbstverständlich ist, aber ich weiß auch, wie sich Mutter über dieses zahlreiche Erscheinen momentan freut. Wie sie sich freut uns alle hier glücklich versammelt zu sehen. Zu erkennen, wie groß ihre zwei Schützlinge doch geworden sind. Und besonders wie Vater mit dieser schwierigen Situation umgegangen ist. Er hat wirklich Stärke bewiesen und hat uns sehr geholfen den schrecklichen Verlust unserer geliebten Mutter zu verkraften. Was hätten wir nur ohne ihn gemacht? Und auch ohne die Unterstützung von euch allen! Deswegen möchte ich euch an dieser Stelle noch einmal den herzlichen Dank unserer Familie aussprechen und auch gewiss von meiner Mutter, von der wir heute leider vorerst zum letzten mal Abschied nehmen werden. Aber unsere Mutter wird immer bei uns sein. Diese warmherzige, bescheidene und fürsorgliche Frau, die wir voller Stolz unsere Mutter nennen dürfen, wird für immer in unseren Herzen weiterleben. Mama, wir werden dich nie vergessen!" Die Menge applaudiert und auch Vater sieht stolz zu uns herauf. Dann tritt Flora zurück und nun ist es an mir einen Schritt vorzutreten. Hilfesuchend sehe ich zu Flora. Angst schimmert in meinen Augen. Flora nickt mir aufmunternd zu, schließlich muss es ja so aussehen, als wäre ich nur nervös vor so vielen zu sprechen, aber ich weiß, dass auch sie Angst hat.

Langsam trete ich vor. Ich schlucke und atme tief ein ehe ich schließlich zu sprechen beginne. Meine Stimme zittert ein wenig doch mit jedem Wort wird sie klarer und fester. Die Wichtigkeit dieser Rede ist bedeutsamer als meine Angst und meine Nervosität. "Aber wieso musste es nur soweit kommen? Wieso musste unsere geliebte Mutter sterben? Wer hierbei denkt, dass die Welt manchmal einfach nur ungerecht sein kann, der irrt sich gewaltig! Man hätte diesen grauenvollen Tod von ihr und all den anderen unschuldigen Vampiren verhindern können! Man hätte nur eine kleine Sache frühzeitig zu Ende bringen müssen! Nur eine winzige Angelegenheit, hätte ihr Leben gerettet! Wieso haben wir die Menschen nicht damals schon ausgerottet? Diesen Abschaum vernichtet?" Aus den Augenwinkeln sehe ich die Empörung in den Gesichtern der Menge, Vaters wutverzerrtes und geschocktes Gesicht, das wissende und dennoch auch verachtenden und geschockte Gesicht Großvaters. Ich sehe, wie sich der Ratsvorsitzende seinen Weg durch die Menge bahnt um mich an der Weiterführung der Rede zu hindern. Doch jetzt kann mich nichts mehr aufhalten. Mit fester Stimme spreche ich weiter. "Dies frage ich euch! Sind wir nicht alle Schuld daran? Könnt ihr mit dieser Gewissheit etwa leben? Jeden Tag sieht man diese unwürdigen Kreaturen herumlaufen..." Der Vorsitzende hat mich mittlerweile erreicht und stürzt mich zu Boden. Doch das kann mich nicht stoppen. "...wie es ihnen gut geht und wie sie sich in Sicherheit wiegen. Ist es nicht unsere Pflicht dies zu zerstören? Endlich Rache zu nehmen und uns zur Wehr zu setzen? Es wird Zeit etwas zu unternehmen! All den durch Menschen getöteten Vampiren die letzte Ehre zu erweisen!" Während ich spreche, spüre ich wie ein brennender Schmerz durch meinen Körper zieht. Der Vorsitzende muss wohl die selbe Fähigkeit wie Lucern haben. Eine wohltuende Dunkelheit kommt auf mich zu, doch ich spreche weiter. Jetzt, wo ich soweit bin, will ich es auch zu Ende bringen. Vater kommt ebenfalls auf die Bühne und versucht mich am weitersprechen zu hindern. "VERNICHTET SIE!" Die letzten Worte kann ich gerade noch herausschreien, bevor der brennende Schmerz, welcher noch immer in meinem Körper tobt, einen erlösenden Schwärze weicht und ich kraftlos auf dem Boden zusammensacke.
 

*~*~
 

Langsam kehren meine Sinne zurück. Vorsichtig blinzelnd sehe ich mich um. Ich sitze auf dem Beifahrersitz von Vaters Auto. Lucern sitzt am Steuer. Scheinbar fährt er mich nach hause. Ich werfe einen Blick auf den Rücksitz. Dort ist niemand. Demnach hat Lucern wohl wirklich den Auftrag bekommen, mich nach hause zu bringen. Lucern spricht kein Wort und auch ich sehe schweigend aus dem Fenster. Ob er wohl schon mitbekommen hat, dass ich wieder wach bin?

Da richtet er plötzlich das Wort an mich. "Und jetzt erklär mir mal, was das eben sollte!" Seine Stimme ist ruhig. Ganz anders als ich es von Vaters Verhören gewohnt bin. "Das war meine Rache für die gebrochene Nase", erwidere ich kühl. Lucern nickt. "Das dachte ich mir bereits. Und natürlich ist es auch deine Rache für den Vorfall mit Xeron." Diesmal ist es an mir zu nicken. "Ich hoffe, du bist dir darüber im Klaren, was für Konsequenzen du für diese Rede zu erwarten hast?" Ich antworte nicht. "Sowohl deine gesamte Familie als auch die hochrangigen Vampire und vor allem der Rat sind nicht gerade angetan von deinen Worten!" Jetzt ist seine Stimme scharf und ich senke schuldbewusst den Kopf. Lucern sagt nichts mehr und auch ich sehe wieder aus dem Fenster.

Nach einer kurzen Zeit sind wir wieder zu hause. Lucern fährt den Wagen in die Einfahrt und weist mich an, auszusteigen, was ich auch tue. Kaum, dass ich das Auto verlassen habe, packt Lucern mich am Arm und schleift mich ins Haus und rauf in mein Zimmer. Ich wehre mich nicht. Auch nicht als er mich von sich stößt. Dazu bin ich noch zu benommen.

Plötzlich höre ich, wie sich ein Schlüssel in Schloss umdreht. Lucern hat mich eingeschlossen! Ich stürme zu der Verbindungstür von Floras und meinem Zimmer, doch auch diese ist verriegelt! Das kann er doch nicht machen! Der kann mich hier doch nicht einfach einschließen!

Resigniert sinke ich auf den Boden. Was hab ich mir da nur eingebrockt? Es war ein Fehler! Ich hätte die Rede nicht halten dürfen! Jetzt sehe ich ja, wohin es mich gebracht hat! Ich bin in meinem Zimmer eingeschlossen, darf nicht mehr an den Feierlichkeiten teilnehmen und mit Sicherheit wird Vater später auch noch auf mich losgehen!

Immerhin ist meine Nase wieder weitestgehend verheilt. Sie puckert zwar noch ein wenig, aber sonst ist alles wieder in Ordnung.
 

Was die anderen wohl gerade machen? Und wann Vater wohl zu mir kommen wird?

Ich hoffe es ist alles gut gegangen und niemand hat mitbekommen, inwieweit Flora in meinen Plan involviert ist. Ich will nicht, das ihr jemand wehtut. Dazu ist sie mir viel zu wichtig.

Meine Gedanken kreisen umher. Was diese blonde Vampirin jetzt wohl von mir denkt? Ach was, denke ich da? Sie wird mich verabscheuen, wie alle anderen auch! Was mache ich mir überhaupt Hoffnungen? Das bringt doch eh nichts!
 

Wie viel Zeit wohl schon seit der Rede vergangen sein mag? Und wie lange die Feier wohl noch dauern wird?

Langsam stehe ich wieder auf, setze mich an meinen Schreibtisch und nehme, wie schon gestern, das Buch über die Traditionen zur Hand. Doch auch heute kann ich mich nicht konzentrieren. Ich bin viel zu nervös, vor dem, was noch kommen wird.

Abermals stehe ich auf und laufe hektisch in meinem Zimmer auf und ab.

Wo bleiben die nur so lange? Am liebsten hätte ich die Strafpredigt und die darauffolgenden Prügel schon hinter mir! Schlimmer kann es doch nicht mehr werden. Aber dieses verdammte Warten macht mich einfach fertig! Diese Ungewissheit!

Ich lasse mich in meinen Sarg fallen und versuche ein wenig zu schlafen, doch nur Sekunden später stehe ich wieder auf. An Schlaf ist nicht zu denken. Wie denn auch, wenn das Schwert des Damokles über mir schwebt, bereit, jeden Moment auf mich nieder zu stürzen!

Panik macht sich in meinem Inneren breit. Abermals lasse ich mich auf den Boden sinken und lege das Gesicht das meine Arme. Einzelne Tränen laufen mir über die Wangen. Tränen der Angst und Tränen der Trauer. Trauer, um meine geliebte Mutter, die mich viel zu früh verlassen hat. Immer mehr Tränen verlassen meine Augen und schließlich weine ich hemmungslos. All die Tränen, die ich während des Trauerrituals Flora zuliebe zurückgehalten habe, strömen aus mir heraus. Wie schön wäre es jetzt, sich an jemanden lehnen zu können. Doch das ist mir nicht vergönnt.
 

Ich höre wie die Eingangstür unten aufgeht und die Gäste hereinströmen. Jetzt wird der Rest der Feierlichkeiten also hier fortgesetzt. Wie gerne wäre ich jetzt unten bei Flora. Doch ich komme hier ja leider nicht raus. Außerdem wäre Vater wohl auch nicht so begeistert davon, wenn ich jetzt runter käme.
 

So langsam wird der harte Boden ziemlich unbequem. Kraftlos stehe ich wieder auf und lege mich in meinen Sarg, während weiterhin Tränen meine Augen verlassen und über meine bleichen Wangen fließen, eine rote Spur hinterlassend.

Schließlich fallen mir vor Erschöpfung doch die Augen zu und ich falle in einen unruhigen Schlaf.
 

Flora Ich merke, wie sich meine Nervosität jede Sekunde verschlimmert. Ich male mir im Kopf aus, wie schlimm dieser Abend wohl für Desmond werden wird. Und jedes Mal frage ich mich, ob ich nicht doch die Schuld mit auf mich nehmen soll. Aber dann sehe ich zu Desmond rüber und sehe seinen zielstrebigen Blick, seine wilde Entschlossenheit und seine Angst. Die Angst was mit ihm geschehen wird und vor allem die Angst um mich, wenn ich mich nicht an dem Plan halte… Ich werde dich nicht enttäuschen!!
 

Ich hoffe bei jedem Senken von Vaters Stimme, dass diese erneut erklingt und er weiterredet. Ich habe solche Angst vor dem, was jetzt gleich kommen mag. Wieso kann nicht irgendetwas geschehen, was unsere Rede verhindert? Aber bevor ich mir weitere Gedanken machen kann endet Vaters Stimme und ein Satz erklingt, vor dem ich erschaudere. „Nun möchte ich meine geliebten Kinder nach vorne bitten, um ihren liebevollen Beitrag zu dieser bedeutenden Nacht beizutragen."

Nun ist es so weit. Es gibt keinen Weg zurück. Am liebsten würde ich stehen bleiben, aber meine Beine tragen mich wie von selbst nach vorne und auch Desmond folgt mir. Ich merke seine Anspannung. Wie kann ich ihm nur helfen? Mit betrübter Miene stelle ich fest, dass es nichts gibt, was ich machen kann… außer meinen Teil der Rede vorzutragen und ihm seinen Wunsch des Schweigens zu erfüllen.

Alle gucken uns gespannt an. Auch wenn Vaters und Großvaters Blick eher reine Verachtung für Desmond darstellen. Langsam trete ich einen kleinen Schritt nach vorne und das, was ich nun sage, fällt mir wirklich nicht leicht…
 

Alle lauschen meinem Teil der Rede. Ich sehe, wie dieser alle berührt, wie einige Tränen vergießen. Und auch ich bin den Tränen nahe. Zum allerersten Mal nehme ich die Worte, die ich zu Papier gebracht habe, richtig wahr. Für einen Augenblick vergesse ich alles um mich herum, ich bin einfach nur mit den Gedanken bei meiner geliebten Mutter.

Dennoch versuche ich meine Tränen zu unterdrücken und meinen Teil der Rede zu Ende zu bringen. Und es gelingt mir sogar ziemlich gut. Mit so viel Beifall hätte ich niemals gerechnet. Es ist so schön Vaters und Großvaters strahlende Gesichter zu sehen.
 

Doch dann tritt plötzlich Desmond an mir vorbei nach vorne. Und ich werde aus meinen fröhlichen und angenehmen Gedanken gerissen. Wieso kann es nicht so bleiben, wie es jetzt momentan ist? Aber es muss sein! Vater hat doch nichts anderes verdient! Und einen besseren Moment gibt es nicht! Die werden jetzt gleich ihr blaues Wunder erleben!

Ich sehe Desmonds Anspannung, aber er versucht sie und seine Angst zu unterdrücken. Ich hoffe, dass es nicht zu schlimm für ihn werden wird. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ihm deswegen etwas schrecklich zustößt…

Zaghaft fängt Desmond an zu sprechen. Alle haben noch freudige, mitfühlende Gesichtsausdrücke. Und auch bei Vater scheint es so, als ob er jetzt schon richtig stolz auf uns beide ist und mit nichts schlimmes mehr rechnet. Doch mit jedem Wort von Desmond ändern sich die Gesichtsausdrücke. Die freudigen Mienen senken sich immer weiter. Keiner kann fassen, was er in diesem Moment hört. Alle sehen geschockt zu Desmond rauf, aber keiner traut sich auch nur irgendetwas zu sagen oder geschweige denn zu machen. Und genau dies scheint ihm Kraft zu geben. Seine Stimme wird immer sicherer. Unser Plan scheint Erfolg zu haben...

Ich bin begeistert, wie gut es klappt. Doch da sehe ich aus dem Augenwinkel, wie sich dieser eine Ratsherr von eben aus seiner Versteinerung löst und auf Desmond zu läuft. Und auch Desmond bemerkt es. Fast schon verzweifelt versucht er den Text so schnell wie möglich runterzureden. Aber der Herr kommt immer näher. Alle anderen schauen immer noch entsetzt zu uns herauf.

Alles spielt sich vor meinen Augen in Zeitlupe ab. Ich kann es nicht fassen. Ich sehe Desmonds schmerzverzehrtes Gesicht, so wie wenn Lucern uns bestraft. Es ist so schrecklich daneben zu stehen und nichts machen zu können. Die letzten Worte schreit Desmond förmlich aus sich heraus. Ich merke, wie sich die schrecklichen Schmerzen immer weiter in seinem Körper ausbreiten. Und als ob das nicht reichen würde, kommen auch noch Vater und Großvater zu ihm gelaufen. Ich habe solche Angst um ihn. So wutentbrannt habe ich die schon lange nicht mehr gesehen. Sind wir vielleicht doch zu weit gegangen? Wie kann ich ihm nur helfen? Plötzlich sehe ich, wie Desmond zu Boden geht. Mit letzter Kraft presst er den letzten entscheidenden Satz heraus bis er nur noch bewusstlos am Boden liegt. Wie versteinert stehe ich da. Es kommt mir wie eine halbe Ewigkeit vor, bis sich meine Beine langsam in Desmonds Richtung bewegen, auch wenn ich genau weiß, dass die mich nicht zu ihm durchlassen werden. Aber ich muss es versuchen! Ich will ihm helfen! Schließlich bin ich doch auch daran schuld. Doch bevor ich auch nur einen einzigen Schritt machen kann, packen mich zwei kräftige Hände von hinten und reißen mich mit sich. Vor Schreck schreie ich laut auf. Verzweifelt versuche ich mich zu wehren. Doch der ältere Herr hält mich immer fester und zerrt mich Richtung der Treppe, die nach unten in die Grabkammern führt.

Die Gäste wissen nicht, welches Szenario sie verfolgen sollen. Immer abwechselnd treffen die Blicke auf mich und auf Desmond, den Vater und der Ratsherr gerade nach draußen tragen. Großvater hingegen kommt hinter mir hergerannt. Er kann es nicht fassen, was mit mir gerade geschieht. Und ehrlich gesagt kann ich es auch nicht verstehen. Mit so etwas hatten wir beide nicht gerechnet. Die glauben tatsächlich, dass ich etwas mit der Sache zu tun habe, obwohl ich es am Anfang der Rede beteuert habe. Aber wieso sollten die mir auch glauben?? Bei den Sachen, die die alles über mich wissen…
 

Wir steigen immer weiter in die Gruft hinunter, bis der Herr, der Unterstützung von drei weiteren Herrschaften bekommen hat, eine alte, schwere Holztür öffnet und mich unsanft hineinschubst. „Was fällt ihnen eigentlich ein, so mit meiner Enkelin umzugehen?", versucht Großvater wieder empört den Rat zur Rede zu stellen. Aber sie ignorieren ihn immer noch. Die ganze Zeit hat Großvater versucht mich aus den griffen der Herren zu befreien, allerdings ohne Erfolg…
 

Diesen Raum habe ich noch nie gesehen. Es ist keine Grabkammer, aber welchen Sinn dieser Raum hat, ist mir nicht bekannt. Aber momentan habe ich auch andere Probleme. Ich weiß, worauf der Rat hinaus möchte. Ich weiß, was mich jetzt erwarten wird. Wenn nur Großvater nicht hier wäre…

Eigentlich bin ich ja froh, dass ich jemanden als Unterstützung habe, denn manchmal wendet der Rat keine legalen Verhörmetoden an. Aber wenn Großvater nun erfährt, was wir und vor allem ich alles angestellt habe…

Wie wird er wohl reagieren? Aber vielleicht erfährt er es auch gar nicht. Aber nein, er wird es erfahren. Es ist offensichtlich, dass der Rat das ansprechen wird. Wieso muss es nur diese Wendung geben? Wieso haben wir das nicht bedacht? Wieso konnten die nicht auch an mir die Schmerzmethode anwenden? Wie gerne würde ich jetzt bewusstlos zusammen brechen…
 

„Hinsetzen!", fordert mich der grauhaarige Herr auf. Ich wage es nicht ihm zu wiedersprechen und nehme auf den Stuhl platz, der vor einem großen Tisch steht. Wie von Geisterhand bewegen sich meine Hände nach hinten, als ob mich jemand fesselt. Aber keiner steht hinter mir, der dazu in der Lage wäre. Alle haben vor mir auf den anderen Stühlen platz genommen. Verzweifelt versuche ich dagegen anzukämpfen, aber es gelingt mir nicht. „Das geht jetzt aber wirklich zu weit!", schreit Großvater und schlägt mit seiner Hand wutentbrannt auf den Tisch. „Sie behandeln Flora ja wie eine Schwerverbrecherin! Nehmen sie sofort die unsichtbaren Fesseln ab und wagen sie es ja nicht ihre Funktion freizusetzen!" Ich verstehe kein Wort. Von solchen Fesseln habe ich noch nie etwas gehört… was für eine Funktion? Mir wird mulmig zu mute. Soll es etwa eine der illegalen Verhörmethoden des Rates sein?

„Nun mischen sie sich hier mal nicht ein! Sie können froh sein, dass wir sie nicht daran gehindert haben überhaupt hier mit herunter zu kommen! Lassen sie uns unsere Arbeit machen! Und halten sie sich raus! Das ist eine Sache des Rates und sie wissen, was für Folgen es haben kann, wenn man sich in diese einmischt.", sagt der Herr hinterhältig. Aber er hat Erfolg. Großvater verstummt abrupt. Ich frage mich nur, was das für Folgen sind. Wir wissen einfach viel zu wenig über die Methoden des Rates, obwohl manche vielleicht ganz nützlich für uns sein könnten…

Schnell werde ich wieder aus meinen Gedanken gerissen, denn nun wendet der Rat sein Wort an mich! Es gab bisher nur ein einziges Mal, wo Desmond und ich Stellung vor dem Rat nehmen mussten, was nicht gerade angenehm war… Sonst hat Vater uns immer davor beschützt, doch dieses eine Mal, könnte er uns nicht davor bewahren. Ich habe Angst was jetzt auf mich zukommt. Wird es wohl genauso schlimm werden, wie damals?

„So, nun zu dir!", sagt der wohl höchste, der anwesenden Ratsmitglieder mit einem schäbigen Lächeln zu mir. „Du weißt doch bestimmt, weshalb wir dich hierher geschleppt haben, nicht wahr?", fährt er fort. Zum Glück redet er einfach weiter ohne auf eine Antwort zu warten. Wie versteinert sitze ich da und höre mir die Beschuldigungen einfach nur an, wie Großvater auch. Zu groß ist die Angst von damals, auch nur ein einziges falsches Wort zu sagen…

„Du willst uns doch nicht weiß machen, dass du wirklich nichts mit dem Teil der Rede deines Bruders zu tun hast, oder? Als ob dein Bruder in der Lage wäre, so etwas zu Papier zu bringen! Jetzt nicht, dass es nicht seinen Gedanken entsprechen würden, daran besteht wirklich kein Zweifel! Aber so etwas zu Papier zu bringen, ist diesem Burschen doch wohl unmöglich. Bist nicht vielmehr du das Genie, wenn es um solche Sachen geht? Außerdem willst du doch wohl nicht abstreiten, dass es auch deine Gedanken sind, die Desmond gewagt hat auszusprechen… Denn wir wissen doch alle, dass du nicht das liebe Mädchen bist, das du uns weiß machen wolltest in deinem Teil der Rede! Willst du wirklich, dass dein Bruder die ganze Schuld bekommt? Hängt ihr nicht so aneinander, dass du es doch eigentlich nicht mit deinem Gewissen vereinbaren kannst?", ich sehe, wie Großvater ihn einen verachteten Blick zuwirft. Am liebsten würde er ihm an die Gurgel springen. Es kostet ihm, glaube ich, sehr viel Überwindung sich zu beherrschen. Mit jedem Satz hoffe ich, dass der Herr aufhört zu reden. Bisher hat er noch nichts von unseren anderen Taten erwähnt. Sollte ich wirklich einmal Glück haben? Aber da redet er schon weiter und meine Hoffnung verfliegt immer mehr…

„Das würde doch super zu dir passen. Nur verstehe ich nicht ganz, wieso nur er den Aufruf gestartet hat. Diesmal wirklich so zurückhaltend gewesen?", fragt er mich hinterhältig, während er sich immer weiter zu mir rüber beugt. „Oder gehörte es etwa zu eurem Plan? Als erstes jeden von uns in Sicherheit wiegen und dann zuschlagen! Da bist du wirklich sprachlos, oder? Wir durchschauen jeden.", wie gerne würde ich ihn jetzt fertig machen, mich endlich zu Wort melden. Aber genau das will er. Nur wenn ich jetzt etwas sage, darf er seine Foltermethoden anwenden! Und ob ich dann noch meine Version vertreten kann ist wirklich fraglich. Denn so etwas hat man noch nie erlebt, so etwas heftiges macht nicht einmal Vater mit uns… Wenn ich eins gelernt habe aus unserer letzten Begegnung mit dem Rat ist es erst zu antworten, wenn er dich dazu auffordert!! Egal wie schwer es einem fällt…

„Und gerade bei euch… Ihr lernt auch nichts aus euren Taten dazu. Wie oft musste euer Vater euch schon aus unseren Fängen retten? Und dennoch macht ihr weiter, obwohl ihr genau wisst wie tief ihr schon in der Scheiße steckt! Wie viele unschuldige Menschen mussten schon wegen euch sterben? Wie kaltherzig habt ihr sie umgebracht und massakriert? Wie oft haben die Leute schon über eure Taten in der Zeitung lesen müssen? Über die schwarze Rose, die Angst und Schrecken in der Menschenwelt verursacht? Und jetzt auch noch euer Hetzaufruf…", ich merke, wie Großvater mich anguckt. Er kann es nicht fassen. Wie alle anderen auch hat er in der Zeitung über die Schwarzen-Rosen-Morde gelesen, aber er hätte niemals damit gerechnet, dass Desmond und ich dahinterstecken. Vor allem nicht seine kleine Lieblingsenkelin! Am liebsten würde ich tot umfallen! Was soll ich nur machen? Wie komme ich hier nur wieder heraus?
 

„Aber eins muss man dir lassen, du hast wirklich dazu gelernt! Wenn man sich mal den Ausgang vom letzten Mal vor den Augen führt. Also, nimm Stellung! Du hast das Wort!", fordert er mich schäbig zum Sprechen auf. Vor diesem Moment habe ich mich die ganze Zeit gefürchtet. Und nun ist er da…

„Ähhm…", beginne ich zögernd. „Sie müssen wir wirklich glauben. Ich habe wirklich nichts davon gewusst.", sage ich verzweifelt. „Es war von Anfang an abgemacht, dass wir beide getrennt voneinander eine Rede schreiben. Ich hätte auch niemals gedacht, dass Desmond so etwas macht. Nicht auf der Trauerfeier unserer Mutter. Es wäre mir wirklich nicht im Traum eingefallen, so etwas an so einem Tag abzuziehen. Die Trauerfeier ist für mich etwas besonderes. So etwas würde ich niemals zerstören wollen. Sie wissen gar nicht wie wichtig mir die heutige Nacht ist…", beim Sprechen denke ich an unsere geliebte Mutter, denn ich muss meinen Sätzen mehr Ausdruck verleihen. Nur so kann ich in dieser Situation gezielt Tränen über meine Wangen laufen lassen, denn der Schmerz an dem Tod unserer Mutter sitzt immer noch tief. „Ich wusste es wirklich nicht, sonst hätte ich es verhindert. Wie können sie mir das nur unterstellen? Denken sie wirklich, dass mir Mama nichts bedeutet? Das ich…", schluchze ich. Es klappt besser als geplant, die Tränen ersticken wirklich meine Worte. Ich bekomme keinen einzigen Ton mehr heraus, aber das muss ich auch nicht. Denn jetzt übernimmt Großvater empört das Wort. Und mit diesen Worten hätte ich niemals gerechnet…
 

„Sehen Sie nicht wie sehr sie das mitnimmt? Wie können sie nur so mit ihr umgehen? Sie hat damit bestimmt nichts zu tun, dafür kenne ich sie viel zu gut. Und wie können sie so etwas nur behaupten, ohne auch nur irgendwelche Beweise zu haben! Das ist einfach nur unverschämt von ihnen!", schreit Großvater den Rat an. Aber dieser rührt sich nicht. Alle Gesichter sind auf Großvater gerichtet, aber keiner entgegnet auch nur ein einziges Wort. Ich sehe Großvater an, dass auch er mit diesem Verhalten nicht gerechnet hat. Etwas verwirrt versucht er neue Worte zu finden, um den Rat zur Stellungnahme zu bewegen. „Und was soll die Andeutung mit den Schwarzen-Rosen-Morde? Denken sie wirklich, dass mein kleiner Engel so etwas übers Herz bringen würde? Das geht jetzt wirklich zu weit! Solche lächerlichen Unterstellungen brauchen wir uns von ihnen nicht bieten zu lassen! Sie…", doch da meldet sich schäbig der alte Herr zu Wort. Er scheint Gefallen daran zu finden, Großvater nun gleich die Wahrheit zu berichten und mich leiden zu sehen. Dieses elende Lachen werde ich nie in meinen Leben mehr vergessen…

Ich sehe es kommen. Es ist aus. Das wird Großvater mir nie verzeihen und ich darf genau wie Desmond für die Rede einbüßen. Wobei letzteres gar nicht so schlimm ist, aber ich hänge doch so an Großvater. Er war immer für mich da und jetzt so etwas. Wieso? Wieso musste das diese Wendung nehmen?

„Ach!", sagt der Herr überrascht und schadenfroh. „Sie wissen davon gar nichts. Hat ihre Enkelin ihnen wohl noch nichts drüber erzählt. Aber wie gut, dass es uns doch gibt. Nicht wahr, Flora? Wir übernehmen es liebend gerne deinem Großvater die Augen zu öffnen. Du brauchst dich wirklich nicht zu bedanken, das machen wir gerne.", schleimt er gehässig herum. Am liebsten würde ich ihn anfallen, aber mir sind immer noch die Hände gebunden und auch sonst weiß ich, dass das nicht gut ausgehen würde. Mir bleibt nichts anderes übrig als einfach nur zuzuhören und Großvaters Beschimpfungen schweren Herzens zu ertragen.

„Es mag jetzt schockierend für sie klingen, aber ihre liebenswerte Enkelin ist nicht das brave Mädchen für das sie sie halten. Es besteht kein Zweifel, dass sie und ihr Bruder hinter den brutalen Morden stecken. Sie wurden zweimal auf frischer Tat erwischt und auch die anderen sind durch entsprechend gesicherte Beweise an den Tatorten den beiden zuzuschreiben." Ich sehe Großvaters geschocktes Gesicht. „Davon hat mein Sohn mir gar nichts erzählt, auch wenn ich es immer geahnt hatte.", sagt Großvater mit gesenkten Kopf mehr zu sich als zu uns anderen. Langsam hebt er seinen Kopf und richtet seinen Blick auf mich. Er guckt mir tief in die Augen. Ich kann seine Trauer erkennen. Es ist so schrecklich, wie konnte ich ihn nur so enttäuschen. Er wird mir nie verzeihen. Beschämend gucke ich zur Seite. Ich kann ihn nicht ins Gesicht blicken. Vorsichtig mit ruhiger Stimme fragt er mich: „Stimmt das?" Seine Stimme klingt verzweifelt. Mir stockt der Atem. „Ja!", entgegne ich. Immer noch gucke ich ihn nicht an. Tränen laufen mir wieder über die Wangen. Ich hätte nicht gedacht, dass das mich so mitnimmt. Ein Moment der Stille tritt ein. Keiner sagt auch nur ein Wort. Nur der Rat scheint sich an dieser Situation zu erfreuen…
 

„Das hätte ich niemals gedacht. Wieso?", fragt er mich mit großen Augen. Ich kann nicht mehr, ich habe solche Angst was er jetzt mit mir macht. Wird er mich nun so behandeln wie Desmond? Gewiss, was leider auch verständlich ist….

„Was fällt diesem Schwein ein!", sagt er jetzt wutentbrannt. Erstaunt gucke ich ihn an. Was? Was hat er gesagt? Ich bin sprachlos, das darf nicht wahr sein… „Das wird er noch bereuen, dich in seine kriminellen Geschäfte mithineinzuziehen!" Ich sehe dem Rat an, dass diese genauso erstaunt und verblüfft sind wie ich. „Ich habe damals schon gesagt, dass man euch trennen sollte. Er hat einfach keinen guten Einfluss auf dich. Er weiß genau wie labil du bist, dass du nicht wehren kannst und wie sehr du an ihm hängst! Und das nutzt er eiskalt aus. Diesem Burschen muss man das Handwerk legen! Einsperren oder gleich töten! Was anderes hat der doch nicht verdient!" Alle gucken Großvater sprachlos an, während er eine kurze Atempause macht. „Ich fasse es nicht, dass Anchoret mir das verschwiegen hat! Ich hätte mich damals durchsetzten sollen. Flora! Es tut mir so leid! Ich hätte mich mehr um dich kümmern müssen.", sagt er und legt seinen Arm beschützend um mich. Ich sehe, wie die Gesichter der Herren entgleisen. Dies ist nicht das, was sie sehen wollten.

Es ist so rührend, wie Großvater mir vertraut. Das er mir nicht böse sein kann. „Ich hätte dich beschützen müssen. Es muss schrecklich für dich gewesen sein den gemeinen Attacken deines Bruders ausgesetzt gewesen zu sein. Und auch noch für seine kriminellen Machenschaften… Es muss so schlimm gewesen sein, die Morde mitangucken zu müssen. Ich hätte die Warnzeichen mehr beachten sollen. Aber mach dir keine Sorgen Kleines. Ich werde immer für dich da sein und alles dafür tun, dass es dir wieder besser geht. Gleich morgen mache ich einen Termin mit meinen besten Freund ab. Sein Sohn ist der beste Psychiater, den es gibt. Damit du über diese traumatischen Ereignisse wegkommst. Das bin ich dir einfach schuldig."

Was? Das kann nicht sein ernst sein! Schön und gut, dass er mir die Morde nicht vorwirft, aber ein Psychiater? Das geht doch wirklich zu weit! Als ob ich so etwas nötig habe! Der spinnt doch, aber das kann ich ihm jetzt nicht sagen. Stattdessen klammer ich mich an ihm fest und tue so, als ob ich vor Rührung weine und zwinge mir ein einziges kleines Wort heraus. „Danke!" Ich kann es immer noch nicht fassen, aber die Gesichter der Ratsherren sind wirklich Gold wert. Dafür lohnt sich dieses Theater auf jeden Fall! Und das mit dem Psychiater kann ich auch noch irgendwie abwenden, hoffe ich. „Und nun zu ihnen!", wendet sich Großvater dem Rat zu. „Es ist eine Unverschämtheit! Sie sollten ihre Methoden wirklich mal überdenken! Man kann nicht mit jedem Vampir so umgehen! Gerade Flora ist doch so zart besaitet, damit verstören sie sie doch nur. Ich hoffe mal, dass sie erkannt haben, dass nur der missratene Bengel an diesem Hetzaufruf beteiligt sein kann. Meine liebe Flora wäre zu so etwas niemals in der Lage.", mit dem letzten Satz wendet er sich wieder fürsorglich mir zu. Es dauert eine Zeit bis der Rat seine Stimme wiedergefunden hat. So etwas haben die wohl noch nie erlebt. „Ok. Wir haben leider keinerlei Beweise, dass du da auch nur irgendwie mit drin steckst. Aber lass dir gesagt sein, wir werden dich im Auge behalten und wenn uns auch nur der kleinste Anhaltspunkt gegen dich spricht, werden wir dir erneut einen Besuch abstatten und dann wird dir dein Großvater auch nicht helfen. Uns kannst du nicht so täuschen! Wir wissen und sehen alles…", mit diesen Worten schreiten alle vier Ratsmitglieder in einer Reihe aus dem Raum…
 

Nur Großvater und ich bleiben alleine in dem Raum zurück. Ich merke, wie Großvaters Wut auf Desmond sich immer mehr steigert. Ich habe Angst, was passieren wird, wenn die beiden das nächste Mal aufeinander treffen. Ich muss etwas machen! Aber was? Es bleibt mir nichts anderes übrig, als ihm die Wahrheit zu sagen. Ihm zu sagen, dass Desmond mich nicht gezwungen hat! Das ich selber es wollte, denn sonst gibt es eine große Katastrophe! Und das kann ich Desmond beim Besten willen nicht zumuten, auch wenn er es von mir verlangen würde. Schließlich bekommt er noch genug Ärger mit dem Rat. Aber wie fange ich nur an?

„Großvater? Ich muss dir etwas sagen.", fange ich verzweifelt an. Es gibt kein Weg zurück. Es muss es ihm sagen. Ich muss meinen Bruder vor ihm schützen. Zu oft schon musste ich die gewalttätigen Attacken mitangucken. „Du brauchst dich nicht zu bedanken, Kleines!", entgegnet er. Er weiß nicht, wie schwer er mir es macht. „Nein, das wollte ich nicht.", versuche ich drum herum zureden. „Desmond hat mich nicht gezwungen. Ich habe es freiwillig mitgemacht. Ich wollte, dass die Menschen sterben." Jeden Moment rechne ich mit Schlägen, so wie Desmond sie immer abbekommt, aber es kommt nichts. Vorsichtig blicke ich auf und schaue ihn an. „Genau wie früher!", sagt Großvater mit einem Lächeln. „Es ist wirklich schön, wie du dich für deinen Bruder einsetzt. Aber du musst für ihn nicht lügen. Er muss für das Büßen, was er dir angetan hat. Denke doch auch mal an dich!", redet er auf mich ein. Ich bin verzweifelt. Er hat recht, genau wie früher. Er traut mir nichts zu, auch wenn ich es zugebe! Wie soll ich Desmond denn noch schützen? Was soll ich machen. „Aber, dass stimmt! Ich wollte es so.", versuche ich es verzweifelt noch einmal. „Kein aber!", sagt Großvater nun etwas streng. „Ich glaube, der Psychiater wird dir gut tun. Du musst endlich mal lernen, dass du deinen Bruder nicht schützen musst. Guck einfach nach vorne und lebe dein Leben. Vergesse ihn!" Es ist sinnlos. Ich hatte noch nie Erfolg. Es ist so ungerecht! „Aber wirklich…" „Ich will davon nichts mehr hören! Lass uns jetzt nach oben gehen, schließlich geht die Trauerfeier weiter und wir wollen doch deiner Mutter die letzte Ehre erweisen.", mit diesen Worten gehen wir nach oben. Ich fühle mich so niedergeschlagen. Wieso glaubt er mir nicht? Das ist alles so fies…
 

Oben versucht Vater gerade die anderen zu beruhigen und sich in Desmonds Namen zu entschuldigen. Es herrscht ein ziemliches Durcheinander, kaum einer kann glauben, was so eben geschehen ist. Und alle sind froh, als Vater die Menge auffordert zu uns nach Hause zu fahren, um die Trauerfeier so gut wie es eben noch geht, weiter zuführen.

Während der Autofahrt spricht keiner ein Wort. Es kostet mich wirklich viel Überwindung dieses Schweigen für einen kurzen Moment zu unterbrechen. Aber ich will unbedingt wissen, was mit Desmond los ist. Wie es ihm geht und wo er ist. Ich bin erleichtert zu hören, dass es ihm gut geht und er nur in seinem Zimmer ist. Allerdings konnte Vater mir nicht verraten, was noch mit ihm geschehen wird…
 

Es herrscht eine beklemmende und sehr bedrückende Stimmung unter den Gästen. Der Schock sitzt noch tief, niemand will wahrhaben was so eben geschehen ist. Es fällt allen schwer die Trauerfeier dennoch weiterzuführen. Grüppchenweise stehen sie in unserer Eingangshalle und unterhalten sich. Es ist unschwer zu überhören, über was sie angestrengt reden…

„Nun misch dich wieder etwas unter die Gäste, auch wenn es dir schwer fällt! Denk an deine Mutter, tue es ihr zu liebe. Wir haben jetzt nämlich noch etwas anderes zu regeln.", fordert mich Vater auf und schreitet mit Großvater in Richtung des Rates. Alle zusammen gehen die Treppe hinauf, wahrscheinlich in Vaters Arbeitszimmer.

Ich habe keine Lust mich jetzt mit den Gästen zu beschäftigen. Ich weiß genau, worüber die reden. Und das werde ich mir bestimmt nicht antun! Vielmehr möchte ich einfach nur zu Desmond. Ich muss ihn warnen, was so eben alles geschehen ist. Und so sehr würde mich interessieren, was Vater und Großvater gerade mit dem Rat besprechen. Ich habe Angst, was jetzt gleich mit Desmond passieren wird. Was wird ihm erwarten? Was werden sie beschließen?

Ich muss etwas unternehmen, doch ich merke, wie die Blicke auf mich ruhen. Aber erwarten die jetzt wirklich, dass ich hier bleibe und mich lächerlich mache? Mir deren Spott anhöre und deren Verachtung antue? Gewiss nicht, auch wenn ich mir bei manchen nicht ganz sicher bin, ob diese nicht eher Mitleid mit mir haben, dass ich so einen Bruder habe. Aber ich will es auch nicht testen. Langsam bewege ich mich Richtung Treppe. Ich will einfach nur nach oben zu meinem geliebten Bruder. Es ist mir egal, dass Vater mich aufgefordert hat bei den Gästen zu bleiben, so etwas kann er doch nicht ernst meinen.er weiß doch, wie sehr ich an Desmond hänge.

Doch bevor ich auch nur einen einzigen Fuß auf die Treppe setzten kann, ertönt hinter mir eine Stimme…
 

„Flora! Willst du uns etwa schon verlassen?" Ich fasse es nicht, wie viel Pech kann ich eigentlich noch haben? Die hat mir gerade noch gefehlt…

„Ach, Oma! Ist ja schön dich wiederzusehen.", versuche ich in einem freundlichen Ton von mir zu geben. „Nein, ich will euch natürlich noch nicht verlassen. Ich wollte nur eben…ähmm..ein paar Getränke nachholen." Ich weiß, dass sie mir das nicht abkauft, aber es scheint sie auch nicht zu interessieren, sie will auf etwas ganz anderes raus.

„Ist ja eine schreckliche Sache, was so eben geschehen ist. Ich hätte ja niemals geahnt, dass dein Bruder so etwas macht!", fährt sie fort. „Das war wirklich ein ziemlicher Schock für uns… Was wollte eigentlich der Rat von dir? Du steckst doch wohl hoffentlich nicht auch dahinter, oder?", fragt sie mich scheinheilig. Dieses Miststück! Wie sehr würde ihr es gefallen, wenn ich es bejahen würde. Dann hätte sie noch einen Grund mehr uns schlecht darstehen zu lassen. Sie sucht doch wirklich jede Möglichkeit, um uns eins auszumischen! Genauso, wie wir es schon lange von ihr wissen. Dieser Hass hat sich glaub ich nach dem Tod von Mutter entwickelt...

„Nein… Das würde mir niemals im Traum einfallen. Gerade auf der Trauerfeier… ich kann es auch nicht fassen, dass Desmond so etwas machen konnte.", spiele ich ihr gekonnt vor. Denn ihr noch eine Grund Schande über unsere Familie zu verbreiten, möchte ich ihr nicht geben. Auch wenn es mir immer wieder einen tiefen Schmerz in meinem Herz gibt, wenn ich Desmond so darstellen muss. Aber es war sein Wunsch, dass ich meine Ahnungslosigkeit aufrechterhalte, egal was kommen mag.

„Das liegt doch ehe nur an deinem Vater! Er ist einfach nur unfähig euch richtig zu erziehen. Es ist wirklich unvorstellbar, dass eure Mutter sich damals mit diesem Schwachkopf eingelassen hat. Es wäre ihr deutlich besser gegangen, wenn sie ihn niemals kennengelernt hätte! Dann hätte es euch Gott sei Dank auch nicht gegeben!" Verblüfft schaue ich sie an. Ich weiß zwar, dass Oma uns nicht sonderlich mag, aber mit diesen Äußerungen hätte ich niemals gerechnet. Das kann doch nicht nur an dem Tod von Mutter liegen, für den sie Vater verantwortlich macht. Was ist damals nur vorgefallen? Und wieso hat sie so einen Hass auf mich und Desmond?

„Das geht jetzt wirklich zu weit! Ich weiß zwar nicht, was damals zwischen euch vorgefallen ist, aber diese Beschuldigen muss ich mir nicht gefallen lassen!", schlagartig drehe ich mich um und gehe Richtung Treppe. Ohne mich auch nur noch ein einziges Mal umzudrehen, gehe ich nach oben. Dennoch merke ich, wie Omas vernichteter Blick auf mich lastet. Und auch die anderen Gäste dürften von dieser Streitigkeit Wind bekommen haben. Aber es ist mir egal. Mich interessiert jetzt nur noch Desmond!
 

Langsam, in Gedanken versunken, gehe ich den Flur entlang. Deutliche Stimmen dringen aus Vaters Arbeitszimmer. Sie verhandeln immer noch mit dem Rat. Doch dann, plötzlich, öffnet sich die Tür. Vor Schreck springe ich zur Seite. Gerade noch rechtzeitig, bevor sie das Arbeitszimmer verlassen. Genau wie das letzte Mal gibt mir der Schrank Schutz. Es ist nur eins anders als damals, sie gehen nicht an mir vorbei. Sie gehen nicht hinunter zu den anderen Gästen, sondern steigen die andere Treppe hinauf. Hinauf zu unserem Reich, zu Desmonds und meinem Zimmer.

Erneute Angst breitet sich in mir aus, was haben sie vor? Ich höre, wie oben eine Tür aufgeschlossen wird. Sie müssen Desmond eingesperrt haben. Vorsichtig begebe ich mich aus meinem Versteck und versuche geräuschlos die Treppe zu überwinden.

Ich bin so froh, als ich in meinem Zimmer stehe, niemand hat etwas bemerkt. Zum Glück gibt es eine Verbindungstür zwischen Desmonds und meinem Zimmer. Langsam nähre ich mich dieser. Ich kann die Stimmen deutlich verstehen. Der Rat verabschiedet sich gerade gehässig von Desmond. Aber was haben die nur gesagt? Was haben die ihm verkündet? Wieso bin ich nicht schneller nach oben gegangen? Doch was jetzt kommt, erschaudert mich zu tiefst. Ich habe das Gefühl, als ob mein Herz in tausend Stücke zerspringt. Diese schmerzverzerrten Schreie…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-02-21T20:29:31+00:00 21.02.2011 21:29
hey. . . halt. . . stopp! wieso ist das schon wieder so ein Ende? ahhh das ist voll gemein! TT-TT . . . *schnief*. . . hoffe es geht bald weiter. . . Desmond *heul* . . . blöder Großvater, blöder Rat! ò.ó
wann geht es denn weiter? *-*

Hi-chaan


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