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Schloss Tegel

von

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II

„Alexander. Alexander, stehen Sie auf.“

Schläfrig wälzte der Baron sich von einer Bettseite auf die anderen.

„Robert, wieso…wieso weckst du mich?“ Er hielt sich die Hand vor die Augen, als er zu seinem Kammerdiener aufsah, um nicht zu sehr geblendet zu werden.

„Gab ich den Befehl dazu?“

„Nein, aber Ihre liebe Frau Mama.“

Alexander stöhnte genervt auf und vergrub sein Gesicht im Kissen.

„Natürlich. Sie weiß nicht, dass ich lediglich fünf Stunden Schlaf hatte…“

„Zum Glück nicht, wenn ich Sie daran erinnern darf.“

„Jaja“

„Also? Ich stehe bereit mit Ihren Kleidern, Alexander.“

„Ist Wilhelm schon wach?“

„Ihr Bruder sitzt mit seiner Frau und der kleinen Nichte bereits am Frühstückstisch.“

„Verflucht.“

„Nicht doch, mein Herr. Nun stehen Sie schon auf, damit ich Sie einkleiden kann.“

Alexander blieb auf dem Bauch liegen und warf lediglich die Bettdecke beiseite, sodass sein freier Rücken zum Vorschein kam.

Robert schüttelte den Kopf, und konnte sich nicht ganz an seine Divise halten, sich nicht über seinen Herrn aufzuregen.

„Sie haben schon wieder halbnackt geschlafen!“

„Nackt.“, wurde er mit einem Nuscheln ins Kopfkissen verbessert und Alexander schaffte es, die Decke mit ein paar Fußtritten noch tiefer rutschen zu lassen, um seine Aussage zu bekräftigen.

„Oh, schön. Also nackt. Wenn Sie sich erkälten, Alexander, können Sie damit rechnen, dass ich es nicht bin, der Sie versorgt, wenn Sie mit Fieber im Bett liegen!“

Der Baron entgegnete darauf nichts mehr, hatte die Augen wieder geschlossen, also setzte Robert sich ans Bett und zwickte seinem Herrn ohne Scham in den Allerwertesten.

Schreiend sprang der Baron auf und war plötzlich hellwach.
 

Auf dem Weg in den Salon begegnete Alexander zwei ihrer Dienstmädchen, eine von ihnen war das junge Mädchen von gestern Nacht.

„Guten Morgen.“, grüßte er die beiden mit einem freundlichen Lächeln und einem Winken, womit er sie so sehr erschreckte, dass sie zusammenzuckten.

„Guten Morgen, Herr Baron!“, quiekten sie mit hochroten Köpfen zurück und hasteten davon.

Robert, der neben ihm lief, verdrehte die Augen.

„Alexander, könnten Sie das bitte unterlassen, das Personal zu grüßen? Die armen Mädchen bekommen antrainiert, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, wenn Sie auf die Damen oder Herren des Hauses treffen, und ausgerechnet Sie sprechen sie so unverhohlen an.“

Der junge Baron betrachtete seinen Kammerdiener skeptisch.

„Du willst mir doch nicht unterstellen, dass es meine Schuld wäre, dass diese Mädchen so besessen von mir sind?“

„Doch.“

„Ich kann nichts dafür!“

„Nein, können Sie nicht, aber es ist Ihre Schuld. Oder gewissermaßen die Schuld Ihrer Eltern, vornehmlich Ihres verstorbenen werten Herrn Vaters, der Ihnen wohl diese Augen und dieses Gesicht und diese Stimme und diesen Körper vermacht hat.“

„Höre ich da Spott in deinen Worten, Robert?“

„Keineswegs, mein Herr.“, antwortete der Diener mit einem Grinsen, das das Gegenteil behauptete, und öffnete Alexander die Tür zum Salon.
 

Drinnen saß seine Mutter auf dem Kanapee, in eine dicke Decke eingepackt. Die Baronesse war eine kleine, aber keineswegs schwache Frau. Sie hatte ihr graues Haar elegant hochgesteckt und sah in ihrem blasslilafarbenen Kleid, trotz ihres Alters von nun schon sechzig stolzen Jahren, keineswegs greis aus.

Als Alexander den Raum betreten hatte, war ihre Kammerzofe Margarethe gegangen, und so bemerkte er, als er seiner Mutter näher kam, dass sie heute nicht so frisch wie sonst aussah.

„Guten Morgen, Mama.“

„Guten Morgen, mein Junge.“, begrüßte sie ihn, ein Lächeln blieb jedoch aus. Alexander war es gewohnt, dass seine Mutter eine ernste Person war, ganz im Kontrast zu seinem verstorbenen Vater.

„Wie geht es dir?“, fragte er.

Sie winkte mit einer behandschuhten Hand ab.

„Lenk nicht ab, Alexander. Wieso schläfst du so lange?“

„Ich habe…lange nicht einschlafen können gestern Abend.“

Sie beäugte ihren Sohn kritisch, schien ihn anscheinend besser zu kennen.

„Nun.“, begann sie dann jedoch, „Wie du siehst, fühle ich mich heute Morgen etwas unwohl, weshalb Margret mich hier hergebracht hat. Du kannst nichtsdestotrotz hinüber in den Speisesaal gehen und deinem Bruder und seiner Familie beim Frühstück Gesellschaft leisten.“

Alexander sah seine Mutter etwas besorgt an.

„Hast du denn schon etwas gefrühstückt, Mama?“

Sie winkte wieder ab, eine ihrer liebsten Gesten.

„Kümmere dich nicht um mich, Junge, dafür werden andere bezahlt. – Hast du gebadet?“

Alexander sah sie verwirrt an.

„Ja. Gestern Abend.“

Sie nickte.

„War das Wasser warm? Ich frage, weil wir diese Woche noch Besuch erwarten. War es angenehm warm?“

„Ja, Mama.“

„Dann ist gut. Auf Rousseau ist eben verlass.“

„In der Tat, das ist es, Mama.“

Sie nickte und sah ihn eine Weile schweigend an.

„Was ist, Alexander? Wieso sitzt du nicht schon längst mit deinem Bruder am Tisch und nimmst endlich etwas Anständiges zu dir?“

„Sofort, Mama.“, sagte Alexander, ging noch einmal auf sie zu, um ihr die Hand zu drücken, bevor er den Salon wieder verließ.
 

„Ah, sieh an, der Herr erscheint auch mal.“

„Dir auch einen guten Morgen, Wilhelm. Caroline.“

„Guten Morgen, Alexander.“, grüßte ihn seine Schwägerin zurück, die gerade ihre kleine Tochter auf dem Schoß hatte und mit Brei fütterte.

Caroline war zwar keine Schönheit, jedoch hatte sie etwas Charmantes an sich. Alexander hatte jedenfalls nichts gegen sie, solange sie nicht versuchte, private Gespräche mit ihm zu führen.

Er nahm seinem Bruder gegenüber Platz. Der war ganz in die Zeitung vertieft. Er war zwei Jahre älter als Alexander, und der fragte sich immer wieder, ob die Dienstmädchen sich ihm gegenüber nicht so peinlich verhielten, da sie ihn nicht für so hübsch erachteten, oder weil er seit acht Jahren verheiratet war.

Alexander nahm sich ein gekochtes Frühstücksei aus dem Korb und begann es am Tellerrand aufzuklopfen.

Wilhelm bedachte ihn mit einem genervten Blick.

„Entschuldigung.“, gab Alexander von sich, nahm das Messer und köpfte es.

Während er etwas Salz drüberstreute und es auszulöffeln begann, tauchte plötzlich ihr zweiter Diener Ludwig neben ihm auf, um ihm eine Tasse brühwarmen Kaffee zu servieren.

„Danke.“, brachte Alexander heraus. Er mochte es nicht, wenn die Bediensteten sich so anschlichen.

Ludwig nahm, auf Carolines Geheiß hin, ihr das kleine Töchterchen vom Schoß, mit dem Auftrag, es von ihrer Kammerzofe wickeln zu lassen.

„Sehr wohl, Frau Baronin.“

Als der blonde Junge – mit seinen einundzwanzig Jahren konnte man ihn fast noch als einen solchen bezeichnen – endlich den Saal verlassen hatte, wandte sich Alexander seinem Bruder zu.

„Weißt du, was Mama heute Morgen hat?“

Es dauerte eine Weile, bis Wilhelm sich angesprochen fühlte.

„Ihr geht es nicht gut.“

„Ich weiß, ich wollte nur wissen…Ist es wieder…?“

Wilhelm nahm einen Schluck Kaffee.

„Es ist ihre Brust, ja. Der Doktor hat letzte Woche angedeutet, dass es Krebs sein könnte.“

Alexander sah nieder in seinen Schoß.

„Das dachte ich mir.“, meinte er nur.

Als er wieder aufsah, bemerkte er das Schwarzweißfoto auf der Titelseite.

„Die Eisenbahn? Was haben wir hier in Berlin denn mit der Eisenbahn zu schaffen?“

„Sie fährt jetzt in Sachsen.“

Alexander riss erstaunt die Augen auf.

„In Sachsen?! Aber doch mit Pferden.“

„Mit Dampf. Und jetzt hör auf, mich auszufragen, du kannst nachher die Zeitung haben.“

Alexander nickte und wandte sich wieder seinem Teller zu.

Es dauerte keine Minute, da redete er den Älteren wieder an.

„Von welchem Besuch sprach Mama? Hat sie dir gegenüber etwas erwähnt?“

Wilhelm grummelte genervt. „Caroline, bitte.“

Seine Frau tätschelte ihm den Arm, bevor sie sich Alexander annahm.

„Madame von Pannwitz wird uns für ein, zwei Tage besuchen. Sie bringt ihre Tochter Dorothea mit.“

„Ah. Kenne ich die Dame?“

„Die Tochter wohl kaum– “

„Ich sprach auch von der Madame.“

„Ah. Ja, du müsstest sie vor drei Jahren auf dem Jahrmarkt gesehen haben. Sie stand kurz bei uns. Aber ihre Tochter war nicht dabei. Sie ist Ende letzten Jahres Zwanzig geworden. Ein reizendes junges Mädchen. Sie studiert; wenn ich mich nicht täusche interessiert sie sich auch für Pflanzenkunde und– “

„Danke. Ich kenne sie also nicht.“

Caroline sah ihren Schwager sprachlos an und versuchte ihre Entrüstung zu verbergen. Aber das waren die Momente, in denen Alexander sie nur lästig empfand: wenn sie versuchte, privat mit ihm zu plaudern. Das lief dann nämlich immer auf irgendein junges Mädchen hinaus, das ja so gut zu ihm passen würde…

Alexander erhob sich.

„Du gehst schon?“, fragte ihn Caroline.

„Ich will noch ausreiten.“, antwortete er ihr, bevor er den Saal verließ, ohne seinen Kaffee angerührt zu haben.
 

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Dankeschön für eure Kommentare! Es sind mir also einige von VLE hierher gefolgt :)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2011-07-03T19:44:26+00:00 03.07.2011 21:44
Jaja Caroline ändert sich nicht oder? Pflanzt sie auch hier Geranien?
Ein Alexander, der seinen Kaffee nicht anrührt O_ó?
Die Eisenbahn...ein schönes Detail^^ Ein echt klasse Kapi XD
Von:  BloodyMary1342
2011-07-03T18:51:26+00:00 03.07.2011 20:51
ohhhhhhh *-* *freu*
noch ein Kapitel bevor ich fahre x3
und dann auch noch ein so witziges ^^
ich würde gern mal wissen wie lange alexander's Diener (Name vergessen *heul* schonwieder -_-) schon für ihn zuständig ist, die beiden scheinen sich ja wirklich gut zu verstehen xD^^
Willhelm ist ja wirklich "nett": wenn ihm sein Bruder zu nervig wird, schiebt er ihn einfach an seine Frau ab xD

freu mich schon auf das nächste Kapitel^^x3

LG
Von:  Ran34
2011-07-03T18:36:34+00:00 03.07.2011 20:36
Als ich das mit der Erkältung gelesen habe, musste ich lachen, denn rate mal, was die liebe Ran sich zugezogen hat! *schnief* >.<
Die Idee mit dem "Popozwicken" fand ich richtig lustig!^^
Aber es scheint mir, als sei Alexander nicht wirklich sehr willkommen in seiner Familie... Zwischen den ganzen anderen Charas wirkt er irgendwie so bodenständig und nicht so abgehoben. (Ist das verständlich, was ich versuche zu sagen?)
Mach weiter so, ich bin schon auf`s nächste Kapi gespannt! >.<

lg~


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