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Skater Love

von

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Unerwarteter Besuch

Unbewusst trommelten meine Finger auf dem Fensterbrett herum, während ich den Blick nach draußen schweifen ließ. Viel war nicht zu sehen, die Stadt versank in winterlichem Grau, und dennoch konnte ich mich nicht von ihrem Anblick losreißen. Einerseits hatte es beinahe etwas Meditatives, dem Schneeregen beim Fallen zuzusehen, andererseits hätte ich am liebsten geschrien und mir die Haare gerauft, so viel nervöse Energie steckte mir in den Knochen. Der frisch gebrühte Tee, der dampfend auf dem kleinen Wohnzimmertisch stand, roch auf wohlige Weise nach Zimt und roten Früchten; der perfekte Begleiter zu dem Duft der frischen Tannenzweige, die in einer großen Vase auf dem Boden neben mir standen. Um die Zweige hatte ich eine dezente Lichterkette gelegt, deren Schein mich nun auf fast hypnotische Weise zu beruhigen versuchte. Zwecklos, wie ich zu meinem persönlichen Verdruss anmerken musste. Ein leises Seufzen kam mir über die Lippen und langsam bildete sich in meinem Magen ein unlösbarer Knoten aus Unsicherheit und Unwillen, mich noch länger von meinen verworrenen Emotionen beeinflussen zu lassen. Schlimm genug, dass ich die letzte Nacht kein Auge zugemacht hatte. Was war denn nur los mit mir? So lebensverändernd war dieses Treffen nun auch nicht gewesen, obwohl ich zugeben musste, dass ich es mehr genossen hatte, als ich für möglich gehalten hatte. Verdammt, ich kannte diesen Wesenszug an mir, nur hatte ich gehofft, ihn mit dem Alter hinter mir gelassen zu haben. Offensichtlich jedoch nicht. Ich stand kurz davor, jede Kleinigkeit des gestrigen Tages gedanklich in ihre Einzelteile zu zerlegen, und das hatte mir noch nie gutgetan. Wer hatte auch damit rechnen können, dass es mich derart aus dem Konzept bringen würde, wenn ich mich mit einem Freund verabredete, um den Nachmittag gemeinsam auf der hiesigen Eisbahn zu verbringen? Ich sicherlich nicht.

 

Gerade, als ich mich von der winterlichen Tristesse losreißen konnte und mich aufs Sofa setzen wollte, um mir den Tee schmecken zu lassen, klingelte es an der Wohnungstür. Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, die Störung zu ignorieren, aber meine angeborene Neugierde ließ das nicht zu. So ging ich um das Sofa herum, statt mich zu setzen, und hatte gerade den Finger auf den Knopf der Gegensprechanlage im Flur gelegt, als jemand zaghaft gegen das Türblatt klopfte.

 

„Zero? Bist du zu Hause?“

 

War das etwa Karyu? Ich runzelte die Stirn, weil ich die Stimme nicht genau erkannt hatte, und sah durch den Spion. Tatsache. Da stand der hochgewachsene Gitarrist vor meiner Wohnung. Was machte der denn hier? Die nervöse Energie in meinem Inneren erreichte neue Höhen, aber endlich schaffte ich es, ihr rigoros den Riegel vorzuschieben. Wäre ja noch schöner.

 

„Ja, bin da, warte kurz“, antwortete ich, bevor ich mir noch weitere Fragen stellen würde, die ohnehin nur der andere beantworten konnte. So schob ich die Sicherheitskette zurück und öffnete meinem unerwarteten Besucher. „Hey … was hat dich denn hierher verschlagen? Und wie siehst du überhaupt aus?“ Stirnrunzelnd musterte ich mein Gegenüber. Karyus Gesicht war zwischen der Wollmütze, dem Mundschutz und dem dicken Schal, den er um den Hals geschlungen hatte, kaum zu erkennen, aber das, was ich sah, machte keinen gesunden Eindruck. Seine Augen glänzten fiebrig und sein Teint wirkte fahl. Trotz der warmen Winterkleidung, in der er steckte, jagte in regelmäßigem Abstand ein Zittern durch seinen Körper und ließ ihn auf eigenartige Weise wie eine dürre Weide im Wind aussehen. „Komm erst einmal rein, du lässt die ganze Kälte in die Wohnung“, verlangte ich, nachdem er auf keine meiner Fragen reagiert hatte, umfasste seinen Unterarm und zog ihn ins Innere.

 

„Danke“, krächzte er, ging jedoch sogleich auf Abstand, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war. „Ich weiß, ich sehe nicht danach aus, aber ich bin nicht ansteckend. Mein Selbsttest war negativ und der in der Klinik auch.“

 

Oh, an das große C, das weiterhin wie ein Damoklesschwert über der Menschheit schwebte, hatte ich gerade tatsächlich nicht gedacht. Nachlässig von mir, aber vielleicht auch nur ein Zeichen dafür, wie ablenkend Karyus Präsenz im Augenblick auf mich wirkte.

„Schon gut“, murmelte ich also beschwichtigend und zog ihm den erstaunlich gut gefüllten Rucksack von der rechten Schulter. „Nun zieh dir erst mal die Straßenkleidung aus und komm ins Wohnzimmer. Über den Grund deines Besuchs können wir auch noch sprechen, wenn du nicht mehr danach aussiehst, als würdest du jeden Moment umkippen.“

 

„So schlimm?“

 

„Sagen wir es so, ich war noch höflich.“ Ich stellte den Rucksack auf die Seite und nahm Karyus dick gefütterten Parka entgegen, um ihn an die Garderobe zu hängen. Als Nächstes bugsierte ich den Großen, der mittlerweile aussah, als würde er auf der Stelle einschlafen, durch meine Wohnung, bis ich ihn aufs Sofa drücken konnte.

 

„Hier.“ Ich hielt ihm meine Tasse hin, auf Tee hatte ich jetzt ohnehin keine Lust mehr, und setzte mich mit etwas Abstand neben ihn. „Wieso liegst du in deinem Zustand eigentlich nicht bei dir zu Hause im Bett, sondern tingelst durch die halbe Stadt, um vor meiner Wohnung aufzuschlagen?“ Je länger ich mein Gegenüber musterte, desto besorgter wurde ich.

 

„Ich …“, begann Karyu heiser, zog sich endlich den Mundschutz vom Gesicht und trank einige kleine Schlucke des heißen Tees. „Meine Heizung … hatschi!“ Karyus Erklärung fiel dank einiger lauter Nieser deutlich kürzer aus, als er wohl geplant hatte, aber auch so hatte ich eine vage Ahnung davon bekommen, wo das Problem liegen könnte. Mitleidig verzog ich das Gesicht, obwohl ich nicht hätte sagen können, ob ich den Großen oder vielmehr mich selbst bedauerte.

 

„Warte kurz, du siehst aus, als würdest du jeden Moment anfangen, mit den Zähnen zu klappern. Ich hol dir eine Decke, trink derweilen deinen Tee, okay?“ Ich wartete nicht auf eine Reaktion, erhob mich stattdessen und tat, was ich angekündigt hatte. Ein wenig fühlte sich mein Aufbruch wie eine Flucht an, aber wenn das eintraf, was ich vermutete, brauchte ich jede Auszeit, die ich bekommen konnte – und sei sie noch so kurz.

„Warum ausgerechnet er, warum jetzt?“, wisperte ich und rieb mir übers Gesicht. Plötzlich war die Nervosität wieder da und schickte ein unangenehmes Zittern durch meine Glieder. Verflucht, ich hasste dieses Gefühl.

Viel zu schnell hatte ich eine Wolldecke aus meinem Kleiderschrank genommen und war ins Wohnzimmer zurückgekehrt, wo ich Karyu meine Errungenschaft um die Schultern legte.

 

„Hier, besser?“

 

„Ja, danke.“

 

„Wie konntest du dich nur so erkälten?“, stellte ich eine Frage, deren Antwort ich längst kannte. „Oder nein, sag nichts. Ernsthaft, Karyu, ich hab dir doch gesagt, dass du krank wirst, wenn du so vor die Tür gehst. Aber der Herr weiß natürlich mal wieder alles besser und zieht nicht mal im tiefsten Winter eine anständige Jacke an.“

 

„Gerade hatte ich eine anständige Jacke an“, murmelte Karyu und schmunzelte verlegen.

 

„Ja, die Betonung liegt auf ‚gerade‘. Und was war gestern?“

 

„Gestern war es nicht so kalt, ich dachte, das würde schon gehen. Ich wollte nicht noch mal extra deswegen zum Auto zurückgehen und dich warten lassen.“

 

„Wenn man auf der Eisbahn mehr mit dem Boden knutscht als Runden zu drehen, ist es ohne Jacke ganz offensichtlich doch zu kalt gewesen. Nächstes Mal vergisst du lieber deine Ritterlichkeit und denkst stattdessen an deine Gesundheit. Davon haben wir am Ende alle was.“

 

„Aber im Gegensatz zu dir hab ich wenigstens versucht, mich auf den Schlittschuhen zu bewegen. Zählt das nicht auch für etwas?“

 

„Nein.“ Ich grinste, als Karyu eine kleine Schnute zog, seinen eingeschnappten Gesichtsausdruck jedoch nicht lange aufrechterhalten konnte, weil er erneut von einem Niesen geschüttelt wurde. „Außerdem hast du eine ganz falsche Sicht auf die Dinge. Ich kann mir eingestehen, wenn ich etwas nicht kann, im Gegensatz zu dir. Und der Glühwein dort war echt lecker. Du hättest auch lieber einen trinken sollen, statt einen auf Eisprinzessin zu machen.“ Ich grinste schief, als ich mich wieder an Karyus Verrenkungen auf dem Eis zurückerinnerte.

 

„Pfff.“

 

„Aber mal zurück zum eigentlichen Thema: Was bringt dich hierher und was ist mit deiner Heizung?“

Karyu versteckte die Hälfte seines Gesichts hinter der Tasse oder zumindest kam es mir so vor, als er mich über den Rand hinweg aus seinen großen, glasigen Augen fast beschwichtigend ansah. Verflucht, dieser Welpenblick gehörte verboten.

„Jetzt sag schon“, murrte ich und wirkte sicherlich mürrischer, als ich eigentlich war. Aber meine Vorahnung schien sich zu bewahrheiten und ich war mir absolut nicht sicher, wie ich das überstehen sollte.

 

„Na ja, die Sache ist die … Ich bin heute Morgen nicht nur mit verstopfter Nase und einem dicken Kopf aufgewacht, sondern auch in einer eiskalten Wohnung. Mein Vermieter konnte mir nur sagen, dass die Heizanlage ausgefallen ist und es einige Tage dauern wird, bis sie repariert werden kann.“

 

„Oh, nein“, seufzte ich und rieb mir über die Nasenwurzel.

 

„Ich wäre ja in ein Hotel gegangen, aber …“

 

„So, wie du aussiehst, schicken die dich doch gleich in Quarantäne.“

 

„Eben.“

 

„Du willst also hierbleiben?“

 

„Wenn ich darf?“

 

„Natürlich darfst du. Ich setze dich in deinem Zustand sicher nicht vor die Tür.“

 

„Aber wirklich glücklich darüber bist du auch nicht gerade, oder?“ Täuschte ich mich, oder gesellte sich zu dem fiebrigen Glanz in Karyus Augen nun noch so etwas wie Enttäuschung? Himmel, wie sollte ich die nächsten Tage in seiner Gegenwart ertragen, wenn ich mich nach Minuten bereits nicht mehr ganz zurechnungsfähig fühlte? Das konnte doch nur in einem Desaster enden. Aber wie wir beide bereits festgestellt hatten, mangelte es an sinnvollen Alternativen.

 

„Das liegt nicht an dir, ehrlich“, versuchte ich also, den Großen zu beschwichtigen, wusste ich doch nur zu gut, wie sensibel er reagieren konnte. „Ich hatte nur andere Pläne, aber nichts, was ich nicht verschieben könnte.“

 

„Wolltest du deine Eltern besuchen?“

 

„Nein, das nicht. Meine Eltern verbringen die nächsten Wochen auf Okinawa bei meiner Tante, da wären wir ohnehin zu viele, wenn ich da auch noch aufschlage.“

 

„Verstehe.“ Karyu zupfte ein Taschentuch aus der Box, die ihren angestammten Platz auf dem Glastisch vor ihm hatte, drehte sich weg und putzte sich lautstark die Nase. „Entschuldige.“

 

„Nicht dafür.“ Ich winkte ab, musste mich jedoch zusammenreißen, den anderen nicht übertrieben anzustarren. Wenn es nach mir ginge, hätte ich Karyu längst ins Bett verfrachtet, damit er sich erholen und gesund werden konnte, aber er schien anderes vorzuhaben.

 

„Verrätst du mir, was du unternehmen wolltest?“

Ich seufzte, verschränkte die Finger in meinem Schoß, nur um sie in der nächsten Sekunde zu lösen und meine schwitzenden Handflächen an meiner Hose abzuwischen.

„Ist alles in Ordnung? Wenn ich wieder einmal zu neugierig bin, sag es mir, bitte.“

 

„Nein, quatsch“, winkte ich ab, obwohl Karyu den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Mir war es unangenehm, über meine Pläne zu sprechen, und ich wusste nicht einmal wieso. „Mir ist nur zu warm“, log ich also und zog mir zur Untermalung den Pullover über den Kopf. Nun also im T-Shirt neben Karyu sitzend, hatte mein verräterischer Körper nichts Besseres zu tun, als meine Schwindelei mittels einer Gänsehaut auffliegen zu lassen. Schönen Dank auch. Karyu musste es bemerkt haben, sagte jedoch nichts, sondern schaute mich noch immer neugierig an.

„Ich wollte ausmisten, noch ein wenig für Weihnachten dekorieren und …“ ich tat so, als würde ich mir über die Nase reiben, während mir die nächsten Worte nuschelnd über die Lippen kamen.

 

„Wie bitte?“

 

„Kekse backen. Ich wollte Kekse backen“, gab ich geschlagen zu und wusste genau, was Karyu nun sagen würde.

 

„Das ist ja cool, dann werde ich tatsächlich die einmalige Gelegenheit haben, mitzuerleben, wie die himmlischen Kekse entstehen, mit denen du uns seit Jahren versorgst?“

 

Na toll, genau mit dieser Reaktion hatte ich gerechnet. Verdammt, ich war so am Arsch.

„Ja, genau.“ Ich schaffte es gerade so, nicht abgrundtief zu seufzen, als sich auf Karyus spröde Lippen ein kleines Lächeln schlich.

 

„Ich helfe dir“, verkündete er dann auch mit so viel Enthusiasmus, wie es sein desolater Zustand zuließ.

 

„Ich würde sagen, du ruhst dich erst einmal aus. Alles andere sehen wir dann.“

Verflucht, ich hätte doch auf den Vorschlag meiner Mutter eingehen sollen. Nicht umsonst hatte sie angeboten, noch vor ihrem Besuch bei Tante Aiko die Kekse für meine Freunde zu backen. Mit Traditionen sollte man eben nicht brechen. Was hatte mich nur geritten, dass ich ernsthaft geglaubt hatte, das allein hinzubekommen? Wenn ich jedoch ehrlich war, musste ich zugeben, dass ich mir mein sprichwörtliches Grab schon vor langer Zeit geschaufelt hatte. Hätte ich mich erst gar nicht mit fremden Federn geschmückt, wäre das alles jetzt kein Problem. Aber, nein, ich musste ja angeben und behaupten, ein Meisterbäcker zu sein. Und warum das alles? Keine Ahnung. Vermutlich hatte ich damals einfach meine Freunde beeindrucken wollen oder war süchtig nach ihrer Anerkennung gewesen und nun hatte ich den Salat. Und als Bonus würde ich nun auch noch einen Zeugen haben, der mein Scheitern live mitbekommen würde. Ich unterließ es, vor lauter Frust mit den Zähnen zu knirschen, und schenkte Karyu stattdessen ein nur etwas gezwungen wirkendes Lächeln.

„Ich überzieh dir schnell das Bett frisch, dann kannst du dich hinlegen.“

 

„Mach dir bitte keine Umstände, ich kann mich auch auf dem Futon lang machen.“

 

„Nichts da“, meckerte ich und schickte einen strengen Blick hinterher, der mein Gegenüber verstummen ließ. Kopfschüttelnd erhob ich mich und ging zum zweiten Mal in der letzten viertel Stunde in mein Schlafzimmer.

 

Um ehrlich zu sein, hatte ich vorgehabt, zu trödeln, um so Karyus Gegenwart so lange wie möglich zu entgehen. Aber nicht zuletzt die Tatsache, dass mein Freund wirklich nicht gut aussah und ich ihn in regelmäßigem Abstand husten oder niesen hörte, spornte mich zu neuen Höchstleistungen an. Das Bett also in Rekordzeit gemacht und den Raum gut gelüftet, kehrte ich ins Wohnzimmer zurück und bedeutete meinem Gast mit ausladender Handbewegung, dass er sich gefälligst ins Bett verziehen sollte.

 

„Kann ich dir noch was bringen? Hast du Hunger? Brauchst du etwas gegen Kopfschmerzen? Ich kann dich auch einreiben, wenn dir das hilft?“

 

„Hey.“ Karyu hatte sich vor mich gestellt und lächelte mich mit einem Mal auf so eigenartige Weise an, dass mir ganz anders wurde. „Mach dir nicht so einen Kopf. Ich werde die Medizin nehmen, die mir der Arzt vorhin verschrieben hat, und dann bin ich erst einmal glücklich und zufrieden, wenn ich mich hinlegen kann.“

 

„O… okay“, murmelte ich lahm und blinzelte. „Ich stell trotzdem einen Topf Hühnersuppe auf, die schadet dir nicht und irgendwas muss ich mittags schließlich auch essen.“

 

„Das hört sich nach einem guten Plan an.“ Karyu nickte und für einen irrwitzigen Moment hatte ich das Gefühl, er würde mir näher kommen, als es in der gegenwärtigen Situation angemessen gewesen wäre. Aber der Augenblick war so schnell vorbei, wie er gekommen war, und ließ mich wieder einmal an meinem Verstand zweifeln.

 

„So, husch jetzt, ab mit dir ins Bett“, murrte ich und scheuchte ihn aus dem Wohnzimmer, während ich mich in der Küche verbarrikadierte. Himmel, was sollte das noch werden?
 

tbc …

Hartnäckige Erinnerungen

Wie lange ich in der Küche stand und eine Doktorarbeit aus der Zubereitung der Hühnersuppe machte, hätte ich hinterher nicht sagen können. Wie sollte ich aber auch produktiv und zeiteffizient sein, wenn mir Tausende Gedanken durch den Kopf gingen? Doch das Schlimmste war das trügerische Gefühl, beobachtet zu werden, denn immer, wenn ich mich vom Herd abwandte und zur Tür sah, war da nichts. Alles Einbildung und das nur, weil ich wusste, dass Karyu in meinem Schlafzimmer war. Himmel, allein dieser Gedanke hatte das Potenzial, in eine Richtung abzudriften, die mir ganz und gar nicht guttun würde.

 

Blinzelnd riss ich mich für den Moment von meinen Überlegungen los und befüllte eine kleine Schale mit Suppe, die ich ins Wohnzimmer trug. Wieder schweifte mein Blick zum Fenster, folgte ich der Flugbahn einer einzelnen Schneeflocke, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwand. Mit einem leisen Schnauben wandte ich mich ab, setzte mich aufs Sofa und tauchte den Löffel in die heiße Suppe. Pustend steckte ich mir den ersten Bissen in den Mund und schluckte, ohne wirklich etwas zu schmecken. Mechanisch wiederholte ich diesen Vorgang ein ums andere Mal, bis mir mein eigenes Verhalten so dermaßen auf die Nerven ging, dass ich den Löffel mit mehr Wucht, als es angemessen gewesen wäre, beiseitelegte.

 

„Das kann doch einfach nicht wahr sein“, knurrte ich, rieb mir übers Gesicht und ließ mich zur Seite aufs Sofa kippen. Warum konnte ich nicht aufhören, über den gestrigen Tag nachzudenken? Geschlagen schloss ich die Augen, als sich die ungebetenen Erinnerungen zu beinahe greifbaren Bildern formten.

 

Ich wusste nicht mehr, wann mir Karyu davon erzählt hatte, dass er schon ewig nicht mehr Schlittschuhlaufen gegangen war, weil er niemanden hatte, der mitkommen würde. Und allein machte es angeblich keinen Spaß. Vermutlich war das irgendwann im Sommer gewesen, als das Konzept eines eiskalten Dezembertages so weit von meinem Begreifen entfernt war, dass ich leichtsinnigerweise angeboten hatte, ihn zu begleiten. Und statt den Anstand zu besitzen und mein dahergeredetes Versprechen zu vergessen, hatte mich Karyu natürlich beim Wort genommen und es eingefordert, sobald sich die Gelegenheit dafür geboten hatte. Wie hätte ich also ablehnen können, als er mich gestern vom Studio abgeholt und auf die Eisbahn verschleppt hatte? Das Schlimme daran war eigentlich nur, dass ich wirklich Lust darauf gehabt hatte, Zeit mit ihm zu verbringen. Wir hatten uns Wochen nicht gesehen, waren beide zu beschäftigt gewesen, und die Aussicht auf ein paar Stunden in seiner Gegenwart hatte sich verdammt gut angehört. Ein leises Seufzen kam mir über die Lippen, während ich spürte, wie meine Glieder schwer und ich schläfrig wurde. Mist, ich sollte wirklich nicht einschlafen, ich hatte noch so viel zu erledigen, aber mein Körper schien den Schlaf nachholen zu wollen, den er in der Nacht nicht bekommen hatte.

 

~*~ ein Tag zuvor ~*~

 

„Woher wusstest du, dass ich heute nichts anderes vorhabe?“ Ich schaute aus dem Seitenfenster von Karyus Wagen, während wir auf den Parkplatz der Eisbahn rollten.

‚Glück muss man haben‘, dachte ich im Stillen, als wir gleich neben dem Haupteingang einen Stellplatz fanden.

 

„Du hast einen sehr auskunftsfreudigen Kollegen.“

 

„Tsukasa?“

 

„Wer sonst.“ Wir lachten, bevor meine rechte Braue skeptisch nach oben wanderte und ich die Frage stellte, die mir schon eine ganze Weile im Kopf herumspukte.

 

„Aber wieso hast du mir nicht einfach schon früher Bescheid gesagt, statt mich heute damit so zu überfallen? Schließlich hätte ich trotzdem etwas vorhaben können, von dem ich Tsukasa nichts erzählt habe.“

 

„Das Risiko musste ich eingehen, immerhin wollte ich dir gar nicht erst die Gelegenheit geben, mich zu versetzen.“

 

„So, so. Dachtest du denn, ich würde absagen?“

 

„Sagen wir es so, der Gedanke ist mir in den Sinn gekommen.“ Karyu grinste mich an und wirkte in diesem Moment einmal mehr wie ein zu groß geratener Lausebengel.

 

„Ich überlege ernsthaft, dir das übel zu nehmen.“

 

„Ach nö, lass mal, ist doch viel zu viel Aufwand.“ Holla, so schlagfertig kannte ich den Großen gar nicht. Ich konnte mir ein kurzes Auflachen nicht verkneifen, was Karyus Grinsen nur noch breiter werden ließ. „Außerdem, sieh dich mal um.“ Er schaltete den Motor ab und strahlte mich dann derart erwartungsfroh an, als hätte sich soeben sein größter Wunsch erfüllt. „Es scheint richtig wenig los zu sein, das wird toll.“

 

„Na, mal sehen, ob du auch noch so enthusiastisch bist, wenn du einige Male das Eis geküsst hast.“

 

„Sei nicht immer so pessimistisch, wie schwer kann das schon sein?“

 

„Pass auf, dass dich deine Worte nicht in deinen nichtvorhandenen Hintern beißen.“ Ich grinste mit der Zunge im Mundwinkel und stieg aus, bevor sich Karyu erneut beschweren konnte. Das letzte Mal, als ich auf dem Eis stand, war ich noch ein Teenager gewesen. Ich bezweifelte daher, dass ich mich überhaupt auf den Beinen würde halten können. Aber irgendwie war Karyus gute Laune ansteckend. Zusätzlich stieg mir der Duft heißen Glühweins in die Nase, kaum hatte er die Tür zur Eisbahn aufgedrückt.

 

„Uh, Glühwein“, stellte ich also grinsend fest, „der Nachmittag ist gerettet.“

 

„Ich hab dich aber nicht mitgenommen, damit du dich abschießen kannst.“

 

„Wer redet denn hier von abschießen?“ Ich schnaubte und reckte spielerisch empört die Nase nach oben, bevor ich Karyu von der Seite her anschielte, als mir etwas auffiel. „Hast du nicht etwas vergessen?“

 

„Ich? Nö. Was denn?“

 

„Deine Jacke?“

 

„Oh.“ Karyu sah an sich herab, als wäre ihm tatsächlich gerade erst aufgefallen, dass er hier nur in einem Pullover herumstand. Und das im Winter. „Ach, das passt schon so. Immerhin werde ich gleich meine Runden drehen und kann mich ohne Jacke besser bewegen.“

 

„Du wirst dich erkälten,.“

 

„Nee, so kalt ist es heute nicht.“

 

Während unserer kleinen Diskussion hatten wir die Eisbahn betreten und ich konnte über Karyus Uneinsichtigkeit nur seicht mit dem Kopf schütteln. Allerdings unterließ ich es, weiter auf ihn einzureden, immerhin war er alt genug und würde schon wissen, was er tat.

 

„Hoffentlich haben sie anständige Schlittschuhe im Verleih und nicht nur die komplett weichen, ausgetretenen Dinger“, flüsterte ich das Thema wechselnd, als ich die Reihen an zu verleihenden Schlittschuhen sah, die hinter dem Kassenhäuschen im Eingangsbereich ausgestellt waren.

 

„Die Auswahl ist zumindest nicht schlecht, würde ich sagen“, wisperte Karyu zurück, schenkte dem pickelgesichtigen Teenager hinter der Plexiglasscheibe ein breites Lächeln und verlangte zwei Tickets und unsere Schlittschuhe. In meinem Magen begann es eigenartig zu kribbeln, als er einen Teil seiner Errungenschaften an mich weiterreichte und den Weg zum Umkleidebereich einschlug. Einen Atemzug lang schaute ich nur seiner hochgewachsenen Gestalt hinterher, bevor ein Ruck durch mich ging und ich ihm folgte. Was war das bitte gewesen? Es hatte in der Vergangenheit tausend Gelegenheiten gegeben, zu denen Karyu für mich oder ich für ihn bezahlt hatte, da war dies jetzt auch nichts Besonderes, oder? Ich schüttelte den Kopf, um diese dummen Gedanken loszuwerden, und natürlich musste mein Freund das mitbekommen.

 

„Ist alles in Ordnung?“

 

„Ja, ja“, murmelte ich, vermied jedoch seinen Blick und hockte mich stattdessen auf eine der Holzbänke. Gut, dass Schlittschuhe anzuziehen eine Kunst für sich war und mich ausreichend von weiteren, unpassenden Grübeleien ablenkte. Tatsächlich brauchte ich mehrere Anläufe, bis die Schuhe fest genug an meinen Füßen saßen, dass ich nicht umknicken konnte, aber nicht so fest, dass sie mir die Blutzufuhr abschnürten. Erst, als ich mich erhob und ein paar wacklige Schritte auf den Kufen wagte, fiel mir wieder ein, dass ich hier nicht allein war. Ein schneller Blick zeigte mir, dass Karyu längst fertig war und mich die ganze Zeit über gemustert haben musste.

 

„Warum sagst du denn nichts?“, moserte ich und hoffte, dass er die aufsteigende Hitze in meinen Wangen nicht sehen würde, während ich auf ihn zustapfte.

 

„Du sahst so konzentriert aus, da wollte ich dich nicht stören.“

 

„Aha.“ Ich schnaubte leise, bevor ich dem Großen in den Bauch pikste. „Sicher, dass du deine Schlittschuhe fest genug gebunden hast? Wenn du in den Dingern umknickst, ist meist mehr kaputt.“

 

„Ich denke schon.“ Demonstrativ wackelte Karyu auf den Kufen hin und her, bis auf seine Knie bewegte sich jedoch nichts.

 

„Sieht gut aus.“ Ich schenkte ihm ein Lächeln, von dem ich nicht hätte sagen können, wo es so plötzlich herkam, und ging voraus zur Eisbahn. Wie wir schon vermutet hatten, war wirklich nicht viel los. Einige Schulkinder zogen ihre Bahnen, genau wie Eltern, die ihre meist sehr jungen Kinder an den Händen hielten.

 

„Oh, das nenn ich Glück. Hier ist ja wirklich kaum etwas los.“ Karyu klatschte zweimal in die Hände, was sich dank seiner Wollhandschuhe ziemlich dumpf anhörte und ihn nur noch mehr wie ein übergroßes Kind wirken ließ. Ich spürte, wie mein Lächeln sanfter wurde, und wandte mich schleunigst ab. Himmel, ich brauchte eine Ablenkung – dringend!

 

„Ha!“, rief ich etwas zu begeistert aus, als ich meine Rettung entdeckte. „Da drüben ist der Glühwein-Stand.“ Ehrlich erfreut deutete ich in die Richtung und wollte mich schon dorthin in Bewegung setzen, als sich eine Hand um die meine schloss.

 

„Nichts da. Erst drehst du ein paar Runden mit mir.“

 

„Muss ich?“

 

„Oh, ja.“

 

Sehnsüchtig warf ich der kleinen Bude einen letzten Blick zu, bevor ich mich in mein Schicksal ergab. Und um ehrlich zu sein, entschädigte mich Karyus freudiges Lächeln für so einiges, als ich ihm ohne weitere Widerworte folgte. Allerdings war ‚Runden drehen‘ etwas zu zuversichtlich von ihm gedacht gewesen, denn kaum hatten wir unsere Füße auf der Eisfläche, konnte er sich nur mittels eines beherzten Griffs an die Bande von einem Sturz abhalten. Bei mir sah es nicht viel besser aus, nur war ich so schlau gewesen, die Hand gar nicht erst von dem sicheren Halt der Begrenzung zu lösen. Theoretisch wusste ich noch, wie ich Schwung holen musste, wie ich meine Füße platzieren musste, um anzuhalten, und sogar, wie das mit dem Rückwärtslaufen mal funktioniert hatte. Die Betonung lag allerdings auf hatte, denn im Moment scheiterte definitiv alles an meinem mangelnden Gleichgewichtssinn.

 

Ich war so sehr damit beschäftigt, einen Fuß vor den anderen zu setzen und mich an der Bande entlang zu hangeln, dass ich erstaunt den Kopf hob, als ich unerwartet meinen Namen von vorne hörte.

 

„Zero, schau mal!“ Kaum hatte ich Karyu meine volle Aufmerksamkeit geschenkt, der es tatsächlich geschafft hatte, ohne Stütze einige Meter vor mich zu fahren, kam der Große ins Straucheln und landete auf seinem Hosenboden.

 

„Ugh, autsch.“

 

„Mist“, entkam es mir halb besorgt, halb lachend und ich bemühte mich, so schnell es ging an seine Seite zu gelangen. „Hast du dir wehgetan?“

 

„Nein, alles in Ordnung. Nur mein Stolz hat einen Kratzer.“

 

Ich lachte, während ich überlegte, ob es eine gute Idee war, Karyu meine Hand hinzuhalten.

„Ich glaube, deinen Stolz hast du vorhin gegen die Schlittschuhe eingetauscht.“ Stirnrunzelnd beobachtete ich seine rudernden Versuche, wieder auf die Beine zu kommen, bevor ich mir einen Ruck gab und ihm meine Rechte anbot. „Hier.“ Ich machte O-Beine, damit die Zacken meiner Kufen Halt im Eis finden würden, und wedelte mit meiner Hand vor seinem Gesicht herum. „Nun zieh dich schon hoch.“

 

„Sicher?“

 

Karyus Versuche in allen Ehren, aber ohne meine Hilfe würde er vermutlich den Rest des Nachmittags mit seinem Hintern auf dem Eis verbringen.

„Sicher.“

Ich stemmte mich so gut es ging gegen das Eis und zog, während mein Freund langsam wieder auf die Beine kam. Hoffentlich gab es hier keine Überwachungskameras oder übereifrige Eltern, die während des Versuchs die Erfolge ihrer Kleinen zu filmen, Karyu und mich auch vor die Linse bekamen. Ich sah uns schon als den Lacher bei der nächsten Familienfeier.

„Geschafft“, keuchte ich, als wir tatsächlich beide wieder senkrecht standen, und sah nach oben. Karyu war mir so nah, dass ich seinen vor Anstrengung schneller gewordenen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte und zu allem Überfluss hatte ich vergessen, seine Hand wieder loszulassen. Letzteres holte ich schleunigst nach, bevor ich mich räuspernd meinte: „Versuch, beim nächsten Mal in der Nähe der Bande hinzufallen, dann kommst du allein wieder auf die Beine.“

 

„Och, warum denn? Das hat doch auch so gut geklappt mit uns beiden.“

 

‚… mit uns beiden‘, hallte es in meinen Ohren nach, als würden mich diese drei kleinen Worte verhöhnen wollen. Wüsste ich es nicht besser, hätte ich behauptet, Karyu hatte das mit vollster Absicht gesagt. Ich biss die Zähne zusammen, um keinen schnippischen Kommentar von mir zu geben, und ließ den Blick in die Ferne schweifen.

 

„Tut mir leid, aber ich werde dir als dein persönlicher Auf-die-Beine-Helfer nicht länger zur Verfügung stehen“, entschied ich, als mir der Glühweinstand so einladend ins Blickfeld stach.

 

„Wie? Aber warum denn nicht?“

 

„Weil ich genau noch eine halbe Runde versuchen werde, nicht selbst aufs Maul zu fallen, und mir dann einen Glühwein hole.“

 

„Dein Ernst?“

 

„Mein voller Ernst.“

 

„Spielverderber.“

 

Ich machte Karyu eine lange Nase, bevor ich mich tapsend und rutschend von ihm entfernte. Es war besser so. Würde ich noch einmal in eine Situation wie gerade eben geraten, wüsste ich wirklich nicht, was passieren würde. Und jede Möglichkeit erschien mir gerade schlimmer als die nächste. Himmel, was war denn heute nur in mich gefahren? Die Aussicht auf ein wenig Alkohol klang besser als je zuvor. Nicht zu viel verstand sich, aber gerade so viel, um dieses unberechenbare Gefühl in mir zum Schweigen zu bringen.

 

Trotz meines indirekten Vorsatzes, auf dem schnellsten Wege vom Eis zu kommen, warf ich den einen oder anderen Blick über die Schulter hinter mich. Natürlich nur, um sicherzustellen, dass sich Karyu nicht erneut in eine Situation gebracht hatte, aus der er sich alleine nicht würde befreien können, und nicht, um ihn zu mustern. Nie nicht. Eines musste man ihm allerdings lassen, wenn er einen Moment hatte, in dem er sich ohne zu Wackeln auf dem Eis halten konnte, machte er in Schlittschuhen eine echt gute Figur. Durch die Kufen unter seinen Füßen wirkten seine Beine kilometerlang und irgendwie schienen sie ihm dabei zu helfen, endlich einmal nicht wie ein Fragezeichen gekrümmt dazustehen. Ich blinzelte, als ein kleines Mädchen mit einem höllischen Tempo an mir vorbeizischte und mich dermaßen erschreckte, dass ich beinahe selbst das Eis küsste. Mist, ich sollte mich nicht noch länger von meiner Mission abhalten lassen - es waren nur noch ein paar Meter.

 

Endlich wieder sicheren, weil nicht eisigen Boden unter meinen Kufen, atmete ich erleichtert aus und stapfte zu der kleinen Bude hinüber, die mich mit ihrem würzigen Duft schon die ganze Zeit über lockte. Aber apropos locken, auch während des Wartens in der erstaunlich langen Schlange der Durstigen konnte ich den Blick nicht von Karyu lassen. Das einzig Gute an dieser Situation war vermutlich nur, das er immer, wenn ich drohte, ins Schwärmen zu verfallen, einen ungelenken Ausfallschritt machte oder erneut auf dem Eis landete. Ich hielt mir die Hand vor den Mund, als er gerade wieder wie der sterbende Schwan höchstpersönlich vor sich hin schlitterte und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, ihn gewaltsam in Sicherheit zu bringen. Aber trotz seiner wiederholten Misserfolge hatte ich ihn schon eine ganze Weile nicht mehr so gelöst und guter Laune erlebt. Es war schön, ihn so zu sehen, stellte ich fest und fühlte eine eigenartige Wärme in mir aufsteigen.

 

„Was kann ich Ihnen anbieten?“ Die etwas kratzige Stimme der alten Dame hinter dem Holzverschlag riss mich aus meinen Gedanken und mit Erstaunen bemerkte ich, dass ich bereits an der Reihe war. Karyu war wirklich die geborene Ablenkung.

 

„Oh … einen Glühwein, bitte. Oder … machen Sie bitte zwei draus.“

 

„Sehr gern.“

 

Keine zwei Minuten später wärmte ich meine Finger an den beiden Pappbechern, die mir die alte Dame überreicht hatte. Vorsichtig balancierte ich meine Errungenschaft zur Absperrung hinüber und stellte die Becher auf der Bande ab. Karyu war gerade am anderen Ende der Bahn angekommen und blickte just in dem Moment in meine Richtung. Ich winkte ihm, deutete auf die beiden Becher und machte ihm mit Handzeichen klar, dass er seinen kleinen Hintern hierher bewegen sollte. Während mein Freund also langsam nähergerutscht kam, trank ich einen ersten, vorsichtigen Schluck und versuchte, mich auf etwas anderes als ihn zu konzentrieren. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Pärchen dort, die Hand in Hand ihre Runden drehten? Oder das junge Mädchen, das sich an einer Drehung versuchte? Die Knirpse, vielleicht im Kindergartenalter, sahen auch niedlich aus in ihren Schneeanzügen und mit den winzigen Kufen an den Füßen.

 

„Hey.“ Mit einem lauten Krachen nutzte Karyu die Bande als Bremse und krallte sich fest, um einen stabilen Stand zu bekommen. Ich tat so, als hätte ich ihn nicht die ganze Zeit über aus dem Augenwinkel beobachtet und schaute ihn gespielt überrascht an.

 

„Schon hier? Und das ohne gebrochene Knochen? Ich bin beeindruckt.“

 

„Siehst du mal.“ Er strahlte mich an und meine verräterischen Mundwinkel spiegelten seine Geste, bevor ich sie daran hindern konnte.

 

„Hier“, brummte ich also, bevor ich mich noch komplett zum Klops machte, und deutete auf den Becher, der nicht schon zur Hälfte geleert war. „Wärm dich zwischendurch wenigstens auf, wenn du schon ohne Jacke hier herumfährst.“

 

„Oh, danke!“ Seine Begeisterung, die er erneut zutage legte, war ansteckend und als er mich fragte, ob ich nicht doch wieder aufs Eis kommen wollte, hätte ich allein deswegen beinahe zugesagt. Glücklicherweise schien ich jedoch noch so etwas wie einen Selbsterhaltungstrieb zu haben, auch wenn ich trotzdem nicht wusste, wie ich den Nachmittag überstehen sollte.

 

~*~ zurück in der Gegenwart ~*~

 

 Leises Klappern und gelegentliches Schniefen holte mich langsam aus meinem sehr lebendigen Traum. Blinzelnd öffnete ich die Augen und stellte mit Erstaunen fest, dass es vor den Fenstern bereits zu Dämmern begann. Himmel, hatte ich wirklich den kompletten Nachmittag verschlafen?

 

„Sorry, ich wollte dich nicht wecken.“ Eine leise, noch immer kratzige Stimme neben mir ließ mich den Kopf heben und direkt in ein Paar große, braune Augen blicken. Mist. Ich zuckte tatsächlich zusammen, obwohl natürlich niemand anderer als Karyu vor dem niedrigen Wohnzimmertisch kniete und bedächtig einen Teller Suppe aß.

 

„Karyu“, entkam es mir dennoch überflüssigerweise. „Warum bist du nicht im Bett?“

 

„Ich hatte Hunger.“ Er deutete auf die Schale mit Suppe, die noch halb gefüllt und seicht dampfend vor ihm stand und ich spürte, wie das schlechte Gewissen in mir hochsteigen wollte. Hatte ich ihm nicht etwas zu Essen bringen wollen? Stattdessen war ich eingeschlafen und hatte zu allem Überfluss auch noch von ihm geträumt. Hitze stieg mir in die Wangen, als ich mich an meine eigenen Gedanken ihn betreffend zurückerinnerte, und machte mich schleunigst daran, auf die Beine zu kommen.

 

„Tut mir leid, ich wollte echt nicht einschlafen. Kann ich dir was zu trinken bringen? Einen Tee? Setz dich wenigstens aufs Sofa …“ Ich fuhr mir durch die Haare und versuchte, den eigenartigen Blick zu ignorieren, den mein Freund mir gerade zuwarf. Wenigstens stand er langsam auf und setzte sich auf die Couch, wie ich es ihm angeboten hatte. „Gut, dann mach ich dir jetzt deinen Tee und, mh, eine Wärmflasche? Du siehst noch immer so verfroren aus.“

 

„Zero?“

 

„Ja?“

 

„Warum bist du eigentlich so nervös? Du tust gerade so, als wäre ich ein Staatsgast und nicht nur der olle Karyu, der sich einfach frech bei dir einquartiert hat.“

 

„Ich …“ Ich erstarrte in jeder Bewegung und konnte ihn nur aus geweiteten Augen anstarren. „Ich …“

 

„Du könntest dich neben mich setzen und mir Gesellschaft leisten?“ Karyus Lächeln hatte etwas Hoffnungsvolles, auch wenn ich ihm unterstellen wollte, dass er mich mit Absicht in Verlegenheit gebracht hatte. „Wir könnten einen Film ansehen? Ich kann gerade sowieso nicht mehr schlafen.“

 

„O... Okay“, murmelte ich und ließ mich langsam auf das Polster neben ihn sinken. Doch noch bevor ich komplett saß, redete mein Mund drauflos, der sich anders als ich noch nicht in sein Schicksal fügen wollte. „Willst du nicht doch etwas zu trinken?“

 

„Ich bin versorgt, danke.“

 

Bitte, Götter, erlöst mich. Konnte ich mich vor ihm noch mehr zum Idioten machen? Am liebsten hätte ich mir die Haare gerauft, murmelte stattdessen jedoch nur ein leises „Gut“ und setzte mich. Mechanisch griff ich nach der Fernbedienung und begann, durch die Kanäle zu schalten, bis Karyu bei einem Beitrag über Weihnachtstraditionen aus aller Welt verlauten ließ, dass er die Sendung gern sehen würde. Mir sollte es recht sein, mit ihm an meiner Seite würde ich von dem Programm ohnehin nichts mitbekommen.

 

Nach ein paar Minuten, in denen ich mich wie versteinert gefühlt und kaum zu atmen gewagt hatte, begann die Sendung jedoch langsam mein Interesse zu wecken. Glück musste man haben, andernfalls wäre ich neben Karyu jämmerlich an einem Aneurysma krepiert. Gefühle waren noch nie meine Stärke gewesen, ich konnte mit ihnen nicht umgehen, und damit, was ich für meinen Freund zu empfinden begann, kam ich erst recht nicht klar. Könnte nicht wieder alles so sein wie früher? Als ich mir nichts dabei gedacht hatte, so nah neben ihm zu sitzen, dass ich seine Körperwärme spüren konnte. Und als ich mir noch nichts dabei gedacht hatte, wenn er sich, wie jetzt gerade, gegen meine Seite lehnte. Mein Herzschlag setzte für einige Sekunden aus, bevor er in doppelter Geschwindigkeit davongaloppierte.

 

„Karyu?“

 

„Mh?“

 

„Was machst du da?“

 

„Kuscheln.“

 

„Aha … und warum?“

 

„Weil ich krank bin. Da brauch ich Körperkontakt, weißt du doch.“

 

Ob man an emotionaler Überforderung sterben konnte? Karyu schien es darauf anzusetzen, es heute noch herauszufinden.

 

 

tbc …

Plätzchenbacken leicht gemacht

Matt starrte ich in den Strudel, den mein Löffel während des Rührens in den Kaffee zeichnete. So bequem meine Couch für ein kurzes Nickerchen auch war, die ganze Nacht darauf zu verbringen, war keine gute Idee gewesen. Zu allem Überfluss hatte ich mir irgendwas im Nacken gezerrt, als ich einen schon halb schlafenden Karyu gestern Nacht noch vom Sofa ins Bett bugsiert hatte. Ich legte den Löffel beiseite und trank einen großen Schluck aus meiner Tasse. Neben mir lag der Ausdruck des Rezepts für die Kekse, das mir meine Mutter vor ihrer Abreise mit diversen handgeschriebenen Tipps und Kniffen darauf noch gemailt hatte. Je öfter ich jedoch die Anweisungen durchlas, desto stärker wurde das Gefühl, ich würde gar nichts mehr verstehen. Und das, wo das Rezept mit übergroßer Titelzeile dafür warb, selbst für Anfänger geeignet zu sein. Eine absolute Farce, wenn man mich fragte. Vielleicht lagen meine Backfertigkeiten aber auch nur weit unter denen eines Anfängers und machten das Rezept deswegen mindestens so unverständlich wie die Bedienungsanleitung eines Massenspektrometers. Wer konnte das schon so genau sagen?

Alles mentale Lamentieren half jedoch nichts, wenn ich die Kekse fertig haben wollte, bevor Karyu mein Versagen live und in Farbe miterleben konnte. Nun kam es mir doch noch zu Gute, dass mich der Schmerz in meinem Nacken zu nachtschlafender Zeit aufgeweckt hatte und mein Freund seine Erkältung auskurierte. Ein schneller Blick auf die Uhr entlockte mir dennoch ein abgrundtiefes Seufzen. Es war gerade mal halb sieben. Wenn ich so weitermachte, würde mein Schlafdefizit binnen Tagen astronomische Höhen erreichen.

 

Ich rollte über meine eigene Untätigkeit genervt mit den Augen. Statt hier zu sitzen und über die Ungerechtigkeit meines Daseins zu jammern, sollte ich lieber in die Pötte kommen. Mit neu gefasstem Elan – wo auch immer dieser herkam – erhob ich mich und begann, akribisch alle Zutaten zusammenzusuchen, die das Rezept verlangte. Mit mindestens derselben Sorgfalt wog ich diese ab und stellte sie in einer ordentlichen Reihe auf der Arbeitsplatte auf. Ich würde hier sicher nichts dem Zufall überlassen – meine Erfolgschancen waren so schon mehr als gering.

Der Teig fügte sich allerdings mit erstaunlicher Leichtigkeit zusammen und bis ich es mich versah, hatte ich eine geschmeidige, gelbliche Kugel vor mir liegen. Na, das war schon mal kein schlechter Start. Noch einmal überflog ich die Anweisungen, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich nichts vergessen hatte, und runzelte die Stirn. Mist, der Teig musste mindestens eine halbe Stunde im Kühlschrank ruhen. Das musste ich überlesen haben. Aber gut, was sollte schon schiefgehen? Karyu würde sicher noch einige Stunden schlafen, genug Zeit also, auch noch den Rest irgendwie hinzubekommen.

 

Ich hätte ahnen müssen, dass mich meine Zuversicht bei nächstbester Gelegenheit in den Allerwertesten beißen würde, oder? Vermutlich, denn kaum hatte ich es geschafft, die mittlerweile ausgekühlte Teigkugel mittels viel Mehl und eines Nudelholzes auszurollen, hörte ich das leise Knarren der Schlafzimmertür.

‚Bitte geh nur ins Bad, bitte geh nur ins Bad‘, flehte ich mental und hielt die Luft an. Karyu hatte jedoch – wie sollte es auch anders sein? – wieder einmal seinen eigenen Kopf und streckte selbigen keine Minute später neugierig in die Küche.

 

„Du bist schon wach? Guten Morgen“, murmelte er, eindeutig noch verschlafen und blinzelte mich aus kleinen Augen an. Ich wollte es nicht tun, begann jedoch automatisch, ihn zu mustern. Seine Haare standen nach allen Seiten ab, die Wangen waren leicht gerötet und … hatte er sich wirklich die Bettdecke wie einen unförmigen Kokon um den Körper gewickelt?

 

„Du offensichtlich auch“, erwiderte ich mit gehobener Braue und konnte nicht anders, als zu lächeln. „Morgen. Wie geht es dir?“ Aussehen tat mein Freund noch immer ziemlich matschig, wenn ich das so offen anmerken durfte, aber die Hoffnung blieb, dass es ihm wenigstens schon etwas besser ging. „Setz dich, ich mach dir einen Tee oder wäre dir Kaffee lieber?“

 

„Mir gehts schon besser, denke ich“, murmelte Karyu und setzte sich samt Decke an den Küchentisch. Nun wirkte er noch mehr wie eine Raupe, der die Kraft fehlte, ihre Metamorphose zum Schmetterling fortzusetzen. Ob ich ihm glauben konnte? Mit leicht schief gelegtem Kopf beobachtete ich ihn weiterhin, bis mir auffiel, wie unangebracht mein Verhalten war. Karyu war ein erwachsener Mann, der sicher nicht von mir bemuttert werden musste! Welches Recht hatte ich also, seine Aussage infrage zu stellen? Keines, eben. Mit dieser Einsicht erhob ich mich und ging die wenigen Schritte zur Küchenzeile hinüber.

 

„Tee oder Kaffee?“, erkundigte ich mich noch einmal und warf ihm einen schnellen Blick über die Schulter zu. Damit, dass mich Karyu nun seinerseits intensiv musterte, hatte ich jedoch nicht gerechnet. Beinahe hätte ich die Packung Tee fallen lassen, die ich automatisch in die Hand genommen hatte. Es schien, als hätten sich unsere Blicke ineinander verhakt und würden nicht mehr voneinander loskommen, bis Karyu unterdrückt hustete und vor Anstrengung die Augen fest zusammenkniff. Ohne darüber nachzudenken, ging ich auf ihn zu und rieb ihm sacht über den Rücken.

 

„Geht es wieder?“ Ich hörte selbst, wie eigenartig sanft meine Stimme klang, hätte beim besten Willen jedoch nichts dagegen tun können.

 

„Ja …“, krächzte er einen Moment später und nahm zwei tiefe Atemzüge. Ich konnte die Wärme spüren, die von seinem Körper ausging und das angestrengte Zittern, das sein Atmen begleitete. Eine Welle des Mitgefühls packte mich und beinahe hätte ich ihm beruhigend über den Kopf gestreichelt, wäre mir nicht in letzter Sekunde klar geworden, wie unangebracht das gewesen wäre. Schockiert über diesen Beinahe-Fauxpas zog ich mich unter dem Vorwand zurück, den Wasserkocher einzuschalten.

 

„Tee ist für den Anfang sicher besser für dich, was?“, stellte ich so nonchalant ich konnte fest und schaffte es sogar, mich einigermaßen unverkrampft gegen die Küchenzeile zu lehnen, um ihn ansehen zu können.

 

„Damit hast du vermutlich recht“, erwiderte er und schenkte mir ein Lächeln, welches das Potenzial hatte, mir den Boden unter den Füßen wegzureißen. Verdammt, was war nur los mit mir? Ich spürte meinen Herzschlag im Hals; so durchdringend und vibrierend wie Glockenschläge.

 

„Tja, ich hab meistens recht.“ Ich hoffte, Karyu würde das nervöse Wanken meiner Stimme genauso wenig bemerken, wie das Beben meiner Hände, als ich eine Tasse für ihn aus dem Küchenschrank nahm.

 

„Die Betonung liegt auf meistens.“

 

Ich war froh, dass ich ihm gerade den Rücken zugekehrt hatte und er somit nicht die Erleichterung sehen konnte, die mir quer übers Gesicht geschrieben stehen musste. Solange wir uns neckten, war ich auf sicherem Terrain. Damit konnte ich umgehen. Dennoch war das Wasser viel zu schnell heiß und der Tee für meinen Freund vorbereitet, sodass ich keine Ausrede mehr hatte, seine Gegenwart noch länger zu vermeiden. Eigentlich wollte ich sie auch gar nicht vermeiden, ich war gern in Karyus Nähe und verbrachte Zeit mit ihm … wenn er nur endlich aufhören könnte, mich so aus dem Konzept zu bringen.

 

„Hier.“ Ich stellte die Tasse vor ihm ab und setzte mich, wobei mir wieder einfiel, womit ich beschäftigt gewesen war, bevor er mich abgelenkt hatte. Mist, die Plätzchen. „Willst du eigentlich auch etwas Frühstücken? Ich kann dir was machen, aber essen müsstest du im Wohnzimmer.“ Ich machte eine vielsagende Handbewegung in Richtung der Teigplatte, die geduldig darauf wartete, ausgestochen zu werden. Dass ich hoffte, er würde einen Bärenhunger haben und sich nur zu gern ins Wohnzimmer verziehen, um mit Essen versorgt zu werden, musste ich an dieser Stelle nicht extra erwähnen, oder?

 

„Mach dir keine Umstände, ich bin nicht hungrig.“

 

„Und wieder ins Bett gehen willst du auch nicht? Du siehst noch immer so müde aus.“

 

„Mh“, brummte er und rieb sich über die Stirn. „Ich kann nicht mehr schlafen.“

 

„Verstehe.“ Und dahin schwand auch dieses kleine Fünkchen Hoffnung, schönen Dank auch. Gerade so schaffte ich es, nicht zu seufzen, und nahm den Ausstecher zur Hand, den ich mir vorhin schon zurechtgelegt hatte. Statt jedoch einfach mit meiner Arbeit fortzufahren, machte ich den Fehler, ein weiteres Mal in Karyus Richtung zu sehen. Er hatte beide Hände um die Tasse gelegt, pustete und trank einen kleinen Schluck, obwohl der Tee sicher noch nicht durchgezogen war. Und wie eben schon kreuzten sich unsere Blicke, noch bevor ich es verhindern konnte.

 

„Kann ich dir was helfen? Es ist doch sicher nicht verboten, den Meister bei seiner Kunst zu unterstützen, oder?“

 

Ich spürte, wie die Spitzen meiner Ohren heiß wurden und war ehrlich dankbar dafür, dass mein nächster Friseurtermin längst überfällig war. Wofür so ein Mopp an Haaren nicht alles gut sein konnte.

„Natürlich ist das nicht verboten. Ich warne Hizumi und Tsukasa dann nur vor, dass die schiefen und krummen Kekse von dir sind.“ Hilfe, wo kam diese Vermessenheit bitte her? Ich konnte froh sein, wenn es am Ende dieser Backaktion überhaupt etwas geben würde, das ich den beiden überreichen konnte.

 

„Die Krummen packst du einfach in meine Tüte, dann passt das schon.“

 

„Na gut, von mir aus“, sagte ich, ohne weiter auf ihn einzugehen, und schob ihm den Ausstecher zu. „Ich bereite das Backblech vor. Pass aber auf, dass du nicht zu viel Platz zwischen den einzelnen Keksen lässt, sonst müssen wir den Teig so oft ausrollen.“

 

„Okay, mach ich.“ Mein Freund salutierte neckisch und begann mit seiner Arbeit. Bevor ich mich meiner Aufgabe widmete, nahm ich so unauffällig wie möglich den Rezeptausdruck an mich. Hoffentlich hatte Karyu den noch nicht gesehen. Ich könnte ihm einfach reinen Wein einschenken und zugeben, dass ich ein blutiger Anfänger war, was das Backen betraf, damit würde ich mir so einiges an Stress ersparen, aber irgendwie … Ich biss die Zähne zusammen und tat, was ich angekündigt hatte, ich richtete das Backblech her und schaufelte mir mein Grab damit nur noch tiefer.

 

Trotz meiner Bedenken gaben Karyu und ich ein wirklich gutes Team ab. Während er fleißig die Kekse ausstach, kümmerte ich mich darum, dass sie im Ofen, den ich zum Glück nicht vergessen hatte, vorzuheizen, verschwanden. Binnen Minuten begann es in der gesamten Küche herrlich zu duften und wenn ich ehrlich war, fing diese ganze Backaktion langsam aber sicher an, mir Spaß zu machen. Im Radio dudelten Weihnachtslieder in Dauerschleife und ich erwischte Karyu zu meiner großen Freude dabei, wie er zwischendurch leise mitsang. Oder es zumindest versuchte, denn seine Stimme war dank seiner Erkältung ganz rau.

 

„Halt dich nicht zurück, Goldkehlchen“, konnte ich eine kleine Stichelei beim besten Willen nicht mehr zurückhalten, als Maria Carries ‚All I want for christmas is you‘ schließlich eindeutig zu hoch für seine untrainierte und angegriffene Stimme war.

 

„Haha“, murrte er und streckte mir sehr erwachsen die Zunge raus. „Mach lieber mal weiter hier, statt meine Gesangskünste zu beurteilen.“ Er wedelte vielsagend mit der Hand über dem Teig, der erneut fertig ausgestochen war und nur darauf wartete, auf das Blech befördert zu werden.

 

„Und da ist er wieder, der Sklaventreiber von früher“, erwiderte ich und kam grinsend seiner Aufforderung nach. „Die nächste Runde rollst du aus, du bist eindeutig nicht gefordert genug.“ Nun war ich es, der ihm eine lange Nase machte, bevor ich mich wegdrehte, um die fertigen Kekse aus dem Ofen zu holen und die neue Ladung hineinzuschieben.

 

„Ich glaube, das lohnt sich nicht mehr.“

 

„Wie?“

 

„Wir haben kaum noch Teig übrig.“

 

„Ehrlich?“ Erstaunt sah ich auf die Reste, die tatsächlich nur noch ein kleines Häuflein auf dem Tisch bildeten. „Das … ging ja echt schnell.“

 

„Tja, ich bin halt ein guter Helfer.“

 

„Der Beste“, sagte ich und hätte mich dafür am liebsten geohrfeigt. Warum zum Teufel war mein Mund immer schneller als mein Hirn? Für einen unangenehmen Augenblick kehrte Stille zwischen uns ein, in dem ich krampfhaft versuchte, Karyu nicht anzusehen.

 

„Ich hab eine Idee“, brach er schließlich das Schweigen und ich hätte niemandem erklären können, wie dankbar ich ihm in diesem Moment dafür war. „Wir machen aus dem Rest einfach Freestyle-Kekse.“

 

Ich wischte mir einige kitzelnde Haarsträhnen aus dem Gesicht und verschaffte mir so noch einige wertvolle Sekunden, in denen ich versuchen konnte, mich wieder zu beruhigen. Immerhin schien Karyu meine Aussage nicht seltsam oder unangebracht gefunden zu haben, das war schon mal etwas.

„Freestyle-Kekse?“, erkundigte ich mich schließlich und setzte mich ihm gegenüber an den Tisch.

 

„Jepp.“ Karyu drückte die Teigreste zu einer Kugel zusammen, knetete sie kurz durch und teilte sie in zwei gleichgroße Stücke. „Wir formen einfach irgendwas, was uns in den Sinn kommt.“

 

„Und der andere muss erraten, was es ist?“

 

„Ehm, ja, warum nicht?“

 

„Okay.“ Ich nahm meinen Teig entgegen, statt mir jedoch eine Form auszudenken, blieben meine Blicke erneut wie magisch angezogen an Karyu hängen. Besser gesagt an seinen langen Fingern, die erstaunlich geschickt die ersten Details aus seinem Teig herausarbeiteten. Er hatte schöne Finger. Elegant … irgendwie …

 

„Hey!“ Ich zuckte zusammen und hob den Blick, um ihn aus geweiteten Augen anzusehen. „Wenn du dabei zusiehst, was ich mache, gilt das als schummeln.“

 

„Pfff“, schnaubte ich und versuchte, mein Herz davon zu überzeugen, dass es okay war, wenn es brav in normalem Tempo weiter schlug, statt gegen meinen Brustkorb zu hämmern. „Ich hab dir nicht zugesehen, ich hab ins Leere gestarrt und überlegt. Du warst einfach mal wieder im Weg, das ist alles.“

 

„Wer’s glaubt.“

 

„Wie willst du das Gegenteil beweisen, mh?“

 

„Ich hab’s gesehen.“

 

„Dann steht Aussage gegen Aussage.“

 

„Schön, du willst es ja nicht anders haben.“ Karyu griff nach einem Notizblock, den ich achtlos an die Seite des Tischs geschoben hatte, um Platz für die Backaktion zu haben, und stellte ihn behelfsmäßig zwischen uns. „Sichtschutz“, erklärte er sein Handeln mit einem triumphierenden Schmunzeln im Mundwinkel.

 

„Dein Ernst? Das ist wie zu Schulzeiten.“ Mit hochgezogener Augenbraue sah ich ihn an, bevor ich die Schultern zuckte und mich meiner eigenen Keksform widmete. „Aber wenn du meinst.“ Dem kleinen Lächeln, das sich mit aller Macht auf meine Lippen schlich, konnte ich mich nicht erwehren. Und wer war ich schon, Karyu seinen Spaß nicht zu gönnen?

 

Ein paar Minuten später war ich zufrieden mit meiner Form. Vielleicht hätte ich mir mehr Mühe geben sollen, um es meinem Freund schwerer zu machen, sie zu erkennen, aber ich war zufrieden.

„Fertig“, verkündete ich, den geformten Teig in einer Hand und deckte ihn mit der anderen ab, damit Karyu ihn nicht gleich sehen würde.

 

„Ich auch.“ Er zog den Sichtschutz zwischen uns mit der Linken fort, mit der Rechten hatte er seine Teigkreation abgedeckt. „Auf drei?“ Ich nickte. „Eins, zwei, drei.“ Gleichzeitig zogen wir die Hände weg und betrachteten unsere Kunstwerke. Karyu war der Erste, der sein Lachen nicht zurückhalten konnte. „Das war so klar. Zwei Dumme, ein Gedanke.“

 

„Ich glaube, raten ist überflüssig, was?“ Ebenfalls leise glucksend ließ ich mir von Karyu den anderen Keksrohling geben, erhob mich und trug beide hinüber zur Arbeitsplatte, wo ich sie auf ein Blech legte. Auch wenn der Keksbass und die Keksgitarre eher rudimentär daherkamen, sahen die beiden so nebeneinander doch irgendwie gut aus. Ich schüttelte den Kopf über meine idiotischen Gedanken, ging in die Hocke und sah durch die Glasscheibe in den Ofen, ob die anderen Kekse schon braun genug waren, um sie herauszunehmen. Plötzlich spürte ich eine Präsenz im Rücken, die mir einen kleinen Schauer über selbigen jagte. Ich sah mich nach hinten um und mein Herz setzte aus. Karyu war aufgestanden und hatte sich halb neben, halb hinter mich gehockt, um auch in den Ofen sehen zu können.

 

„Ich hätte ja nicht gedacht, dass wir die so gut hinbekommen. Ob die auch so lecker schmecken, wie sie aussehen?“, fragte er nachdenklich und seine Worte kitzelten meine Wange, so nah waren wir uns. Ich schluckte, aber mein Mund war so trocken, dass meine Kehle nur ein jämmerliches Klacken von sich gab.

 

„Wir haben so viele gemacht, da können wir später welche probieren“, erwiderte ich mit dünner Stimme und spürte, wie taub meine Lippen waren. Statt nun endlich wieder auf Abstand zu gehen, schien mir Karyu noch näher zu kommen, bis ich eine zarte Berührung an der Wange spürte. Mit geweiteten Augen starrte ich ihn an und fühlte mich wie das sprichwörtliche Reh im Scheinwerferlicht.

 

„Da … ist ein wenig Mehl in deinem Gesicht.“ Karyus Stimme klang wie aus weiter Ferne, beinahe verträumt, wobei ich nicht hätte sagen können, ob das an ihm oder an meiner verschobenen Wahrnehmung lag.

 

„Oh“, hörte ich mich sagen und kämpfte mit aller Macht dagegen an, die Augen zu schließen und mich in diese sanfte Berührung zu lehnen. Zögerlich zog Karyu seine Finger zurück und augenblicklich begann meine Wange zu kribbeln, als würde meine Haut auf keinen Fall vergessen wollen, wie sie sich angefühlt hatten. „Ich muss die Kekse aus dem Ofen holen, bevor sie verbrennen“, wisperte ich und zerriss damit diese unerträgliche Spannung, die sich über uns gelegt hatte.

 

„Natürlich.“ Karyus Stimme war kaum lauter als meine und er blinzelte, als müsse er erst aus einer Welt zurückkehren, die Meilen von hier entfernt war. Langsam, mit beinahe mechanisch starren Bewegungen ging er auf Abstand, bevor er sich ebenso ungelenk erhob. Erst, als er sich erneut an den Tisch gesetzt hatte, hatte ich das Gefühl, wieder frei atmen zu können. Dennoch brauchte es mehrere Atemzüge, bis ich mich wieder stabil genug fühlte, um die mittlerweile sehr braunen Kekse aus dem Ofen zu holen.

 

„Ich würde sagen, wir verzieren die Kekse erst später. Langsam aber sicher bekomme ich nämlich Hunger.“ Mit immensem Energieaufwand schaffte ich es, meine wirbelnden Emotionen wieder dahin zu verbannen, wo sie mir nicht ständig die Sinne vernebeln würden. Wenn mir gerade eines klar geworden war, dann, dass ich sie nicht ewig würde ignorieren können, aber sie hier, jetzt, in Karyus Gegenwart zu analysieren, war keine Option. „Was hältst du vom Lieferdienst? Ich hätte Lust auf irgendwas mit Fisch.“

 

Einen kurzen Moment lang hatte ich das Gefühl, Karyu wäre mit meinem eindeutigen Versuch, unsere Interaktionen in ein ungefährlicheres Fahrwasser zu steuern, nicht einverstanden. Dann schlich sich jedoch ein kleines, fast geheimnisvolles Lächeln auf seine Lippen, als er sich erhob.

 

„Gute Idee. Dann kümmere ich mich mal um unser Essen. Was genau willst du?“

 

„Überrasch mich.“

 

„Nichts lieber als das.“ Wie konnte so ein harmloser Satz so viele Implikationen mit sich bringen? „Ist es okay, wenn ich danach kurz im Bad verschwinde?“

 

„Klar.“ Nein, meine Stimme war nicht rau und meine Knie auch nicht weich geworden, verdammt, als mir Karyu ein weiteres Lächeln schenkte.

 

„Danke.“

 

Ich nickte und sah ihm hinterher, wie er noch immer in die Bettdecke gewickelt die Küche verließ. Tonlos seufzend fuhr ich mir durchs Haar und warf einen langen Blick durch das Sichtfenster in den Ofen, wo Keksbass und Keksgitarre langsam Farbe bekamen.

„Du bist wirklich zu alt für so was“, murmelte ich kopfschüttelnd, während ich Karyus ruhige Stimme aus dem Wohnzimmer hören konnte. „Viel zu alt.“

 

 

tbc …

Gebrochenes Schweigen

Karyu seufzte leise und drehte den Kopf zur Seite, sodass ich sein Gesicht im Dämmerlicht des aufziehenden Morgens erkennen konnte. Seine Wimpern zeichneten dunkle Halbmonde unter seine Augen und ich fragte mich, warum mir nie aufgefallen war, wie lang sie waren. Vermutlich, weil ich dann hätte zugeben müssen, dass er mir gefiel. Seine hohen Wangenknochen, die Lippen, die sich viel zu leicht zu einem anziehenden Schmollen formen konnten. Der Schwung seiner Brauen, die harsche Linie seines Kiefers. Nun jedoch, in der Stille meines Schlafzimmers, konnte ich diese Gedanken zulassen. Ich unterdrückte den Drang, die Haarsträhne fortzuwischen, die sich quer über seine Stirn gelegt hatte und ihn sicher kitzeln würde, wäre er nicht so tief in seinen Träumen versunken. Ich wusste, dass es nicht richtig von mir war, ihn zu mustern, wenn er nicht die Möglichkeit hatte, meinen Blicken auszuweichen. Es war mir so klar, wie mir klar gewesen war, dass ich ein Idiot war, seinen Vorschlag früher am Abend nicht ausgeschlagen zu haben. Aber ich konnte nun ebenso wenig dagegen tun, wie ich seinem Drängen hatte widerstehen können. Natürlich hatte mir mein Nacken noch immer wehgetan und die Aussicht darauf, eine weitere Nacht auf meiner Couch zu verbringen, war alles andere als erstrebenswert gewesen. Was war also die bessere Alternative? Eine unruhige Nacht mit Verspannungen und nur wenig Schlaf oder eine, in der ich erneut kein Auge zutat, weil Karyu keine zehn Zentimeter von mir entfernt lag? Ich war seit Stunden dabei, die Antwort darauf am eigenen Leib zu spüren. Mein Herz flatterte jedes Mal, wenn er sich bewegte oder ein kleiner Laut seinen Lippen entkam. Mein Körper war gespannt wie eine Bogensehne und zwischendurch stockte mir immer wieder der Atem, wenn sich die Erkenntnis in den Vordergrund drängte, dass es nur eine knappe Bewegung meiner Hand bedurfte, um ihn berühren zu können.

 

Ich verstand mich selbst nicht mehr. Tausende Male hatte ich meinen Freund in der Vergangenheit schlafen gesehen. So etwas war nicht zu vermeiden, wenn man während einer Tour auf engstem Raum zusammenlebte. Und selbst als unsere Band längst nicht mehr aktiv war, hatte es Gelegenheiten gegeben, zu denen Karyu in meiner Gegenwart eingenickt war, weil die Erschöpfung zu groß oder sein Alkoholpegel zu hoch gewesen waren. Was war nun anders? Warum war seine bloße Präsenz wie ein Gewittersturm, der mir die Haare zu Berge stehen und meinen Körper vor Spannung vibrieren ließ? Natürlich kannte ich die Antwort, schließlich war ich weder naiv noch ein Idiot, aber es war so ungerecht. Ich wollte nicht fühlen, was ich fühlte, weil ich nicht wollte, dass sich etwas zwischen uns änderte.

 

Für die Zeit, die es dauerte, einen bemüht ruhigen Atemzug zu nehmen, schloss ich die Augen. Karyus Gesicht ließ mich selbst in der Dunkelheit hinter meinen Lidern nicht allein, denn wieder sah ich ihn vor mir, wie er mich vor Stunden angesehen hatte. Einen Schimmer der Besorgnis in den großen Augen, die Lippen im Kontrast dazu zu einem schmalen Strich zusammengepresst, der mehr als jedes Wort deutlich machte, dass er keines meiner Argumente gelten lassen würde.

 

„Warum bist du nur immer so stur?“, hatte er mich gefragt und sich übers Gesicht gerieben. „Du tust gerade so, als hätten wir uns noch nie ein Bett geteilt. Ist doch besser, als die Verspannung in deinem Nacken noch schlimmer zu machen, oder? Wenn ich schnarche, darfst du mich auch treten.“ Er hatte mich angelächelt, wie er es immer tat, wenn er wusste, dass er im Recht und ich im Unrecht war. Ich hatte nicht anders gekonnt, als ihn weiterhin stumm anzusehen, während sich meine Gedanken immer schneller und schneller zu drehen schienen. Ich hatte noch nie so sehr bedauert, mir keinen Gäste-Futon gekauft zu haben, wie in diesem Augenblick.

„Na gut, ich versteh schon.“ Karyus Seufzen war ein lebendiges Ding gewesen, das mit aller Macht an meiner Widerstandskraft gezerrt hatte. „Ich pack nur schnell meine Sachen und bin dann weg.“

 

Obwohl er mir den Rücken zugekehrt hatte, war ich mir sicher gewesen, dass sich zur Besorgnis in seinem Blick ein berechnender Funke gesellt hatte. Ihm musste klargewesen sein, was diese Aussage in mir auslösen würde. Wie hätte ich ihn gehen lassen können, wo ich wusste, dass er krank und seine Wohnung seit zwei Tagen unbeheizt war? Es war unfair von ihm gewesen, mich so zu manipulieren, und dennoch hatte ich nicht anders gekonnt, als nachzugeben. Schließlich hätte ich ihm nur schlecht erklären können, dass ich es nicht ertragen würde, eine ganze Nacht neben ihm im selben Bett zu liegen, ohne ihm doch die Wahrheit zu sagen. Eine Wahrheit, mit der ich noch immer haderte und die ich nur langsam zu akzeptieren begann. Alles, was ich hätte sagen können, jede Schwindelei oder ausgewachsene Lüge, hätte ihn auf die ein oder andere Art verletzt.

 

Ich presste die Lippen fest aufeinander, um den gequälten Laut nicht freizulassen, der sich in meinen Stimmbändern festgesetzt hatte. Langsam öffnete ich die Augen wieder und stellte mich dem Dilemma, das für den Moment meine Realität war.

Ich hätte längst aufstehen und gehen können. Karyu schlief so fest, dass er mein Verschwinden sicher nicht bemerkt hätte. Aber nein, lieber lag ich die ganze Nacht wach, weil ich wusste, dass er mich durchschaut hätte, hätte ich auf dem Sofa geschlafen. Ich war ein miserabler Lügner und er erstaunlich scharfsinnig, wenn er es darauf anlegte. Stellte sich also nur die Frage, weshalb ich jetzt nicht aufstand? Gut, es war noch früh und ich hundemüde, aber hatte ich nicht bereits festgestellt, dass ich in Karyus Gegenwart ohnehin kein Auge zutun würde? Vermutlich war es an der Zeit, mir einzugestehen, dass ich es trotz der Anspannung, des Herzrasens und diesem unsäglichen Verlangen, ihn berühren zu wollen, dennoch genoss, in seiner Nähe zu sein. Am liebsten hätte ich mir die Haare gerauft, wenn ich nicht hätte befürchten müssen, ihn damit aufzuwecken.

 

Kaum hatte ich das gedacht, bewegte sich Karyu neben mir und ich erstarrte. Statt jedoch aufzuwachen, seufzte er nur leise, bevor sich seine Lippen teilten und ein langes Ausatmen freiließen, das seine verstopfte Nase aufgehalten zu haben schien. Unwillkürlich musste ich schmunzeln, bevor meine Blicke seine Lippen fanden, als wären sie magnetisch von ihnen angezogen worden. Ich wusste, wie sich diese Lippen anfühlten. Diesmal genügte es nicht, nur die Augen zu schließen. Stattdessen drehte ich mich so leise wie möglich zur Seite, weg von der Versuchung, die Karyu für mich war. Aber die Erinnerungen ließen mich nicht los, drängten sich mir auf, bis ich sie zulassen musste.

 

Es war Jahre her, ein anderes Leben beinahe. Wir waren erschöpft von der Show gewesen, die wir gegeben hatten, und dennoch zu aufgedreht, um schlafen zu können. Ich erinnerte mich nicht mehr, in welcher Stadt das Konzert gewesen war oder in welchem Hotel wir abgestiegen waren. Selbst die Erinnerung an das Zimmer war nicht mehr als ein verschwommener Schemen. Dafür wusste ich noch genau, wie es sich angefühlt hatte, als Karyu sich über mich geschoben hatte. Wie ich tiefer in die weiche Matratze gesunken war, seine Wärme und sein angenehmes Gewicht auf mir gespürt hatte. Seine Lippen waren warm, ein wenig rau gewesen und hatten den Geschmack von Whiskey-Cola und Zigaretten mit sich gebracht. Als nüchtern hätte man uns sicher nicht bezeichnen können, dennoch konnte ich bis heute nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich wirklich allein dem Alkohol die Schuld für unsere Sorglosigkeit in jener Nacht geben konnte. Es war nur ein Kuss gewesen, der jedoch so leidenschaftlich und innig gewesen war, dass er mir schier die Sinne vernebelt hatte. Irgendwann waren wir eingeschlafen, komplett bekleidet, aber in den Armen des jeweils anderen.

 

Der nächste Morgen war weniger unangenehm gewesen, als er hätte sein können oder zumindest hatte ich mir das immer eingeredet. Wir hatten den Kuss und unser eigenwilliges Schlafarrangement mit keinem Wort erwähnt. Ich war nach Hause zu meiner damaligen Freundin gefahren und Karyu? Er hatte zu jener Zeit so viele Liebschaften gehabt, dass er sicher nie einen Gedanken daran verschwendet hatte. Und um ehrlich zu sein, war es mir ganz recht gewesen, mich nicht weiter damit befassen zu müssen. Wir waren so jung gewesen, hatten so vieles erreichen wollen, dass mir erst in letzter Zeit bewusst geworden war, dass ich mit meinem Schweigen womöglich etwas sehr Wertvolles im Keim erstickt hatte.

 

Mein Magen verkrampfte sich, Kälte kroch meine Beine empor und ich fühlte mich auf einmal schrecklich einsam. Wieso konnten diese Gefühle nicht wieder verschwinden? Sie hatten mich jahrelang in Ruhe gelassen, warum begannen sie nun, mich so zu quälen? Ich musste einen Laut von mir gegeben haben, ohne es selbst zu bemerken, denn plötzlich bewegte sich die Matratze hinter mir und eine warme Hand legte sich auf meine Schulter.

 

„Ist dir kalt?“, wisperte Karyu so leise, als würde er mich nicht wecken wollen, sollte ich noch schlafen. Einen Herzschlag lang war ich versucht, ihm nicht zu antworten und tatsächlich den Schlafenden zu mimen, entschied mich dann aber dagegen. Ich atmete lang gezogen aus, bevor ich mich auf den Rücken drehte, um ihn ansehen zu können.

 

„Ein wenig“, gab ich zu, obwohl es in meinem Schlafzimmer weder kalt noch meine Bettdecke sonderlich dünn war. Die Kälte kam von innen, ob jedoch mein Schlafmangel oder meine Emotionen daran schuld waren, hätte ich nicht sagen können. Ich versuchte mich an einem kleinen Lächeln. „Ich hab schlecht geschlafen, vermutlich liegt es daran.“

 

„Du siehst eher so aus, als hättest du kein Auge zugemacht“, murmelte Karyu und wirkte dabei, als hätte er etwas laut ausgesprochen, was er lieber für sich behalten hätte. Sein Blick war plötzlich zerknirscht und keinen Moment später verließ eine Entschuldigung seinen Mund. „Ich hab dich sicher wachgehalten. Dumme Erkältung.“ Er drehte sich weg, lag nun auch auf dem Rücken und schien irgendetwas an der Zimmerdecke enorm spannend zu finden. Unwillkürlich hoben sich meine Mundwinkel. Ich hätte damit rechnen müssen, dass sich Karyu wieder einmal die Schuld an Dingen gab, die er nicht beeinflussen konnte.

 

„Dummkopf“, schnaubte ich und stippte ihm gegen die verstopfte Nase. „Wenn du mir nicht all die Gedanken geschickt hast, die mir im Kopf herumgespukt sind, bist du wohl kaum an meinem schlechten Schlaf schuld.“

 

„Sicher? Oder sagst du das nur, damit ich kein schlechtes Gewissen haben muss?“

 

„Als würde ich eine Chance auslassen, dir ein schlechtes Gewissen zu machen.“ Trotz der vielen Überlegungen, die mich bis eben gequält hatten, weitete sich mein Lächeln zu einem ausgewachsenen Grinsen. „Aber anlügen kann ich dich dann doch nicht.“

 

Karyu drehte den Kopf zur Seite, sodass ich sein Augenrollen deutlich erkennen konnte.

„Warum hab ich überhaupt gefragt.“

 

„Das frag ich mich auch.“

Plötzlich streckte Karyu einen Arm zur Seite aus und legte ihn auf meinem Kissen knapp über meinem Kopf ab. Fragend schaute ich ihn an, bekam aber selbst nach mehreren verstrichenen Sekunden keine Antwort.

„Was wird das, wenn es fertig ist?“

 

„Ich dachte mir, so wäre es weniger direkt, als wenn ich dich frage, ob ich dich wärmen soll.“

 

„Wärmen?“, wiederholte ich dümmlich, weil mir mit einem Mal sämtliches Vokabular verloren gegangen zu sein schien. Karyu zuckte die Schultern, was in seiner aktuellen Liegeposition ziemlich ulkig aussah. Für einen irrwitzigen Moment war ich der festen Überzeugung, er war zum Gedankenleser geworden und hatte meine Denkspiralen der letzten Stunden live und in Farbe miterlebt. Oder waren mir meine Gefühle so deutlich anzusehen? Mit einem Mal wurde mir die Absurdität meiner Vermutungen und Situation derart bewusst, dass mir ein schnaubendes Lachen über die Lippen kam. Karyu hob den Kopf und seine rechte Braue gleichermaßen, nur dass Letztere unter seinen Ponyfransen verschwand.

 

„Ehm, Zero? Hab ich den Witz verpasst oder ist der nur in deinem Kopf?“

 

„Glaub mir, du willst nicht wissen, was in meinem Kopf vor sich geht.“

 

„Bist du dir da sicher?“ Sein Blick war auf einmal so intensiv, dass ich meine Augen abwenden musste.

 

„Sehr, dieses Chaos will ich niemandem antun. Mir eigentlich auch nicht, aber mich fragt ja keiner.“

 

„Willst du mir davon erzählen?“

 

„Nein.“

 

„Okay.“

 

„Steht deine Einladung noch?“ Ich suchte seinen Blick und deutete vage zwischen uns.

 

„Ich hab mich nicht bewegt, oder?“

 

„Nein, hast du nicht.“ Trotz meiner anhaltenden Verwirrung hielt sich das Schmunzeln wacker auf meinen Lippen, während ich näher an Karyu heran rutschte und meinen Kopf gegen seinen Brustkorb lehnte.

 

„Darf ich?“, fragte er, bevor ich eine zögerliche Berührung an meinen Schulterblättern spürte. Ich nickte nur, froh darüber, dass er in dieser Position die Röte nicht erkennen würde, die mir in die Wangen stieg. Zu meinem eigenen Erstaunen begann mein Körper sich jedoch zu entspannen, kaum hatte Karyu damit begonnen, ruhig und gleichmäßig über meinen Rücken zu streicheln. Und warm war er auch noch, was mich erst jetzt bemerken ließ, wie kalt mir tatsächlich gewesen war. Ich erschauerte leicht, schüttelte jedoch nur den Kopf, als er fragend brummte. Warum brachte ich mich selbst nur immer wieder in solche Situationen? Ich sank noch mehr gegen ihn, als sich auch die letzte Verspannung in mir verflüchtigte, als hätte es sie nie gegeben. Karyu lehnte den Kopf gegen meinen und für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, einen Druck auf meinem Scheitel zu spüren, der mit viel Fantasie ein Kuss hätte sein können. Ich wusste, wie absurd diese Vorstellung war, aber mein Herz machte dennoch einen freudigen Sprung, bevor es ruhig und gleichmäßig weiter schlug.

Vielleicht war die Antwort auf meine Frage eine ganz simple. Ich brachte mich in solche Situationen, weil ich Karyu nahe sein wollte … und weil er sie mir immer wieder so freimütig anbot.

 

Lange Minuten blieb es still zwischen uns und hätten sich Karyus Hände nicht noch immer ruhig und gleichmäßig bewegt, hätte ich geschworen, er wäre wieder eingeschlafen. So jedoch drängte sich mehr und mehr die Vermutung auf, dass ich nicht der Einzige war, der den Moment genoss.

„Was tun wir hier eigentlich?“

 

„Mh? Wie meinst du das?“

 

„Na so, wie ich es gesagt habe.“

 

Karyu schwieg und hatte sogar seine angenehmen Streicheleinheiten aufgegeben, nur um seinen Halt um meine Schultern kurz zu verstärken. Ob er nicht wollte, dass ich mich von ihm löste? Irgendwie eine schmeichelhafte Vorstellung. Dann jedoch entspannte er sich wieder, als wäre er zu einem stummen Entschluss gekommen.

„Wir tun das, was sich gerade richtig anfühlt, oder siehst du das anders?“

 

„Nein“, ich lächelte. Seine Antwort sagte mir nichts und alles zugleich, aber das war in Ordnung. Gerade schien sehr viel für mich in Ordnung zu sein, besonders, als er erneut damit begann, seine langen Finger über meinen Nacken wandern zu lassen. Meine Lider wurden mit jedem verstreichenden Atemzug, jedem kräftigen Herzschlag unter mir schwerer, bis es schlichtweg zu anstrengend wurde, sie noch länger offenzuhalten. Wozu auch? Ich hatte die ganze Nacht Zeit gehabt, über alles nachzudenken, und war dennoch zu keiner eindeutigen Erkenntnis gelangt. Nun würde ich das tun, was sich gerade richtig anfühlte, wie Karyu es so schön ausgedrückt hatte.

 

~*~

 

Ich hätte nicht gedacht, doch noch so fest einzuschlafen, aber da war ich nun. Stunden später und erholter, als ich jedes Recht hatte zu sein. Einziger Wermutstropfen und der Grund für ein ungutes Gefühl in der Magengegend war die Tatsache, dass ich allein in meinem Bett lag. Von Karyu war nichts zu sehen und die Matratze neben mir kalt.

 

Verdammt, es war also doch keine gute Idee gewesen, meiner Sehnsucht nach seiner Nähe nachzugeben. Als hätte ich es nicht gewusst. Ich biss mir auf die Unterlippe und rollte mich aus dem Bett. Ich würde den Teufel tun und mich jetzt hier verstecken wie ein Feigling. Ungehalten zog ich mir meine Klamotten vom Vortag über, fuhr mir kurz durch die Haare und öffnete das Fenster einen kleinen Spalt, um frische Luft hereinzulassen. Wenn ich etwas falschgemacht hatte, würde ich jetzt eben die Konsequenzen tragen.

 

Wie ein Soldat auf dem Weg zur Front verließ ich mit kerzengeradem Rücken mein Schlafzimmer und erstarrte, kaum war die Tür hinter mir zugefallen. Im gesamten Appartement roch es nach Kaffee, Glühwein und irgendeinem süßen Gebäck, was mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Kurz fragte ich mich, wie ich diesen Duft bislang nicht hatte bemerken können, schüttelte dann aber den Kopf. Ich war gerade erst aufgewacht, da konnte mir so ein Detail schon mal entgehen. Aus Richtung des Wohnzimmers hörte ich Weihnachtslieder und leises Klappern, was mich vermuten ließ, Karyu dort zu finden. Ich kniff die Augen kurz zusammen, um das surreale Gefühl abzuschütteln, das mehr und mehr Besitz von mir ergreifen wollte. Da hatte ich gedacht, meinen Freund womöglich vergrault zu haben oder mich zumindest für meine Anhänglichkeit erklären zu müssen, und nun so etwas.

 

Deutlich langsamer ging ich auf die Wohnzimmertür zu und schob sie zögerlich auf. Obwohl es erst früher Nachmittag war, war die Welt vor den Fenstern dunkel, grau und ungemütlich, ganz anders als die Stimmung im Raum, den ich gerade ungläubig betrat. Dadurch, dass Karyu sich so unerwartet bei mir einquartiert hatte, war ich in den letzten Tagen nicht dazugekommen, die ganze Weihnachtsdekoration zu verteilen, die ich mir zurechtgelegt hatte. Die Kiste hatte die ganze Zeit in einer Ecke des Wohnzimmers gestanden, wo mein Freund sie entdeckt und sich bedient haben musste. Gerade befestigte er eine Lichterkette an der Kommode neben meinem Fernseher, die ich sonst immer am Fensterbrett montierte. Aber ich musste zugeben, dass sie sich dort auch echt gut machte. Noch schien er mich nicht bemerkt zu haben, trat gerade einen Schritt zurück, um sein Werk zu mustern, als ihn ein unschöner Hustenanfall packte.

 

„Mensch Karyu, du sollst dich doch ausruhen und nicht Innenausstatter spielen.“ Besorgt trat ich auf ihn zu und drückte mitfühlend seine Schulter.

 

„Oh, du bist wach?“ Ein weiterer Huster unterbrach ihn, bevor er fast unwirsch tief durchatmete. „Dieser dämliche Husten. Ich bin extra aufgestanden, um dich nicht zu wecken, und jetzt war ich wohl doch zu laut.“

 

„Quatsch.“ Energisch schüttelte ich den Kopf, um Karyus aufziehende Gewissensbisse gleich wieder im Keim zu ersticken. „Ich bin aufgewacht, weil ich genug geschlafen habe“, stellte ich klar, während mir innerlich ein halbes Gebirge vom Herzen gefallen war. Ich hatte Karyu also nicht vergrault. „Aber was stellst du hier eigentlich alles an?“ Noch einmal ließ ich meinen Blick schweifen, entdeckte immer wieder neue dezente Weihnachtsornamente, so wie ich sie mochte. Kein Wunder, schließlich waren es meine Dekoartikel, an denen Karyu sich bedient hatte. Allerdings war es etwas völlig anderes, wenn nicht ich selbst es war, der sich die passenden Plätze dafür aussuchte. „Sieht schön aus“, gab ich schließlich zu, während ich Karyu nachdrücklich zum Sofa dirigierte.

 

„Ehrlich? Gefällt es dir?“

 

„Tut es.“ Ich nickte und sah dann erst, was sich alles auf dem kleinen Wohnzimmertisch tummelte. „Wow! Kein Wunder, dass es hier wie auf einem Weihnachtsmarkt riecht. Hast du die Waffeln selbst gemacht?“ Ein wenig skeptisch wanderte eine meiner Augenbrauen nach oben und die leichte Röte auf Karyus Wangen ließ mich vermuten, dass er tatsächlich nicht auf einmal zum Meisterbäcker geworden war. Denn, obwohl die Waffeln frisch rochen und so aussahen, als wären sie noch warm, wirkten sie doch zu perfekt, um selbst gebacken zu sein.

 

„Die hab ich liefern lassen. Alles andere wäre auf Kosten deiner Küche gegangen.“

 

Ich lachte, weil ich gerade genau dasselbe gedacht hatte, und setzte mich neben ihn.

„Eine schöne Idee“, lobte ich, „und danke fürs Schmücken.“

 

„Gerne“, murmelte er, beinahe etwas verlegen wirkend. „Eigentlich hatte ich für heute eine Karte für den Weihnachtsmarkt, aber bei dem Wetter hab ich darauf ehrlich gesagt keine Lust.“

 

„Du bist auch eindeutig noch nicht fit genug, um draußen herumzulaufen.“

 

„Ja, das auch.“ Karyu winkte ab, als wäre seine Erkältung nicht der eigentliche Grund für seine Planänderung. Na, wenn er meinte. „Auf jeden Fall hab ich mir gedacht, wenn ich also schon nicht auf den Markt gehen kann, bringe ich halt etwas weihnachtliches Flair zu uns.“

 

„Das ist dir auf jeden Fall gelungen.“

 

„Mh“, machte er, rieb sich über die Nase, bevor er mich nachdenklich musterte.

 

„Was denn?“

 

„Du bist zwar gerade erst aufgestanden und Waffeln sind nicht wirklich ein Frühstück, aber willst du vielleicht schon eine? Ich hab Hunger.“

 

„Klar, so spät, wie es schon ist, kann ich auch Waffeln frühstücken.“ Ich grinste, legte zwei Gebäckstücke auf je einen Teller und reichte Karyu einen von ihnen. „Mit dem Glühwein warte ich aber noch, bis ich was im Magen habe.“

 

„Besser ist das.“

 

Ich brummte angetan, als ich den ersten Bissen probiert hatte. Himmel, schmeckte das gut. Ich wollte gar nicht wissen, wie teuer das alles gewesen war. Aber so, wie mich Karyu gerade anstrahlte, nachdem ich meine Feststellung mit ihm geteilt hatte, war es für ihn wohl jeden Yen wert gewesen. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus, das nichts mit dem Kaffee zu tun hatte, von dem ich gerade einen Schluck getrunken hatte. Ich erlag zwar nicht der Illusion, dass sich Karyu ausschließlich wegen mir so viel Mühe gemacht hatte, aber er hatte dies hier auch für mich getan.

 

„Irgendwie …“, murmelte ich und brach ab, als ich mir nicht sicher war, ob ich wirklich aussprechen wollte, was mir gerade im Kopf herumspukte.

 

„Mh? Was denn?“

 

„Das hier …“ Ich machte eine vage Handbewegung, die den ganzen Raum umfasste. „Das fühlt sich gerade alles so unwirklich an.“ Karyu erwiderte meinen Blick schweigend, was mir den Mut gab, weiterzusprechen. „Ich meine, so mit dir hier zu sitzen, die Waffeln und alles … das ist irgendwie … schön.“

 

Karyu lächelte und wandte großmütig den Blick ab, als ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg.

„Schön“, wiederholte er, ein feines Lächeln auf den Lippen, bevor er sich gegen die Sofakissen lehnte und offenbar schwer mit seiner Waffel beschäftigt war.

 

„Du hast heute also nichts weiter vor?“, fragte ich irgendwann, als unser Schweigen begann, mir unangenehm zu werden. „Obwohl Weihnachten ist?“

 

„Nein, hab ich nicht. Wir haben ja schon festgestellt, dass ich noch immer nicht wieder auf der Höhe bin. Was sollte ich also großartig geplant haben?“

 

„Ja~“, machte ich lang gezogen, weil mir gerade keine bessere Reaktion einfallen wollte. Verdammt, ich hatte gehofft, er würde etwas freimütiger mit seiner Antwort sein. „Und … du wolltest wirklich ganz allein auf den Weihnachtsmarkt gehen?“

 

„Klar. Ist doch besser, als allein zu Hause rumzusitzen.“

Das Stück Waffel in meinem Mund schien gerade mit jedem Bissen mehr zu werden, während sich mein Magen verknotete. Schwer schluckte ich, Karyus Blicken derweilen stur ausweichend, und starrte meine Finger an. Allein. Dieses kleine Wort hallte in meinen Ohren wider und verstärkte den Tumult nur noch, der erneut in meinem Inneren herrschte. Nicht, dass ich wirklich davon ausgegangen war, dass Karyu gerade in einer Beziehung war, von der ich nur nichts wusste, aber er wäre auch nicht der Erste gewesen, der ein romantisches Weihnachtsdinner nutzte, um zarte Bande zu knüpfen.

„Und du? Gehst du heute noch weg?“

 

„Mh?“ Ich war so überrascht von seiner Gegenfrage, dass ich den Kopf hob, nur um sogleich mit seinem durchdringenden Blick konfrontiert zu werden. „Ich?“

 

„Nein, der andere Bassist neben dir.“

 

„Haha.“ Karyu schien mein Augenrollen sehr amüsant zu finden, denn seine Mundwinkel hoben sich, bis ein breites Grinsen seine Lippen zierte. Diese Lippen. Dieser Mund. Ich konnte meine Augen nicht von ihm lassen. Ein hohes Pfeifen in meinen Ohren machte mich taub für die Geräusche meiner Umgebung, als ich traumwandlerisch langsam eine Hand hob. Zögerlich legte ich sie gegen Karyus Wange, dessen Grinsen sich zu einem verblüfften Lächeln gewandelt hatte.

 

„Zero?“ Ich sah meinen Namen mehr, als dass ich ihn hörte, während ich meinen Blick wieder und wieder zwischen Karyus Augen und seinen Lippen hin und her wandern ließ.

 

„Ich würde zu gern wissen, ob sich deine Lippen noch immer so anfühlen wie damals.“ Nur das harsche Einatmen meines Freundes war der Beweis, dass ich die Worte tatsächlich ausgesprochen hatte, statt sie nur zu denken. Doch noch bevor ich einen Rückzieher machen konnte, schob sich eine deutlich größere Hand über die meine und hielt mich mit sanftem Nachdruck an Ort und Stelle.

 

„Du erinnerst dich also.“

 

 

tbc …

Längst überfälliger Entschluss

„Du erinnerst dich also.“

Ich spürte, wie sich meine Augen weiteten und alles in mir und um mich herum still wurde. Mein Atem stockte, während ich nur immer tiefer und tiefer in Karyus offenen Blick zu stürzen schien. Ich war also nicht der Einzige, der sich an diese Nacht erinnerte. Im Moment war das der letzte klare Gedanke in meinem Kopf, alle anderen hatten die Flucht ergriffen und warteten hinter meinen Gehirnwindungen bebend auf Karyus Urteil. Aber es blieb aus, ebenso wie ein verletztes Flackern in seinem Blick, mit dem ich fest gerechnet hatte. Stattdessen kam er mir langsam näher, bis seine Stirn gegen meine lehnte und ich sein Gesicht nicht länger erkennen konnte.

„Ich dachte, du hättest es vergessen. Warum hast du nie etwas gesagt?“

 

„Das …“ Ich holte Luft, weil ich noch immer das Gefühl hatte, in meinen Emotionen ertrinken zu müssen. „Warum hast du denn nie was gesagt?“ Ich legte den Daumen über seine Lippen, als er den Mund öffnete. Sicher hatte er mich darauf hinweisen wollen, dass es unhöflich war, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten. Recht hatte er. Trotz meiner Anspannung musste ich schmunzeln – das war so typisch für ihn. „Ich denke, ich war einfach froh, dass zu dieser Zeit alles größere Priorität hatte als ein Kuss zwischen zwei Betrunkenen.“

 

„So betrunken war ich gar nicht.“

 

„Ich auch nicht, aber darum geht es nicht.“

 

„Worum dann?“

 

Ich kniff kurz die Augen zusammen, bevor ich auf Abstand ging, um Karyu wieder ansehen zu können. Gleichzeitig zog ich meine Hand zurück, was ihm, so wie er mich anschaute, nicht sonderlich gefiel. Pech, da musste er jetzt durch. Ich brauchte wenigstens ein bisschen Distanz zwischen uns, sonst würde ich gar nicht mehr denken können.

„Mensch, Karyu, überleg doch mal. Ich war in einer Beziehung …“ Ich rieb mir über die Nasenwurzel, um mir ein wenig Zeit zu verschaffen. „Außerdem war ich mir damals noch sicher, hetero zu sein. Etwas anderes war mir bis dahin nie in den Sinn gekommen.“ Ich zuckte die Schultern, als Karyu mit den Augen rollte. „Tut mir ja leid, manche von uns brauchen eben länger.“ Unangenehm berührt biss ich mir auf die Unterlippe, als ich erneut nicht wusste, wie ich mich ausdrücken sollte. „Du warst damals schon ein so offener Mensch, der keine Gelegenheit ausgelassen hat, zu flirten oder immer neue Partner zu suchen, und ich war das komplette Gegenteil. Ich hab lange nicht verstanden, warum ich dir deinen Lebenswandel so übel genommen habe.“ Zerknirscht lächelte ich und hatte begonnen, mit einem abstehenden Stück Nagelhaut an meinem Daumen zu spielen.

 

„So, wie du mich beschreibst, lässt mich das wirklich nicht in einem guten Licht dastehen.“ Karyu fuhr sich durch die Haare, was ihn noch mehr wie frisch aus dem Bett gefallen aussehen ließ. „Aber es ist die Wahrheit, da kann ich mich nicht mal für rechtfertigen.“

 

„Sollst du auch gar nicht.“ Ich schüttelte den Kopf und legte für einen kurzen Moment meine Hand über die seine. „Ich versuche, dir nur irgendwie klarzumachen, was damals in mir vorgegangen ist. Ich glaube, der Hauptgrund, warum ich nie etwas gesagt habe, ist, dass ich Angst davor hatte, mich, meine Sexualität und alles, was ich bis zu diesem Zeitpunkt als nicht veränderlich angesehen hatte, infrage zu stellen, um schlussendlich nur einer von vielen zu sein.“ Erst, als ich diese Worte ausgesprochen hatte, wurde mir bewusst, wie wahr sie waren.

 

Karyu schloss für einen langen Moment die Augen, als hätte ihn das Gesagte tief getroffen. Verdammt, das hatte ich nicht gewollt. Manchmal war meine Offenheit mehr Fluch als Segen, kein Wunder also, dass ich meist alles für mich behielt. Nun spürte ich am eigenen Leib, was meine Ehrlichkeit angerichtet hatte.

„Karyu“, murmelte ich und streichelte zaghaft über seinen Handrücken. „Das war kein Vorwurf. Ich wollte nur, dass du mich verstehst …“

 

„Ich hab mich geändert.“

 

„Das weiß ich.“

 

„Und gerade du wärst nie nur einer von vielen gewesen.“

Ich öffnete den Mund, ohne jedoch etwas sagen zu können. Mein Herz krampfte, als mir wieder der Gedanke in den Sinn kam, was ich alles hätte haben können, hätte ich nur früher gewusst, was ich wollte.

„Aber weißt du was?“

 

„Nein, was denn?“

 

„Ich glaube, es ist gut, dass wir nie darüber gesprochen haben.“

 

„Was? Wieso?“

 

„Ich hab das Gefühl, als wäre damals einfach nicht unsere Zeit gewesen. Wie du schon sagtest, alles andere, die Band, die Musik und unser Erfolg, alles war wichtiger als wir selbst. Es war einfach alles viel größer als wir …“

 

„Und …“ Seine Worte hatten mir eine Gänsehaut verpasst und meine Stimme war ganz rau geworden. „Was machen wir nun?“

 

Plötzlich fühlte ich seine Hand an meiner Wange. Ohne, dass ich es bewusst hätte beeinflussen können, sanken meine Lider herab, bis ich ihn nur noch aus zwei schmalen Schlitzen ansah. Er kam mir immer näher, ein sanftes Lächeln auf den Lippen, die sich keinen Herzschlag später auf die meinen legten. Die Zeit schien still zu stehen, das Blut rauschte so laut in meinen Ohren, dass ich nicht einmal meine eigenen Gedanken noch hören konnte. Vielleicht dachte ich auch gar nicht mehr, was mich nicht überraschen würde. So viele Emotionen und Empfindungen auf einmal konnten nur einen Kurzschluss verursachen. Erst als seine Hand in meinen Nacken glitt und ihre Wärme mich dort zu ankern schien, realisierte ich richtig, was gerade passierte. Karyu küsste mich und ich? Ich machte mit nahezu demselben Enthusiasmus mit. Himmel, das fühlte sich so gut an, viel besser als in meinen Erinnerungen.

 

Ein leises Seufzen entfloh mir, als Karyu sich kurz löste und sich provokant langsam über die Unterlippe leckte, als wollte er sagen, dass ich ihm schmeckte. Der neckische Glanz in seinen Augen schien diese Vermutung zu bestätigen, aber noch bevor ich etwas darauf hätte sagen können, küsste er mich erneut. Nun fielen mir endgültig die Augen zu und ich krallte mich im Stoff seines Oberteils fest, als ich das Gefühl hatte, mir würde der Boden unter den Füßen weggerissen. Ein dummer Gedanke, schließlich saßen wir beide auf dem Sofa, aber gut. Ausgeprägte Hirnleistungen waren von mir momentan wirklich nicht zu erwarten. Doch trotz des wohligen Nebels, in den mich Karyu und seine Küsse mehr und mehr zu ziehen schienen, drängte sich mir eine Frage auf. Wie sollte das alles hier nur weitergehen? Ich versuchte, wieder in das genussvolle Nichts abzutauchen, in dem es keine Sorgen und Denkspiralen gab, aber einmal gedacht, ließ sich die Frage nicht länger ignorieren.

 

Unwillig zog ich den Kopf zurück, bis sich unsere Lippen zwangsläufig trennten. Karyu murrte leise, versuchte, mich erneut einzufangen, aber ich blieb standhaft. Mit gesenktem Kopf schob ich ihn auf Armeslänge von mir, bis auch er verstand, dass es mir ernst war.

„Wir können das nicht tun“, murmelte ich so leise, als hoffte ich, er würde mich nicht verstehen.

 

„Nein? Und warum nicht?“

 

„Karyu.“ Ich hasste den jammernden Unterton in meiner Stimme, aber verdammt, warum musste er es mir so schwer machen? „Wir kennen uns seit mehr als zwanzig Jahren und sind beinahe genauso lang befreundet. Das können wir doch nicht alles einfach so aufs Spiel setzen!“ Ruckartig hob ich den Kopf und funkelte ihn an. „Stell dir vor, das ist nur eine Phase, und irgendwann bereuen wir das hier.“

 

„Wie lange?“

 

„Mh?“

 

„Wie lange empfindest du schon mehr für mich als nur bloße Freundschaft?“

 

„Das … ich … darum geht es doch jetzt gar nicht.“

 

„Wie lange?“ Sein Blick war lauernd, als würde er mich herausfordern wollen.

 

„Ich weiß nicht genau.“ Ich verzog das Gesicht, als ich mir ein Stück der abstehenden Nagelhaut abriss und die verletzte Stelle unangenehm zu brennen begann. Aber obwohl Karyus Blick kurzzeitig zu meinem Daumen wanderte und ich für eine Sekunde den Eindruck hatte, er würde etwas zu meiner kleinen Selbstverstümmelung sagen wollen, blieb er stumm. Ich schnaubte und hätte mein Gesicht am liebsten hinter beiden Händen versteckt, um ihn nicht länger ansehen zu müssen. „Ich glaube…“, begann ich schließlich, als ich einsehen musste, dass ich mit meiner Hinhaltetaktik gegen Karyus Sturheit im Moment nicht ankommen würde. „Es hat im ersten Lockdown begonnen. Ich hatte so viel Zeit, dass ich gar nicht wusste, was ich damit anfangen sollte. Endlich hätte ich mal all die Treffen mit dir nachholen können, zu denen wir sonst nie gekommen sind, aber nein, wir durften uns ja nicht sehen.“ Ich zuckte mit den Schultern, mir selbst nicht ganz im Klaren, worauf ich mit meinem Gerede eigentlich hinauswollte. „Nicht, dass ich da gleich gewusst hatte, was los war, aber, ja, ich glaube, da fing es an.“

 

„Himmel, Zero, das sind beinahe zwei Jahre!“

 

„Ja?“

 

„Und da denkst du noch immer, dass es nur eine Phase sein könnte?“

 

„Ich …“

 

„Wovor hast du solche Angst?“

 

„Ich hab keine Angst“, wisperte ich mit bebender Stimme, die die Ernsthaftigkeit meiner Worte ins Lächerliche zog.

 

„Doch, die hast du.“ Sein Blick war derart liebevoll, dass ich die Augen schließen musste. Aber auch das brachte nicht die erhoffte Flucht, denn nun begannen lange Finger, zärtlich durch meine Haare zu fahren. Eine Gänsehaut ließ mich kurz erschauern, bevor ich all meinen Mut zusammenraffte und Karyu erneut in die Augen sah.

 

„Ja, verdammt, ich hab Angst. Ich will dich nicht verlieren, nur … nur ... weil ich plötzlich so empfinde, wie ich es tue. Ich will, dass alles wieder so wird, wie es immer war. Ich will mich in deiner Gegenwart nicht mehr befangen fühlen und dich vermissen, wenn wir uns länger nicht sehen können. Das ist doch alles scheiße, verdammt!“

Energisch erhob ich mich, löste mich von den zarten Berührungen, die mir die Sinne noch mehr zu vernebeln drohten, und raufte mir die Haare. Aber auch der schmerzhafte Zug an meiner Kopfhaut brachte nicht die gewünschte Wirkung. Nur mein Kopf machte mit stetigem Pochen darauf aufmerksam, dass er diese harsche Behandlung nicht sonderlich schätzte.

„Ich brauch frische Luft“, nuschelte ich, während ich bereits zielstrebig in Richtung Flur unterwegs war.

 

„Warte.“

 

Ich schüttelte immer wieder den Kopf, während ich unwirsch in meine Schuhe stieg und mir Mantel und Schal überstreifte. Karyu stand dicht hinter mir, aber ich vermied es, ihn anzusehen.

„Bitte“, murmelte ich schließlich, als er Anstalten machte, sich ebenfalls seine Winterkleidung anzuziehen. „Ich muss nachdenken. Außerdem bist du noch immer krank.“

 

„Frische Luft hat noch niemanden umgebracht und ich werde mich auch extra dick einpacken. Was ich allerdings nicht machen werde, ist, dich jetzt alleinzulassen und zu riskieren, dass du wieder einmal alles zerdenkst und mich vor vollendete Tatsachen stellst.“

Nun hob ich doch den Kopf, um ihn aus geweiteten Augen und mit leicht offen stehendem Mund anzusehen.

„Schau nicht so.“ War sein Blick eben noch beinahe hart, wurde er mit jedem verstreichenden Herzschlag weicher, bis er sich vorbeugte und sanft meine Stirn küsste.

„Ich schwöre hoch und heilig, dass ich dieses Thema mit keinem Wort ansprechen werde, solange wir unterwegs sind, nur … nimm mich bitte mit, okay?“

 

Mein Herz hätte aus Stein und unter einer meterdicken Eisschicht vergraben sein müssen, um keinerlei Verständnis für seine Worte aufbringen zu können. Leicht fiel es mir dennoch nicht, aber wenn ich für einen Augenblick ignorierte, dass alles in mir nach Flucht schrie, musste ich zugeben, dass er recht hatte. Es wäre unfair von mir, ihn mit all den ungeklärten Offenbarungen der letzten Minuten allein zu lassen.

 

„Okay.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, was mir jedoch kläglich misslang. Karyu sah mir nur unverwandt in die Augen, ohne etwas darauf zu sagen. Kurz bevor mir die angespannte Stille zwischen uns noch unangenehmer wurde, senkte er die Lider in einem langen Blinzeln und nickte.

 

„Wollen wir durch den Park gehen?“

 

„Ja, warum nicht.“ Mir war es egal, wohin wir gingen, Hauptsache ich bekam frische Luft. Fahrig packte ich Haustürschlüssel, Zigaretten und Feuerzeug ein, bevor ich für einen kurzen Moment mein Unbehagen vergessen konnte, als ich mein Gegenüber kritisch musterte. Ohne näher darüber nachzudenken, holte ich ein Paar Handschuhe aus der Kommode im Flur, reichte sie meinem Freund und steckte seinen Schal anständig fest. Karyu lächelte und ich hätte beim besten Willen nicht sagen können, ob es ein dankbares oder amüsiertes Lächeln war. Sicherheitshalber schnaubte ich, bevor mir mein Verhalten noch peinlich werden konnte, verließ die Wohnung und sperrte hinter uns ab.

 

„Gott, tut das gut“, stellte ich tief ein- und wieder ausatmend fest, als mir wenige Minuten später der doch recht kalte Wind um die Ohren pfiff. Gut, dass Karyus Parka eine dicke Kapuze hatte, die er sich fröstelnd sogleich über den Kopf zog, sonst hätte ich ihn noch einmal hochgeschickt, um sich wirklich winterfest zu machen. So jedoch war meine innerliche Fürsorge, was ihn betraf, für den Moment zufrieden.

 

Schweigend setzten wir uns in Bewegung. Die Straßen und Gehwege waren früher am Tag geräumt worden, dennoch bedeckte eine schmierige Schicht aus Halbgefrorenem Schnee den Boden. Die Luft war frisch, aber feucht und ließ mich vermuten, dass es später erneut regnen würde. Hoffentlich waren wir bis dahin wieder zurück, denn auf Eisregen hatte ich nun wirklich keine Lust.

 

Der Kies knirschte unter den Sohlen meiner Schuhe, als wir einige Zeit später den Park erreichten, und noch immer hatte Karyu kein Wort gesagt. Ich knabberte ekelhaft nervös auf meiner Unterlippe herum und suchte krampfhaft nach einem unverfänglichen Gesprächsthema. Genau das waren diese Situationen, die ich in den letzten Monaten zu hassen gelernt hatte. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatten Karyu und ich über jeden Mist reden oder lachen können und selbst in den Momenten, in denen wir uns nichts zu sagen hatten, hatte ich mich in seiner Nähe wohlgefühlt. Und jetzt? Jetzt wäre ich am liebsten davongelaufen, nur um dieser aufgeladenen Spannung zwischen uns zu entfliehen.

 

„Das ist doch nicht die Möglichkeit“, murmelte er plötzlich neben mir, was mich so abrupt aus meinen Überlegungen riss, dass ich ihn mit großen Augen von der Seite her anstarrte.

 

„Wie bitte?“

 

Er grinste ein wenig wacklig, als hätte ihn meine etwas zu heftige Reaktion überrascht. Zu verübeln war es ihm nicht.

„Ich hab nur gerade festgestellt, dass ich keine Ahnung habe, worüber wir reden könnten.“

 

„Manchmal bist du mir unheimlich.“

 

„Ach? Wieso das denn?“

 

„Mir ist gerade etwas Ähnliches durch den Kopf gegangen.“ Wieder musste meine Unterlippe dran glauben, während ich mich erneut in Bewegung setzte. Mir war gar nicht aufgefallen, dass wir stehen geblieben waren. Himmel, wo war ich nur mit meinen Gedanken?

 

„Es wundert mich, dass so wenig los ist.“

 

Aha, jetzt mussten wir uns also schon mit Small Talk über Wasser halten, aber mir sollte es recht sein. Alles war besser als dieses Schweigen.

„Vermutlich verzichten noch immer einige darauf, auszugehen, damit sie zum Jahreswechsel ihre Familie besuchen können.“

 

„Damit könntest du recht haben. Fährst du zu deinen Eltern oder sind die beiden bis Silvester noch nicht wieder zurück?“

 

„Doch, geplant ist, dass sie einen Tag vorher nach Hause kommen. Du glaubst doch nicht, dass meine Mutter es sich entgehen lässt, ihre Schäfchen zum Jahreswechsel unter ihrem Dach zu haben.“

 

„Deine fürsorgliche Ader hast du eindeutig von ihr geerbt.“ Karyu grinste mich von der Seite her an und diese Tatsache brachte mich für einen Herzschlag so aus dem Konzept, dass ich gar nicht dazukam, seine Worte falsch zu verstehen.

 

„Danke, denke ich“, murmelte ich daher nur wenig eloquent und befürchtete schon, damit den kurzzeitigen Strom der Unterhaltung ausgetrocknet zu haben, da redete Karyu zum Glück weiter.

 

„Sieh mal, da drüben.“ Er deutete in die Richtung, in der ein kleiner Holzverschlag zu erkennen war. Im selben Moment fiel mir das cremig-rauchige Aroma auf, das schon eine ganze Weile in der Luft liegen musste. „Bin gleich wieder da, okay? Ich hol uns nur eine Portion Maroni.“

 

Noch bevor ich ihn hätte zurückhalten können, weil mein Magen noch von den Waffeln gut gefüllt war, war er auf die Holzhütte zugegangen und tauschte sich mit dem Verkäufer dahinter aus. Gerade musste Karyu irgendetwas sehr Unterhaltsames gesagt haben, denn der junge Mann lachte herzhaft auf, bevor er sich abwandte, um die bestellten Maroni herzurichten. Ein Teil in mir, den ich auf den Tod nicht leiden konnte, spuckte Gift und Galle bei diesem Anblick. Wie hasste ich diese unbegründeten, eifersüchtigen Momente doch, die sich ebenso wie diese unangenehmen Augenblicke des Schweigens in den letzten Monaten stetig häuften. Wie sollte das alles nur weitergehen?

 

Ich war so vertieft darin, mich innerlich zu zerfleischen, dass ich nicht mitbekommen hatte, wann Karyu an meine Seite zurückgekehrt war. Die warme Maroni jedoch, die beinahe meine Lippen berührte, bemerkte ich sofort. Leicht zuckte ich zurück, aber Karyu hielt die kleine Nuss wie ein Geschenk noch immer vor meine Lippen, dass ich nicht anders konnte, als schief lächelnd den Mund zu öffnen.

 

„So gefällst du mir schon besser.“

 

„Mh?“, brummte ich fragend mit vollem Mund und kaute auf der leckeren Maroni herum.

 

„Du hast gerade ausgesehen, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen.“

 

„Ach das.“ Ich winkte ab, nachdem ich heruntergeschluckt hatte, und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als mir Karyu eine zweite Maroni hinhielt. „Willst du mich eigentlich mästen oder so?“

 

„Nein, ich mag es nur, dir eine Freude zu machen.“

 

„Süßholzraspler“, nuschelte ich, während ich mit den Zähnen nach der Nuss geschnappt hatte und sie mir schmecken ließ. „Mmmh, keine Arbeit, nur genießen. Ich glaub, du bist eingestellt.“

 

„Als was? Dein persönlicher Maroni-Puler?“

 

„Ja, ganz genau.“

 

Karyu schenkte mir ein beinahe verstohlenes Lächeln, das ich für den Moment nicht einordnen konnte. Im nächsten Augenblick setzte er sich wieder in Bewegung und nahm es mir somit ab, mir weitere Gedanken zu machen. Hin und wieder hielt er mir eine geschälte Maroni hin, naschte zwischendurch ebenfalls, und schien sich ansonsten die behandschuhten Finger an der Tüte zu wärmen.

 

„Ist dir kalt?“

 

„Ein wenig, aber solange es nicht wieder zu regnen anfängt, können wir ruhig noch etwas herumlaufen. Die frische Luft tut richtig gut.“

 

„Du sagst mir aber Bescheid, wenn es dir zu kalt wird, in Ordnung?“

 

„Versprochen.“

 

Wieder kehrte Stille zwischen uns ein, aber diesmal machte sie mich weniger befangen als eben noch. Vielleicht fing ich endlich an, mich daran zu gewöhnen? Leise schnaubte ich und schüttelte den Kopf, als mich Karyu fragend von der Seite her ansah. Was machte ich mir vor?

Plötzlich lag ein kaum hörbares Surren in der Luft, aber noch bevor ich verwundert fragen konnte, wo das nun wieder herkam, fingen überall um uns herum kleine Lichtpunkte zu strahlen an. Stimmte ja, ich hatte gelesen, dass sich das weihnachtliche Lichtkonzept der Stadt in diesem Jahr selbst in die Vororte erstreckte, aber ich hatte nicht mitbekommen, dass dieser Park auch dazugehörte.

 

„Wow“, hauchte Karyu neben mir und ich konnte ihm nur stumm nickend zustimmen. Wir befanden uns auf einer Anhöhe, von der aus wir ein gutes Stück des Parks überblicken konnten. In der Ferne leuchtete sogar das Riesenrad, unter dem ein eher kleiner Weihnachtsmarkt aufgebaut war. Aber viel spektakulärer war der Anblick der Tausenden Lichter, die die Kronen der winterlich kahlen Bäume schmückten.

 

„Möchtest du noch auf den Weihnachtsmarkt gehen? Der ist zwar nicht so groß wie der, für den du die Karte hast, aber wir könnten ihn uns zumindest einmal ansehen.“

Karyu reagierte nicht, sah nur weiter wie verzaubert geradeaus und mein Herz fühlte sich plötzlich an, wie in eine warme, flauschige Decke eingehüllt. Ich atmete tief die kühle Luft ein und langsam begann das Karussell meiner Gedanken zum Stehen zu kommen. Beinahe hätte ich geseufzt, als all die Anspannung der letzten Stunden meinen Körper zu verlassen begann. Wenn ich Karyu so betrachtete, war alles nicht so schlimm, wie ich es mir die ganze Zeit über ausgemalt hatte. Vielleicht musste ich einmal in meinem Leben mutig sein und mich damit abfinden, dass es Wege in meinem Leben gab, die ich im Vorfeld nicht bis ins Detail planen konnte. Ich rückte näher an ihn heran, lehnte mich sogar leicht gegen seine Seite und schloss für einen Herzschlag lang die Augen.

„Schön, oder?“, murmelte ich, obwohl ich das Lichtermeer vor uns gerade gar nicht sehen konnte.

 

„Ja.“ Ich fühlte seine Hand nach meiner tasten, bis Karyu unsere Finger miteinander verschränkte. Schmunzelnd und mit hochgezogener Augenbraue suchte ich seinen Blick. „Ich hatte nur versprochen, nicht darüber zu reden.“

 

Ich lachte – so eine Aussage konnte wirklich nur von ihm kommen – und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Wange.

„Schon gut, ich glaube, das ist schon ganz in Ordnung so.“

 

„Dir ist aber bewusst, dass wir irgendwann noch mal drüber reden müssen.“

 

„Ja“, wisperte ich und stellte mit einiger Verwunderung fest, dass mir dieser Gedanke weniger Angst bereitete, als noch vor unserem Spaziergang. „Ja“, wiederholte ich mit festerer Stimme und suchte erneut seinen Blick. Langsam hob ich meine freie Hand, legte sie an seine Wange und brachte ihn mit leichtem Druck dazu, den Kopf zu senken. „Frohe Weihnachten, Karyu.“ Kurz flackerte mein Blick zu seinen Lippen, bevor ich erneut seine Augen suchte, die mir noch immer offen entgegensahen. Einen Atemzug brauchte ich noch, bevor ich auch den letzten Abstand zwischen uns überbrückte und seinen Mund in einem liebevollen Kuss vereinnahmte.

 

 

tbc …

Gemeinsame Zukunft

„Die Fahrkarten, bitte.“

Blinzelnd löste ich mich vom Anblick der vorbeiziehenden Landschaft, um meine Fahrkarte aus dem Rucksack zu ziehen. Mit einem müden Lächeln hielt ich sie dem Zugbegleiter entgegen, der nach einem prüfenden Blick darauf kurz nickte.

„Vielen Dank.“

 

„Gerne“, erwiderte ich, bevor ich erneut meiner Beschäftigung der letzten Stunden nachging. Die Musik aus meinen Kopfhörern wurde kurz leise, als der Song endete, und im nächsten Moment war es Hizumis Stimme, die mir durch Mark und Bein ging. Einen Augenblick lang überkam mich Wehmut, wie immer, wenn ich meinen früheren Bandkollegen singen hörte, aber dann überwog die Freude, seiner Stimme auf diese Weise überhaupt wieder lauschen zu können. Ein kleines Lächeln zupfte an meinen Mundwinkeln, bevor ich mich wieder auf die verregnete Landschaft vor den Fenstern des Hochgeschwindigkeitszuges konzentrierte.

 

Schon eigenartig. Als ich heute Morgen losgefahren war, hatte es noch geschneit, aber je näher ich der Hauptstadt kam, desto trostloser wurde das Wetter. Sollte das ein Zeichen sein? Ich unterdrückte ein Augenrollen ob meiner idiotischen Gedanken und wagte einen Blick auf das Display meines Smartphones. Keine Nachrichten. Natürlich nicht. Ich war es schließlich gewesen, der Karyu darum gebeten hatte, sich über die Tage, die ich bei meinen Eltern verbrachte, nicht zu melden. Ich hatte die kleine Auszeit nutzen wollen, um mir noch über so einige Dinge im Klaren zu werden und hatte gedacht, keinen Kontakt zu ihm zu haben, würde mir dabei helfen. Pustekuchen. Ich glaube, ich hatte in meinem ganzen über vierzig-jährigen Leben noch nie jemanden so vermisst wie meinen zu groß geratenen Freund in den letzten drei Tagen. Ich rieb mir über die Nasenwurzel, als sich Kopfschmerzen anbahnten. Warum quälte ich mich nur immer so?

 

Obwohl Karyu krank gewesen war, waren die Tage, die er bei mir verbracht hatte, unglaublich schön gewesen. Nun gut, nicht von Anfang an, aber zumindest ab dem Zeitpunkt, als ich mir hatte eingestehen müssen, dass ich mehr für ihn empfand als nur Freundschaft. Und ihm ging es genauso. Wenn ich ehrlich war, konnte ich das noch immer nicht fassen und auch deswegen hatte ich mir diese kleine Auszeit erbeten. Rückblickend hatte sie mir jedoch rein gar nichts gebracht. Nicht zuletzt deswegen hätte ich ihn längst anrufen können, zugeben, dass ich ein Idiot und mein Wunsch noch bescheuerter gewesen waren. Stattdessen litt ich wie ein Hund, weil ich noch nie gut darin gewesen war, Fehler zuzugeben, und hatte damit nicht mehr erreicht, als den Spürsinn meiner Mutter zu reizen. Es war ein hartes Stück Arbeit, sie davon zu überzeugen, dass mit mir alles in Ordnung war, und irgendwie war ich mir sicher, dass sie mir noch immer nicht glaubte. Innerlich stellte ich mich schon auf diverse Kontrollanrufe in den nächsten Wochen ein. Und das alles nur, weil ich mir wieder einmal selbst im Weg stand und weil Karyu ein viel zu guter Mensch war, der die Wünsche seiner Freunde respektierte. Ich war fast schon wütend auf ihn, weil er sich nicht über mich hinweggesetzt und sich doch bei mir gemeldet hatte, bis mir auffiel, wie unfair diese Erwartungshaltung war.

 

Ich war so tief in meinen Gedanken versunken, dass ich beinahe nicht mitbekommen hätte, wie die Musik in meinen Ohren zu meinem Klingelton wurde. Verblüfft schaute ich auf das Display, auf dem munter blinkend Karyus Name zu lesen war.

 

„Wenn man an den Teufel denkt …“, meldete ich mich anstelle eines Grußes und musste schmunzeln, als ich Karyus lachen durch die Leitung rauschen hörte.

 

„Sag nicht, du hast an mich gedacht?“

 

„Gut, dann behalte ich es eben für mich.“

 

„Was? Nein. Sag es noch mal, bitte, so oft du magst.“

 

„Nö, dein Ego ist schon groß genug.“

 

„Pfff.“

Obwohl der Tunnel, durch den der Zug gerade fuhr, Karyus Schnauben beinahe schluckte, konnte ich mir seine Schmollschnute nur allzu gut vorstellen.

„Na schön, dann gibt es eben keine Ego-Streicheleinheiten für den armen Karyu. Ich versteh schon.“ Wieder lachte er leise und diesmal jagte mir der kleine Laut eine wohlige Gänsehaut über den Rücken. Verflucht, wie ich den Kerl vermisst hatte. Das war doch nicht normal.

 

„Wieso rufst du denn an?“, brachte ich schließlich mit leicht heiserer Stimme die Frage heraus, die ich gleich hätte stellen sollen.

 

„Glaubst du mir, wenn ich sage, dass ich deine Stimme hören wollte?“

 

„Eigenartigerweise ja.“

 

„Ehrlich?“

 

„Mhmh, mir … geht es ähnlich.“

 

„Wieso hast du dann …? Ach, nicht so wichtig.“

Fast glaubte ich, ein feines Lächeln durch die Leitung hören zu können, was gänzlich abwegig war, mein Herz jedoch etwas schneller schlagen ließ.

„Ich hatte gehofft, dass es okay ist, wenn ich anrufe. Immerhin bist du jetzt nicht mehr bei deinen Eltern und ich war brav und hab deinen Wunsch respektiert und überhaupt und sowieso. Bleibt es übrigens dabei, dass du um 13:27 Uhr ankommst?“

 

„Ehm.“ Ich blinzelte dreimal kurz hintereinander, während ich Karyus Redeschwall zu verarbeiten versuchte. „Ist schon okay, dass du angerufen hast“, murmelte ich schließlich, „ich hätte mich allerdings auch spätestens bei dir gemeldet, sobald ich zu Hause bin.“ Gut, dass er mich gerade nicht sehen konnte. Vermutlich sah ich nur halb so überzeugt von meinen eigenen Worten aus, wie mir lieb gewesen wäre. Ich war mir nämlich gar nicht so sicher, ob ich mich wirklich bei ihm gemeldet hätte. So wie ich mich kannte, hätte ich zahlreiche Gründe gefunden, weshalb es besser für uns beide war, ihn nicht anzurufen. Das Ende vom Lied wäre gewesen, dass ich mich so lange in meine Zweifel hineingesteigert hätte, bis sie zu meiner Wahrheit geworden wären. Manchmal hasste ich meinen Denkapparat mit einer Passion, die schon an Fanatismus grenzte.

„Und, ja, ehm, an der Ankunftszeit hat sich nichts geändert, der Zug ist pünktlich, warum?“

 

„Ah, sehr gut. Ich bin schon auf dem Weg zum Bahnhof, um dich abzuholen.“

 

„Das musst du nicht.“

 

„Will ich aber, also keine Widerrede.“

 

„Okay.“

 

„Ein wenig mehr Enthusiasmus, bitte. Ich hab dich drei Tage lang nicht gesehen oder gehört. Ich bin auf Entzug und es wäre sehr zuvorkommend von dir, wenn du wenigstens so tun könntest, als ob es dir genauso ginge. Nur, damit ich mich nicht so allein damit fühle, verstehst du?“

 

Wieder schlich sich Karyus leises Lachen durch die Leitung und hätte ich nicht schon längst bemerkt, dass er maßlos übertrieb, spätestens jetzt wäre es mir klar geworden. Plötzlich zupfte ein Grinsen an meinen Mundwinkeln und ein unsichtbares Gewicht schien von meinen Schultern zu fallen.

 

„Du bist wirklich eine Marke für sich“, merkte ich leise an, weil ich nicht wollte, dass das ganze Abteil mein Telefonat mithören konnte. Ich schätzte meine Privatsphäre, anders als manch anderer Mitreisender. „Ich freu mich wirklich, dich wiederzusehen, Karyu.“

 

„Ich mich auch. Bis in einer Stunde.“

 

~*~

 

„Sehr geehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir Tokyo Hauptbahnhof. Vielen Dank, dass Sie …“

 

Ich blendete die betont gut gelaunte Stimme der Ansagerin aus, während ich meine Sachen zusammenpackte. Das Gute daran, dass ich dieses Jahr nicht mit dem Auto zu meinen Eltern gefahren war, war die Tatsache, dass mich meine Mutter nicht für ein komplettes Jahr mit Essen hatte versorgen können, wie sie es sonst immer tat. Dennoch waren die beiden Taschen, die sie mir heute unbedingt doch hatte mitgeben müssen, schwer und ich ehrlich froh, nun nicht mit den Öffentlichen durch Tokyo tingeln zu müssen. Mit gebührendem Abstand zu dem Pärchen vor mir stellte ich mich mit meinem Gepäck in den schmalen Durchgang, zupfte meine Maske zu Recht und wartete, bis der Zug endlich zum Stehen kam.

 

Erst, als ich mit dem Strom an Menschen tiefer in das rege Treiben des Bahnhofs eintauchte, wurde mir bewusst, dass Karyu und ich vergessen hatten, einen Treffpunkt auszumachen. Ziemlich umständlich, weil ich so bepackt war, begann ich, in meiner Jackentasche nach meinem Smartphone zu fahnden. Bevor ich meinen Freund jedoch anrufen konnte, stellte sich mir jemand in den Weg. Ruckartig blieb ich stehen, den Mund bereits geöffnet, obwohl ich nicht hätte sagen können, ob mir ein unwirsches Motzen oder eine Entschuldigung über die Lippen gekommen wäre. Was ich schlussendlich sagte, war lediglich ein Name, bevor ich in die Arme sank, die so einladend für mich geöffnet waren.

 

„Karyu.“ Plötzlich wurde es still in mir, als die vielen Gedanken, die mich so gequält hatten, endlich Ruhe gaben. Leicht erschauernd genoss ich seine so vertraut gewordene Nähe, die ich in den letzten Tagen schmerzlich vermisst hatte, während mich seine Arme noch fester umschlossen. Es war mir egal, dass Gefühlsbekundungen in der Öffentlichkeit noch immer verpönt waren oder ob die Leute uns verurteilten, nur weil wir zwei Männer waren, die sich innig in den Armen lagen. Selbst die Tatsache, dass ich nicht mal eine Hand freihatte, um Karyus Umarmung wenigstens angedeutet erwidern zu können, war für den Moment nicht so wichtig. Ich war zu Hause, das war alles, was zählte.

 

„Ich hab dich so vermisst“, nuschelte Karyu gegen meine Haare und ein kurzer Druck auf meinem Scheitel ließ mich vermuten, dass er mir gerade einen Kuss gegeben hatte.

 

„Du legst es echt drauf an“, nuschelte ich und revanchierte mich, indem ich das freie Stückchen Haut zwischen dem Kragen seiner Jacke und seinem Schal küsste. Mit der Maske über Mund und Nase war das zwar ein eher unsinniges Unterfangen, aber die Geste zählte.

 

„Mir doch egal.“

 

„Mir auch.“ Ich grinste und hob den Kopf, damit Karyu die feinen Lachfältchen um meine Augen sehen konnte. „Trotzdem sollten wir besser gehen, bevor irgendwer seine angeborene Höflichkeit über den Haufen wirft und Ärger macht.“

 

„Oder uns trotz Masken erkennt.“

 

„Ja, darauf hätte ich noch weniger Lust.“

 

„Gut, dann lass uns gehen. Mein Wagen steht im Parkdeck.“

 

Ohne mir eine Chance zum Protest zu geben, griff Karyu nach den beiden Taschen, sodass ich nur noch den Rucksack auf meinen Schultern zu tragen hatte. Wenn er wollte, war er wirklich ein Gentleman der alten Schule, aber das sollte ich ihm lieber nicht sagen. Sein Ego war auch ohne meine Hilfe meist groß genug. Verstohlen schmunzelnd setzte ich mich in Bewegung und stellte nicht zum ersten Mal fest, wie praktisch Karyus Größe in solchen Situationen war. Ohne nennenswerte Probleme bahnten wir uns unseren Weg durch das Gewirr von Menschen und nur ein paar Minuten später saß ich in seinem Auto. Gerade verstaute er mein Gepäck im Kofferraum – nein, auch hier hatte ich ihm nicht helfen dürfen – und ließ sich dann neben mich in seinen Sitz fallen.

 

„Seit wann bist du eigentlich schon wieder zurück?“

 

„Ich wollte den Rückreiseverkehr vermeiden und bin daher schon um acht bei meinen Eltern losgefahren.“

 

„Bäh.“ Ich rümpfte die Nase, während der Motor brummend zum Leben erwachte und Karyu den Wagen durch die labyrinthartigen Gänge des Parkdecks zu steuern begann. „Ich hatte mir extra einen späteren Zug ausgesucht, um nicht so früh aufstehen zu müssen.“

 

„Du bist eben ein notorischer Langschläfer. Zumindest, wenn du mal ordentlich schlafen kannst.“

Ich drehte den Kopf zur Seite und sah aus dem Fenster, damit Karyu den Anflug der Verlegenheit auf meinem Gesicht nicht sehen konnte. Er hatte nicht nur recht, sondern in den Tagen, die er krank bei mir zu Hause verbracht hatte, auch hautnah mitbekommen, wie ausgeprägt meine Schlafstörungen waren. Dass er daran nicht ganz unschuldig war, sei an dieser Stelle dahingestellt. Immerhin hatte ich selbst bei meinen Eltern nur semi-gut schlafen können.

„Hey, alles in Ordnung?“

 

„Klar, ich war nur kurz in Gedanken.“ Ich lächelte, als ich locker seine Hand umfasste, die sich frech auf meinen Oberschenkel geschlichen hatte und drehte den Kopf, um ihn wieder ansehen zu können. „Erzähl mir, was ihr in den letzten Tagen so gemacht habt“, forderte ich und bemerkte, wie ich mich nach und nach entspannte, während ich mich ganz auf Karyus Stimme konzentrierte.

 

~*~

 

„Ehm, Karyu?“, murmelte ich eine ganze Weile später. „Das ist aber nicht der Weg zu mir.“

 

„Weiß ich.“

 

„Aha. Und wohin fahren wir?“

 

„Lass dich überraschen, wir sind gleich da.“

 

Stirnrunzelnd sah ich wieder aus dem Fenster und versuchte zu erkennen, wo genau wir uns befanden. Ich musste vorhin tatsächlich etwas eingenickt sein, denn normalerweise kannte ich mich in der Stadt gut aus, aber gerade …

 

„Halt mal, dort vorne geht es doch zur Eishalle, oder?“

 

„Ganz genau.“

 

„Willst du jetzt noch mal Schlittschuhlaufen gehen?“

 

„Klar, warum nicht? Ich dachte mir, jetzt, wo du dich nicht mehr vor mir genieren musst, weil du weißt, dass ich dir auch dann noch verfallen bin, wenn du übers Eis eierst, könnten wir das noch mal versuchen.“

 

„Wa… Wie bitte? Wer geniert sich hier?“

 

„Na, du.“

 

„Träum weiter, Eisprinzessin. Schon mal daran gedacht, dass ich letztes Mal einfach keine Lust auf Eislaufen hatte?“ Während ich damit beschäftigt war, die Röte auf meinen Wangen zu ignorieren, war Karyu eigenartig still geworden. Erst dachte ich, er würde sich konzentrieren müssen, während er vor der Eishalle nach einem Parkplatz suchte, aber als er auch dann noch schwieg, als der Motor längst abgeschaltet war, kam mir die Sache spanisch vor. „Karyu?“

 

„Hattest du wirklich keine Lust gehabt?“

 

„Was?“

 

„Letztens, aufs Schlittschuhlaufen?“

 

„Ach, du.“ Ich lächelte und nach einem prüfenden Blick zu allen Seiten beugte ich mich etwas näher zu ihm, um ihm einen kurzen Kuss auf die Wange zu drücken. „Rein theoretisch könnte es möglich sein, dass ich dich gerade auf den Arm genommen hab.“

 

„Das war fies.“

 

„Nein, das war purer Eigenschutz, schließlich muss sich ein Angeklagter nicht selbst belasten.“

 

„Angeklagter, hu?“ Ich sah den Triumph in seinen Augen glänzen, bevor er mein Kinn mit einem Finger leicht nach oben drückte und mich küsste.

 

„Karyu“, nuschelte ich pro forma protestierend, doch zeitgleich fielen mir die Augen zu. Himmel, wie ich das vermisst hatte. Ich war tatsächlich binnen weniger Tage süchtig geworden. Süchtig nach diesem Mann und seinen Küssen. „Wir sollten es nicht übertreiben“, murmelte ich schließlich, als sich diese verführerischen Lippen für einen kurzen Moment von meinem Mund lösten. „Außerdem wolltest du doch Eislaufen gehen, oder nicht?“

 

„Schon, aber deine Lippen fühlen sich so gut an, dass ich ernsthaft am Überlegen bin, meine Pläne über den Haufen zu werfen.“

 

„Nichts da, jetzt wo wir schon hier sind, gehen wir auch aufs Eis.“ Ich legte die flache Hand auf seine Brust und schob ihn ein Stück auf Abstand. Grinsend ob seines nicht allzu glücklichen Gesichtsausdrucks schnallte ich mich ab und stieg aus dem Auto. „Nun komm schon“, forderte ich, eine Hand noch an der geöffneten Wagentür, „und vergiss diesmal nicht, dich anständig anzuziehen.“

 

~*~

 

Entweder war diese Eishalle nie sehr gut besucht oder Karyu hatte ein Händchen dafür, immer genau zur ruhigsten Zeit herzukommen. Denn wie auch schon beim letzten Mal tummelten sich nur wenige Familien auf der Bahn. Von unserem ersten Besuch unterschied sich jedoch, dass Karyu und ich diesmal gemeinsam übers Eis schlitterten, statt jeder für sich. Seine Finger fühlten sich trotz der Handschuhe angenehm warm an, während sie die meinen umschlossen. Vielleicht bildete ich mir die Wärme nur ein, aber das war egal, denn sie zog sich durch meinen gesamten Körper. Ich fühlte mich wohl und drehte den Kopf, um Karyu, dem ich dieses Gefühl zu verdanken hatte, anzulächeln. Natürlich konnte er das unter dem Mundschutz nicht sehen, aber der warme Glanz in seinen Augen zeigte mir, dass er die Geste trotzdem erwiderte. Ich fuhr schräg vor ihn und hielt ihm auffordernd meine andere Hand entgegen.

 

„Halt mich mal fest, ich will versuchen, ob ich das mit dem Rückwärtslaufen noch hinbekomme.“

 

„Uh, pass aber auf, ich will nicht wieder mehr Zeit mit meinem Hintern auf dem Eis verbringen als mit meinen Füßen.“

 

„Vertraust du mir so wenig?“

 

„Ach, dir vertrau ich genug, ich vertrau nur meinen Beinen nicht.“

 

„Das kommt davon, wenn man so lange Stelzen hat.“

 

„Ich lass gleich los, dann kannst du zusehen, wie du dein Experiment allein durchziehst.“

 

„Hey, nein.“ Ich umfasste seine Finger stärker, die mir tatsächlich beinahe entglitten wären, und begann mit vorerst zaghaften Schwüngen, rückwärts zu laufen. „Krass, das klappt ja wirklich noch.“

 

„Mh, sieht zwar noch ein bisschen ungelenk aus, aber tausend Mal besser, als alles, was ich auf dem Eis zustande bringe.“

 

Ich weigerte mich, mich durch Karyus zweifelhaftes Kompliment aus dem Konzept bringen zu lassen, und konzentrierte mich stattdessen auf meine Bewegungen. Irgendwann fühlte ich mich sicher genug, um nicht mehr ständig auf den Boden sehen zu müssen, und konnte stattdessen erneut Karyus Blick suchen. Seine Augen schienen die ganze Zeit auf mich gerichtet gewesen zu sein und ihre Intensität ließ mich für einen Sekundenbruchteil wohlig erschauern. In meinem Magen begann es zu kribbeln, mein Herzschlag beschleunigte sich und wären wir allein und nicht gerade auf dem Eis gewesen, hätte ich nicht sagen können, was ich getan hätte. Okay, doch, ich wusste nur zu gut, was ich tun wollte, aber, nun ja, die Umstände waren wie schon festgestellt alles andere als ideal.

 

„Was geht in deinem süßen Kopf vor, mh?“

Karyu war mir plötzlich deutlich näher gekommen, ohne dass ich es bemerkt hatte.

 

„Das würdest du jetzt gerne wissen, was?“

 

„Oh, ja, ich brenne darauf.“

Himmel, wie stellte der Kerl das nur an. Ich hatte Eis unter den Kufen, das Wetter war verregnet und kalt, und dennoch fühlte ich mich wie unter der Wüstensonne schmorend.

„Verrat es mir.“

 

Ich schüttelte so heftig den Kopf, einerseits, weil ich ihm gerade wirklich nicht verraten wollte, was in meinem Hirn vor sich ging und andererseits, weil es mir Spaß machte, ihn zu ärgern, dass ich unwillkürlich das Gleichgewicht verlor. Ich versuchte, mit den Armen zu rudern, hatte jedoch vergessen, dass ich noch immer Karyus Hände festhielt, und machte die Sache damit nur noch prekärer.

 

„Fuck“, stieß ich hervor, als ich nach hinten zu kippen drohte, fand mich nach einem kräftigen Ruck jedoch gegen Karyus Oberkörper gepresst wieder.

 

„Ich sagte doch, du sollst aufpassen, dass wir nicht wieder auf dem Eis landen.“

 

„Pah, daran warst nur du schuld. Wenn du mich nicht so aus dem Konzept gebracht hättest, hätte ich auch nicht beinahe das Gleichgewicht verloren.“

 

„Ich hab dich also aus dem Konzept gebracht?“

 

„Argh, du.“ Mit einer locker geballten Faust schlug ich Karyu gegen die Brust und versuchte, ihn finster anzufunkeln, was Dank des breiten Grinsens, das nicht nur meine Mundwinkel unter der Maske hob, sondern sich auch in meinen Augen spiegeln musste, jedoch nicht wirklich funktionieren wollte.

 

„Dafür liebst du mich doch.“

 

„Ja, schon möglich.“ Für einen kurzen Moment schlang ich die Arme um Karyus Mitte, bevor ich wieder auf Abstand ging, um seinen erstaunten Blick aus geweiteten Augen genussvoll in mich aufzunehmen.

‚Touché, mein Lieber‘, dachte ich und unterdrückte nur schwer den Drang, ihm triumphierend die Zunge herauszustrecken.

„Was ist jetzt, Mister Eisskulptur, wollen wir noch ein paar Runden drehen oder hast du schon genug?“

 

„Du …“ Karyu schüttelte den Kopf, fuhr sich kurz durch die Haare und wirkte alles in allem weitaus weniger cool, als er mich glauben lassen wollte. Hehe.

„Wie kommst du nur immer auf diese Spitznamen.“

 

„Keine Ahnung, vielleicht inspirierst du meine kreative Ader?“ Skeptisch hob sich Karyus rechte Augenbraue, bevor ich erneut dieses ganz bestimmte, leise Lachen vernehmen konnte, das ich so sehr an ihm mochte.

 

„Na, dann komm, lass uns noch etwas weiterschlittern.“

Er hielt mir seine Hand entgegen, die ich nur zu gerne umfasste. Kurz sah ich mich um, aber keiner der Anwesenden schien sich für unsere kleine Flirteinlage interessiert oder sie gar bemerkt zu haben. Mh, vielleicht wurde die Gesellschaft langsam toleranter. Schön wäre es, aber wirkliche Hoffnung machte ich mir dahingehend keine. Lieber genoss ich es, ungezwungen Karyus Nähe genießen zu können.

„Was hältst du davon, wenn wir noch einen Glühwein trinken und ich dich dann zu mir nach Hause entführe?“

 

„Ich weiß nicht, ob ich mich von dir entführen lassen will“, scherzte ich und zwinkerte ihm neckisch zu. Ich hatte zwar gehofft, den Abend nicht allein verbringen zu müssen, aber so leicht wollte ich es meinem Freund dann doch nicht machen.

 

„Mh, dann werde ich mich wohl anstrengen müssen, um dich davon zu überzeugen, dass du freiwillig mitkommst.“

 

„Das wirst du wohl tun müssen.“ Ich drückte seine Finger, bevor ich unsere Verbindung löste, um einige Schlittschuhlängen vor ihm herfahren zu können. „Aber dafür wirst du mich erst einmal einholen müssen.“ Ich drehte mich weg von ihm, gab mehr Schwung und sauste einigermaßen sicher davon.

 

„Och nö~“, hörte ich ihn noch jammern und freute mich diebisch darüber. Leise in mich hineinlachend glitt ich über das Eis und genoss die Freiheit, die ich gerade verspürte, in vollen Zügen. Ob es an der bloßen Geschwindigkeit lag oder vielmehr daran, dass ich soeben den Entschluss gefasst hatte, es mit Karyu ernsthaft versuchen zu wollen, hätte ich nicht mit Sicherheit sagen können. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem und darüber würde ich mich nicht beschweren. Letzten Endes schien die Auszeit, die ich mir erbeten hatte, doch etwas gebracht zu haben, und wenn es nur die Erkenntnis war, dass ich diesem Kerl mit Haut und Haar verfallen war. Und verdammt, ich genoss dieses Gefühl gerade mehr, als ich jemals für möglich gehalten hätte.

 

„Zero~!“

 

Karyus Stimme riss mich aus meinen Überlegungen. Gerade rechtzeitig konnte ich bremsen und mich umdrehen, um mitanzusehen, wie mein Freund mit eindeutig zu viel Schwung das Gleichgewicht verlor, erstaunlich elegant auf die Knie fiel, nur um die letzten Meter bis kurz vor meine Füße zu rutschen.

 

„Wenn du mir jetzt einen Heiratsantrag machst, gehe ich und fahr mit dem Taxi nach Hause.“ Ich hatte Ernst bleiben wollen, doch schon ab der Hälfte meines Satzes musste ich so heftig lachen, dass ich mich selbst nicht mehr auf den Schlittschuhen halten konnte. Wir mussten schon ein glorreiches Bild abgeben, wie wir beide prustend auf dem Eis hockten und nicht mehr auf die Beine kamen. Mein Gelächter verstummte erst, als ich plötzlich eine Berührung im Gesicht spürte. Karyu hatte mir einige meiner wirren Strähnen aus der Stirn gestrichen, während mich seine schönen Augen so intensiv musterten, dass ein ganzer Schwarm Schmetterlinge in meinem Magen zum Leben erwachte.

 

„Eingefangen hab ich dich schon mal.“

 

Ich nickte traumwandlerisch langsam und hätte mich gerade am liebsten an ihn gekuschelt, säßen wir nicht noch immer auf dem Eis und würden in regelmäßigem Abstand nicht andere Schlittschuhläufer an uns vorbeifahren.

 

„Wenn du mir jetzt noch einen Glühwein spendierst, musst du mich nicht einmal mehr entführen.“

 

„Dann hab ich dich also überzeugt?“

 

„Könnte man so sagen, ja.“

 

 

 

tbc …?

Letztes Geständnis

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,


ich wünsche euch ein frohes neues Jahr und hoffe, ihr seid alle gut rübergerutscht.

Hier könnte die Story nun zu Ende sein, allerdings hätte ich noch eine vage Idee für einen zitronigen Abschluss des Ganzen. Lasst mich wissen, ob daran Interesse besteht. Momentan hält sich das Feedback wieder einmal sehr in Grenzen, was es mir nicht gerade leicht macht, herauszufinden, was ihr gern lest und was nicht. Von daher wären Reviews oder Favoriteneinträge wirklich super gern gesehen und echt hilfreich. ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -Pharao-Atemu-
2024-05-11T19:20:18+00:00 Gestern 21:20
Naaaa endlich Zero!
Halleluja hat ja nur einige Jahre gedauert....
Das Kapitel ist wie Zuckerwatte flauschig und süß
Von:  -Pharao-Atemu-
2024-05-10T16:05:09+00:00 10.05.2024 18:05
Für so etwas, ist man nie zu alt.
Da liegt zero völlig falsch.
Von:  -Pharao-Atemu-
2024-05-09T20:27:12+00:00 09.05.2024 22:27
Armer Zero XD
Einfach so an einem Herzschaden elendig zu grunde gegangen, weil sein Freund kuscheln wollte. XD
Von:  -Pharao-Atemu-
2024-05-09T19:37:23+00:00 09.05.2024 21:37
Tjaaa, was soll das nur werden.
Zerso du Lügenbaron, jetzt haste den Salat... äh den Karyu in der Wohnung. Ohne Kekse....
Also nein. XD
Antwort von:  yamimaru
09.05.2024 22:05
Hehe ja, nicht nachgedacht, würde ich sagen. XD
Danke dir für deinen Kommentar. ^^
Von:  MarryDeLioncourt
2022-01-04T09:55:54+00:00 04.01.2022 10:55
Hallöchen.
Bisher sehe süß und amüsant. Das erinnert mich btw auch immer daran, wenn ich von meinen Eltern wieder nach Hause fahre. Ich glaube das haben wohl viele Eltern gemein, dass sie denken, wir verhungern ohne sie, egal wie alt wir sind😂.
Und ein zitroniger Abschluss, wie du es so schön nennst, würde diese kleine winterlovestory wohl den letzten Schliff geben, 😁.
Liebe Grüße und dir auch ein gutes neues Jahr
Antwort von:  yamimaru
05.01.2022 19:41
Hey,
wie lieb von dir, dass du die Geschichte gelesen hast und mir sogar Feedback dalässt.
Das freut mich riesig, gerade wo Rückmeldungen im Moment wieder ziemlich rar gesät sind,
Aber egal, die Hauptsache ist, dir hat die Geschichte bislang gefallen. ;)
Ich glaube, die Elternfraktion wird immer Angst haben, dass die Kinderchen verhungern, egal wie ald besagte Kinderchen werden. XD Aber gut zu wissen, dass es dir da genauso geht. Bei mir war dafür früher immer meine Oma verantwortlich. ;D
Schön, dass du auch einen zitronigen Abschluss dieser kleinen Geschichte lesen würdest. Das behalte ich definitiv im Hinterkopf. ^__^
Dann hoffentlich bis bald und alles Liebe <3
Yami


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